Kapellenkreuzweg Kloster Altstadt
Das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld (Abkürzung: KKG – nicht zu verwechseln mit dem ebenso abgekürzten Kernkraftwerk Gösgen in der Schweiz) liegt südlich von Schweinfurt beim unterfränkischen Grafenrheinfeld am linken Mainufer. Baubeginn war 1974 durch die Bayernwerk AG, die Inbetriebnahme erfolgte am 9. Dezember 1981. Es handelt sich um einen Druckwasserreaktor der dritten Generation (so genannte Vor-Konvoi-Anlage) mit einer elektrischen Bruttoleistung von 1345 Megawatt. Die jährliche Stromproduktion beläuft sich durchschnittlich auf über zehn Milliarden Kilowattstunden. Betreiber ist die E.ON Kernkraft GmbH mit Sitz in Hannover. Das Kernkraftwerk hat zwei Kühltürme mit einer Höhe von 143 Metern, die weithin sichtbar sind. Am Kernkraftwerk befindet sich ein Informationszentrum. Ein am Standort neu erbautes Zwischenlager für abgebrannte Kernbrennelemente ging am 1. März 2006 in Betrieb.
Sicherheit
Die Planung, der Bau und der Betrieb des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld unterlagen und unterliegen wie alle kerntechnischen Anlagen in Deutschland strengsten Vorschriften, die weltweit zu den höchsten Sicherheitsstandards zählen. Die Reaktorsicherheitskommission (RSK) fasst alle sicherheitstechnischen Anforderungen, die bei der Auslegung, dem Bau und dem Betrieb eines Kernkraftwerks mit Druckwasserreaktor erfüllt werden sollen, in Leitlinien zusammen. Deren dritte Ausgabe vom 14. Oktober 1981 wurde zuletzt am 15. November 1996 berichtigt und ergänzt.[1]
Das nach westlichem Standard gebaute Kernkraftwerk ist mit mehreren aktiven und passiven Barrieren ausgestattet, die das Austreten von Radioaktivität auch bei schwersten Betriebsstörungen verhindern sollen. Zu einem Zwischenfall wie in Tschernobyl, das mit einem anderen Reaktortyp arbeitete, kann es nicht kommen.[2] Der kerntechnische Bereich und das Zwischenlager sind mit einer äußeren Umschließung, einem Sicherheitswall umgeben. Das gesamte Kraftwerksareal wird zusätzlich von einer Sicherungszaunanlage umschlossen.
Passives Sicherheitssystem
Die passiven Barrieren wirken durch ihre Konstruktion. Bei der ersten Barriere, im Reaktorkern gelegen, umschließen gasdichte Hüllrohre aus Metall den eigentlichen Kernbrennstoff, das Kristallgitter des Uranoxids. Als zweite Barriere dient der Reaktordruckbehälter, in dem sich die Brennelementen befinden und dessen Stahlwände eine Stärke von 25 Zentimetern haben. Dieser Behälter ist von der dritten Barriere, einer zwei Meter starken Betonkammer, umgeben, die Neutronen- und Gammastrahlung abschirmt. Die vierte Barriere besteht aus einem kugelförmigen Sicherheitsbehälter, der den gesamten nuklearen Teil des Kernkraftwerks umschließt. Dieser Behälter ist aus drei Zentimeter dicken Stahlplatten zusammengeschweißt. Das Volumen dieses Behälters ist so bemessen, dass er bei einem Störfall das radioaktive Kühlmittel in Dampfform aufnehmen kann. Die letzte Barriere, die einzige, die von außen sichtbar ist, ist die zwei Meter dicke Stahlbetonhülle, die den Zweck hat, das Kraftwerk vor äußeren Einflüssen zu schützen.[2]
Flugzeugabsturz
Die letzte Barriere des passiven Sicherheitssystems, die äußerlich sichtbare Stahlbetonhülle, ist für den Fall eines Flugzeugabsturzes ausgerichtet. Die deutschen Kernkraftwerke weisen in diesem Punkt unterschiedliche Standards auf. Bei älteren Anlagen ist die Wand des Reaktorgebäudes nur 60 Zentimeter dick und hält den Aufprall eines Sportfliegers stand. Andere ältere Anlagen haben Wandstärken von 80 bis 100 Zentimetern, die einen Starfighter standhalten können. 1981 trat eine Leitlinie der RSK für den Fall eines Absturzes eines Militärflugzeugs in Kraft.[3] Um den Aufprall eines solchen Flugzeugs, wie etwa einer Phantom, zu überstehen, werden Wandstärken von zwei Metern benötigt. Das Flugzeug entspricht einer Aufprallmasse von 20 Tonnen und hat eine im Tiefflug erreichbare Geschwindigkeit von 774 Kilometern pro Stunde. Derzeit besitzen die zehn neuesten Kernkraftwerke dieses höchste Sicherheitssystem. Hierzu zählt auch das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld, bei dem die Leitlinie bereits berücksichtigt wurde, obwohl Planung und Bau vor 1981 lagen.[3]
