Berlin-Frage


Als Berlin-Frage bezeichnete man von 1945 bis 1990 das Problem mit dem umstrittenen Status der besetzten und später geteilten Stadt Berlin im besiegten und geteilten Deutschland.
Seit der Deutschen Wiedervereinigung 1990 ist die Berlin-Frage in diesem Sinne als gegenstandslos anzusehen.
Dimensionen
Die Berlin-Frage läßt sich grob in fünf Dimensionen unterteilen:
- eine innenpolitische Dimension aus Sicht der beiden deutschen Teilstaaten (Bundesrepublik Deutschland und DDR), die um eine möglichst weitreichende Integration Berlins oder zumindest „ihres“ Stadtteils bemüht waren;
- eine außenpolitische Dimension aus Sicht der Siegermächte im Zweiten Weltkrieg (USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich), die ihren Einfluss in Berlin sichern wollten; damit zusammenhängend
- eine geostrategische Dimension, die sich aus der „Insellage“ Berlins in der Sowjetischen Besatzungszone ergab und während des Kalten Krieges eine besondere Bedeutung erlangte;
- eine staats- und völkerrechtliche Dimension bezüglich des Rechtsstatus Berlins und seines rechtlichen Verhältnisses zu den beiden deutschen Teilstaaten; und nicht zuletzt
- eine humanitäre Dimension, weil die Teilung der Stadt die Bevölkerung auseinanderriss und menschliche Tragödien schuf.
Historische Entwicklung
Wichtige Abschnitte im Umgang mit der Berlin-Frage waren durch folgende Ereignisse und Vorgänge gekennzeichnet:
- die Jalta-Konferenz 1945, auf der die Siegermächte Deutschland in vier Besatzungszonen und Berlin in vier Sektoren aufteilten;
- die Berlin-Blockade 1948/49, während der die Sowjetunion die Versorgung der Westsektoren blockierte, was zur Bildung der Berliner Luftbrücke führte;
- die Berlin-Krise Ende der 1950er Jahre, als die Sowjetunion mit einem Ultimatum den Rückzug der Westmächte aus West-Berlin forderte;
- den Bau der Berliner Mauer 1961, der zur physischen Teilung der Stadt führte;
- die folgende Entspannung mit dem Viermächteabkommen 1971, das den zukünftigen Status Berlins klären sollte;
- die schleichende Gewöhnung aller Beteiligten an den Status quo im Laufe der 1970er und 1980er Jahre bis hin zum
- Fall der Berliner Mauer 1989 und die endgültige Lösung der Berlin-Frage im Zuge der Deutschen Wiedervereinigung 1990.
Interessenlagen
Bundesrepublik Deutschland
Die Bundesrepublik Deutschland wie auch der Senat von Berlin (West) hielten stets am Ziel der Deutschen Wiedervereinigung fest und betrachteten die Besatzung und Teilung Deutschlands und Berlins als nur vorübergehendes Kapitel der Geschichte. Solange die Wiedervereinigung jedoch politisch unrealistisch erschien, war man bemüht, zumindest die Bindungen zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin so eng wie möglich zu festigen und ein Abdriften West-Berlins in den Einflussbereich der Sowjetunion zu verhindern. Dies führte unter anderem zu einer großzügigen Subventionierung West-Berlins durch die Bundesrepublik, beispielsweise durch die Berlinzulage. Zudem machte Bonn sich für Reiseerleichterungen für West-Berliner Bürger stark, die Verwandtenbesuche nach Ost-Berlin oder in die DDR tätigen oder nach Westdeutschland reisen wollten.
„Berlin (West)“ wurde von der Bundesrepublik als Bundesland betrachtet und politisch und wirtschaftlich so eng wie möglich eingebunden, auch wenn eine vollständige rechtliche Integration am Vorbehalt der Siegermächte scheiterte.
Die Bezeichnung „West-Berlin“ war allgemein üblich, aber im amtlichen Sprachgebrauch - insbesondere in der Schreibweise „Westberlin“ - verpönt. Stattdessen wurde stets „Berlin (West)“ oder kurz „Berlin“ geschrieben, während der Ostteil der Stadt „Ost-Berlin“ genannt werden durfte. Man wollte dadurch einer sprachlichen Entwicklung entgegenwirken, die den Eindruck erzeugen könnte, bei den beiden Stadthälften handele es sich um eigenständige Städte, was dem Gedanken der Wiedervereinigung abträglich gewesen wäre.
DDR
Die DDR hingegen nahm im Laufe der 1950er Jahre von ihrem Ziel einer Wiedervereinigung unter sozialistischem Vorzeichen Abstand und war bemüht, die Teilung Deutschlands und Berlins zu zementieren. Diese Bestrebungen gipfelten im Bau der Berliner Mauer 1961. Die von der DDR als lästiger Fremdkörper im eigenen Staatsgebiet empfundene „Insel“ West-Berlin, die zunehmend als Schlupfloch für DDR-Flüchtlinge diente, sollte abgeschottet werden. Während die DDR-Regierung Ost-Berlin widerrechtlich, aber von den Besatzungsmächten geduldet zur „Hauptstadt der DDR“ erklärte, bestand sie stets darauf, dass die „Selbständige politische Einheit Westberlin“ kein Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland sei.
Im DDR-Sprachgebrauch wurde also der Ostteil „Berlin, Hauptstadt der DDR“ oder kurz „Berlin“ genannt, während der Westteil „Selbständige politische Einheit Westberlin“ oder einfach „Westberlin“ hieß, immer zusammen ohne Bindestrich. Es sollte so der politisch erwünschte Eindruck von einem „eigentlichen“ Berlin im Osten und einem fremdartigen Gebilde westlich davon erzeugt werden.
Westmächte
Die Westmächte USA, Großbritannien und Frankreich betrachteten sich als Schutzmächte der Freiheit West-Berlins. Ihr Ziel war es, ihren Einflussbereich in Berlin zu sichern und eine Vereinnahmung West-Berlins durch die Sowjetunion zu verhindern. Das hatte nicht nur humanitäre Gründe. Für die Westmächte, insbesondere für die USA, fungierte West-Berlin während des Kalten Krieges als wichtiger Außenposten innerhalb des Ostblocks, der sich auch hervorragend für Spionagezwecke eignete.
Sowjetunion
Genau diese Funktion als Außenposten des Westens war der Sowjetunion ein Dorn im Auge. Bis zur Entspannung der Lage in den 1960er Jahren versuchte Moskau, die Westmächte aus Berlin zu vertreiben und die gesamte Stadt seinem Einflussbereich einzuverleiben, unter anderem durch die Berlin-Blockade 1948/49 und das Ultimatum 1958, das zur Berlin-Krise führte. Später akzeptierte man die Präsenz der Westmächte notgedrungen, bestand jedoch genau wie die DDR stets darauf, dass West-Berlin ein eigenständiges politisches Gebilde sei, kein Teil der Bundesrepublik Deutschland.