Zum Inhalt springen

Spritzgießen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 16. Juli 2007 um 18:38 Uhr durch 194.107.24.10 (Diskussion) (Die Schnecke). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Spritzgießmaschine
Form
Spritzgussteil aus Kunststoff

Das Spritzgießen (oft umgangssprachlich auch als Spritzguss oder Spritzgussverfahren bezeichnet) ist ein Urformverfahren, welches hauptsächlich in der Kunststoffverarbeitung eingesetzt wird.
Mit diesem Verfahren lassen sich wirtschaftlich direkt verwendbare Formteile in großer Stückzahl herstellen. Dazu wird mit einer Spritzgießmaschine der jeweilige Werkstoff, beziehungsweise die Formmasse, in einer Spritzeinheit plastifiziert und in ein Spritzgießwerkzeug eingespritzt. Der Hohlraum, die Kavität, des Werkzeugs bestimmt die Form und die Oberflächenstruktur des fertigen Teils. Es sind heute Teile von wenigen Zehntel Gramm bis in den zweistelligen Kilogramm-Bereich herstellbar.
Mit dem Spritzgießen lassen sich Gegenstände mit hoher Genauigkeit, wie zum Beispiel für die Feinwerktechnik, und/oder Massenprodukte in kurzer Zeit herstellen. Dabei kann die Oberfläche des Bauteiles nahezu frei gewählt werden. Glatte Oberflächen für optische Anwendungen, Narbungen für berührungsfreundliche Bereiche, Muster und Gravuren lassen sich herstellen.
Das Spritzgussverfahren ist (fast nur) für größere Stückzahlen wirtschaftlich sinnvoll. Die Kosten für das Werkzeug machen einen großen Teil der notwendigen Investitionen aus. Selbst bei einfachen Werkzeugen ist die Schwelle der Wirtschaftlichkeit erst bei einigen tausend Teilen erreicht. Dafür können die Werkzeuge, abhängig von der verwendeten Formmasse, für die Herstellung von bis zu einigen Millionen Teilen verwendet werden.

Verfahren

Folgende spezielle Spritzgießverfahren werden angewandt

Eine Spritzgussmaschine besteht aus drei Baueinheiten und den Werkzeugen:

Die Plastifiziereinheit (Plastification unit)

Die Schnecke

Schneckenbelastungen
  • Torsion = Verdrehung(beim Dosieren)
  • Verschleiß (Durch Glasfasern, Gesteinsmehl)
  • Temperaturbelastung(Einzug = Kühlung;Düse = Heizung)
  • Korrosion (z.B. Flammhemmer oder korrosive Abbauprodukte)
Schneckenwerkstoff
  • ist aus Nitrierstahl mit σB = 1000 N/mm², wenn abrasive und korrosive Beanspruchungen nicht vorliegen
  • durchgehärteter Kaltarbeitsstahl bis ca. 80mm Schneckendurchmesser, darüber häufig steggepanzerte Schnecken
  • bei sehr hohen abrasiven Beanspruchungen auch PM-Stähle
  • sehr korrosive Polymere (z.B. PVDF, PFA..) werden auch mit Ni-Basis Legierungen verarbeitet
  • ist Oberflächengehärtet
  • kann PVD (z.B. Titannitrit) oder Hartmetallen (z.B. Vanadium-Carbid)beschichtet sein

Schneckenspiel: Zwischen Schnecke und Zylinder fließt die Formmasse und schmiert. Deshalb darf die Schnecke nur kurze Zeit „trocken“ laufen.

Schneckenwerkstoff
  • eingängige 3-Zonenschnecken mit Einzugs-, Kompressions- und Austragszone
  • Barriereschnecken meist zur Leistungsteigerung
  • kernprogressive PVC-Schnecken
Rückstromsperre

verhindert das Rückstömen der Schmelze aus dem Schneckenvorraum beim Einspritzen

  • Mehrflügelsperre
  • Kugelsperre für große Schneckendurchmesser, bzw. bei leichtfließenden Kunststoffen

Der Plastifizierzylinder

Belastungen wie bei der Schnecke, jedoch fast keine Torsion

Werkstoff: Für unkritische Anwendungen aus Nitrierstahl, häufig jedoch geschleuderte Bimetallzylinder

  • Der Plastifizierzylinder ist härter als die Schnecke, da:
  • Die Schnecke leichter zu wechseln ist
  • Der Plastifizierzylinder die teurere Komponente ist
  • Ungleich harte Werkstoffe neigen weniger zum Kaltverschweißen(Fressen)