Wird bei einem Absturz eines größeren Flugzeuges die äußere Hülle zerstört, können auch die inneren Sicherheitsbarrieren nicht mehr standhalten. Es ist ist davon auszugehen, dass der Kühlkreislauf des Reaktors beschädigt wird und auch andere Sicherheitssysteme schwere Schäden erleiden. Bei großen Zerstörungen an den Rohrleitungen, am Reaktordruckbehälter oder im Kühlkreislauf könnten die Notkühlsysteme, selbst wenn sie noch funktionieren, nicht genügend Wasser einspeisen. Innerhalb von etwa einer Stunde würde bei diesem Katastrophenfall der Reaktorkern schmelzen. Bei diesem schlimmsten Szenario würden große Mengen radioaktiver Stoffe aus dem geschmolzenen Brennstoff in die Umwelt freigesetzt, da alle Barrieren und die Betonhülle zerstört wären.[3]
Aktives Sicherheitssystem
Hierzu zählen Sicherheitssysteme, die bei einem Störfall aktiv werden, den Reaktor abschalten und eine zuverlässige Kühlung durch Not- und Nachkühlsystem und Notstromanlagen gewährleisten. Diese mehrfach vorhandenen Sicherheitssysteme sind voneinander unabhängig und arbeiten räumlich getrennt. Fällt ein Sicherheitssystem aus, startet das nächste. Damit wird das Risiko weiter minimiert, indem technisch gleichartige Teile, die auch zur gleichen Zeit ausfallen können und dem gleichen Sicherheitszweck stehen, unterschiedlichen Einrichtungen dienen. Dies gilt besonders für die Not- und Nachkühlsysteme, durch die die Wärme in jedem Betriebszustand abgeführt wird. Durch einen eigenen Generator, den doppelten Anschluss an das Verbundnetz sowie mehrere Stromaggregate und große Batterieanlagen ist die kraftwerksinterne Stromversorgung gesichert. Alle aktiven Sicherheitsvorkehrungen werden durch das Reaktorschutzsystem geschaltet. Dieses überwacht und vergleicht laufend alle wichtigen Betriebskenngrößen der Anlage. Erreicht ein System den Grenzwert, löst das Sicherheitssystem unabhängig vom Bedienungspersonal automatisch Schutzmaßnahmen aus. Hierzu zählen die Reaktor-Schnellabschaltung und die Nachkühlung des Reaktors.[2]
Störfälle
Seit der Inbetriebnahme der Anlage im Jahr 1982 kam es nur vereinzelt zu Störfällen, die zu einer Abschaltung der Anlage führten oder die jährliche Revision über den Zeitplan hinaus verlängerten. Größere Störfälle in Kernkraftwerken werden in der International Nuclear Event Scale (INES), die unter der Kontrolle der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) steht, eingestuft, die sieben Stufen enthält. Die Stufen eins bis drei beziehen sich auf Betriebsstörungen. Von der Stufe vier an handelt es sich um einen Unfall. Das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld hat wie jede kerntechnische Anlage einen Sicherheitsbeauftragten, der für die gesetzlich vorgeschriebenen Überwachungen und die Meldung von Ereignissen, die vom normalen Betriebszustand abweichen, an die zuständigen Behörden verantwortlich ist. Diese Meldungen müssen unmittelbar beim Eintritt des Ereignisses durchgeführt werden. In Grafenrheinfeld kam es in den letzten Jahren zu mehreren kleineren Zwischenfällen, die als meldepflichtige Ereignisse nach der Strahlenschutzverordnung galten, aber alle unterhalb der niedrigsten Stufe der INES lagen.
