Schmerz (Ausstellung)

Schmerz ist eine Kunstausstellung, die vom 05. April bis zum 05. August 2007 im Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart und im Medizinhistorischen Museum der Charité in Berlin gezeigt wird. Es werden Werke von Marina Abramovic, Francis Bacon, Joseph Beuys, Louise Bourgeois, Nathalie Djurberg, Bruce Nauman, Mathilde ter Heijne, Giovanni Battista Tiepolo, Bill Viola, Sam Taylor-Wood und anderen ausgestellt.
Das Besonderere der Ausstellung ist die Konfrontation und Koexistenz von künstlerischen Werken und medizinischen oder religiösen Objekten.
Intention der Ausstellung
Der offiziellen Darstellung nach, setzt sich die Ausstellung mit den Darstellungen und Äußerungen des Schmerzes auseinander: „Die gemeinschaftsstiftende Funktion des Schmerzes nimmt sie dabei genauso in den Blick, wie die Versuche, ihn zu beobachten, zu analysieren, zu suchen oder wieder loszuwerden. Sie versucht zu zeigen, dass Schmerz immer beides sein kann: subjektiv und objektiv, kreativ und destruktiv.“[1]
Kuratoren der Ausstellung sind Annemarie Hürlimann und Daniel Tyradellis von der Praxis für Ausstellungen und Theorie, Eugen Blume vom Museum für Gegenwart und Thomas Schnalke vom Medizinhistorischen Museum. Die Ausstellung wurde von der Stiftung Deutsche Klassenlotterie und dem Hauptstadtkulturfonds gefördert.
Die versuchte Gratwanderung zwischen Wissenschaft und Kunst wird in den beiden Ausstellungsorten, dem Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart und dem Medizinhistorischen Museum der Charité, manifestiert: Künstlerischen Arbeiten stehen medizinische, volkskundliche, religiöse und alltägliche Objekte gegenüber.
Gliederung der Ausstellung
Die Ausstellung gliedert sich in vier Themenkomplexe: Ansichten des Schmerzes, Reiz des Schmerzes, Die Zeit des Schmerzes und Ausdruck des Schmerzes. Zuvor begegnet dem Besucher in der Haupthalle ein Intro mit großzügig angeorneten Installationen.
Das Intro und die ersten beiden Themenkomplexe werden im Hamburger Bahnhof und die anderen beiden Themenkomplexe im Medizinhistorischen Museum präsentiert.
Beide Räumlichkeiten werden durch auf den Gehwegen aufgestellte Plakatinstallationen miteinander verbunden, die einen groben Überblick über die Bandbreite der in der Aussstellung gezeigten Werke bieten.
Die Ausstellung ist mit zweisprachigen Begleittexten in deutscher und englischer Sprache ausgestattet. Der Begleitbuch zur Ausstellung ist allerdings nur in deutscher Sprache erschienen.[2]
Intro
Ansichten des Schmerzes
In Ansichten des Schmerzes steht laut den Initiatoren der Ausstellung der Schmerz des Anderen und der Umgang mit ihm im Vordergrund.
Christliche Szenen bestimmen den Beginn der Ausstellung: „Die Hl. Dreieinigkeit im Gnadenstuhl“ ein Gemälde von 1470 und Jesus Christus' Kreuzigung. Die Vorstellung des Laborkreuzes von Dr. Fredrick T. Zugibe, der sich an diesem experimentell mit der Kreuzigung Christi auseinandersetzte, ist eines der ersten Exponate, die nicht künstlerischen sondern medizinischen Ursprungs sind.
Weitere Werke im ersten Themenkomplex sind unter anderem „Observance“, eine 10:15 Minuten lange Videoinstallation von Bill Viola aus dem Jahr 2002, eine Installation zum Thema Narkose, Votivgaben, pathologische Präparate, Nathalie Djurbergs „Just because you are suffering doesn't make you Jesus“, Berlinde de Bruyckeres „Speechless Grey Horse“, elf Holzschnitte aus Albrecht Dürers „Großer Passion“, ein Doppelblatt der „Matthäus-Passion“ von Johann Sebastian Bach, Francis Bacons „Crucifixion“ und Placebos. Abgeschlossen wird der Themenkomplex von „Herr Daff hat Schmerzen“, einem achteinhalb Minuten langen Trickfilm von Klaus Georgi, der 1982 im Auftrag der DEFA entstand.