Der Einfülltrichter

Anforderungen
  • Absperrbar durch einen Schieber
  • Entleerbar
  • Füllstandsanzeige
  • Evtl. Metallabscheider(Magnet) mit Sieb
  • Evtl. Aufnahmen für Farbmisch- und Dosiergeräte
Trichter Arten
  • Für Pulverige Formmassen (rieseln schlecht)
  • Trichter mit elektromagnetischen Vibratoren
  • Trichter mit Rührwerk
  • Für Luftfeuchtigkeitsaufnehmende Kunststoffe (z.B. PC, PA, PET)
  • Heizbarer Trichter
  • Direkt vom Thermolift in die Plastifiziereinheit fördern
  • Direkte Montage des Trockners auf der Maschine
  • Für nicht rieselfähige Formmassen
  • Trichter mit Stopfvorrichtung

Heizung

  • Dient zur Unterstützung des Aufschmelzens der Formmassen
  • mit Heizbändern für Thermoplaste
  • mit Flüssigkeitstemperierung für vernetzbare Kunststoffe

Kühlung

  • Im Einzugsbereich mit Wasser, um Propfen- oder Brückenbildung zu Vermeiden
  • Über den Gesamten Zylinder mit Luft, um die Temperatur konstanter zu halten (selten)


Werkzeugentlüftung

Beim Füllvorgang muss die Schmelze die im Werkzeug befindliche Luft verdrängen können. Ist dies nicht der Fall so kann die eingeschlossene Luft eine vollständige Füllung des Werkzeuges verhindern. Darüber hinaus kann die Luft in Folge der Verdichtung so heiß werden, dass die umgebene Schmelze beschädigt wird (Dieseleffekt). Im weitern Verlauf kann auch das Werkezeug durch Korrosion und Abrasion /Abschabung, Abtragung durch den einströmenden Kunststoff)irreparabel geschädigt werden. Um diesen Dieseleffekt zu vermeiden muss das Werkzeug entlüftet werden. Man unterscheidet zwischen aktiver und passiver Entlüftung. Passive Entlüftung : Sie ist die gebräuchlichste Entlüftungsform. Hier entweicht die Luft an den Auswerferstiften oder an der Werkzeugtrennebene . Hier muss die Werkzeugtrennebene eine bestimmte Rauigkeit aufweisen. Aktive Entlüftung : Diese Art der Entlüftung wird bei extrem dünnflüssigen Kunststoffschmelzen verwendet. Mit Hilfe einer Vakuumanlage wird dem Werkzeug die Luft entzogen

Vorgänge im Plastifizierzylinder

Fördern der Formmassen bei Wandhaftenden Thermoplasten
  • Die Oberfläche der Schnecke hat eine kleinere Reibung als die Zylinderoberfläche, sonst dreht sich die Formmasse auf der Stelle.
  • Die Schnecke schabt das geschmolzene Material vom Zylinder, dabei wird es vermischt (homogenisiert). Zusätzlich wird noch Staudruck zum Homogenisieren benötigt.
  • Die Formmasse darf in der Einzugszone nicht aufschmelzen, sonst wird die Reibung am Zylinder kleiner und es entstehen Brücken (siehe oben). Deshalb wird der Tragkörper mit Wasser gekühlt.
  • Um die Reibung am Zylinder zusätzlich zu erhöhen verwendet man auch genutete Zylinder

Antrieb des Plastifizierzylinders

Der Plastifizierzylinder kann wie die Schließeinheit elektromechanisch oder hydraulisch angetrieben werden.

Schließeinheit (Clamping unit)

Hydraulische Schließeinheit

Sie besteht aus 2 Einheiten
  • der Formschlusshydraulik (Großer Weg / Kleine Kraft)
  • der Zuhaltehydraulik (Kleiner Weg / Große Kraft)
Kraftarten
  • Schließkraft - Schließt und Öffnet das Werkzeug
  • Zuhaltekraft - Kraft, die das Werkzeug gegen Einspritzen und Nachdrücken zuhält (= Hochdruck)

Gegenüberstellung Mechanische/ Hydraulische Schließeinheit

Vorteile der Hydraulik
  • Werkzeughöheneinstellung ist nicht nötig
  • Genauer einstellbare Drücke
Nachteile der Hydraulik
  • Sind lauter
  • Höherer Energiebedarf, da große Ölmengen bewegt werden Starke Erwärmung bei kurzen Zyklen
  • Leckageverluste