Am 26. Juni 2000 kam es im Kernkraftwerk zu einem Zwischenfall, der in der INES mit der Stufe eins eingeordnet wurde. Bei der jährlichen Revision wurde festgestellt, dass fünf von acht Steuerventilen, die ein Jahr zuvor eingebaut worden waren, Mängel aufwiesen. Bei der Herstellung der Buchsen war es zu Verunreinigungen und durch Einwirkung der Luftfeuchtigkeit bei einem längeren Anlagenstillstand zur Korrosion an den Buchsen gekommen. Dies beeinträchtigte die Leichtgängigkeit der Ventilspindeln. Dieser Mangel wurde in die INES-Stufe 1 eingeordnet, da mehrere Komponenten in gleichartigen Einrichtungen mit gleichen Sicherheitsfunktionen davon betroffen waren.[4] Im selben Jahr, am 5. Juli 2000 kam es zu einem Brand im Kernkraftwerk, der den Motor einer Hauptkühlmittelpumpe, die in unmittelbarer Nähe des Reaktodruckgefäßes sitzt, beschädigte.[5][6]
Zwischenlager
Der Bundesgesetzgeber ordnete im Jahr 2000 mit dem neuen Atomgesetz an, dass auf dem Gelände der Kernkraftwerke ein Zwischenlager zu errichten ist, um die Zahl der Transporte radioaktiven Materials zu reduzieren. Damit entfallen die Castor-Transporte in die Wiederaufbereitungsanlagen von La Hague in Frankreich oder Sellafield in Großbritannien. Da das Kernkraftwerk keinen eigenen Gleisanschluss hat, wurden bisher die Castor-Behälter per Tieflader nach Gochsheim transportiert, um dort am Bahnhof in der Ortsmitte vom Tieflader auf den Zug verladen zu werden. Während des Verladezeitraums wurde der Bereich von der Polizei abgeriegelt. Bei diesen Verladungen fanden auch regelmäßig Demonstration statt, die aber immer friedlich abliefen.[7] Mit dem Zwischenlager entfallen diese Transporte in Zukunft.
Das Zwischenlager dient zur sicheren Lagerung der radioaktiven Materials bis zur Fertigstellung eines Endlagers in Deutschland durch den Bund. Die Bayernwerk AG beschloss am 23. Februar 2000 die Aufbewahrung von Brennelementen in Grafenrheinfeld, woraufhin insgesamt 44.500 Personen Einspruch gegen den Bau eines Zwischenlagers erhoben.[8] Da der Bau zum Zwischenlager ein Entscheid der Bundesregierung war, blieben die Einwände erfolglos. Die Genehmigung zum Bau des Zwischenlagers wurde am 12. Februar 2003 vom Bundesamt für Strahlenschutz (BFS) erteilt.[9] Im August 2003 erteilte schließlich das Landratsamt in Schweinfurt die Baugenehmigung.[10]
Das Zwischenlager, ein Brennelementbehälterlager (BELLA), wurde ab 2003 errichtet und am 26. Februar 2006 mit dem ersten Castor-Behälter bestückt.[11][12] Der Castor-Behälter war durch Mitarbeiter des Kernkraftwerks eine Woche vorher aus dem Nasslager genommen worden. Dort lagen die Brennelemente in den letzten fünf Jahren zum Abklingen, nachdem sie nach einer Revision ausgetauscht worden waren. Das Zwischenlager dient ausschließlich zur Aufbewahrung bestrahlter Brennelemente aus dem Kernkraftwerk Grafenrheinfeld. Auch leere, aber bereits benutzte Behälter, die mit radioaktiven Stoffen kontaminiert sein können, werden darin gelagert.[13] Im Kernkraftwerk sind seit der Inbetriebnahme etwa 522 Tonnen radioaktive und verseuchte Materalien angefallen, die vorher überwiegend mit Castor-Transporten in Wiederaufbereitungsanlagen im Ausland geschafft wurden.[14]
Das Zwischenlager befindet sich auf dem Gelände des Kernkraftwerks, etwa 70 Meter östlich des Reaktorgebäudes, und wird durch die äußere Umschließung in das Kraftwerksgelände eingebunden. Dieses ist durch eine Zaunanlage gesichert. Durch die Lage innerhalb des Kraftwerksgeländes sind die Transportwege sehr kurz, wobei keine öffentlichen Verkehrswege berührt werden. Das Zwischenlager wird unabhängig vom Kernkraftwerk betrieben. Infrastrukturelle Einrichtungen des Kernkraftwerkes, wie der Eingangsbereich sowie das Straßen- und Wegenetz werden allerdings mitbenutzt. Das Lagergebäude ist besonders widerstandsfähig gebaut und dient der Abschirmung sowie der Wärmeabfuhr. Durch diese Sicherheitsmaßnahmen ist die vom Gesetzgeber geforderte Schadensvorsorge durch die Kombination von Lagerhalle und Brennelementebehälter gewährleistet.[13]
