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Waise (Reichskrone)

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Der Waise, oft auch als Weise bezeichnet, war der berühmteste und als völlig einzigartig empfundene Edelstein des deutschen Mittelalters. Er befand sich in der Reichskrone, dem wichtigsten Teil der Reichskleinodien des Heiligen Römischen Reiches.

Seit etwa 1200 wurde der Waise, als Leitstein und Inbegriff der Krone, auch in der deutschsprachigen Dichtung zum populären Symbol für die Reichsherrschaft. Dichter wie Walther von der Vogelweide und Otto von Botenlouben spielen auf ihn an, und die historisierende Abenteuererzählung über Herzog Ernst 'erfindet' eine Herkunft des wichtigen Reichssymbols. Der Naturkundler Albertus Magnus beschrieb um 1250 den Waisen edelsteinkundlich als einen Opal, der seine ehemalige Leuchtkraft eingebüßt habe. Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts wird der Waise nicht mehr erwähnt. Warum, ist nicht bekannt. Im allgemeinen wird angenommen, dass er verlorengegangen und die Lücke in der Krone durch einen anderen Stein gefüllt worden sei. Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass der Waise seine mythische Überhöhung als Leitstern aller Fürsten (Walther von der Vogelweide) verlor und seine Rolle in Vergessenheit geriet. So könnte er zu einem gewöhnlichen Edelstein geworden sein, als der er sich immer noch an der Krone befindet.

Auch über die tatsächliche Gestalt und Farbe sowie den genauen Anbringungsort an der Krone gibt es in den Quellen widersprüchliche Angaben.

Der Name

Erwähnungen des Waisen

Walther von der Vogelweide

Diu krône ist elter, danne der künic Philippes sî.
dâ mugent ir alle schouwen wol ein wunder bî,
wie si ime der smit sô ebne habe gemachet.
sîn keiserlîchez houbet zimt ir alsô wol,
daz sî ze rehte nieman guoter scheiden sol.
ir dewederz dâ daz ander niht enswachet.
Si liuhtent beide ein ander an,
daz edel gesteine wider den jungen süezen man.
die ougenweide sehent die fürsten gerne.
swer nû des rîches irre gê,
der schouwe, wem der weise ob sîme nacke stê:
der stein ist aller fürsten leitesterne.

Die Krone ist älter, als der König Philipp ist.
Daran könnt ihr alle gewiss ein Wunder erkennen,
wie sie ihm der Schmied so passend gemacht hat.
Sein kaiserliches Haupt passt so gut zu ihr,
dass sie von rechts wegen niemand Edler trennen soll.
Keines von beiden schwächt hier das andere
Sie strahlen beide einander an,
das edle Gestein gegen den jungen angenehmen (herrlichen) Mann.
Diese Augenweide sehen die Fürsten gerne.
Wer nun auch immer in Reichsfragen unschlüssig ist,
der achte darauf, wem der Waise über seinem Nacken steht:
der Stein ist aller Fürsten Leitstern.

Anbringung an der Krone

An der Stirnplatte?

An der Stirnplatte der Reichskrone fehlt ein großer Stein, der durch einen kleineren ersetzt wurde.

An der Nackenplatte?

Es wird von einigen angenommen, dass der Waise identisch ist mit dem Stein in der Mittelreihe der zweite von oben.

Wenn Walther von der Vogelweide also tatsächlich die heutige Reichskrone beschreibt und den großen Stein auf der Nackenplatte als den Waisen bezeichnet, ergibt sich die Frage, warum ausgerechnet der Stein angesprochen wurde, der über dem Nacken, nicht über der Stirn des Königs zu sehen war. Als Begründung könnte man anführen: „Die Fürsten sollen sich in der Zeremonie hinter dem König wie hinter einem Leitstern einreihen.“ ([1])

Hingegen soll genau dieser Stern an der Nackenplatte, ein Hyazinth, eine Ergänzung nach der Krönung Joseph II. im Jahre 1764 sein. Auf einem sehr detaillierten farbigen Stich von Johann Adam Delsenbach ist noch der Originalstein zu sehen.

Ist der Waise verlorengegangen?

Siehe auch

Literatur