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Poetry-Slam

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Poetry Slam (deutsch: Dichterwettstreit) ist ein literarischer Vortragswettbewerb. Es geht darum, eigene Texte innerhalb einer bestimmten Zeit vor Publikum vorzutragen. Bewertet werden sowohl Inhalt als auch Vortragsweise der Texte.

Die Veranstaltung

Wettbewerb

Im Gegensatz zu einem Open Mic oder den Lesebühnen stehen die einzelnen Teilnehmer bei einem Slam untereinander im Wettbewerb. Dieser Wettbewerbsaspekt dient vor allem dazu, das Publikum zum Mitfiebern und Mitwerten einzuladen, da das Publikum auch den Sieger kürt.

Ebenfalls ist der Wettbewerb ein effektives Mittel für die Dichter, unmittelbares Feedback von einem interessierten Publikum zu erhalten, und soll als Ansporn für die Arbeit an den eigenen Texten und am Textvortrag, nicht aber als Grund für ernsthafte Rivalitäten genommen werden.

Regeln

Obwohl Veranstalter den Wettbewerb auch den eigenen Wünschen entsprechend gestalten können, haben sich einige allgemein gültige Regeln eingebürgert.

Bei einem Poetry Slam dürfen nur selbstgeschriebene Texte vorgetragen werden, und dies im Rahmen eines vorgegebenen Zeitlimits, meistens 5, 6 oder 7 Minuten. Bei Zeitüberschreitung drohen Strafen wie Punktverlust oder Entzug des Mikrophons.

Erlaubt ist alles, was mit Stimme und Körper möglich ist. Darüber hinaus steht es den Teilnehmenden frei, diejenigen Gegenstände auf der Bühne zu nutzen, die auch allen anderen Teilnehmenden zur Verfügung stehen. Kostüme und Requisiten wie z. B. Wasserpistolen sind ausdrücklich verboten.

Zum Regelwerk gehört auch die Bewertung der Texte durch das Publikum.

Bewertung

Die Vorträge werden bei einem Poetry Slam grundsätzlich vom Publikum und nicht von einer Fachjury bewertet.

Slam-Publikum in Hamburg

Im Herkunftsland USA übernimmt meistens eine fünfköpfige Jury, die aus dem Publikum zusammengestellt wird, diese Rolle und vergibt Noten von 1 bis 10, „Eins für ein Gedicht, das nie hätte geschrieben werden dürfen, zehn für ein Gedicht, das einen spontanen kollektiven Orgasmus im Raum auslöst“ (Bob Holman). Dabei werden die höchste und die niedrigste Note jeweils gestrichen, um die Auswirkungen parteiischer Bewertung zu vermindern. Die Jurymitglieder werden angehalten, sowohl auf Inhalt als auch auf den Vortrag zu achten sowie ihren persönlichen Maßstäben treu zu bleiben.

Vor Beginn des Wettbewerbs können die Jurymitglieder kurz vorgestellt werden oder sich selbst kurz vorstellen. Die Moderatoren können bei Bedarf die Mitglieder der Jury auffordern, ihre Bewertungen zu begründen. Unterschiede zwischen einer Jurywertung und dem Empfinden des Publikums können Anlass für lautstarke Diskussionen bieten.

Vor allem im deutschsprachigen Raum haben sich alternative Bewertungssysteme entwickelt, bei denen das gesamte Publikum abstimmen kann. Das Publikum gibt seine Bewertung mittels Lautstärke und/oder Ausdauer des Applauses ab oder aber in Form von Stimmzetteln oder dem Hochheben von Rosen, die dann gezählt werden. Je nach Kreativität des Slammasters können auch andere Mittel zur Siegerfindung eingesetzt werden. So erhält zum Beispiel jeder Zuschauer einen Pfennig, den er in das (mit dem Namen beschriftete) Glas seines Favoriten wirft, eine Wäscheklammer, die dem jeweiligen Lieblingspoeten irgendwo am Körper angeheftet werden kann oder aber Dichtungsringe, die über einen Besenstil gesteckt werden.

Siegprämie

Wer einen Slam gewinnt, bekommt einen Preis. In der Regel sind das Sachpreise wie CDs und Bücher oder auch ein T-Shirt, eine Flasche Sekt oder Hochprozentiges. Bei einigen Slams im deutschsprachigen Raum gibt es auch Geldpreise. Der Gewinn eines lokalen Slams kann auch zur Teilnahme an überregionalen Slams qualifizieren.