Reiz des Schmerzes
Reiz des Schmerzes ist der zweite Themenkomplex und stellt den eigenen Körper als Erfahrungsinstanz und Erkenntnisinstrument vor.
Eine sehr laute Rauminstallation von Micol Assaël „ohne Titel“ und eine Spielinstallation für zwei Spieler von Tilman Reiff und Volker Morawe mit dem Titel „Pain Station 2.5“, bei der der Verlieremit Impulsen übder die Handfläche bestraft wird, eröffnen diesen Themenkomplex.
Medizinische Instrumente und andere Exponate versachlichen dann das Thema. Mit einer eisernen Jungfrau, einem angeblichen Folterinsturment, dass gar nicht zum Foltern benutzt wurde, wird dieses Motiv erwähnt. Es finden sich, abgesehen von den Kreuzigungszenen, in der ganzen Ausstellung keine weiteren Hinweise auf diese auf Schmerz basierende Handlungsweise. Sadismus und Masochismus werden nicht erwähnt.
Weitere Werke im ersten Themenkomplex sind unter anderem Georg Petels „Heiliger Sebastian“, Giovanni Battista Tiepolos Gemälde „Das Martyrium der Heiligen Agathe“ (um 1755), sowie zwei Rötelzeichnungen: „Studien zum Kopf der Heiligen Agathe“ vom selben Künstler, eine Videoinstallation mit Ausschnitten aus Sportfilmen, eine weitere, 10 Minuten lange Videoinstallation von Sam Taylor-Wood mit dem Titel „Brontosaurus“, in der ein, sich in Ekstase tanzender, nackter Mann zu sehen ist.
Pause
Da die Ausstellung die Zusammenarbeit der beiden unertschiedlichen Sammlungen und Forschungseinrichtungen - Museum für Gegenwart im Hamburger Bahnhof und Medizinhistorisches Museum der Charité - auch durch die räumliche Distanz deutlich macht, wird der Besucher - an Plakatinstallationen vorbei - von einem zum anderen Museum geleitet.
Die Plakate zeigen schwarze Symbole auf weißem Grund, die für Gegenstände stehen, mit denen man sich oder anderen Schmerzen zufügen kann, auf der jweiligen Rückseite werden dann farbige Motive von in der Ausstellung vertretenden Exponaten gezeigt.
Die Zeit des Schmerzes
Der dritte Themenkomplex - Die Zeit des Schmerzes - zeigt „wie sich unsere Vorstellung von Schmerz über die Jahrhunderte hinweg verändert hat, aber auch, wie sehr der Schmerz das Leben rhythmisiert und zum Sinnträger wird“[1].
Dieser Komplex wird vom Schmerz in der Medizin bestimmt: Eine Juillard'sche Narkosemakse, die beleuchtete Reproduktion der Motive des „Votivschreines des Ritters von Ettling“ aus dem 16. Jahrhundert, Rineke Dijeestras Fotoserie von 1994, die nackte, stehende Frauen mit ihren neugeborenen Kindern im Arm zeigt und eine Pillensammlung namens „One for the Road“ der Künstlergruppe Pharmacopeia sind einige der Werke, die gezeigt werden.
Eine Installation zum Trennung- und Liebesschmerz lockert den stark medizinischen dritten Teil der Ausstellung, der mit einer „Computergestützten Darstellung von Kopfschmerzen“ und der Installation „Cell VII“ von Louise Bourgeois seine Ende erreicht, auf.
Ausdruck des Schmerzes
Der letzte Themenkomplex - Ausdruck des Schmerzes - zeigt den geistigen und körperlichen Ausdrucks von Schmerz: In Worten, Skulpturen, Musik und pathologischen Präparaten.
