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The Bell Curve

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The Bell Curve: Intelligence and Class Structure in American Life ist ein kontrovers diskutiertes Werk der beiden Harvard-Professoren Charles Murray und Richard Herrnstein.

Es behandelt die Beziehungen zwischen sozioökonomischer Klasse, Intelligenz und dem Faktor Erbgut. Die Autoren stellen in ihrem Werk heraus, dass Zugehörigkeiten zu sozioökonomischen Klassen auffallend stark mit der Intelligenz zusammenhängen. So beschreiben sie, dass beispielsweise weiße Amerikaner, welche in Intelligenztests einen Wert erzielen, der zu den untersten fünf Prozent gehört, mit einer 15-mal höheren Wahrscheinlichkeit in der Kategorie „arm“ anzusiedeln sind, als solche, welche bei den Tests in die oberen 5% gelangten.

Im Laufe des Buches werden mehrere solcher Beispiele, nur mit anderen Bezügen (z.B. Intelligenz und Arbeitslosigkeit oder auch Intelligenz und Erziehung) angeführt, mit dem Ziel, zu zeigen, wie sich Intelligenz (oder ihr Nichtvorhandensein) in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft auf die Lebensverhältnisse auswirkt.

Folgende Tabelle zeigt Zusammenhänge zwischen IQ und sozioökonomischen Faktoren (laut Herrnstein und Murray). Zu beachten ist, dass es sich hier nicht um eine tatsächliche Stichprobe, sondern um eine so genanntes utopisches, mit statistischen Mittel erzeugtes Sample handelt.

Zusammenhang zwischen IQ und sozioökonomischen Faktoren in einem "utopischen" Sample
IQ <75 75–90 90–110 110–125 >125
Durchschnitt: Anzahl Ausbildungsjahre 11.4 (10.9) 12.3 (11.9) 13.4 (13.2) 15.2 (15.0) 16.5 (16.5)
Prozentsatz mit mindestens dem Abschluss "Bachelor" 1 (1) 4 (3) 19 (16) 57 (50) 80 (77)
Durchschnitt: Anzahl Wochen im Jahr, die die Person arbeitet 35.8 (30.7) 39.0 (36.5) 43.0 (41.8) 45.1 (45.2) 45.6 (45.4)
Durchschnitt: Einkommemn 11,000 (7,500) 16,000 (13,000) 23,000 (21,000) 27,000 (27,000) 38,000 (36,000)
Prozensatz mit Partner, welcher Erwerbstätig ist 30 (27) 38 (39) 53 (54) 61 (59) 58 (58)
Durchschnitt: Familieneinkommen 17,000 (12,000) 25,000 (23,400) 37,750 (37,000) 47,200 (45,000) 53,700 (53,000)
Prozentsatz unehelich geborener Kinder 49 (50) 33 (32) 14 (14) 6 (6) 3 (5)
Durchschnittliche Kinderzahl 2.1 (2.3) 1.7 (1.9) 1.4 (1.6) 1.3 (1.4) 1.0 (1.0)
Alter der Mutter bei der Geburt des ersten Kindes 24.4 (22.8) 24.5 (23.7) 26.0 (25.2) 27.4 (27.1) 29.0 (28.5)
Werte in einem utopischen und einem vollen Sample. Einkommen ist in US-Dollar angegeben[1]

Diese Forschungsergebnisse sind nicht unwidersprochen geblieben. So analysierte Jay Zagorsky vom Center for Human Resource Research der Ohio State University die gleichen Daten und kam zu dem Ergebnis, dass es keinen Zusammenhang zwischen IQ und finanziellen Erfolgen gebe. Er fasste seine Ergebnisse mit "Your IQ has really no relationship to your wealth. And being very smart does not protect you from getting into financial difficulty" zusammen. [2]. Auch wurden die Erhebungsmethoden der NLSY kritisiert (zum Beispiel von Stephen Jay Gould in der Erweiterung seines Buches The Mismeasure of Man). So wurde bei der Erhebung der Kinderzahl einer Person nicht nach den Kindern, welche diese Person jemals geboren hatte gefragt, sondern lediglich nach den Kindern im Haushalt. Kinder, welche nicht im Haushalt wohnten, wurden nicht erfasst. Auch wurde nicht nach dem Alter der Mutter bei der Geburt des ersten Kindes gefragt, sondern nach dem Alter der Mutter bei der Geburt des ältesten Kindes, welches noch im Haushalt lebte. Auch gab es Probleme mit Personen, welche einen Bildungsabschluss im Ausland erwarben. Diese wurden nicht in richtiger Art und Weise an gerechnet. So wird bei anderen Untersuchungen (wie zum Beispiel PISA) der deutsche Meisterbrief als Bachelor gerechnet. Bei dieser Untersuchung aber nicht. Auch das deutsche Vordiplom gilt nicht als Bachelor, sondern als abgebrochenes Studium. Auch dies wird in anderen Studien anderws gehandhabt. Es kann dadurch zu Verzerrungen kommen und zwar sowohl bei der Emittlung des Schulabschlusses der Eltern und somit der Herkunftsschicht als auch bei der Ermittliung der Bildungsleistungen der Studienteilnehmer selbst. Zwar ging es in der Studie um Leute, welche in den USA geboren wurden und aufwuchsen, doch Leute, welche nach dem Erreichen des Erwachsenenalters eine Zeit lang im Ausland lebten (und dort möglicherweise Bildungstitel erwarben) wurden nicht aus der Studie ausgeschlossen. Nach Meinung von Stephen Jay Gould ein schwerer methodischer Fahler.

