Markuskirche (Stuttgart)

Die Markuskirche ist eine evangelische Kirche im Stuttgarter Stadtbezirk Süd an der Filderstraße, Ecke Römerstraße. Sie wird von der Evangelischen Markusgemeinde als Gemeindekirche genutzt.
Baugeschichte
Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Bevölkerung Stuttgarts stark anwuchs und die Stadt mit den umliegenden Dörfern zusammenzuwachsen begann, wurde die Markusgemeinde aus Teilen der Leonhards-, Paulus- und der Heslacher Gemeinde gegründet. Sie verfügte zunächst nur über eine Behelfskirche beim Friedhof an der Heusteigstraße. Mit der Planung der neuen Kirche wurde der württemberger Kirchenarchitekt Heinrich Dolmetsch (1846 - 1908) beauftragt. Der Grundstein wurde am 8. Juli 1906 gelegt und am 29. März wurde die Markuskirche in Anwesenheit von König Wilhelm II. eingeweiht.
Stuttgarter Schuldbekenntnis
Zu historischer Bedeutung gelangt die Markuskirche durch das Stuttgarter Schuldbekenntnis. Es war die erste Erklärung der neugebildeten Evangelischen Kirche in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, die sich zu einer Mitschuld evangelischer Christen an den Verbrechen des Dritten Reiches bekannte. Sie wurde von den EKD-Ratsmitgliedern Hans Christian Asmussen, Otto Dibelius und Martin Niemöller auf einer Ratstagung in Stuttgart gemeinsam verfasst und ist durch eine Predigt Niemöllers in der Markuskirche mit vorbereitet worden. Der Leiter der ökumenischen Delegation Dr. Willem A. Visser’t Hooft schrieb in seiner Autobiographie:
- "Wie sollten wir die Wiederaufnahme voller ökumenischer Beziehungen erreichen? Die Hindernisse für eine neue Gemeinschaft ließen sich nur beseitigen, wenn die deutsche Seite ein klares Wort fand. Pierre Maury riet uns schließlich, den Deutschen zu sagen: ‚Wir sind gekommen, um Euch zu bitten, daß Ihr uns helft, Euch zu helfen.’ Als wir in dem großenteils zerstörten Stuttgart ankamen, hörten wir, daß am Abend in der Markuskirche ein besonderer Gottesdienst stattfinden würde, bei dem Bischof Wurm, Pastor Niemöller und Bischof Dibelius sprechen sollten. Niemöller predigte über Jeremia 14, 7-11: ,Ach Herr, unsere Missetaten haben es ja verdient; aber hilf doch um deines Namens willen!’ Es war eine machtvolle Predigt. Niemöller sagte, es genüge nicht, den Nazis die Schuld zu geben, auch die Kirche müsse ihre Schuld bekennen."
Als Frucht dieses Abendgottesdienstes entstand das Stuttgarter Schuldbekenntnis, das am Vormittag des 19.Oktober 1945 vor den Vertretern der Ökumene abgelegt und ihnen übergeben wurde. Schauplatz der Übergabe war wahrscheinlich das Haus Eugenstraße 22, das damals der Stiftskirchengemeinde zur Verfügung stand. Die Behauptung, das Stuttgarter Schuldbekenntnis sei in der Markuskirche, vor den Augen und Ohren der Gemeinde, übergeben worden, ist eine Legende. Der Rat versäumte, den Text den Gemeinden sofort zugänglich zu machen. Umso mehr überraschte die Autoren der Sturm der Entrüstung, den die Veröffentlichung auslöste. Hanns Lilje betonte, das Wort sei ja nur für die Adressaten der Ökumene gedacht gewesen. Dass man diesen gegenüber eine Veröffentlichung zugesagt hatte, verschwieg er. Nur vier von 28 evangelischen Landeskirchen - Baden, Hannover, Rheinland, Westfalen - und einige Kreissynoden machten sich die Erklärung ausdrücklich zu eigen. Die übrigen Landeskirchen unterließen dies mit Blick auf zahlreiche Protestbriefe aus den Gemeinden. Erst allmählich und spät kam es ins Bewußtsein der Gemeinden. In der Markuskirche ist eine Gedenktafel mit dem vollen Wortlaut des Stuttgarter Schuldbekenntnisses vom 19. Oktober 1945 angebracht.
Literatur
- Ellen Pietrus: Kirchenausstattungen von Heinrich Dolmetsch: vom Umgang mit Raumfassungen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg. Stuttgart, ISSN 0342-0027, 2005, 5, S. 88 - 99
- Ellen Pietrus: Die Markuskirche in Stuttgart. Deutscher Kunstverlag, München 2007, ISBN 978-3-422-02035-1 (Erscheint 3. Quartal 2007)
- Willem A. Visser't Hooft: Die Welt war meine Gemeinde: Autobiographie. Dt. Bücherbund, Stuttgart 1974