Jungfrau
Jungfrau bezeichnet eine Frau vor ihrem ersten Geschlechtsverkehr. Ähnlich wie Maid ist es jedoch ursprünglich die Bezeichnung einer jungen ledigen (daher anzunehmendermaßen auch jungfräulichen) Frau schlechthin, zunächst von Adel, dann auch im Bürgertum. Daher abgeleitet ist „Jungfer“ als Anrede für weibliches Hauspersonal (z.B. eine Kammerjungfer). Männlicher Gegenbegriff zur „Jungfrau“ ist der Jüngling.
Nachbarbegriffe
Mädchen sind gesellschaftlich bis zu ihrem ersten Geschlechtsverkehr Jungfrauen. Der erste Geschlechtsverkehr einer Frau wird Defloration ("der Blüte berauben", deutsch Entjungferung) genannt.
Das Intaktsein des Hymens ist - entgegen der landläufigen Meinung - kein Anzeichen für oder gegen die Jungfräulichkeit, da es beim Geschlechtsverkehr nur selten reißt, aber auch bereits vorher beschädigt worden sein kann. Zudem gibt es auch Mädchen, die bereits ohne erkennbares Hymen zur Welt kommen.
Entsprechende Wörter für Männer sind in der deutschen Sprache nicht mehr gebräuchlich. Bis ins 19. Jahrhundert wurde mit dem Begriff Jüngling männliche Keuschheit (aber auch mangelnder Bartwuchs) beschrieben (anders: Junker). Ebenfalls selten geworden ist der Begriff Hagestolz, der ältere Junggesellen bezeichnet, nicht aber ihre sexuellen Erfahrungen. Jungfräulichkeit von Männern wird gelegentlich mit dem (mittlerweile) geschlechtsneutraleren englische Wort "virgin" bezeichnet (der Einfachheit halber, aber fälschlich).[1][2]
Bedeutung
Die Jungfräulichkeit hat in allen patriarchialischen Gesellschaften eine hohe Bedeutung. In der modernen westlichen Gesellschaft ändern sich diese Werte allerdings schnell, so auch der Schutz der Mädchen. "Jungfrau" bezeichnet nicht nur "junge Frau", sondern trennt Mädchen in Heiratsfähige und (noch) nicht Heiratsfähige, gemessen an ihrem Alter und ihrer Keuschheit.
Die Jungfräulichkeit einer Frau galt in vielen patriarchialischen Gesellschaften als Bedingung für ihre Heirat. In vielen Kulturen ist das noch heute so, zum Beispiel bei der arrangierten Heirat. Zur Prüfung der Jungfräulichkeit wurde gelegentlich vor der Eheschließung das Hymen der Frau auf seine Unversehrtheit, beziehungsweise das Laken des Bettes nach der Hochzeitsnacht auf Blutflecken überprüft. In manchen islamischen Ländern wird dieser Brauch noch heute gepflegt.
Um Selbstbefriedigung und Geschlechtsverkehr zu verhindern, wurde notfalls durch eine Infibulation die Keuschheit bewahrt, welche bis ins frühe 19. Jahrhundert noch betrieben wurde.
Als Alternative, und zur Bewahrung des Hymens, konnte aber Analverkehr betrieben werden, der die Jungfernhaut schonte; die griechische und römische Antike nutzten diese Praktiken ohne moralische Hindernisse, in den Schriftreligionen Judentum, Christentum und Islam wurde dies allerdings unter Strafe gestellt (Homosexualität war zusätzlich bestraft) und nur heimlich - als Umgehung des Keuschheitsgebotes - betrieben, was sich auf ein bis heute schwieriges moralisches Verhältnis zum Analverkehr auswirkt.
Die Reinheit sollte vor Dämonen oder bösen Geistern schützen, was zum Verbot der Homosexualität und pränuptalen (vorehelichen) Geschlechtsverkehrs führte. Im Christentum entstand als bewusste Enthaltsamkeit für Männer der Zölibat.
War eine ledige Frau bei der Ehe keine Jungfrau mehr, und dies bekannt, so konnte sie gezwungen werden, statt des Jungfrauenkranzes (aus Myrten) ohne oder zu ihrer Schande mit einem Kranz aus Stroh zum Altar geführt zu werden. So konnte jeder sehen, dass sie sich unzüchtig benommen hatte. Witwen trugen bei der Wiederverheiratung z.B. einen Orangenblütenkranz.
