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Anna selbdritt (Leonardo da Vinci)

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Leonardo da Vinci: Anna selbdritt, 1510

Anna Selbdritt ist der deutsche Titel eines Gemäldes des italienischen Malers Leonardo da Vinci. Der italienische Titel Anna Metterza [1] bedeutet, dass auf diesem Bild drei Generationen dargestellt werden, und zwar Anna, die Mutter der Jungfrau Maria, Maria selbst und ihr Sohn, der Jesusknabe.

Auftraggeber

Wer der ursprüngliche Auftraggeber des Bildes sein könnte, ob es als Altarbild der Servitenmönche von SS. Annunziate in Florenz vorgesehen war, oder ob es überhaupt einen Auftraggeber gab, ist bisher wegen eines Mangels an Quellen nicht zu belegen. Gearbeitet hat Leonardo an dem Gemälde noch bei seinem zweiten Aufenthalt in Mailand, er scheint jetzt in dem französischen König Ludwig XII. einen Interessenten gefunden zu haben. Bei seiner Übersiedlung nach Frankreich hat Leonardo das immer noch unvollendete Bild mitgenommen. [2] Nach Leonardos Tod im Jahre 1519 gelangte das Bild in die Sammlung Franz I.. Heute wird es Louvre aufbewahrt.

Leonardos Auseinandersetzung mit dem Thema einer Anna Selbdritt

Karton, Louvre Paris

Für kein anderes Gemälde Leonardos sind vergleichbar viele Vorstudien erhalten. Neben einer Reihe von Skizzen gibt es drei verschiedene Fassungen einer vollständigen Kompositionen, ohne die von Vasari in seinen vite beschriebene, die offenbar nicht erhalten ist.

Als erste der drei Kartons wird in der neueren Forschung der Londoner Karton, der sog. Burlington-Karton angesehen, der um 1500 datiert wird. Hier ist noch der Johannesknabe dargestellt. In der Variante von 1501, die für die Louvre-Fassung nochmals überarbeitet wurde, ist die Figur Johannes durch das Lamm ersetzt worden. Neu im Vergleich zu den bisherigen Fassungen des Themas bei Leonardo sieht Arasse in der Dynamik der Figuren und die Ordnung der Komposition, die durch „die Bewegung des Jesuskindes und die komplexen miteinander verwobenen Reaktionen“ [3] der Beteiligten bedingt werden.

Studien und Skizzen

Beschreibung

Deutungen des Bildes

Auch für dieses auf den ersten Blick eindeutige Bild einer Generationenfolge von Großmutter, Mutter und Kind sind in der Kunstwissenschaft unterschiedliche Interpretationen vorgeschlagen worden. Ein Schlüssel für die Deutung von Bildern, die bis ins 18. und frühe 19. Jahrhundert in Europa entstanden sind, kann die Identifizierung von Auftraggeber und geplanter Plazierung des Bildes sein, die aber bei Leonardos Bild nicht dokumentiert sind.

Die frühste bekannte Deutung steht in einem Brief des Karmeliters Fra Piero da Novellara vom 3. April 1501, wo er einen frühen - nicht erhaltenen - Entwurf Leonardos zur Anna Selbdritt beschreibt:

Es [das Christuskind] wendet sich einem Lamm zu und scheint es zu umarmen. Die Mutter, die sich beinahe vom Schoß der heiligen Anna erhebt, hält das Kind fest, um es von dem Lamm zu trennen (ein Opfertier, das die Passion bedeutet). Die heilige Anna, die sich ein wenig erhebt, scheint ihre Tochter zurückhalten zu wollen, damit sie das Kind nicht von dem Lämmchen trennt. Anna soll vielleicht die Kirche darstellen, die nicht möchte, dass die Passion Christi verhindert werde. [4].
Datei:Louis XII de france.jpg
König Ludwig XII.