Texte und Performance

Teil der Grundidee des Poetry Slams ist es, die Texte nicht nur zu lesen, sondern zu performen, also beispielsweise zu schreien, zu flüstern, zu jaulen und zu keuchen. Rhythmisches und auswendiges Vortragen kann den positiven Eindruck bei dazu geeigneten Texten fördern. Generell sollte den Texten das Leben eingehaucht werden, das ihnen bei traditionellen Lesungen manchmal fehlt. Dabei muss der Gesamteindruck stimmig sein (Text und Performance sollten zueinander passen).

Inhaltlich wie auch formal gibt es keinerlei Vorgaben. Auf Slambühnen finden sich deshalb fast alle Formen moderner Literatur und Sprachkunst, von klassischer oder moderner Lyrik über Kabarett, Comedy bis zu Prosa.

Die dargebotenen Texte sind oft (aber keinesfalls immer) reine Bühnentexte, deren Wert sich in gedruckter Form nur unvollkommen mitteilt. Bei gedruckten Anthologien müssen die Herausgeber also teilweise nach anderen Kriterien auswählen als das Slampublikum. Literarische Qualität im üblichen Sinn bestimmt grundsätzlich nur als ein Faktor unter mehreren, wie ein Text beim Slam ankommt.

Ursprung und Entwicklung

Von Chicago in die Welt

Als Erfinder des Poetry Slams gilt der amerikanische Performance-Poet Marc Kelly Smith aus Chicago. Smith hielt traditionelle Lesungen mit Tisch und Wasserglas für überholt und langweilig und begann 1984 damit, Literatur anders zu vermitteln.

Er entwickelte den Poetry Slam als Teil einer wöchentlichen Literaturshow. Der erste Poetry Slam fand am 20. Juli 1986 in „The Green Mill“ statt, wo der „Uptown Poetry Slam“ auch heute noch jeden Sonntag stattfindet.[1]

Slam in den USA

Von Chicago breitete sich dieses Veranstaltungsformat in Nordamerika aus. 1989 gab es zum ersten Mal einen Poetry Slam in New York. Der Literaturaktivist Bob Holman hatte nach einem Besuch in der Green Mill das Format im Nuyorican Poets Café eingeführt und brachte Slam Poetry ins US-Fernsehen, unter anderem ins Programm des Musiksenders MTV.

Die weltweite Verbreitung des Phänomens Poetry Slam ist nicht zuletzt dem Nuyorican Poets Cafe zu verdanken: Radio-Live-Übertragungen von Slams im Nuyorican erreichten Tausende von Zuhörern in Japan und führten zum ersten Slam in München. Der Besuch eines Düsseldorfer Poeten anlässlich des „Deutsch-Nuyorican-Poetry-Festival“ im Jahr 1995 führte zum ersten Düsseldorfer Poetry Slam.

1997 wurde in den USA der Dachverband PSI (Poetry Slam Incorporated) zur Unterstützung und Verbreitung des Veranstaltungsformates gegründet. Diese Organisation richtet nicht nur den US-kanadischen National Slam aus, der sich inzwischen zum fast einwöchigen Festival mit mehreren hundert Teilnehmern und Tausenden von Zuschauern entwickelt hat, sondern engagiert sich aktiv im amerikanischen Bildungswesen und versucht, Slam auch international zu vernetzen.

Slam im deutschsprachigen Raum

In Deutschland reicht die Tradition des Dichterwettstreits bis ins Mittelalter zurück. Am bekanntesten ist hier der Sängerkrieg auf der Wartburg im 13. Jahrhundert.

Slam-Teilnehmer Michel A. in Hamburg

Bevor sich in Deutschland die ersten regelmäßigen Slams dauerhaft etablierten, gab es in einigen Städten bereits verschiedene Ansätze und Versuche mit diesem Veranstaltungsformat. Ab 1994 fanden Veranstaltungen mit dem Titel „Poetry Slam“ in Berlin statt, ab 1996 in München und Düsseldorf sowie ab 1997 in Hamburg. Diese vier Städte trugen im selben Jahr in Berlin zum ersten Mal einen National Poetry Slam aus. Schon ab 1998 kamen dann weitere Städte wie z. B. Augsburg, Kiel oder Marburg hinzu.

Die Anzahl lokaler Slams wuchs kontinuierlich und überschritt 1999 die deutschen Landesgrenzen nach Österreich und in die Schweiz, die sich im gleichen Jahr auch am National Slam beteiligten, was zwei Jahre später zur Namensänderung in „German International Poetry Slam“ (GIPS) führte.