Bis ins 20. Jahrhundert war in Europa die Jungfräulichkeit der Frau vor der Ehe auch rechtlich geschützt: Männern, die ihre Verlobte deflorierten, sie dann aber nicht heirateten, drohte in Deutschland nach § 1300 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Zahlung eines so genannten Kranzgeldes. Einer unbescholtenen Verlobten sollte ein „Schmerzensgeld“ für die geminderten Chancen auf dem Heiratsmarkt infolge ihrer Defloration zugesprochen werden, weil sie wegen des Eheversprechens die Beiwohnung nur im Vertrauen auf die Eingehung der Ehe dem Verlobten gestattet hat. Im selben Maße, wie die gesellschaftliche Isolation abnahm (keine Möglichkeit mehr zu heiraten, Nachteile für alleinstehende Frauen, und der Ruf der Schande), die früher zum sozialen Abstieg der Frau geführt hatte, wurde dieser Schutz graduell reduziert und schließlich nicht mehr angewendet. Die letzten Urteile stammen aus den frühen siebziger Jahren und sprachen jeweils wenige hundert DM Schadensersatz zu. 1998 wurde der § 1300 BGB ersatzlos gestrichen.
Heutzutage wird Jungfräulichkeit, zumindest im westlichen Kulturkreis, bei Jugendlichen dagegen zum Teil als Schande angesehen, da es mit Unreife und übertriebenem Schamgefühl (abwertend: Verklemmtheit) assoziiert wird.
In anderen, insbesondere muslimischen, Kulturen wird der Jungfräulichkeit vor der Ehe nach wie vor ein hoher Stellenwert eingeräumt. Wurde dennoch unehelich Geschlechtsverkehr vollzogen, wird oft vor der Heirat eine Hymenalrekonstruktion durchgeführt. Dabei wird das Hymen wieder zusammengenäht und dem Ehemann somit die erhaltene Jungfräulichkeit vorgetäuscht.
In manchen Kulturen galt die Defloration als gefährlich für den Mann. Daher führte dies die Frau oft selbst mit Hilfe eines Deflorationsinstrumentes durch, oder ein alter Mann (häufig der Häuptling) führte diese aus.
Bedeutung in den Religionen
Babylon
In der babylonischen Kultur galt die Göttin Ischtar als eine Jungfrau und eine Hure zugleich. Die Tempelpriesterinnen galten als Jungfrauen, auch wenn sie schon mehrere Kinder hatten. Diese Kinder nannte man die Jungfrau-geborenen.
Griechenland und Rom
In vielen Religionen spielt die Jungfräulichkeit eine wichtige Rolle. Zum Beispiel sind in der griechischen Mythologie die Göttinnen Athene, Artemis und Hestia Jungfrauen. Der Gott Mithras ist nach der mithraistischen Überlieferung von einer Jungfrau geboren worden.
Die Jungfräulichkeit war in der römischen Antike (vgl. Vestalin) religiös geschützt und hoch bewertet.
Hinduismus
Auch der Hinduismus achtet die Jungfräulichkeit als hohen Wert, stellt ihre Verletzung aber nicht unter religiös motivierte Strafen wie Christentum und Islam.
Christentum
In vielen christlichen Kirchen wurde und wird gelehrt, dass Geschlechtsverkehr nur in der Ehe mit dem Ehepartner erlaubt ist. Außerdem gibt es das Glaubensdogma, wonach Maria, die Mutter Jesu, diesen ohne Beteiligung eines männlichen Sexualpartners durch den Heiligen Geist empfangen hat. Wegen der jungfräulichen Geburt von Jesus von Nazaret durch Maria wird diese auch die heilige Jungfrau genannt. Das Dogma der Jungfrauengeburt ist nicht zu verwechseln mit dem der Unbefleckten Empfängnis. Letzteres besagt, dass Maria unbefleckt, also ohne Erbsünde im Schoß ihrer Mutter Anna empfangen wurde.
Islam
Der Koran verbietet außerehelichen Geschlechtsverkehr in Sure 17, 32, aber islamische Gesellschaften kennen heutzutage durchaus das Scheiden einer Ehe und Wiederverheiraten, und erkennen an, dass bei einer Wiederverheiratung keine Jungfräulichkeit besteht. Der Unterschied zwischen biologischer und gesellschaftlicher Jungfräulichkeit kann bei muslimischen Bräuten zum Problem werden, wenn durch eine mangelnde Blutung in der Hochzeitsnacht, ausgelöst durch eine Verletzung des Jungfernhäutchens bei Selbstbefriedigung, Sport oder ähnlicher Bewegung, vorehelicher Geschlechtsverkehr angenommen wird, und im islamischen Verständnis die Ehe annulliert werden kann.
Siehe auch
Quellen
Literatur
Weblinks
- basisreligion.reliprojekt.de (Jungfernschaft)