Zum Inhalt springen

Humpty Dumpty

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 9. Juli 2007 um 22:25 Uhr durch 85.16.184.252 (Diskussion). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Alice und Humpty Dumpty, Illustration zu Alice hinter den Spiegeln von John Tenniel, 1871.

Humpty Dumpty ist eine Figur aus einem englischen Kinderreim. Er ist ein anthropomorphes Ei, auch wenn das nicht ausdrücklich im Text des Vierzeilers steht:

Humpty Dumpty sat on a wall,
Humpty Dumpty had a great fall,
All the King's horses and all the King's men,
Couldn't put Humpty together again.

Eine freie deutsche Übersetzung lautet:

Humpty Dumpty war viel zu munter,
Humpty Dumpty fiel von der Mauer runter,
nicht zehn Pferde, nicht hundert Mann
kriegten den Armen wieder zusamm’n.

Eine weitere:

Humpty Dumpty saß auf dem Eck,
Humpty Dumpty fiel in den Dreck,
und auch der König mit seinem Heer,
rettete Humpty Dumpty nicht mehr.

Im englischen Sprachraum ist dieser Kinderreim seit Jahrhunderten populär und so etwas wie ein fester Bestandteil der Sammlung von Kinderreimen in Mother Goose. Außerhalb des englischen Sprachraumes wurde er vor allem deswegen bekannt, weil Lewis Carroll ihn in Alice hinter den Spiegeln (1871) auftreten ließ (in der deutschen Übersetzung heißt Humpty Dumpty hier Goggelmoggel). Dort diskutiert er mit Alice über Semantik und erklärt ihr unter anderem die Wortschöpfungen Jabberwockys.

Als "Humpty Dumpty" wird von den Anglophonen aber auch gerne eine kleine und rundliche Person bezeichnet. Hin und wieder ist es jedoch das Synonym für etwas Zerbrechliches, das man überhaupt nicht oder nur schwerlich wieder reparieren kann.

Über den Ursprung der Figur gibt es verschiedene Theorien:

  • Der Tourismusbehörde von East Anglia zufolge war Humpty Dumpty eine Kanone, die 1648 bei der Belagerung der von königlichen Truppen gehaltenen Stadt Colchester im englischen Bürgerkrieg auf dem Turm der Kirche St Mary's at the Wall aufgestellt und durch einen Geschütztreffer der republikanischen Belagerer zum Absturz gebracht wurde. Weder die königliche Kavallerie noch die Infanterie (= All the King's horses and all the King's men...) konnten dagegen etwas ausrichten.
  • Einer anderen Theorie entsprechend war Humpty Dumpty ein Spottname für den englischen König Richard III, der zeitgenössischen Berichten zufolge einen buckligen Rücken gehabt haben soll. Bei der Schlacht von Bosworth Field wurde er vom Pferd gestoßen und dann in Stücke gehackt.
  • Martin Gardner nahm an, dass Humpty Dumpty ein altes Slangwort für "Tollpatsch" ist.

Humpty Dumpty in der Philosophie

„[…] Da hast du Ruhm!“
„Ich weiß nicht, was du mit ‚Ruhm‘ meinst“, sagte Alice.
Humpty Dumpty lächelte verächtlich. „Natürlich nicht – bis ich es dir sage. Ich meinte: Da hast du ein schönes zwingendes Argument!“
„Aber ‚Ruhm‘ heißt doch nicht ‚schönes zwingendes Argument‘“, entgegnete Alice.
„Wenn ich ein Wort verwende“, erwiderte Humpty Dumpty ziemlich geringschätzig, „dann bedeutet es genau, was ich es bedeuten lasse, und nichts anderes.“
„Die Frage ist doch“, sagte Alice, „ob du den Worten einfach so viele verschiedene Bedeutungen geben kannst“.
„Die Frage ist“, sagte Humpty Dumpty, „wer die Macht hat – und das ist alles. […]“