Das Zwischenlager besteht aus einem Lagergebäude mit 85 Zentimeter dicken Stahlbeton-Außenwänden und enthält zwei Lagerbereiche mit 62 Meter Länge, 38 Meter Breite und 18 Meter Höhe. Das Dach ist 55 Zentimeter stark. Der Verladebereich an der Südseite des Lagergebäudes ist durch starke, bis zu 8,8 Meter hohe und 80 Zentimeter dicke Abschirmwände von den beiden Lagerbereichen abgegrenzt, die von dem Verladebereich aus zugänglich sind. Im Verladebereich befinden sich verschiedene Funktionsräume und die Behälterwartungsstation. Die Lagerbereiche sind durch eine 50 Zentimeter dicke Betonwand vollständig voneinander getrennt. Die Bodenplatten sind 40 Zentimeter dick und bestehen aus einer Stahlbetonschicht auf einem festen Unterbau. In den Lagerabteilungen befindet sich jeweils ein Brückenkran, mit dem die Behälter transportiert werden.[13]
Das Zwischenlager hat eine maximale Kapazität von 88 Castor-Behältern. Der Lagerbereich eins hat auf einer Fläche von 670 Quadratmetern 40 Stellplätze, die in fünf Doppelreihen zu jeweils acht angeordnet sind. Der zweite Lagerbereich ist 760 Quadratmeter groß und fasst 48 Castor-Behälter auf jeweils acht Stellplätzen in sechs Doppelreihen. Die Brennelemente werden maximal 40 Jahre im Zwischenlager gelagert und kommen anschließend in ein Endlager, voraussichtlich in den Salzstock von Gorleben. Die Betriebsgenehmigung für das Zwischenlager ist auf 40 Jahre begrenzt, bis dahin sollen alle Brennelemente in das Endlager gebracht worden sein.[13]
Im Kernkraftwerk Grafenrheinfeld werden ausschließlich Castor-Behälter des Typs V/19 genutzt, wobei die römische V für die fünf Jahre des Abklingens der Brennelemente im Nasslager und die 19 für die maximale Zahl von Brennelementen, die der Castor aufnehmen kann, stehen. Ein Behälter dieser Bauart wiegt unbeladen etwa 126 Tonnen und besteht aus etwa 40 Zentimeter dickem Gusseisen.[15] Der Zustand jedes Behälters im Zwischenlager wird kontinuierlich überwacht und protokoliert. Bei jeder jährlichen Revision fallen mehrere Castor-Behälter an, die nach der fünfjährigen Abklingzeit in das Zwischenlager transportiert werden.[15]
Film Die Wolke
Im vieldiskutierten Anti-Atomkraftroman Die Wolke von Gudrun Pausewang von 1987 ist ein fiktiver GAU im Kernkraftwerk Grafenrheinfeld, bei dem eine radioaktive Wolke freigesetzt wird, der Auslöser der Handlung. Die daraus resultierende Panik der Bevölkerung wird dramatisch anhand des Schicksals der 14-jährigen Janna-Berta geschildert. Im gleichnamigen Film, der 2006 unter der Regie von Gregor Schnitzler im Stile eines Katastrophenfilms entstand, wird dagegen ein fiktives Kernkraftwerk genannt.
Einzelnachweise
- ↑ RSK-Leitlinien für Druckwasserreaktoren (pdf-Datei – 0,3 MB)
- ↑ a b c Bayernwerk AG (Hrsg.): Kernkraftwerk Grafenrheinfeld. Seite 16–17. Siehe auch: Literatur.
- ↑ a b c Gefährdung deutscher Atomkraftwerke durch den Absturz von Verkehrsflugzeugen (pdf-Datei – 0,1 MB)
- ↑ AKW Grafenrheinfeld beim Anti-Atom-Lexikon
- ↑ Störfälle in Deutsche Kernkraftwerken – Stand: Juni 2006 (pdf-Datei – 0,9 MB)
- ↑ Meldepflichtige Ereignisse in Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen in der Bundesrepublik Deutschland – Jahresbericht 2000 (pdf-Datei – 0,5 MB)
- ↑ Pressebericht vom 19. Februar 2002
- ↑ Antragsschreiben der Bayernwerk AG (pdf-Datei – 0,5 MB)
- ↑ Genehmigung zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen im Standort-Zwischenlager in Grafenrheinfeld der E.ON Kernkraft GmbH (pdf-Datei – 0,7 MB)
- ↑ Anti-Atom-Lexikon – Aktuelle Nachrichten vom August 2003
- ↑ E.ON Kernkraft GmbH (Hrsg.): 25 Jahre Kernkraftwerk Grafenrheinfeld. Seite 20. Siehe auch: Literatur.
- ↑ Standort Grafenrheinfeld (Bayern) beim Bundesamt für Strahlenschutz (BSF)
- ↑ a b c d Kurzbeschreibung für das Brennelementbehälterlager Grafenrheinfeld – KKG BELLA (pdf-Datei 5,7 – MB)
- ↑ Atomkraftwerke in Deutschland bei der Greenpace
- ↑ a b EO.N Kernkraft GmbH (Hrsg.): Grafenrheinfeld – Informationen zum Kernkraftwerk. Seite 16. Siehe auch: Literatur.