Wenkenhof
Wenkenhof ist die Bezeichnung für zwei am östlichen Ortsrand von Riehen bei Basel gelegene Villen, den «Alten» und den «Neuen» Wenken, samt umgebender grosser Parkanlagen.
Geschichte
Alter Wenkenhof
Der «Alte Wenkenhof», ursprünglich ein Dinghof des Klosters St. Blasien, entstand schon im Frühmittelalter [1] an einem Hanggelände oberhalb der Aue des Flüsschens Wiese. Nachdem Riehen ab 1522 der Stadt Basel zugehörte, ging der Hof in den privaten Besitz von Johann Jacob Beck (1563-1639) über und wurde Gutshof. Nach 1600 sind bauliche Änderungen belegt. Aus der Zeit seines Schwiegersohnes, Onophrion Merian (1593-1665), der das Gut 1639 übernahm, ist eine getäferte Stube erhalten.
1657 ging der «Alte Wenkenhof» in den Besitz von Balthasar Graf (* 1605) über, der jedoch bereits 1658 wegen Ehebruch zur Strafe auf eine Galeere verbannt wurde. Es folgten mehrere Besitzerwechsel, bis 1714 Christoph Burckhardt-Merian die Gutsanlage erwarb und das Gelände vergrösserte.
Johann Jakob Merian[2] liess die Ökonomiegebäude des «Alten Wenken» umbauen und ein heute noch bestehendes Wäldchen an der Bettingerstrasse anlegen. Im späten 18. Jahrhundert entstand das Pächterhaus (es war zeitweise ein selbständiger Bauernhof) und weitere Ökonomiebauten.
Im «Alten Wenken» wohnte ab 1903 bis zu seinem Tod der Philologe und Staatsarchivar Rudolf Wackernagel (1855-1925). Er erforschte die Geschichte des Wenkenhofes. Nach dem Tod von Wackernagels Frau 1931 kaufte Clavel auch den «Alten Wenken» und konnte dadurch die Parkanlage nach Osten erweitern.
1932 schenkte das Ehepaar Clavel den «Alten Wenkenhof» der Einwohnergemeinde der Stadt Basel, die ihn und das Pächterhaus 1934 renovierte und als Ensemble unter Denkmalschutz stellte.
Neuer Wenkenhof
1735 wurde das talseitig dem Wenkenhof vorgelagerte Gelände von Johannes Zäslin (1697-1752)[3] erworben. Er liess sich dort 1736, vermutlich von dem Karlsruher Baumeister Johann Carl Hemeling († 1737)[4], eine eingeschossige barocke Villa (den «Neuen Wenken») als Sommersitz nach Vorbildern französischer Lusthäuser (vor allem dem „Trianon de Porcelaine“ im Schlosspark Versailles) errichten, zu der ein grosser, repräsentativer Barockgarten gehörte. Der Park, dessen Schöpfer nicht bekannt sind, wurde später mehrfach umgestaltet. 1801 übernahm Jakob Bischof-Merian den Wenkenhof. Er beauftragte den Architekten Achilles Huber, den Barockgarten in eine Anlage im englischen Stil zu verändern.
Das Wenkengut blieb nach Zäslins Tod zum Teil bis 1931 in Besitz der mit ihm verwandten Familien Merian, Bischoff und Burckhardt.
Da der «Neue Wenken» nur für Veranstaltungen gedacht war, besass er zunächst keine eigene Küche und Unterbringungsräumlichkeiten. Erst im Jahr 1860 wurde er im Empire-Stil nach Planungen des Architekten Johann Jakob Stehlin d. J. (1826-1894) aufgestockt und umgebaut zu einem voll ausgerüsteten Wohnhaus. 1870 erbte Martin Burckhardt-Burckhardt den «Neuen Wenken» samt umgebenden Parkanlagen, er wurde ein eigenständiger, vom «Alten Wenken» getrennter Hof. Nachfolgender Besitzer war Eduard Burckhardt.
Nach Eduard Burckhardts Tod erwarb 1916/17 der Industrielle Alexander Clavel-Respinger (1881-1973)[5] den «Neuen Wenken» von der Witwe Eduard Burckardts. Er liess den Bau durch den Berner Architekten Henry Berthold de Fischer (1861-1949) von 1918 bis 1921 neubarock umbauen, unter Rückbau der Ergänzungen Stehlins. An der Zufahrt zum Ehrenhof wurden 1922 zwei grosse Hirschfiguren aus vergoldetem Blei-Kunstguss auf den Pfeilern des Gittertores angebracht. Clavel liess anschliessend nach Plänen des Landschaftsarchitekten Adolf Vivell (1883-1959) durch die Gebrüder Mertens[6] eine Erweiterung des englischen Landschaftspark anlegen. Die Gebrüder Mertens erstellten im Auftrag der Clavels eine Bestandsaufnahme der Anlagen und restaurierten den französisch-barocken Gartenteil, von dem trotz der Anglisierung durch Achilles Huber noch einige regelmässige Grundstrukturen vorhanden waren, unter Beibehaltung des nordöstlichen anglisierten Parkbereiches. 1925 kam eine neue Reithalle hinzu. Nachdem 1931 Clavel auch den «Alten Wenken» gekauft hatte, konnte die Parkanlage nach Osten erweitert werden. 1932/33 erfolgte ein Umbau der dort als erhöhte «Loge» errichteten Pavillons in Form eines neubarocken Treillage-Gittergerüstes, 1933 ein neues Eingangstor. Gegenüber dem Tor, am Hang auf der westlichen Strassenseite, wurde bis 1957 eine Aussichtsterrasse mit Blick auf Basel und das Elsass, sowie einer westlich vorgelagerten nochmaligen Parkerweiterung landschaftlicher Art im Laufe der 1950er Jahre angelegt.