Die gleiche Position wie Fra Piero vertritt Buchholz, für den Anna die christliche Kirche, Maria die Verkörperung der Mutterliebe darstellt und der mit dem Lamm spielende Jesusknabe für die Passion und Kreuzigung Christi steht.[5]

Arasse geht davon aus, dass der französische König Ludwig XII. das Bild während seines Aufenthalts im Herbst 1499 in Mailand bei Leonardo selbst in Auftrag gegeben hat. Einerseits sei der Kult um die Heilige Anna im damaligen Europa außerordentlich verbreitet gewesen, und außerdem habe der König im Januar 1499 Anne de Bretagne geheiratet, die am 15. Oktober eine Tochter, Claude de France, geboren habe. Anna galt damals als Schutzpatronin der jungen Eheleute, der unfruchtbaren und der schwangeren Frauen und sie wurde in der Bretagne besonders verehrt. [6]

Deutungen des Bildes

Auch für dieses auf den ersten Blick eindeutige Bild einer Generationenfolge von Großmutter, Mutter und Kind sind in der Kunstwissenschaft unterschiedliche Interpretationen vorgeschlagen worden. Ein Schlüssel für die Deutung von Bildern, die bis ins 18. und frühe 19. Jahrhundert in Europa entstanden sind, kann die Identifizierung von Auftraggeber und geplanter Plazierung des Bildes sein, die aber bei Leonardos Bild nicht dokumentiert sind.

Die frühste bekannte Deutung steht in einem Brief des Karmeliters Fra Piero da Novellara vom 3. April 1501, wo er einen frühen Entwurf Leonardos zur Anna Selbdritt beschreibt: Es [das Christuskind] wendet sich einem Lamm zu und scheint es zu umarmen. Die Mutter, die sich beinahe vom Schoß der heiligen Anna erhebt, hält das Kind fest, um es von dem Lamm zu trennen (ein Opfertier, das die Passion bedeutet). Die heilige Anna, die sich ein wenig erhebt, scheint ihre Tochter zurückhalten zu wollen, damit sie das Kind nicht von dem Lämmchen trennt. Anna soll vielleicht die Kirche darstellen, die nicht möchte, dass die Passion Christi verhindert werde [7].

Die gleiche Position wie Frau Piero vertritt Buchholz, für den Anna die christliche Kirche, Maria die Verkörperung der Mutterliebe darstellt und der mit dem Lamm spielende Jesusknabe für die Passion und Kreuzigung Christi steht.[8]

Arasse geht davon aus, dass der französische König Ludwig XII. das Bild während seines Aufenthalts im Herbst 1499 in Mailand bei Leonardo selbst in Auftrag gegeben hat. Einerseits sei der Kult um die Heilige Anna im damaligen Europa außerordentlich verbreitet gewesen, und außerdem habe der König im Januar 1499 Anne de Bretagne geheiratet, die am 15. Oktober eine Tochter, Claude de France, geboren habe. Anna galt damals als Schutzpatronin der jungen Eheleute, der unfruchtbaren und der schwangeren Frauen und sie wurde in der Bretagne besonders verehrt. [9]

Deutung des Bildes durch Sigmund Freud

Auch die Begründer der Psychoanalyse und der analytischen Psychologie, Sigmund Freud bzw. C.G.Jung haben sich mit Leonardos Bild auseinandergesetzt. Jung sieht in der Anna des Leonardo eine Verkörperung der Großen Mutter.

Freud geht auf das Bild im Rahmen seiner Untersuchung einer Kindheitserinnerung Freuds ein [10] , bei der es allgemein um das Problem der Sublimierung geht und insbesondere um Leonardos Produktivität als Wissenschaftler und Ingenieur sowie um die Entstehung und die Art seiner homosexuellen Orientierung. Freud verortet sie in der besonderen Konstellation von Leonardos Kindheit. Leonardo habe als uneheliches Kind die ersten Lebensjahre in Abwesenheit des Vaters bei der Mutter verbracht, deren Überzärtlichkeit zu einer intensiven erotischen Bindung des Knaben an die Mutter geführt habe. Belegt sieht er seine These, indem er in dem Mantel Annas die Gestalt eines Geiers erkennen will, der mit seinem Schwanz den Mund Marias streift, wobei Freud in dem Traum des Knaben die Assoziationskette von der Brust der Mutter zum Vogelschwanz und zum Penis sieht. Das von dem Knaben als vorboten empfundene Erforschen der weibliche Natur bzw. die Anatomie der Mutter und das Begehren der Mutter, sei durch den Forscherdrang des Erwachsenen, der die Erscheinungen der Natur, die Anatomie des Menschen erforschte und der eine Unzahl von Maschinen erfunden habe, sublimiert worden.

