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Kernbeißer

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Kernbeißer
Kernbeißer (Coccothraustes coccothraustes)
Vorlage:Taxonomy
Vorlage:Ordo: Sperlingsvögel (Passeriformes)
Vorlage:Subordo: Singvögel (Passeri)
Vorlage:Familia: Finken (Fringillidae)
Vorlage:Subfamilia: Stieglitzartige (Carduelinae)
Vorlage:Genus: Kernbeißer (Coccothraustes)
Vorlage:Species: Kernbeißer
Wissenschaftlicher Name
Coccothraustes coccothraustes
(Linnaeus, 1758)

Der Kernbeißer (Coccothraustes coccothraustes) ist die größte in Europa heimische Art aus der Familie der Finken (Fringillidae).

Beschreibung

Der Kernbeißer ist wie alle Vertreter der Gattung von gedrungener Gestalt mit einem kräftigen, runden Kopf, mächtigem Kegelschnabel und kurzem Schwanz. Kernbeißer haben eine Körperlänge von 16,5 bis 18 Zentimeter. Das Körpergewicht liegt bei 50 bis 60 Gramm. Der Flug ist schnell und leicht bogig. Der Kernbeißer weist einen deutlichen Geschlechtsdimorphismus auf. Die Steuerfedern sind gemessen entlang des Federschaftes beim Männchen höchstens 22 bis 23 mm und beim Weibchen 14 bis 17 mm lang.

Männchen und Weibchen

Der Kopf des Männchens ist gelb- bis rotbraun, in manchen Gebieten jedoch eher zimtbraun. Er ist durch ein breites graues Nackenband mit dem dunkelbraunen Rücken verbunden. Der schwarze bis grauschwarze Schwanz mit breiten, weißen Endbinden ist wenig eingekerbt. Zur Mitte hin geht die Färbung in einen grau- bis hellbräunlichen Farbton über. Die Flügel haben blauschwarze Schwingen und zeigen einen auffallend weißen Schulterfleck, der im Flug als halbmondförmige Zeichnung gut erkennbar ist. Zügel, schmale Schnabeleinfassung und Kehlfleck sind tiefschwarz. Die Brust und die Unterseite sind rötlichbraun bis bräunlichweiß. Der Bürzel ist gelbbräunlich. Das Auge ist braun und von einem feinem, schwarzem Strich durchzogen. Der Kegelschnabel ist im Sommer blaugrau, im Winter aufhellend von dunkelgrau über hornfarben bis rötlichgelb mit dunkler Spitze. Die Füße sind fleischfarben.

Das Weibchen ist heller und weniger intensiv gefärbt. Die Farben sind nicht so scharf abgegrenzt wie beim Männchen. Der Oberkopf ist weniger rotbraun und leicht gräulich. Der Kehlfleck und die schwarze Umrandung des Schnabels sind meistens kleiner und undeutlicher als beim Männchen. Der Bürzel ist gelbgrau. Die Brust ist rötlichgrau und die Unterseite grauweiß.

Jungvögel und Nestlinge

Die selbstständigen Jungvögel sind braun gebändert und tragen einen gelben Kehlfleck. Die Außenfahnen der Armschwingen und auch die vierte bis sechste Handschwinge sind beim Weibchen grau und beim Männchen schwarz bis metallisch schimmernd. Der Kehlfleck ist bei Weibchen blassgelb und beim Männchen goldgelb. Bauch, Brust und Flanken sind beim Männchen grober gefleckt als beim Weibchen. Die Iris des Auges ist graugrünlich. Im zweiten Jahr nach der Herbstmauser ist es gänzlich verschwunden.

Die geschlüpften Nestlinge sind gelbrötlich. Stirn, Nacken, Rücken, Schulter, Flügel, Bauch, Oberschenkel und Unterschenkel sind dicht mit grauweißen Daunen bedeckt, wobei diese oberseits eine Länge von 10 bis 12 Millimeter aufweisen können. Der Rachen und die Zunge sind rosa und zwischen weißliche Sporne und gelbe Schnabelwülste rot und lila eingefasst.

Federkleid und Mauser

Kernbeißer (Coccothraustes coccothraustes)

Die Jugendmauser, eine Teilmauser beginnt im Alter von 10 bis 13 Wochen und dauert acht bis neun Wochen. In Abhängigkeit vom Schlupftermin zieht sich der Wechsel des Kleingefieders von Juli/Anfang August bis Oktober/Ende November hin. Zuerst wird meist das Brust- und Unterseitengefieder sowie gleichzeitig die Unterschwanz- und Bürzelfedern gewechselt. Danach folgt das Wechseln der Rücken-, Hand- und Armschwingendeckfedern. Schließlich folgt das Kopfgefieder mit Kinn-, Kehlfleck- und Halspartien.

Die Umfärbung des Schnabels vom dunklen Gelb ins dunkle Blaugrau erfolgt bei Jungvögeln meist von Mitte Dezember bis Ende Februar. Selten behalten Weibchen den gelben Schnabel ein Leben lang. Der dunkle blaue Schnabel verfärbt sich erneut bei der Herbstmauser. Die bei Jungvögel graugrüne Iris verfärbt sich im sechsten Monat rehbraun. Albionistische Kernbeißer sind äußerst selten.