Anders als im Ursprungsland USA gab es bei den jährlichen Meisterschaften des deutschen Sprachraumes zwei getrennte Disziplinen. Neben dem Einzelwettbewerb traten im Gruppenwettbewerb Teams von zwei bis fünf Dichtern an und trugen gemeinsam geschriebene Texte mehrstimmig vor. Beim German International Poetry Slam 2007 in Berlin werden erstmals beide Disziplinen zusammengelegt.

Slam heute

Das Veranstaltungsformat Poetry Slam hat sich seit seiner Entstehung vor allem in Nordamerika und Europa ausgebreitet. In Deutschland finden zur Zeit um die 70, in Österreich vier und in der Schweiz sieben Slams regelmäßig statt.

Andere europäische Länder, in denen das Phänomen Poetry Slam Fuß gefasst hat, sind Dänemark, England, Estland, Frankreich, Irland, Liechtenstein, die Niederlande, Polen, Schweden, Schottland und Tschechien.

In Singapur und in Ubud auf Bali finden die einzigen bisher bekannten Slams Asiens statt. In Afrika gibt es in Gabun einen regelmäßigen Slam und auch in Neuseeland und Australien etabliert sich zunehmend eine Slamszene.

Im Jahr 2004 wurden erste Versuche von Slamweltmeisterschaften gemacht. Sowohl in Greenville, South Carolina, als auch in Rotterdam wurden World Championship Poetry Slams abgehalten, die beide von Buddy Wakefield aus den USA gewonnen wurden. Sowohl die sehr hohen Kosten, die mit der Anreise der Teilnehmer aus den verschiedenen Ländern entstehen, als auch die Sprachbarrieren machen ein solches Unterfangen jedoch zu einem Projekt, das seinem Anspruch kaum gerecht werden kann.

Darüber hinaus

Slams und andere Bühnen

Parallel zum Slam haben sich gerade in Deutschland auch andere neue Veranstaltungsformen für Literatur entwickelt. Zu den bekanntesten unter ihnen gehören die sogenannten Lesebühnen, lose organisierte Lesezirkel, bei denen Gruppen von Schreibenden in mehr oder weniger beständiger Besetzung und regelmäßigem Rhythmus gemeinsam Lesungen bestreiten. Diese Bühnen sind vor allem in Berlin populär.

Auch Open Mics haben ihren Weg in die europäische Veranstaltungskultur gefunden. Bei einem Open Mic wird die Bühne allen geöffnet, die sie betreten möchten, und es obliegt entweder den Lesenden selbst oder den Moderatoren, die einzelnen Teilnehmer zu koordinieren. Bei beiden Formen gibt es jedoch keinen Wettbewerb.

Daneben existieren auch andere artverwandte Wettbewerbsformen, so wie die spätestens seit „8 Mile“ bekannten Freestyle-Battles oder der Theatersport, bei dem Theatertruppen in improvisierten Theaterszenen gegeneinander antreten und das Publikum den Sieger bestimmt. Ein Wettbewerb mit selbstproduzierten Kurzfilmen wird als Shortfilm Slam oder Cineslam bezeichnet. Ein Wettbewerb mit selbstgetexteten und -komponierten Liedern heißt Singer-Songwriter Slam.

In den USA hat sich sogar eine Literaturveranstaltung im Pay-TV etabliert. Russell Simmons präsentiert mit „Def Poetry Jam“, eine Show mit Performance-Poetinnen und -Poeten, die zum Teil aus der Slamszene kommen.

In Deutschland strahlt das WDR Fernsehen im Jahr 2007 neun in Köln aufgezeichnete Poetry Slams aus (Poetry Slam). Eine weitere Staffel ist für Oktober 2007 in Planung.

Poetry Clips

Bereits in den neunziger Jahren brachten MTV wie auch der öffentliche US-Sender PBS Poesie in Form von Videoclips ins Fernsehen. Im Unterschied zum Buch oder der Audio CD bieten Poetry Clips ein umfassenderes Erlebnis gesprochener Texte. Über die geschriebene oder gesprochene Version hinaus kann auch die Performance, also Mimik, Gestik und Körperbewegungen der Autorin oder des Autors, wahrgenommen werden. In Poetry Clips wird der Text speziell für die Kamera inszeniert. Es handelt sich dabei also nicht um abgefilmte Lesungen. Durch den Einsatz des Mediums DVD kann bei der Betrachtung ähnlich wie bei einem Gedichtband von Gedicht zu Gedicht „geblättert“ werden.