Anna und Maria

Die Bevorzugung junger und schöne Schüler habe die Ursache in Leonardos frühkindlichem Autoerotismus, da die Knaben .. doch nur Ersatzpersonen und Erneuerung seiner eigenen kindlichen Person sind, die er so liebt, wie die Mutter ihn als Kind geliebt hat. [11]

Im Bezug auf das Anna-Selbdritt-Bild stellt er die These auf, in das Bild sei eine Synthese der Kindheitsgeschichte Leonardos eingetragen. In der Personenpyramide fehle die Figur des Vaters. Leonardo sei praktisch von zwei Müttern aufgezogen worden, seiner leiblichen und der jungen Ehefrau seines Vates, in dessen Haushalt er in seinem 6. Lebensjahr aufgenommen wurde, die ihn beide überaus zärtlich geliebt hätten. Daraus erklärten sich auch die jugendlichen Züge der beiden dargestellten Frauen, die sich altesmäßig kaum unterscheiden. Beide wecken in dem Maler mit ihrem rätselvollen Lächeln, dem Lächeln der Mona Lisa, die Erinnerung an die Mutter seiner frühen Kinderjahre.

Nachwirkungen

Schon als der der Karton in Leonardos Florentiner Atelier ausgestellt wurde, rief er allgemeines Erstaunen und Bewunderung hervor.Vasari berichtet in seinem Buch:

Endlich entwarf er einen Karton für ein Bild der Jungfrau mit der heiligen Anna und dem Christuskind, das nicht nur alle Künstler entzückte, sondern von aller Welt bewundert wurde. Als der Entwurf fertig war, sah man zwei Tage lang jung und alt, Männer und Frauen, wie zu einer großen Festlichkeit nach dem Zimmer pilgern, wo Leonardos Wunderwerk ausgestellt war. [12]


Einzelnachweise

  1. Elke Linda Buchholz: Leonardo da Vinci. Köln 1999. S. 74.
  2. Buchholz 1999. S. 74
  3. Arasse 1999. S. 449.
  4. zitiert nach Franz Zöllner: Leonardo da Vinci. Köln. 1990. S. 65.
  5. Buchholz 1999. S. 74.
  6. Arasse 2002. S. 445.
  7. zitiert nach Franz Zöllner: Leonardo da Vinci. Köln. 1990. S. 65.
  8. Buchholz 1999. S. 74.
  9. Arasse 1999. S. 445.
  10. Es scheint, daß es mir schon vorherbestimmt war, mich so gründlich mit dem Geier zubefassen, denn es kommt mir als eine ganz frühe Erinnerung in den Sinn, als ich noch in der Wiege lag, ist ein Geier zu mir herabgekommen, hat mir den Mund mit seinem Schwanz geöffnet und viele Male mit diesem seinen Schwanz gegen meine Lippen gestoßen. Zitiert aus Freud 2006. S. 51.
  11. Freud 2006. S. 69.
  12. Giorgio Vasari: Lebensläufe der berühmtesten Maler, Bildhauer und Architekten. Übers von Trude Fein. Zürich 1974. S. 329

Literatur

  • Daniel Arasse: Leonardo da Vinci. Köln 2002. ISBN 3-8321-7150-9
  • Frank Zöllner: Leonardo da Vinci. 1452-1519. Sämtliche Gemälde u. Zeichnungen. Köln 2003. ISBN 3-228-5726-2
  • C. Pederetti: The Burlington House Cartoon. In: Burlington Magazine. 110. 1962. S. 22-28.
  • L.H. Heydenreich: La Sainte Anne de Léonard de Vinci. In: Heydenreich: Leonardo-Studien. Hrsg. von G. Passavant. Münster 1988.
  • J. Nathan: Some Drawing Practices of Leonardo da Vinci. New Light on the Saint Anne. in: Mitteilungen des kunsthistorischen Institutes in Florenz. 36. 1992. S. 85-102.
  • Sigmund Freud: Eine Kindheitserinnerung des Leonardo da Vinci. Einleitung von Janine Chasseguet-Smirgel. Frankfurt a.M. 3. Aufl. 2006. ISBN 978-3-596-10457-4

Quellen

Commons: Leonardos Anna Selbdritt – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien