Wirtschaftsethik
Wirtschaftsethik ist ein Teilbereich der Wirtschaftswissenschaft, der sich mit der Frage auseinandersetzt, wie sich ökonomisches Handeln mit moralischen Grundsätzen vereinbaren lässt.
Entstehung
Die Frage, inwieweit wirtschaftliche Entscheidungen ethischen Maßstäben genügen, wurde bereits von Adam Smith erörtert, der zu dem Schluss kam, in einer Marktwirtschaft könne die Summe egoistischer Einzelentscheidungen zu einer Verbesserung des Gesamtwohles beitragen.
Karl Homann und seine Schüler (insbesondere Andreas Suchanek und Ingo Pies) begründeten ihr Konzept einer Wirtschaftsethik auf der Analyse von Dilemmasituationen (s.a. Gefangenendilemma); das diese das zentrale Charakteristikum der modernen Gesellschaft darstellen. Zur Analyse bedienen sie sich dabei der ökonomischen Methode, wobei hier nun aber im Gegensatz zum traditionellen Verständnis nicht die Knappheit im Vordergrund steht, sondern Interaktionen (Homan et alt. gehen folglich nicht von der Möglichkeit einer technischen Lösung aus!). Ihrer Ansicht nach ist in einer modernen, arbeitsteiligen Welt der institutionalisierte Wettbewerb, d.h. der Wettbewerb unter Spielreglen, der Ansatzpunkt, um erwünschte Ziele zu realisieren.
Denkrichtungen
Heute fragt die Wirtschaftsethik etwa nach den Auswirkungen, die sich moralisch daraus ergeben, wenn Unternehmensführer ihren Shareholder Value, also den Unternehmenswert maximieren wollen. Einen wichitgen Teilbereich der Wirtschaftsethik bildet die Verkaufsethik. Aber auch Fragen nach der Corporate Governance, Probleme, die sich aus Informationsasymmetrie — etwa im Bereich des Insiderhandels ergeben — zählen zu den Untersuchungsfeldern der Wirtschaftsethik.
Im deutschsprachigen Raum unterscheidet man zwischen Wirtschaftsethik im allgemeinen Sinne und der Unternehmensethik, die sich mit den ethischen Aspekten der Fragen der Unternehmensführung befasst. Im englischsprachigen Raum wird "Business Ethics" seit längerem als Fach an Hochschulen gelehrt, wobei der Fokus mehr auf dem, was aus deutscher Sicht als Unternehmensethik bezeichnet wird, gelegt wird. Die Forschung ist eher anwendungsbezogen oder empirisch-deskriptiv.
Der Soziologe Niklas Luhmann äußerte den Verdacht, dass die Wirtschaftsethik "...zu der Sorte von Erscheinungen gehört wie auch die Staatsraison und die englische Küche, die in der Form eines Geheimnisses auftreten, weil sie geheimhalten müssen, daß sie gar nicht existieren."
In einer modernen Welt sind die Spielregeln (Rahmenbedingungen), der systematische Ort der Moral. Hingegen scheitert der Versuch, Moral durch Appelle zu implementieren systematisch daran, dass der Einzelne gezwungen ist, gegen seine Eigeninteressen zu handeln; es werden die empirischen Bedingungen nicht berücksichtigt und es besteht die Gefahr der unangemessenen Forderungen (normativistischer Fehlschluss). Daher müssen die Anreizwirkungen der Rahmenbedingung so gestaltet werden, dass individuelles Handeln von Akteuren zu einem gesellschaftlich erwünschten Zustand führt. Aufgabe der Ökonomik sei es daher, Institutionen so zu gestalten, dass die Anreizwirkungen so gesetzt werden, dass die Personen zum gegenseitigen Vorteil interagieren (Überwindung der Dilemmasituation). Eine prägnante Zusammenfassung liefern sie selbst: "Der systematische Ort der Moral in einer Marktwirtschaft ist die Rahmenordnung." bzw. "Die Effizienz in den Spielzügen, die Moral in den Spielregeln." (Homann, K./Blome-Drees, F., Wirtschaftsethik, 1992, S. 35)
Bedeutende deutschsprachige Vertreter und ihre Konzeptionen
Prominentester Kritiker dieser Haltung ist Peter Ulrich und sein Schüler Ulrich Thielemann. Er lehnt diesen Ansatz der Implementierung der Moral in der Rahmenordnung als Kategorienfehler ab, da man hierbei nicht von "Wirtschaftsethik" sprechen könne, da vor der Gestaltung der Rahmenordnung die Begründung einer normativ gehaltvollen Wirtschaftsethik erfolgen müsse. (Was soll überhaupt in die Rahmenordnung?). Er konstruiert darauf aufbauend seine Idee einer Integrativen Wirtschaftsethik, die auf der Diskursethik aufbaut. Er sieht dabei drei Hauptaufgaben: Die Ökonomismuskritik, die Sicherstellung des Primats der Politik vor der Ökonomik und die Erweiterung der ökonomischen Rationalität zum Konzept der Lebensdienlichkeit.
Weitere bedeutende Ansätze der Wirtschaftsethik im deutschsprachigen Raum stammen von Wieland sowie Steinmann und Löhr.
siehe auch: Kapitalismus, soziale Marktwirtschaft, Verkaufsethik, Christliche Soziallehre
Weblinks
- Deutsches Netzwerk Wirtschaftsethik
- Deutscher Server Wirtschaftsethik
- Überlegungen von Chancen zu einer fairen Weltwirtschaftsordnung
- Institut für Wirtschaftsethik, St. Gallen
- Wirtschaftsethik der Weltreligionen - Hinduismus und Buddhismus
Literatur
- Homann, Karl/Blome-Drees, Franz: Wirtschafts- und Unternehmensethik, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1992.
- Suchanek, Andreas: Ökonomische Ethik, Stuttgart: UTB, 2001.
- Homann, Karl/Suchanek, Andreas: Ökonomik. Eine Einführung, Tübingen: Mohr Siebeck, 2000.
- Korff, Wilhelm (Hrsg.): Handbuch der Wirtschaftsethik, 4 Bände, Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh, 1999.
- Steinmann, Horst/Löhr, Albert: Grundlagen der Unternehmensethik, 2. überarb. und erw. Aufl, Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 1994.
- Ulrich, Peter: Integrative Wirtschaftsethik – Grundlagen einer lebensdienlichen Ökonomie, 2., durchgesehene Auflage, Bern, Stuttgart, Wien: Paul Haupt, 1998.