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Disease-Management-Programm

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Disease Management Programme (DMP) werden auch Strukturierte Behandlungsprogramme oder Chroniker-Programme genannt. Die Programme werden in Deutschland für dauerhafte bzw. chronische erkrankte Patienten eingesetzt.

Chronische Krankheiten sind gemäß gesetzlicher Definition zum Beispiel Diabetes mellitus Typ I und II, Brustkrebs, Koronare_Herzkrankheit, Asthma oder chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen (COPD). Insbesondere die Wahl der Diagnose Brustkrebs ist in Fachkreisen weithin umstritten, da es sich hierbei nicht um eine chronische Erkrankung handelt. Die Definition weiterer Krankenheitsbilder für DMP ist in Vorbereitung (z. B. Demenz). Diese Krankheiten erfordern eine gut abgestimmte, Fachgruppenübergreifende kontinuierliche Behandlung und Betreuung, um eine Verschlechtung des Gesundheitszustandes zu verhindern, deren Folgeerkrankungen der Volkswirtschaft Milliarden Euro an Kosten verursacht. Um Qualitätsmängel bei der medizinischen Versorgung entgegen zu wirken, werden diese Programme seit 2002 durch die gesetzlichen Krankenkassen entwickelt. Hierbei werden Behandlungsmethoden eingesetzt, die in wissenschaftlichen Studien auf Wirksamkeit, Sicherheit und Nutzen überprüft worden (evidenzbasierten Medizin) und durch das Bundesministerium für Gesundheit per Rechtsverordnung (RSAV) veröffentlicht sind.

Durchführung

Die Teilnahme am Programm ist für Arzt und Patient freiwillig. Der behandelnde Arzt (Hausarzt, Facharzt oder Schwerpunktpraxis, Krankenhaus etc.) führt dabei einen zeitlich überwachten und inhaltlich vordefinierten Therapieplan aus. Hierzu werden Schulungen für Arzt und Patient angeboten. Die Durchführung der Programme wird durch den Gesetzgeber im Risikostrukturausgleich der Krankenkassen besonders finanziell honoriert. Die Ärzte werden durch die laufenden Dokumentationen des ausgeführten Therapieplans und des gegenwärtigen Gesundheitszustandes der Patienten durch die Krankenkassen für ihre Leistungen entlohnt. Für teilnehmende Patienten von DMPs kann ferner die Satzung der Krankenkasse besondere Bonus-Regelungen (verminderte Zuzahlungen für med. Leistungen) vorsehen.

Flankierende Qualitätssicherungsmaßnahmen über die Dokumentationen prüfen dabei den Erfolg der einzelnen Therapie und des Programms an sich. Aufgrund einer zwischen Arzt und Krankenkasse geschalteten Organisation (Datenstelle), die die Dokumentationen auswertet und gefiltert weiterleitet, soll der Datenschutz gewahrt werden und eine Selektion der teilnehmenden Versicherten nach deren Gesundheitsrisiko durch die Krankenkasse verhindert werden.

Die DMPs gelten im Gesundheitswesen als neue Bausteine für eine integrierte Versorgung und für ein Fall-Management.

Kritikpunkte an DMPs

Bei der Entwicklung der wurde sich eng an die Vorbilder in den USA orientiert. Diese Programme sahen die Versicherung als Qualitätskontrolleur der medizinischen Behandlung in einer Dreiecksposition zusammen mit dem behandelnden Arzt und dem Patienten. Durch Einsatz medizinischer Leitlinien, Schulungsprogramme für Arzt und Patient und insbesondere einer psychosozialen Begleitung des Patienten wurde ein maximales Ergebnis der Programme erzielt. Insbesondere die Einbeziehung des Patienten in die Programme ist für ein erfolgreiches Programm unabdingbar, da bei chronischen Erkrankungen wie z. B. Diabetes das Verhalten des Patienten ca. 80% der Therapiekosten induziert. Bei der Umsetzung der deutschen DMP-Programme durch das Bundesgesundheitsministerium wurde jedoch der Aspekt des Patienten praktisch nicht weiterverfolgt. Stattdessen wurde fast ausschließlich der Arzt dazu verpflichtet, gemäß den aktuellen "Leitlinien" zu behandeln und dies umfassend zu dokumentieren.


