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Kornmarkt (Frankfurt am Main)

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Vorlage:Infobox Frankfurter StraßeDer Kornmarkt und ihr seit der frühen Neuzeit als Buchgasse bezeichneter südlicher Abschnitt sind ein Straßenzug in der Altstadt von Frankfurt am Main. Während die Straße im mittelalterlichen Frankfurt eine der drei wichtigsten Nord-Süd-Hauptstraßen war, die zwei Stadttore und zwei große Kirchen miteinander verband, führt sie heute ein unscheinbares Dasein. Ihr städtebaulicher Zusammenhang ist durch Straßendurchbrüche, Kriegszerstörung und dem entstellenden „Wiederaufbau“ der 1950er Jahre weitgehend verloren gegangen.

Die heute recht geringe Bekanntheit der Straße steht in Widerspruch zu ihrer historischen Bedeutung, die ihr als Ursprungsort der Frankfurter Buchmesse, kurzzeitigem Tagungsort der Frankfurter Nationalversammlung und jahrhundertelangem Wohnsitz Frankfurter Patrizierfamilien zukommt.

Entstehung, Lage, Bedeutung

Verlauf des Kornmarkts in der Frankfurter Altstadt

Der Kornmarkt entstand nach der Stadterweiterung des 12. Jahrhunderts. Nach dem Bau der Staufenmauer wurde die sich vor allem am Main entlang erstreckende Stadt nach Norden, also landeinwärts erweitert und verdoppelte dadurch ihre ummauerte Fläche. Zu den bisherigen in Ost-West-Richtung verlaufenden Hauptstraßen wie der Alten Mainzer Gasse, der Saalgasse oder dem Markt traten nun drei neue Hauptstraßen, die die neuen Stadtteile mit den bisherigen verbanden, eine weitere Funktion war die Aufnahme des Verkehrs zwischen den beiden neuen landseitigen Stadttoren und den bestehenden, zum Hafen am Mainufer führenden Toren:

  • Als östliche der drei parallelen Hauptstraßen führte die Fahrgasse von der Bornheimer Pforte (in der Nähe der heutigen Konstablerwache) zur Mainbrücke, die durch einen Brückenturm gesichert war. Die Fahrgasse wurde aufgrund ihrer überregionalen Verkehrsbedeutung (einziger Mainübergang zwischen Mainz und Aschaffenburg zur wichtigsten Hauptverkehrsstraße Frankfurts.
  • Die mittlere Verbindung, die Neue Kräme, nahm keinen Durchgangsverkehr auf, weil sie im Norden nicht in ein Stadttor mündete. Sie verband allerdings die beiden wichtigsten Plätze der Altstadt, den Liebfrauenberg und den Römerberg miteinander. An den letzteren schloss sich im Süden das zum Mainhafen führende Fahrtor an. An beiden Enden des Straßenzugs lagen wichtige Kirchen, im Norden die Liebfrauenkirche, im Süden die Nikolaikirche.
  • Die westliche der drei Straßenzüge war der Kornmarkt. Er führte vom nordwestlichen Stadttor, der Bockenheimer Pforte (später Katharinenpforte) an der heutigen Hauptwache zum Leonhardstor am Mainhafen. Auch an diesen beiden Toren lagen wichtige Kirchen, die Katharinenkapelle und die Leonhardskirche.

Straßennamen

Der gesamte Straßenzug zwischen Katharinen- und Leonhardspforte trug im Mittelalter den einheitlichen Namen Kornmarkt. Später unterschied man drei Abschnitte: der nördliche bis zur Kreuzung der Weißadlergasse und Großen Sandgasse hieß Kleiner Kornmarkt, der mittlere bis zur Kreuzung mit der Schüppen- und Paulsgasse Großer Kornmarkt, der südliche bis zur Leonhardskirche Buchgasse. Heute gibt es zwei Straßenbezeichnungen, der Abschnitt nördlich der Bethmannstraße heißt Kornmarkt, der südlich davon liegende Buchgasse.

Mittelalterliche Patrizierpaläste

1628 1862 heute

Wie der Name verrät, fanden in dieser Straße bis ins 18. Jahrhundert die Frucht- und Getreidemärkte Frankfurts statt. Darüber hinaus war der Kornmarkt eine begehrter Standort für großbürgerliche Stadtpaläste, die meist nach ihren Besitzern benannt waren, wie die Häuser Zum Frosch oder Zum Großen Goldstein. Das bekannteste bürgerliche Wohnhaus der Straße war die Große Stalburg, die 1496 vom damals reichsten Bürger der Stadt und mehrfachem Bürgermeister Claus Stalburg (1469-1525) errichtet wurde. Der wehrhafte gotische Steinbau mit Treppengiebel und Türmchen war ein stadtbekannter spätmittelalterlicher Prachtbau ähnlich dem bis heute erhaltenen Steinernen Haus am Alten Markt.

Der Geburtsort der Frankfurter Buchmesse

Der südliche Teil der Straße war im Mittelalter das Quartier der Waffen- und Rüstungsschmiede. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts siedelten sich hier die ersten Drucker und Buchhändler an und verdrängten das zuvor ansässige Handwerk. Nach den neuen Bewohnern erhielt der südliche Teil des Kornmarkts auch seinen heutigen Namen: Buchgasse. Die Händler hielten hier ab 1480[1] zweimal jährlich eine Buchmesse ab, die bald zur wichtigsten Europas wurde. Durch die liberalen Bestimmungen der Freien Reichsstadt konnten hier zu Beginn der Reformation sogar die Schriften Martin Luthers gehandelt werden, die anderswo wegen „Ketzerei“ verboten waren.[2] Luther übernachtete sogar zweimal selbst in der Straße, auf der Hin- und Rückreise zum und vom Wormser Reichstag stieg er am 14. und am 27. April 1521 im Gasthof Zum Strauß ab.[3][4]

Die Buchhändler und Verleger besaßen 20 Kellergewölbem in denen Bücher, Stiche und Messekataloge verkauft wurden. Zu den Verkäuferinnen gehörten Dürers Frau Agnes und Maria Sybilla Merian.[5] 1682 überschwemmte ein Mainhochwasser die Gewölbe der Buchhändler und richtete großen Schaden an den dort gelagerten Waren an.

Der englische Weltreisende Thomas Coryat besuchte 1608 die Frankfurter Messe. Er schreibt:

„In der Buchgasse sah ich eine so unendliche Menge Bücher, daß ich sie höchstlich bewunderte. Diese Straße übertrifft alles, was ich jemals sonst auf meinen Reisen sah. Sie erschien mir als ein wahrer Inbegriff aller der bedeutendsten Bibliotheken Europas.“

Thomas Coryat[6]

Nach dem Dreißigjährigen Krieg verschob sich das geistige Zentrum Deutschlands aus den Reichsstädten am Rhein in die absolutistischen Staaten im Norden und Osten, der Buchhandel wanderte nach und nach dorthin ab, vor allem nach Leipzig. Die dortige Buchmesse übernahm Frankfurts führende Rolle, bis die Frankfurter Buchmesse nach 1750 ganz erlosch.[2]

Am nördlichen Ende der Buchgasse, im Haus Goldstein nahm 1519 die zur Ausbildung der Patriziersöhne gegründete Städtische Lateinschule den Lehrbetrieb auf. Der Gründer, Bürgermeister Hamman von Holzhausen berief den Humanisten Wilhelm Nesen zum ersten Rektor. Bei seinem Aufenthalt in Frankfurt besuchte Luther auch die direkt gegenüber seines Gasthofs gelegene Schule und lernte dort Nesen kennen, der ihm 1523 nach Wittenberg folgte.

Der Kornmarkt im klassizistischen Frankfurt

Deutsch-reformierte Kirche am Kornmarkt (1793-1944)

Auch nach dem Ende des internationalen Buchhandels und der Verlagerung des Stadtzentrums aus der Alt- in die Neustadt blieb die Straße ein Wohngebiet der Oberschicht. Das im 18. Jahrhundert errichtete Haus Zum Großen Korb galt als eines der schönsten Bauten der Straße. Die Große Stalburg wurde 1788 an die Deutsch-reformierte Gemeinde verkauft, die sie im folgenden Jahr abreißen und das Grundstück durch Georg Friedrich Mack und Salins de Montfort mit ihrer neuen Gemeindekirche bebauen ließ.

Das Nachbarhaus „Liebeneck“ (Großer Kornmarkt 15) bewohnte die Bankiersfamilie Schönemann, deren Tochter Lili 1775 mit dem wenige Gassen weiter aufgewachsenen Johann Wolfgang Goethe ein kurzlebiges Verlöbnis einging. In der vom Kornmarkt abzweigenden Großen Sandgasse stand das Haus Zum Goldenen Kopf, seit 1777 Wohnsitz der Familie Brentano, Geburtshaus Bettines und Sterbehaus ihrer Mutter Maximiliane. Im Nachbarhaus befand sich die Naumann'sche Druckerei, die die Briefmarken der Thurn und Taxisschen Post herstellte.[7]

Im 19. Jahrhundert errichtete die Bankiersfamilie Bethmann, neben den ebenfalls aus Frankfurt stammenden Rothschilds eine der wichtigsten Bankiersdynastien ihrer Zeit, an der Ecke Schöppengasse/Buchgasse das repräsentative Hauptgebäude ihres Bankhauses.

Zwischen dem 6. November 1848 und 9. Januar 1849 nahm die Frankfurter Nationalversammlung ihren Sitz in der deutsch-reformierten Kirche, da ihr eigentliches Quartier, die Paulskirche wegen Umbauarbeiten nicht genutzt werden konnte. Der Kornmarkt wurde so zum Schauplatz von 40 Sitzungen des ersten frei gewählten deutschen Parlaments.

In der freistädtischen Zeit war das gegenüber der reformierten Kirche gelegene Gebäude Großer Kornmarkt 12 Sitz des Appellationsgerichts des Stadtstaats.

Gründerzeitliche Umgestaltung

Bau des Straßendurchbruchs Bethmann-/Braubachstraße, 1904
Umgestaltung des Bereichs Kornmarkt/Paulsplatz durch die Rathausneubauten ab 1898.

Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts nahm die Stadtentwicklung Frankfurts erheblich zu. Trotz der erst spät ermöglichten Industrialisierung stiegen die Einwohnerzahlen stark an, die bebaute Stadtfläche wuchs über die jahrhundertelang eingehaltene Grenze der Wallanlagen hinaus und bedeckte in kurzer Zeit das bisher von Ausfallstraßen, Gärten und Landhäusern geprägte Weichbild der alten Stadt. Große Infrastrukturprojekte wurden erforderlich, um die schnell wachsende Stadt an die neue Zeit anzupassen. An der Altstadt lief diese Entwicklung jedoch weitgehend vorbei. Das enge, für den neuzeitlichen Verkehr unzugängliche Gassengewirr war von der stadtstrukturellen Entwicklung weitgehend abgehängt und führte zunehmend ein Eigenleben. Der Fortzug wohlhabender Bürger in zeitgemäßere Stadtteile ließ Befürchtungen aufkommen, daß die Altstadt zu einem Elendsviertel herabsinken könnte.

Um dieser Gefahr zu begegnen, leitete der Magistrat unter Oberbürgermeister Franz Adickes Mitte der 1890er Jahre ein weiteres Großprojekt in die Wege, durch das die Altstadt Anschluß an die rasante Entwicklung der gründerzeitlichen Stadt finden sollte. Mit einem Straßendurchbruch sollte eine breite Straße von Osten nach Westen durch die ganze Altstadt getreiben werden. Durch repräsentative Architektur sollte die weitere Sanierung der Altstadt angeregt werden, außerdem sollte die Altstadt im Zuge der neuen Verkehrsschneise endlich Anschluß an die bereits seit 1872 verkehrende Straßenbahn erhalten.

Der Bau der neuen Straße wurde im Westen begonnen. Insgesamt fielen ihr hunderte Altstadthäuser zum Opfer, darunter so bekannte und für die Stadtgeschichte bedeutende wie der Nürnberger Hof oder der Gasthof zum Rebstock. In der Buchgasse fielen das Haus Zum Goldstein und der Baseler Hof, Querstraßen wie die Schöppen-, Pauls-, Römer- oder Kälbergasse verschwanden aus dem Frankfurter Stadtplan. Die neue Straße, die hier den Namen Bethmannstraße erhielt, wurde ungefähr im Verlauf der bisherigen Schöppen- und Paulsgasse trassiert. Beiderseits der Bethmannstraße entstanden 1900-08 auf der Ostseite von Kornmarkt und Buchgasse nach Plänen von Franz von Hoven und Ludwig Neher die massiven Bauten des Neuen Rathauses,[8] gekrönt von den beiden Rathaustürmen Langer Franz und Kleiner Kohn an der Buchgasse.