Die Ruhemauser der Altvögel, eine Teilmauser findet von Januar bis Ende März, meistens im Februar statt. Die Brutmauser, eine Vollmauser, setzt je nach Konstitution und Alter des Vogels bereits im Juni ein und zieht sich bis Ende Oktober/Anfang November hin.

Morphologische Anpassung

Der Schnabel ist bei den Jungen im ersten Herbst noch nicht ganz ausgewachsen und ausgehärtet. Da sie zu dieser Zeit erhebliche Schwierigkeiten haben, harte Steine aufzuspalten, weichen sie auf weichere Sämereien aus.

Die Spitzenhälfte des Oberschnabels ist ein unter den Finken einmaliges Schneidewerkzeug. Im der Mitte im Inneren befindet sich eine Schneide, welche von zwei parallelen Schneiden gesäumt ist. Zusammen mit den zwei Außenkanten gibt es im Schnabel insgesamt fünf Schneidekanten. Der entsprechende Gegenstück des Unterschnabels ist entsprechend ausgehöhlt, um die Führung für ein Korn oder ähnliches zu gewährleisten. In der hinteren Schnabelhälfte befinden sich unten zwei kräftige Hornballen, gegen das von oben her ein mit vielen Rillen besetztes Brett. An dem hintersten Schnabelende ist eine Verjüngung, um der Zunge genügend Freiraum zu bieten.

In Verbindung mit der starken Muskulatur können die vielen Schneiden einen erheblichen Druck auf kleine Gegenstände ausüben. Dabei werden Kirschkerne mit der Naht nach unten gepackt, da hier der niedrigste Spaltdruck benötigt wird. Der in diesem Fall aufgewendete Druck beträgt 27 bis 43 kg. Flache Kerne, wie die der Olive oder von Zwetschgen, werden flach im Schnabel gehalten. Hier liegt der Druck bei etwa 48 bis 73 kg.

Stimme und Gesang

Aus Angst lassen Kernbeißer ein sehr hohes und schrilles „zrieh“ hören, während sie als Erregungs- und Warnruf ein „zick, zicke, zick“ als Doppelruf oder in schneller Folge vortragen. Aggressionen zeigen die Vögel durch ein Schnabelknappen. Zur Beschwichtigung gegenüber Artgenossen rufen sie leise „büb, büb“.

Der Kontakt- und Lockruf der äußert sich auch bei Einzelgängern in regelmäßigen Abständen in einem „zieck“. Paare im Flug stehen mit einem weichen „zieht“ in Verbindung. In der Brutzeit lässt das Weibchen Bettellaute wie „ziek“, „zieht“ oder „ziet“ hören, wenn es vom Männchen gefüttert werden möchte. Bei der Nistplatzsuche und beim Nestbau verständigt sich das Paar mit „zrieck“ oder „zrie“.

Der Bettelruf der Jungvögel ist vom ersten Tag an ein ganz leises „zieht“. Die späteren Lock- und Bettelrufe äußern sich auch durch „Zrie“-, „Zirk“- oder „Ziet“-Laute. Flügge Junge lassen als Standortruf regelmäßig ein „tziip“ hören. Der Zugruf wird durch ein lautes langgezogenes „zieht“ ausgedrückt.

Der Gesang des Kernbeißers, auch ein Schwätzen genannt, wird ruhig sitzend mit hängenden Flügeln vorgetragen. Er ist meist eine unregelmäßig und dauernd veränderte Zusammenreihung seiner Laute. Er wird häufig durch scharfe „zick-zicks-zick“ eingeleitet und durch sehr melodisch wehmütige „zie-öh“ fortgeführt. Darauf folgt meist ein besonders hoher i-Ton bei „Ziich-zi-ziet zick“-Lauten. Abgeschlossen wird der Gesang häufig durch ein leise genuscheldes „zip-zschip“. Die Zusammensetzung der Rufreihen ist sehr veränderlich und wird manchmal mit großen Pausen zwischen den einzelnen Lauten vorgetragen. Als einer der einfachsten Singvogelgesänge ist er am ehesten mit dem des Grauschnäppers zu vergleichen. Der Gesang ist bei der Revierbestimmung und -markierung nicht von Bedeutung. Er wird kurze Zeit nach der Mauser im Herbst und dann wieder ab Januar/Februar vorgetragen.

Verbreitung

Der Kernbeißer ist in Europa, Nordafrika und ostwärts bis Ostasien und Japan verbreitet. Er besiedelt Nordtunesien bis Marokko. Er ist in Süd- und Mitteleuropa einschließlich England und Südskandinavien beheimatet, fehlt jedoch auf Island, Irland, in weiten Teilen Fennoskandinavien, auf einigen Mittelmeerinseln und teilweise in Süditalien. Der Kernbeißer ist auch in Kleinasien, im Kaukasusgebiet und in Nordiran, Nordafghanistan und Turkestan zu finden. Weiterhin lebt er in Osteuropa und Südsibirien bis zum Ussuriland, zur Mandschurei und Nordkorea. Er besiedelt im Osten Sachalin, Südkamtschatka und im nördlichen Japan Hokkaido sowie vereinzelt südwärts das Gebiet bis Mittelhondo.