1954 wurde die «Alexander-Clavel-Stiftung» errichtet, an die der «Neue Wenkenhof» mitsamt Barockgarten übereignet wurde, sodass der «Neue Wenken» seit 1969 in öffentlichen Besitz ist. Der Barockgarten ist seit 1983 an mehreren Sonntagen im Jahr öffentlich zugänglich. Das Erdgeschoss der Villa wird für gesellschaftliche Anlässe vermietet.
Der Landschaftspark ist heute im Besitz der Gemeinde Riehen und öffentlich zugänglich. Der Park wurde eine Stätte für Konzerte des renommierten «Stimmen»-Festivals. Ab 2004 begann eine gartendenkmalpflegerische Restaurierung des Landschaftsparks unter Nachpflanzung mehrerer Bäume (u.a. Lindenalleen, Koniferen).
Die Einwohnergemeinde Riehen erwarb die Reithalle. Sie dient seit 1980 als Veranstaltungsort, z.B. für die jährlich im Juni abgehaltenen «Wenkenhofgespräche». 2006 wurde erstmals ein Opernfestival dort abgehalten.
Anmerkungen
- ↑ erstmals urkundlich bezeugt im Jahr 751, also zur Zeit Karls des Grossen, über 300 Jahre vor der Ersterwähnung des Ortes Riehen
- ↑ Schreibweise auch Johann Jacob Merian (* 1741, Suizid 1799), stammte aus der sogenannten «älteren Merian-Linie», er war verheiratet mit Gertrud De Bary und ein Grossneffe von Johannes Zäslin (1697-1752), der 1736 den «Neuen Wenken» erbauen liess (siehe dort). Johann Jakob Merian gehörte damals auch das Gut «Klein Riehen (Bäumlihof)». Er ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Johann Jakob Merian (1792-1837) und mit Johann Jakob Merian-Merian (1768-1841), dem Mitgründer von Frères Merian.
- ↑ Schreibweise auch Johann Heinrich Zäslin bzw. Zaeslin; verheiratet mit Elisabeth Hagenbach. Er war ein begüterter Kaufmann, Bankier und Grossrat.
- ↑ Der Architekt und Ingenieur Johann Carl (Charles) Hemeling war für den regierenden Markgrafen Karl III. Wilhelm von Baden-Durlach tätig. Er war unter anderem an mehreren Ausbau- und Umgestaltungsvorhaben am Schloss Karlsruhe beteiligt, wobei er u.a. Entwurfspläne fertigte für die Menagerie (1723) und die Orangerie (1724/25)[1]. Seit 1728 war er für Bauten des Markgrafen in Basel tätig. Von Hemeling stammen die Pläne zum Ramsteinerhof (Bild: rechts) an der Basler Rittergasse und für sein wohl letztes Werk, den barocken Gartensaal des Bäumlihofes bei Riehen.
- ↑ ein Nachfahre des Seidenfärberindustriellen Alexander Clavel (1805–1873), der ab 1859 den Textilfarbstoff Fuchsin in Basel produziert hatte, woraus sich später der Konzern Ciba-Geigy/Novartis, durch Ausgliederung die heutige Ciba Spezialitätenchemie AG entwickelten.
- ↑ Walter Mertens (1885-1943) und Oskar Mertens (1887-1976), die Söhne des berühmten Landschaftsarchitekten Evariste Mertens, übernahmen von 1907 bis 1944 gemeinsam den Betrieb des Vaters. 1944 wurde die Firma von Hans Nussbaumer übernommen.
Literatur
- Ernst Murbach: Der Wenkenhof in Riehen BS (Schweizerische Kunstführer, Serie 46; 458), Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 1989, ISBN 3-85782-458-1.
- Michael Raith: 1250-jähriges Elysium: der "Wenken": der Wenkenhof - 751 erstmals bezeugt. In: Basler Stadtbuch, Jg. 122, Basel 2001, S. 188-189.
- Michael Raith: 1250 Jahre Wenkenhof. In: z’Rieche, Riehen 2001, S. 102-103.
- Gerhard Kaufmann: Der Französische Garten des Neuen Wenken und seine Statuen. In: z’Rieche, Riehen 1995, S. 73-81.
- Gabriele Detterer: Vielfältige Parklandschaft vor einstigem Hort der Sinneslust: der Neue Wenkenhof in Riehen: ein Paradebeispiel barocken Gartenbaus. In: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 16 (20.1.2000), S. 63, Zürich 2000.
- Brigitt Sigel: Bäume sind Denkmäler: zu den Alleen im Wenkenhof Riehen. In: Basler Magazin, Nr. 3 (21.1.1995), S. 12-13, Basel 1995.
- Gemeindeverwaltung Riehen (Hrsg.): Reithalle Wenkenhof: Merzweckhalle der Gemeinde Riehen für Kongresse, Bankette, Veranstaltungen. Riehen, um 1991
- Büro für Gartendenkmalpflege: Pflege- und Entwicklungsplanung Wenkenhofpark, Zürich 2003.
- Eeva Ruoff: Gartenbau in Meilen: zur Geschichte der Firma Gebrüder Mertens. In: Heimatbuch Meilen, 39, 1999, S. 48–62.
Siehe auch
- Bäumlihof («Klein Riehen»)
- Familie Burckhardt
- Familie Merian
- Sarasinpark
Weblinks
- Website zur Villa und Parkanlage Wenkenhof, Alexander-Clavel-Stiftung
- Wenkenhof, Riehen Online
- Fotogalerie aus dem Wenkenpark, Riehen Online
- Weitere Bilder aus dem Wenkenpark
- Opernfestival Riehen
- Wenkenhofgespräche