Anschließend an diese Passage aus Lewis Carrolls Alice hinter den Spiegeln wird der Name Humpty Dumpty häufig und meist in polemischem Sinn auch in der Philosophie verwendet:

Als Humpty-Dumpty-Argumente werden Behauptungen bezeichnet, (1.) die in einer Diskussion als gültig angeführt werden, ohne dass eine andere Begründung für sie angegeben wird als die Berufung auf faktische Macht, die es erlaubt, auf wirkliche Argumente zu verzichten, oder (2.) in denen Worte mit einer idiosynkratischen Bedeutung gebraucht werden, die von der allgemein akzeptierten Bedeutung in krasser Weise abweicht.

Als Humpty-Dumpty-Semantik gilt eine intentionalistische Sprachauffassung, die davon ausgeht, dass Worten ihre Bedeutung nicht qua Gebrauch zukommt, sondern dass sie durch bedeutungsverleihende Akte des Subjekts konstituiert wird. In dieser Bedeutung wird der Ausdruck vor allem im Zusammenhang der sprachanalytischen Kritik der Bewusstseinsphilosophie – etwa der Phänomenologie Husserls – gebraucht.

Humpty Dumpty in der Musik

In der Musikszene findet man mehrere Zitate aus dem Kinderreim wieder, so z.B. in Travis' "The Humpty Dumpty Love Song", dem letzten Song auf ihrem Album "The Invisible Band" (2001). Bereits in den ersten Zeilen bedient sich Fran Healy der Wortwahl des Vierzeilers: "All of the king's horses/And all of the king's men/Couldn't pull my heart back together again.//All of the physicians/And mathematicians too/Failed to stop my heart from breaking in two." Im Verlauf des Textes wird dann deutlich, dass nur die besungene Person in der Lage ist, das Herz des Erzählers wieder zusammenzusetzen, was im eigentlichen Kinderreim als unmöglich dargestellt wird. Daher kommt die Schlussfolgerung: "Yeah you got the glue/So I'm gonna give my heart to you".

Auch in Aimee Manns "Humpty Dumpty", dem Opener ihres 2002er Album "Lost In Space", wird der bekannte Kinderreim romantisiert. Das Lied beginnt mit dem Vers "Say you were split, you were split in fragments/and none of the pieces would talk to you", eine erste Anspielung auf das Gedicht. Im mittleren Teil des Songs wird die ursprüngliche Fassung etwas modernisiert: aus Pferden und Soldaten werden "perfect drugs and superheroes" und anstelle eines zerbrochenen Eierwesens ist es bei Aimee Mann die Zukunft zweier Menschen, die nicht wieder zusammengesetzt werden kann. Schließlich beendet sie den Text mit den Worten "All the King's horses and all the King's men/Couldn't put baby together again", so dass das Lied praktisch vom Bild des Kinderreim umrahmt wird.

In The Alan Parsons Projects "The Turn of a Friendly Card", über einen Glücksspieler der alles gesetzt und alles verloren hat, heißt es in der dritten Strophe "And not all the king's horses and all the king's men/Have prevented the fall of the unwise".

Im Stück "Mr. Beat" der Band Miime, dem wie der typische Elektropop der 1980er klingenden Nebenprojekt der Formation Samsas Traum, welches im Rahmen einer EP auf der Bonus-CD des Albums "Arachnoidea oder Von Babalon, Scheiterhaufen und Zerstörungswut. Eine Apokalypse in 23 Tagen" veröffentlicht wurde, lautet die erste Zeile der Brdige "I was walking down the sidewalk of old Humpty-Dumpty-Street". Das zerbrochene Element ist in diesem Fall vermutlich das Leben bzw. die Persönlichkeit des Sängers Alexander Kaschte, der in dem Stück, wie in nahezu allen anderen, die zur gleichen Zeit entstanden, sein mehr als unglücklich verlaufenes Jahr 2002 reflektierte.