Weitere Kritikpunkte sind:

  • Die Definition der medizinischen Leitlinien für den Gesundheitszustand und die Methoden der Therapie sind in der medizinischen Fachwelt umstritten. Hierbei muß jedoch festgestellt werden, dass in Deutschland ein sehr hoher Prozentsatz z. B. von Diabetikern schlecht und unzureichend behandelt ist (war), so das die Einführung von medizinischen Leitlinien eine Verbesserung der Grundversorgung bedeutet.
  • Die Verbindung mit dem Risikostrukturausgleich (RSAV) der Krankenkassen hat dazu geführt, dass die Krankenkassen gezwungen sind praktisch jeden Patienten in ein Programm einzuschreiben um nicht finanziell benachteiligt zu werden.
  • Die Dokumentationen sind zu bürokratisch und zu kompliziert und wurden während des laufenden Verfahrens geändert.
  • Der Arzt fühlt sich in seiner med. Behandlungsfreiheit eingeschränkt, da er sich bei seiner Behandlung an einer "Leitlinie" (= der von vielen Fachärzten festgelegten, besten Behandlungsmethode) orientieren soll.
  • DMP-Verfahren mußten auf Grund der föderalen Struktur der Ärztevertretungen für jeden Kassenärztlichen Versorgungsbereich einzeln verhandelt werden. Hierbei wurden Verträge mit z. T. unterschiedlichen Inhalten abgeschlossen. Dies führt dazu, daß (festgemacht am Sitz des behandelnden Arzten, nicht des Patienten) z. B. in Baden Württemberg eine schriftliche Information der Krankenkasse mit dem behandelnden Arzt ins "benehmen" gesetzt werden muß. In anderen KV-Bezirken ist es den Krankenkassen generell verboten mit dem Patienten zu reden, ohne vorab den Arzt zu fragen.
  • Durch Einschaltung des Bundesversicherungsamtes (BVA) als Genehmigungs- und Prüfungsinstitution wurde der Prozess maßgeblich bürokratisiert und führt in Folge davon zu hohen Verwaltungskosten bei den Krankenkassen.
  • Durch Interpretation des Gesetzes durch das BVA wurde die Entwicklung von DMP-Programmen ausschließlich den öffentlich-rechtlichen Institutionen im Gesundheitswesen zugesprochen. Private Anbieter von DMP-Programmen wurden damit ausgeschlossen.
  • Durch geschickte Rethorik (Stichwort "Balkanisierung") wurde verhindert, daß die Krankenkassen unterschiedliche Programme (z. B. stärker patientenorientierte) anbieten können. Somit ist es nicht möglich unterschiedliche Ansätze und Konzepte umzusetzen und deren unterschiedlichen Wirksamkeiten und Effizienzen zu erproben.


Probleme bei der Umsetzung

Im Laufe der Durchführung der Programme ergabe sich in der Verarbeitung der Dokumentationsbögen immense Probleme. Die ursprünglichen Datenannahmestellen, welche die Umwandlung der Dokumentationsbögen in elektronische Formate hatten, waren dieser Aufgabe größtenteils nicht gewachsen. Nicht nur, daß die Dokumentationsbögen anfänglich Fehlerraten bei der Ausfüllung schon von 90% aufwiesen, auch die Prüfungsalgorithmen und Korrekturprozeduren konnten bis heute (Nov. 2004) nicht in den Griff bekommen werden. Zehntausende von Dokumentationen verschwanden spurlos. Der Dienst für Gesellschaftspolitik meldete am 25. November 2004: "Ob beim DMP Diabetes oder DMP Brustkrebs - es herrschte oder herrscht das Datenchaos". Einhergehend mit dem Datenchaos weigern sich mittlerweile auch viele Ärzte Patienten in DMP-Programme einzuschreiben.


Zukünftige Entwicklung von DMP

Anfang 2007 wird der bisherige RSA von einem morbiditätsorientierten RSA abgelöst. Dieser "Morbi-RSA" berücksichtigt den Gesundheitszustand der Versicherten direkt, zum Beispiel anhand von Krankenhausdiagnosen und Arzneimittelverordnungen. Die bisherige Verbindung mit Disease Management Programmen entfällt. Mit Wegfall der Bindung werden die bisherigen Programme voraussichtlich aufgelöst werden und durch neue, zielgerichtetere Programme mit stärker selektierten und damit geringeren Patientenvolumina abgelöst werden.


siehe auch

Disease Management

Medknowledge - Umfangreiche Artikel zum Thema[1]

AOK - Curaplan [2]