Zum Inhalt springen

NPD-Verbotsverfahren (2013–2017)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 10. Juli 2007 um 02:28 Uhr durch Asentreu (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Am 30. Januar 2001 wurde von der Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ein Antrag beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingereicht, mit dem Ziel die Verfassungswidrigkeit der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) feststellen zu lassen und damit ein Verbot der rechtsextremistischen Partei zu erreichen. Am 30. März 2001 folgten Bundestag und Bundesrat mit eigenen Verbotsanträgen. Die Verfahren wurden vom BVerfG am 18. März 2003 aus Verfahrensgründen eingestellt. Das Verfahrenshindernis lag in der Sichtweise der Sperrminorität der Verfassungsrichter in der Durchsetzung der NPD durch V-Leute des Verfassungsschutzes. Die Frage, ob es sich bei der NPD um eine verfassungswidrige Partei handelt, wurde nicht geprüft.

Initiative

Das Verbotsverfahren ging maßgeblich auf eine Initiative des bayrischen Innenministers Günther Beckstein (CSU) zurück, der die Bundesregierung im August 2000 aufforderte, ein Verbot der NPD zu erwirken. Eine Reihe von Anschlägen mit teils erwiesenem, teils vermutetem fremdenfeindlichen Hintergrund verlieh dieser Initiative die entscheidende Dynamik. Eine besondere Rolle spielte dabei der (bislang ungeklärte) Sprengstoffanschlag vom 27. Juli 2000 auf eine Gruppe jüdischer Immigranten aus Russland.

V-Mann-Skandal

Das Verbotsverfahren wurde zum Skandal, als der Verdacht aufkam, dass der nordrhein-westfälische Landesverband der NPD durch V-Leute des Verfassungsschutzes gesteuert wurde. Der Landesvorsitzende, sein Stellvertreter sowie der Chefredakteur der regionalen Parteizeitung Deutsche Zukunft wurden als Mitarbeiter des Verfassungsschutzes enttarnt. Die Verfassungswidrigkeit der NPD ist seitens der Antragsteller wesentlich mit Zitaten von Verfassungsschutzmitarbeitern begründet worden.

Die juristische Vertretung der NPD erfolgte unter anderem durch den Rechtsanwalt Horst Mahler. Der ehemalige Mitgründer der terroristischen Rote Armee Fraktion argumentierte im Verfahren zum Teil auf der Basis eigener Erfahrungen[1] mit dem V-Mann Peter Urbach, der in den späten 1960er Jahren in der Studentenbewegung eingesetzt war.

Auch die Anwerbung von V-Leuten in anderen Fällen geriet in die Kritik.

  • Oktober 2002. In einem Erörterungstermin hatte das Bundesverfassungsgericht den Einfluss von verdeckten Ermittlern des Verfassungsschutzes zu klären. Die Antragssteller weigerten sich, dem Gericht die Namen von V-Leuten zu nennen, und Innenminister Otto Schily erklärt, es habe keine Steuerung der NPD durch Mitarbeiter des Verfassungsschutzes gegeben.
  • Am 18. März 2003 verkündete das Bundesverfassungsgericht, dass das Verbotsverfahren nicht weitergeführt werde. Grundlage für die Entscheidung war der Erörterungstermin im Oktober. Eine entscheidende Sperrminorität von drei der entscheidenden sieben Verfassungsrichter des zuständigen zweiten Senats sah ein Verfahrenshindernis durch die V-Leute für gegeben. Begründet wurde dies mit der Gefahr der "fehlenden Staatsferne" der Partei. Die anderen Richter wollten erst im Hauptverfahren klären, in welchem Umfang der Verfassungsschutz Einfluss auf das Erscheinungsbild der NPD genommen hatte. Aufgrund der bei Parteiverbotsverfahren erforderlichen qualifizierten Zweidrittelmehrheit genügten indes die drei Richter, um eine Einstellung des Verfahrens zu verfügen.

Erneuter Verbotsantrag

Nach den jüngsten Wahlerfolgen der NPD auf Länderebene und dem verstärkt offensiven und kämpferischen Auftreten der Partei wird in Politikkreisen die Einreichung eines erneuten Verbotsantrages beim Bundesverfassungsgericht wieder kontrovers diskutiert. In der Frage, ob ein solcher zur Zeit sinnvoll wäre oder Aussicht auf Erfolg hätte, ist bislang jedoch kein Konsens erzielt worden. Ebenfalls fraglich ist, ob ein Verbot der Partei womöglich nur angestrebt werden soll, um eine unliebsame politische Opposition auszuschalten.

Als problematisch werden indes insbesondere die vermeintlich hohen Hürden angesehen, die das Bundesverfassungsgericht 2003 für ein erneutes Verbotsverfahren angelegt hat: Der verfassungsrechtliche Auftrag des Staates zur Beobachtung verfassungsfeindlicher Bestrebungen scheint dabei im Widerspruch zur Auflage Karlsruhes zu stehen, "unmittelbar vor und während des Verfahrens" keine V-Leute in der Führungsebene der NPD zu nutzen. 2007 bildete sich die Initiative "nonpd", die ein erneutes Verbotsverfahren anstrebt.

Quellen

  1. Rechtsanwalt Horst Mahler: Stellungnahme der Antragsgegnerin im Verfahren Deutsche Bundesregierung und andere gegen NPD. S. 31 ff, 30. August 2002