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Gang nach Canossa

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Als Gang nach Canossa bezeichnet man den Zug Heinrichs IV. von Speyer nach Canossa zu Papst Gregor VII. im Februar 1077, der den Zweck hatte, die Lösung seiner Person vom Kirchenbann zu erbitten. Deshalb wird heute der "Gang nach Canossa" im übertragenen Sinne als Bezeichnung für einen erniedrigenden Bittgang verwendet.

Heinrich IV.
11. Jhd.
Gregor VII.
11. Jhd.

Allerdings entsprach dieser Vorgang nicht den historischen Tatsachen. In Wirklichkeit erlangte Heinrich durch die Aufhebung des Bannes seine Bewegungsfreiheit zurück und konnte den Papst zur Flucht aus Rom zwingen. Die späteren Interpretationen, besonders des 19. Jahrhunderts, waren eher anachronistisch, da die Probleme der eigenen Zeit in das Mittelalter projiziert wurden.


Der Gang nach Canossa war ein wichtiger Meilenstein im Investiturstreit. Im 11. und 12. Jahrhundert stritten die weltliche Macht (Kaiser) und die geistliche Macht (Papst) um das Recht der Investitur (= Einsetzung) von Bischöfen und Äbten in ihre Ämter. Papst Gregor VII. verhängte im Verlaufe des Investiturstreits den Kirchenbann über König Heinrich IV., da dieser, wie auch der Papst selbst, dieses Recht für sich beanspruchte. Nach damaliger und heutiger Lehre der katholischen Kirche steht das Recht, Bischöfe und Äbte einzusetzen, allerdings nur dem Papst zu.


Am 14. Mai 1872 wurde dieses Ereignis vom damaligen Reichskanzler Otto von Bismarck in seiner Rede vor dem Reichstag mit dem Satz: "Seien sie außer Sorge, nach Canossa gehen wir nicht - weder körperlich noch geistig.", aufgegriffen. Dem war ein Streit mit der katholischen Kirche vorausgegangen (Kulturkampf), in dem der Papst den deutschen Gesandten beim Heiligen Stuhl abgelehnt hatte.