Elektromechanische Schließeinheit und Maschine

Vorteile
  • Ist leiser
  • Geringer Energiebedarf bei langen Zyklen
  • Schnellere Bewegungen
  • Kein Hydrauliköl (Ölwechsel)
Nachteile
  • Zuhaltekraft von Kugelgewindetrieben ist relativ begrenzt (Dieser vermeintliche Nachteil kann jedoch durch den Einsatz teurerer Rollengewindetriebe weitgehend eliminiert werden.)
  • Aufwendige und ungenaue Druckmessung
  • Teuerer in der Anschaffung
  • Teuerer Strom durch Stromspitzen beim anfahren

Verriegelungsarten der Schließeinheit

Mechanische Verriegelung mit Kniehebel (formschlüssig):

Das Werkzeug ist bei leicht abgeknicktem Kniehebel geschlossen. Der Restweg des Kniehebels erzeugt die Zuhaltekraft. Restweg = Holmdehnung

Hydromechanische Verriegelung (formschlüssig)
  1. Schließen des Werkzeugs mit dem Schließzylinder
  2. Verriegeln der Schließeinheit
  3. Aufbau der Zuhaltekraft mit dem Zuhaltezylinder

Dabei wir die Werzeugauftriebskraft über das Rohr des Schließzylinders von der Verriegelung aufgenommen. Damit reichen kleinere Schließzylinder für große Maschinen

Die Spritzeinheit (Injection unit)

Einspritzachse
  • kennzeichnend für Spritzeinheiten sind der elektrische Antrieb der Einspritzachse
  • bei der Einspritzbewegung wird die hohe Drehzahl des Servomotors mittels eines Gewindetriebes direkt und hochdynamisch in die lineare Bewegung umgesetzt
  • die Gewindespindeln sind mit einem speziellen Kühl-Schmier-System ausgestattet, das einen hohen Wirkungsgrad bei geringem Serviceaufwand und höchster Lebensdauer sichert.
Dosierachse
  • die rotatorische Dosierbewegung wird über eine Getriebestufe und einen Gewindetrieb mit einem hohen Drehmoment umgesetzt

Die Servomotoren der Einspritz- und Dosierachse sind flüssigkeitsgekühlt und mit einem Absolut-Wegmesssystem ausgestattet, so dass sich ein Referenzverfahren erübrigt.

Einspritzregelung

Die Schneckenbewegung ist kraft- und positionsgeregelt und damit hochdynamisch, genau und reproduzierbar. Durch die hohe Positioniergenauigkeit und die hochdynamische Beschleunigung in Verbindung mit der Lageregelung der Schneckenbewegung kann die Folgegenauigkeit bei den Spritzteilen positiv beeinflusst werden. Die Dosierbewegung ist drehzahl- und positionsgeregelt. Der elektrische Dosierantrieb wirkt sich in erster Linie positiv auf den Energieverbrauch aus.

Aufspannung von Werkzeugen

Die Aufspannung der Werkzeuge auf die Maschine erfolgt durch Verschraubung der Aufspannplatten des Werkzeugs an den Aufspannplatten der Maschine. Das Aufspannen der Spritzgießwerkzeuge geschieht überwiegend noch mit mechanischen Spannelementen z.B. Spannpratzen. Ebenso können zur Befestigung der Werkzeuge Schnellspanner verwendet werden (Spannzangen). Der Vorteil ist die Zeitersparnis beim Rüstvorgang und somit eine Kostenerparnis. Ein anderes Verfahren ist hier die Befestigung der Werkzeuge durch elektrische Magnete. Dieses Verfahren ist jedoch noch nicht sehr weit verbreitet.

Auswerfereinheit (Ejection unit)

Die Auswerfereinheit treibt die im Werkzeug integrierten Auswerfer an.

Das Werkzeug

In Bezug auf das Einspritzverfahren werden folgende Werkzeugarten unterschieden:

Der mechanische Aufbau des Werkzeuges, der in erster Linie der Entformbarkeit des Werkstückes und teilweise der besseren Ausnutzung der Spritzgiessmaschine angepasst ist, unterscheidet sich in:

  • Abstreiferwerkzeug
  • Schieberwerkzeug
  • Backenwerkzeug
  • Ausdrehwerkzeug
  • Dreiplattenwerkzeug
  • Fallkernwerkzeug
  • Etagenwerkzeug

Literatur

  • Friedrich Johannaber: Die Entwicklung des Spritzgießens. Kunststoffe 5/2005, S. 33 -42 (2005), ISSN 0023-5563


Vorlage:Link FA