U20

Seit einigen Jahren laufen Bestrebungen, Slam als lebendige Vermittlungsform für Literatur auch an die Schulen zu bringen. Mithilfe von Fortbildungen für Lehrkräfte und Workshops an Schulen konnten bisher in Stuttgart, Leipzig und München gut besuchte U20-Slams starten. In Stuttgart haben sich 60 Jugendliche für den U20-Slam beim GIPS 2004 in Stuttgart qualifiziert. Bei dieser Veranstaltung sah ein 600 Personen zählendes Publikum ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie Schülerinnen und Schüler solche Angebote annehmen und nutzen. Mit dem U20-Poetry Slam in Berlin 2007 erfolgt die bundesweite Vernetzung mit erstmals drei Vorrunden und dem deutschsprachigen Meisterschaftsfinale Österreich/Schweiz/Deutschland.

Die Gewinner der deutschsprachigen Meisterschaften

1997 Berlin
  • Einzel: Bastian Böttcher
  • Team: Team Hamburg (Nadine Barth, Cenk Bekdemir, Michael Weins, Markus Wiese)
1998 München
  • Einzel: Michael Lentz
  • Team: Team Köln (Guido Gramatke, Bob Lakermann, Michael Tönnis, Wehwalt Koslovsky)
1999 Weimar
  • Einzel: Tracy Splinter
  • Team: Team Tübingen (Florian Werner, Mr. Magic, Simone Ohne, Friedemann B. Holder)
2000 Düsseldorf
  • Einzel: Jan Off
  • Team: Team Aachen (Hartmut Heil, Gerhard Horriar, Michael Stetter)
2001 Hamburg
  • Einzel: Sebastian Krämer
  • Team: Team Winterthur (Sibylle Aeberli, Tom Combo, Suzanne Zahnd)
2002 Bern
  • Einzel: Lasse Samström
  • Team: Team Wuppertal (Jonas Jahn, Markim Pause, Lasse Samström, Michael Wefers)
2003 Darmstadt & Frankfurt
2004 Stuttgart
2005 Leipzig
  • Einzel: Volker Strübing
  • Team: Tha Boyz with tha Girlz in Tha Back (Fiva MC, Nora Gomringer, Mia Pittroff)
  • U20: Nadja Schlüter (Koblenz), Krischa Kops a.k.a. Krok (München)
2006 München
  • Einzel: Marc-Uwe Kling (Frankfurt (Oder))
  • Team: TeamLSD (Volker Strübing & michaEbeling von der Berliner Lesebühne "Liebe Statt Drogen")
  • U20: Lara Stoll (Schaffhausen)

Siehe auch

Literatur

Deutschsprachig
  • Petra Anders: Poetry Slam. Bühnen-Literatur mit Publikumsbewertung. In: Praxis Deutsch : Zeitschrift für den Deutschunterricht. Heft 193, 2005, ISSN 0341-5279.
  • Hanns-Peter Mederer: Slam Poetry: Im Abseits der Massenmedien. In: Literatur im Unterricht - Texte der Moderne und Postmoderne in der Schule. 4. Jahrgang, Heft 3, 2003, ISSN 1615-6447, S. 179–191 (Reflexionen über eine kaum wahrgenommene Performance-Poesie).
  • Boris Preckwitz: Slam Poetry : Nachhut der Moderne. B. N. Breckwitz, Berlin 2002, ISBN 3-8311-3898-2 (Erste deutsche Magisterarbeit zu diesem Thema aus dem Jahr 1997).
  • Boris Preckwitz: spoken word und poetry slam : Kleine Schriften zur Interaktionsästhetik. Passagen Verlag, Wien 2005, ISBN 3-85165-712-8 (Essays und Reflexionen zur Entwicklung der deutschsprachigen Slam-Szene).
Englischsprachig
  • Mark Eleveld, Marc Smith (Hrsg.): The Spoken Word Revolution : Slam, Hip Hop & the Poetry of a New Generationn. Sourcebooks Mediafusion, 2003, ISBN 1-4022-0037-4.
  • Marc Kelly Smith, Joe Kraynak: Complete Idiot's Guide to Slam Poetry (Complete Idiot's Guide to). Alpha Books, 2004, ISBN 1-59257-246-4.
  • Gary Glazner (Hrsg.): Poetry Slam : The Competitive Art of Performance Poetry. Manic D Press, San Francisco 2000, ISBN 0-916397-66-1.
  • Miguel Algarin, Bob Holman (Hrsg.): Aloud : voices from the Nuyorican Poets Cafe. Harry Holt, New York 1994, ISBN 0-8050-3275-4.

Quellen

  1. Green Mill Jazz Club: Uptown Poetry Slam. (englisch)