Die Straßenbahn in der Bethmannstraße nahm am 1. Mai 1899 den Betrieb auf und erhielt eine Haltestelle an der Ecke zum Kornmarkt.[9]

Vernichtung und Wiederaufbau

Die westliche Frankfurter Altstadt und mit ihr Kornmarkt und Buchgasse wurden in mehreren Luftangriffen, vor allem aber während des Vernichtungsangriffs am Abend des 22. März 1944, fast vollständig vernichtet. Am Kornmarkt wurden 80 Menschen in Kellern verschüttet. Die Rettungskräfte gruben einen Stollen in Richtung der Eingeschlossenen. Bevor die Rettung erfolgreich abgeschlossen werden konnte, kam es am übernächsten Tag (24. März) zum nächsten Großangriff. Verbliebene Anwohner nutzten den Rettungsstollen als Schutzraum, als dieser einen Volltreffer durch eine Luftmine erhielt. 129 Menschen, darunter die 80 zwei Tage vorher Verschütteten, starben.[10]

Die gesamte Bebauung des Kornmarkts fiel den Spreng- und Brandbomben und dem folgenden Feuersturm zum Opfer. Erhalten blieben, mit Ausnahme der Dachkonstruktionen, die beiden Blöcke des Neuen Rathauses sowie stark beschädigte Außenmauern der Bethmann-Bank.

Kornmarkt und Buchgasse heute

  • Parkhaus Hauptwache
  • Zweitausendeins
  • Wackers Kaffee
  • Buchhandlungen (Landkarten-Schwarz und Buchhdl. a.d. Paulskirche)
  • ehem. Bundesrechnungshof
  • Rathausbauten
  • Straßenbahn L. 11 + 12, leider ohne Halt
  • Bethmann-Bank
  • ehem. Pfarrhaus (Buchgasse 2), 1968-2007 Sionsschwestern, demn. "Generationenhaus" des Caritas-Verbandes[11]
  • "Haus Leonhard" der Caritas, seit den 50er Jahren. Hier, an der Ecke zur Alten Mainzer Gasse hat der Caritasverband Frankfurt seinen Sitz.
  • Die Buchgasse liegt auf der Zugstrecke der Parade der Kulturen[12]
  • 2007 wurde in der StVV beantragt, mit einer Art "Walk of Fame" von der Paulskirche bis in die Buchgasse an die Preisträger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels zu erinnern[13]

Literatur

  • Walter Gerteis: Das unbekannte Frankfurt. 7. Auflage. Societäts-Verlag, Frankfurt 1961. ISBN 3-920-346-05-X
  • Bernd Kalusche, Wolf-Christian Setzepfand: Architekturführer Frankfurt am Main. 1. Auflage. Reimer, Berlin 1992. ISBN 3-496-01100-9.
  • Ernst Nebhut, Ferry Ahrlé: Frankfurter Straßen und Plätze. Societäts-Verlag, Frankfurt 1974. ISBN 3-7973-0261-4.
  • Armin Schmid: Frankfurt im Feuersturm. Die Geschichte der Stadt im Zweiten Weltkrieg. Verlag Frankfurter Bücher, Frankfurt 1965.

Quellen

  1. Messe Frankfurt: ein Blick in die Geschichte, abgerufen am 12. Juni 2007
  2. a b Streifzug durch die Geschichte Website der Frankfurter Buchmesse, abgerufen am 15. Juni 2007.
  3. Nebhut/Ahrlé, Seite 20.
  4. Achim Mittler (frankfurt-nordend.de): Martin-Luther-Straße
  5. Es begann in Holzbuden auf dem Römerberg Frankfurter Rundschau vom 14.3.2003
  6. zit. nach Gerteis 1960, Seite 231
  7. Nebhut/Ahrlé, Seite 22.
  8. Kalusche/Setzepfand, Seite 74.
  9. el-citaro.de Liniennetzplan 1899
  10. Schmid, Seite 136.
  11. Bistum Limburg: Frankfurter Sionsschwestern brechen auf wie Abraham 4.6.2007
  12. Lageplan und Wegbeschreibung auf der Website der Parade der Kulturen
  13. Börsenverein des Deutschen Buchhandels: Literaturpfad Friedenspreis. Frankfurter Stadtverordneter will Friedenspreisträger würdigen 8.6.2007

Kornmarkt. In: altfrankfurt.com., archiviert vom Original.

  • StVV-Antrag zur Geschichtlichen Würdigung der Buchgasse, 27.9.2006

Kategorie:Straße in Frankfurt am Main