Herrnstein und Murray stellen im Zuge der Beschreibung des Faktors Erbgut verschiedene Thesen auf. Unter anderem, dass die Intelligenz maßgeblich genetisch bedingt sei, aber auch, dass unterschiedliche Ethnien auch unterschiedliche Intelligenzlevel haben, oder wie sie es auch bezeichnen, qualitative Unterschiede der kognitiven Fähigkeiten auszumachen seien.

Das Werk dreht sich um diese verschiedenen Dimensionen der Intelligenz: ihr genetischer Faktor, ihr unterschiedliches Level in den Ethnien, ihre gesellschaftlichen Auswirkungen und besonders deren Verbindungen zueinander. Aus dem Zusammenspiel dieser Verbindungen konstruieren die Autoren eine der zentralen Thesen des Werkes: Im Zuge von Intelligenztests ergab sich, dass schwarze Amerikaner durchschnittlich einen um etwa 15 Punkte niedrigeren IQ als weiße haben. Diese Unterlegenheit führen Herrnstein und Murray auf deren Gene zurück. Zudem seien diese Personen aufgrund aller Auswirkungen, die Intelligenz auf einen Menschen hat, in einem Kreislauf befangen, den sie nicht durchbrechen könnten, weil das Intelligenzniveau zum Beispiel durch Schulbildung nur unwesentlich erhöht werden könne. Die Autoren stellen sie als verloren dar. Der in Afrika greborene IntelligenzforscherJohn Ogbu kritisierte die Meinung, dass diese Unterschiede in Intelligenztest eine genetische Basis hätten. Auch von anderen Wissenschaftlern wurde die These kritisiert.


Rezeption und Kritik

Kritiker, wie Stephen Jay Gould, werfen den Autoren vor, einerseits statistische Fehler begangen zu haben, und besonders, die Auswirkung, die das kulturelle und gesellschaftliche Umfeld auf die Intelligenz eines Menschen hat, zu unterschätzen, um eine Diskussion um die amerikanische Gesellschaft rassistisch und klassistisch motiviert neu anzuheizen. John Ogbu warf Herrnstein und Murray Rassismus vor. Verstärkt wurden diese Vorwürfe, da die sehr konservative Bradley Foundation und der als rechts geltende Pioneer Fund ein bedeutender Finanzier dieses Buches waren. Murray erhielt als Folge der Diskussion und Kritik an The Bell Curve sogar Bombendrohungen.

Kritiker der Autoren beziehen sich oft auf Richard Lewontin. Laut Lewontin könnten die IQ-Unterschiede innerhalb einer Schicht zu einem gewissen Prozentsatz genetisch sein, doch dies würde nicht zur Folge haben, dass die Unterschiede zwischen zwei Schichten auch genetisch sein müssten. Lewontin versucht, dies mit einer Parabel zu verdeutlichen:

Man stelle sich vor, man habe einen Sack voll Weizenkörner. Man teile diesen Sack rein zufällig in zwei Hälften. Die eine Hälfte säe man auf einem fruchtbaren Boden, den man gut wässert und düngt. Die andere Hälfte werfe man auf einen kargen Acker. Wenn man nun das erste Feld betrachtet, wird einem auffallen, dass die Weizenähren verschieden groß sind. Man wird dies auf die Gene zurückführen können, denn die Umwelt war für alle Ähren gleich. Wenn man das zweite Feld betrachtet, wird man die Variation innerhalb des Feldes auch auf die Gene zurückführen können. Doch es wird auch auffällig sein, dass es große Unterschiede zwischen dem ersten Feld und dem zweiten Feld gibt. Auf dem ersten Feld sind die Unterschiede zu 100% genetisch, auf dem zweiten Feld sind die Unterschiede zu 100% genetisch, doch das heißt nicht, dass die Unterschiede von Feld 1 und Feld 2 auch genetisch sind.

Als Beweis für seine These nennt Lewontin Adoptionsstudien, zum Beispiel die von Skodak und Skeels und die Minnesota Transracial Adoption Study und verweist auf die Erfolge von Interventionsprogrammen (kompensatorische Erziehung).[3]

Siehe auch

Quellen

  1. Murray, C. (1998). Income Inequality and IQ. Washington: AEI Press.
  2. http://www.innovations-report.de/html/berichte/studien/bericht-83295.html
  3. Not in Our Genes: Biology, Ideology and Human Nature (mit Steven Rose und Leon J. Kamin) (1984)