Ausgewählte Exponate
Unter anderen werden Werke von Marina Abramovic, Francis Bacon, Joseph Beuys, Louise Bourgeois, Nathalie Djurberg, Bruce Nauman, Mathilde ter Heijne, Giovanni Battista Tiepolo, Bill Viola und Sam Taylor-Wood gezeigt.
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„Reproduktion des Votivschreines des Ritters von Ettling“
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„Juillard'sche Narkosemaske“
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Giovanni Battista Tiepolos Gemälde Das Martyrium der Heiligen Agathe (um 1755)
Das Buch zur Ausstellung
Text folgt
Kritik
- Spiegel online: [...] wird das überwältigende Thema Schmerz in leicht verdaulichen Häppchen präsentiert. Garantiert jugendfrei und aseptisch kann sich der Zuschauer aus sicherer Distanz dem Leiden annähern. In gewisser Weise wirkt das wie ein Rückfall in frühere Jahrhunderte. Affektverdrängung war damals die Devise. Das Ziel: Trotz Leidens erhaben und schön zu bleiben.
Das ist Schade, denn ein paar mehr Nebenwirkungen hätte man in diesem Fall durchaus in Kauf genommen.[3]
- Frankfurter Allgemeine Zeitung: Herausragend ist die Ausstellung vor allem dann, wenn die Objekte in Beziehung miteinander treten.[4]
- Süddeutsche Zeitung: Der umfangreiche Katalog präsentiert sich als eine kluge Enzyklopädie alles dessen, was sich über den Schmerz des Menschen heute sagen lässt. Vor einem aber hat er sich, wie die Ausstellung insgesamt, gedrückt (so weit er das Thema nicht mittels der Passion Christi und seiner Märtyrer sozusagen über die Bande spielt): vor dem Schmerz als etwas, das Menschen planvoll, mit dem Feingefühl böser Uhrmacher, einander antun. Tiere hassen und töten, aber sie foltern sich gegenseitig nicht. Die Folter ist als das intensivste nicht nur menschen- sondern kosmosmögliche Ereignis zu denken. Eine Supernova, ein Schwarzes Loch mögen gewaltiger sein; aber sie erleben sich nicht selbst. Soll man die Berliner Ausstellung für ihre Folterscheu loben oder tadeln? Der Zweifel, der bleibt, ehrt sie.[5]
Anmerkungen
- ↑ a b die offizielle Webseite der Ausstellung - abgerufen im Juli 2007.
- ↑ → Literatur
- ↑ Jenny Hoch: Schön, wenn der Schmerz nachlässt. Höllenqualen, Schmerzensmänner und spitze Gerätschaften - eine große Berliner Ausstellung nähert sich künstlerisch und wissenschaftlich dem Schmerz, einer der intensivsten menschlichen Empfindungen. Wirklich weh tut sie damit allerdings keinem; In: Spiegel online, 05. April 2007.
- ↑ Was es heißt, Fleisch zu werden. Schmerzensarten: Der Hamburger Bahnhof und das Medizinhistorische Museum der Charité in Berlin stellen Leiden aus; In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07. April 2007, Frankfurt am Main 2007.
- ↑ Burkhard Müller: Schmerz lass' nach! Der Hamburger Bahnhof und das Medizingeschichtliche Museum der Charité zeigen, was nicht ertragen werden kann und doch ertragen werden muss: Sie zeigen - wissenschaftlich belegt -, was Menschen richtig weh tut; In: Süddeutsche Zeitung Nr.80, 05. April 2007, München 2007. - vgl.: online-Version.
Literatur
- Eugen Blume, Annemarie Hürlimann, Thomas Schnalke, Daniel Tyradellis: Schmerz. Kunst + Wissenschaft, Dumont Literatur und Kunst Verlag, Köln 2007.
Weblinks
- www.schmerz-ausstellung.de - offizielle Webseite der Ausstellung
- www.hamburgerbahnhof.de - Informationen zur Ausstellung
- www.bmm.charite.de - Informationen zur Ausstellung
Kategorie:Kunstausstellung
Kategorie:2007