Udo Proksch
Udo Proksch (* 29. Mai 1934 in Rostock; † 27. Juni 2001 in Graz) war ein deutscher Designer, Unternehmer und Netzwerker. Als Drahtzieher des "Falls Lucona" war er wegen sechsfachen Mordes bis zu seinem Lebensende inhaftiert.
Leben
Proksch war ein Enfant terrible der österreichischen Gesellschaft, ab 1974 Besitzer der berühmten k. u. k. Hofzuckerbäckerei Demel und Gründer des Club 45, einer Seilschaft mit maßgeblichen Politikern (v. a. SPÖ), die nach dem Vorbild der italienischen P2 zur Erlangung von Machtpositionen errichtet wurde. Prokschs Eltern Rudolf und Anna Elisabeth waren – auch nach dem Zweiten Weltkrieg – überzeugte Nationalsozialisten, Udo besuchte bis 1945 die NAPOLA-Schule nahe Bischofshofen. Später sah er sich als apolitisch, dennoch erklärte er, die Bourgeoisie zu hassen, obwohl er sich quer durch die europäische Oberschicht liierte und heiratete (seine erste Ehefrau war Daphne Wagner, eine Urenkelin Richard Wagners). Proksch studierte einige Semester auf der Akademie für Angewandte Kunst und betrieb ein Designstudio (u. a. für Brillen). Ab 1972 scheint er unter Serge Kirchhofer als Einzelprokurist bei Demel auf. Zu seinen "Ideen" gehörte etwa der „Verein der Senkrechtbegrabenen“, der Tote in Plastikröhren einschweißen und senkrecht in die Erde stellen wollte – Ziel: Plastikindustrie ankurbeln, Platzmangel auf Friedhöfen lösen – Mitglieder u. a.: Helmut Zilk, Prokschs zweite Ehefrau Erika Pluhar und Helmut Qualtinger (ein weiterer Trinkfreund Prokschs war übrigens Oskar Werner). Eine andere „Idee“ gegen die Langeweile sah ein Sperrgebiet vor, in dem Männer mit echten Waffen und scharfer Munition Krieg „spielen“ können sollten – quasi ein kontrolliertes "Ausleben" des unausrottbaren Tötungstriebes im Mann. Durch seine guten Verbindungen zu Verteidigungsminister Karl Lütgendorf soll es ihm sogar einmal möglich gewesen sein, mit einem Kampfflugzeug über Wien zu fliegen.
Proksch führte auf dem Truppenübungsplatz Hochfilzen in Tirol wiederholt Sprengübungen unter der Aufsicht von Major Hans Edelmaier durch; hier kam er in den Besitz von Sprengstoff aus Beständen des österreichischen Bundesheeres. 1977 charterte er den Frachter Lucona, um angeblich eine auf 212 Millionen Schilling (15,4 Millionen Euro) versicherte Uranerzmühle zu verschiffen. Die Lucona sank im Indischen Ozean nach einer Explosion, bei der sechs Menschen starben. Die Bundesländer-Versicherung zahlte die Versicherungssumme nicht aus, da sie vermutete, die Lucona habe nur Schrott geladen gehabt. Dies wurde durch den Umstand erhärtet, dass bisher niemals eine Uranerzanlage in Betrieb gewesen ist. Wegen Prokschs hervorragender Beziehungen in die höchsten Kreise der Politik unternahmen die Ermittlungsbehörden lange Zeit nichts, um den Vorwürfen auf den Grund zu gehen. Erst am 15. Februar 1985 wurden Proksch und Hans Peter Daimler wegen Betrugsverdachts verhaftet, aber schon am 28. Februar wieder auf freien Fuß gesetzt.
Durch die Aufdeckungsarbeit des Journalisten Hans Pretterebner, dessen Buch Der Fall Lucona im Dezember 1987 erschien, und Prokschs anschließende Flucht Anfang 1988 begann die Aufarbeitung des Lucona-Skandals, der in Österreich als „Jahrhundertskandal“ gilt. Er führte unter anderem zum Rücktritt des Nationalratspräsidenten Leopold Gratz und des Innenministers Karl Blecha, weil sie Prokschs Freilassung aus der Untersuchungshaft bewirkt hatten. Proksch wurde nach einer Flucht nach Asien (inkl. Gesichtsoperation in Manila) und durch halb Europa im Oktober 1989 (unter dem Namen Alfred Semrad) in London verhaftet. Ein Tiefseetauchteam mit Roboter entdeckte schließlich das Wrack auf dem Meeresgrund, die Aufnahmen der Explosionsstelle bestätigten die Vorwürfe der Anklage.
In diesen Ermittlungen stellte sich auch heraus, dass die angebliche Uranerzaufbereitungsanlage eine große Kunststoffextruderanlage zur Ummantelung von Fernwärmerohren war. Diese erste und einzigartige Anlage konstruierte und baute die Firma Cincinnati Milacron, Wien 14, um Fernwärme auch am österreichischen Markt zu platzieren. Sie wurde jedoch nie in Betrieb genommen, da die Stadt Wien keinen Bedarf an Fernwärme sah. Udo Proksch wusste von der Anlage, da er seinerzeit für die Herstellerfirma gearbeitet hatte, und erwarb sie acht Jahre nach der Erstellung zum Schrottwert.
Nach einem der längsten Prozesse der Zweiten Republik wurde er im Jahre 1992 wegen sechsfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Er starb in der Haft nach einer misslungenen Herztransplantation.
Udo Proksch in der Kunst
- 1993 erschien der Film Der Fall Lucona, in dem Proksch, umbenannt in Rudi Waltz, von David Suchet gespielt wird.
- 2004 wird das Musical Udo 77 von der Wiener Künstlergruppe monochrom aufgeführt.
Literatur
- Hans Pretterebner: Der Fall Lucona. Droemer Knaur, 1989, ISBN 3426040158
- Fayez Chlache: Hauptquartier Demel : im Auftrag Herr Udo Wien 1990, ISBN 39500000
- Ein Staat braucht einen Mörder. Udo Proksch und die Lucona- Obsession von Helmut Schödel Verlag: Kiepenheuer & Witsch (1998), ISBN 3462027115
Siehe auch
Anschlag auf die „Mosel“ Ähnlicher Sprengstoffanschlag mit Versicherungsbetrugsversuch mit dem Schiff Mosel im Jahre 1875
Weblinks
Personendaten | |
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NAME | Proksch, Udo |
KURZBESCHREIBUNG | Geschäftsmann, Krimineller |
GEBURTSDATUM | 29. Mai 1934 |
GEBURTSORT | Rostock, Deutschland |
STERBEDATUM | 27. Juni 2001 |
STERBEORT | Graz, Österreich |