Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch
Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch (russischer Originaltitel: Один день Ивана Денисовича/ Odin den Iwana Denissowitscha) wurde im November 1962 von der Moskauer Zeitschrift „Nowy Mir“ als das Erstlingswerk des bis dahin völlig unbekannten Alexander Solschenizyn veröffentlicht. Der Roman wurde 1970 unter der Regie von Caspar Wrede mit Tom Courtenay in der Titelrolle verfilmt.
Der Roman
Der Roman schildert einen Tag im Leben des namensgebenden Charakters, eines Iwan Denissowitsch Schuchow, der in einem sowjetischen Straflager inhaftiert ist.
Der Roman wurde bald im westlichen Ausland aufgegriffen – bereits ein Jahr später erschien die amerikanische Übersetzung, die rasch auch eine deutsche Fassung nach sich zog. Alexander Solschenizyn wurde 1970 der Nobelpreis für Literatur zugesprochen.
Veröffentlichung
Die Veröffentlichung wurde dadurch möglich, dass sich die Partei ein wenig vom Personenkult der Vergangenheit gelöst hatte; Unerfreuliches – politische Säuberungen, massenhafte Zwangsarbeit und Straflager – wurde dabei gerne bagatellisiert und dem Übereifer von Personen am Rande des Verantwortungsbereiches zugeschrieben, so dass die großen Idolfiguren des Sowjetreiches nur ein wenig ihres Heiligenscheins beraubt und gleichzeitig von jeglicher Schuld frei gesprochen wurden.
Schwerpunkte
Aus der persönlichen Erfahrung des Verfassers schöpfend, steht der Roman in der Tradition des russischen Realismus. Der Rahmen der Handlung scheint willkürlich gewählt – ein beliebiger Tag, vom Wecksignal bis zum Löschen der Lichter, im Leben eines beliebigen Gulag-Häftlings, stellvertretend für die namenlosen Scharen politischer Gefangener. Das Hauptaugenmerk liegt jedoch nicht auf der realistischen Schilderung der Härten und Ungerechtigkeiten des Gefangenenlebens, auch wenn dies nicht zu kurz kommt; den Schwerpunkt bildet die innere Welt des Iwan Denissowitsch, dessen Wohl und Wehe von scheinbaren Kleinigkeiten abhängt – einem Kanten Brot, den er verstecken kann, einem kleinen Stückchen Metall, das sich zu einem Messer zurechtschleifen lässt, einem Paar warm gefütterter Stiefel, denen er nachtrauert. Das Zentrum seiner Existenz ist jedoch das Warten auf die jeweils nächste Mahlzeit. Die Lagernahrung ist immer zu knapp und niemals nährend genug; sie stellt den Unterschied zwischen Leben und Tod dar. Ein weiterer Schwerpunkt der Erzählung liegt auf der Interaktion zwischen den einzelnen Häftlingen – Mundfaulen, Ehrlichen, Verlogenen, Drückebergern und aufrechten Arbeitern – sowie auf der Schnittstelle zwischen den Häftlingen und den Wachen, beide zusammengezwängt in ein unmenschliches System.
Merkmale
Was den Roman heraushebt aus der Masse der Gefangenenliteratur, ist die Menschlichkeit, die er ausstrahlt. Die innere Welt des Protagonisten wird mit packender Lebendigkeit geschildert; die Art und Weise, wie er sich mit seinen Umständen arrangiert hat, sein inneres Glück, das geschildert wird, wenn er eine zusätzliche Schüssel Brei ergattert, wird vom Autor eindrucksvoller zur Bewegung des Lesers genutzt, als es jede Aufzählung von Demütigungen und Grausamkeiten, von Häftlingszahlen und technischen Details jemals vermochte.