In Mitteleuropa ist der Kernbeißer Standvogel, die nördlichen und östlichen europäischen Populationen sind Teilzieher, die ziehen entweder südwärts in Mitteleuropa oder im Mittelmeergebiet oder in Westeuropa überwintern. Der Kernbeißer ist auch vielfach ein Strichvogel, der weite, teils nahrungsbedingte Wanderungen, die vom Herbst bis ins Frühjahr andauern, durchführt. Der Wegzug setzt allmählich ab Juli ein, während er sich im September verstärkt. Der Kernbeißer zieht am Tag, aber auch in der Nacht. Während der Wegzug im Schwarm unternommen wird, findet der Heimzug wenig auffällig Mitte Februar bis April statt.

Lebensraum

Der Kernbeißer ist nicht an ein bestimmtes Biotop gebunden, bevorzugt jedoch wenigstens während der Brutzeit lichte Laub- oder Mischwälder mit Unterwuchs. Die Siedlungsdichte in monotonen Wäldern, insbesondere in monotonen Nadelwäldern, ist sehr gering. Der Kernbeißer brütet oft in größeren Feldgehölzen von Parks, in Gärten und auf Friedhöfen mit altem Baumbestand. Weiterhin ist er auf Streuobstwiesen und in weitläufigen Obstanlagen, wenig bebauten, mit Alleen und Baumgruppen durchsetzten Städten zu finden. Seit 1970 wird anhand von Winterfütterungen eine zunehmende Tendenz zur Verstädterung festgestellt.

Der Kernbeißer stellt mehrere Bedingungen an seinen Lebensraum: Er muss ein gutes Nahrungsangebot im Winter bieten und zur Jungenaufzucht ein gutes Raupenangebot stellen. Zudem bevorzugt er Plätze in Wassernähe. Der Kernbeißer besiedelt das Flachland und mittelhohe Lagen von 300 bis 700 m. In der Schweiz lebt er sporadisch bis zur oberen Grenze der Laubholzstufe in etwa 1300 m hinaus. Auf dem Zug über die Alpen ist er teilweise über die Baumgrenze bei 2400 m im Aaletschgebiet zu finden.

Nahrung und Nahrungserwerb

Die Nahrung besteht aus Samen von Laubbäumen, Früchten, Insekten und deren Larven. Während des größten Teil des Jahres reißt der Kernbeißer die Nahrung von den Zweigen in den Baumkronen ab. Der Baum vollständig abgeerntet, ehe zum nächsten gewechselt wird. Bei Störungen trägt er den ganzen Fruchtstand fort. Sind die Bäume weitgehend abgeerntet, sucht er sich unter Kirsch-, Zwetschgen- und Pflaumenbäumen die Steine, die er aufknackt um ans Innere zu kommen. Die optimale Kerngröße liegt bei 4 bis 5 mm. Bei der Nahrungsaufnahme wird nie der Fuß zu Hilfe genommen. Tierische Nahrung wird das ganze Jahr über, vor allem jedoch von Mai bis Juli aufgenommen. Für die Insektenjagd sitzt der Kernbeißer auf einem Ast bis zu sechs Metern über dem Boden. Entdeckt er ein Insekt, fängt er die Beute und setzt sich wieder auf einen Ast, auf dem er die Beute verzehrt.

Im Frühjahr erweitert sich das Nahrungsangebot durch Knospen und Triebe, insbeosndere von Obstbäumen. Sind die Kirschen reif, werden sie bevorzugt gefressen, meist jedoch nur das Innere der Steine. Befinden sich mehrere Kernbeißer in einem Baum, wird die Kirsche, falls sie nicht zu dick ist, ganz verschlungen. Im Spätsommer sucht der Kernbeißer gerne Buchenwälder auf, um deren Samen und Ahornfrüchte zu vertilgen. Im Winter wird vor allem das Laub umgedreht, um Samen vom Boden aufzunehmen.

Der Kernbeißer bevorzugt in Mitteleuropa Kirschen und die Samen von Hainbuche, Feldahorn und Buche. Erst wenn diese Nahrung ausgegangen ist, werden Samen anderer Arten verzehrt. Verschiedene Samen können durch ungünstige Witterungseinflüsse und durch Gärungen nach Verzehr tödlich wirken. So können Samen von herabgefallenen Traubenkirschen zu Betäubung führen, die Kernbeißer den Tod beim Flug gegen Mauern oder andere Hindernisse finden lässt.

An tierischer Nahrung werden bevorzugt Birkenblattwespe, Stachelbeerblattwespe, Hirschkäfer, Junikäfer, Maikäfer, Rüsselkäfer, Totengräber, Spinnen, Blattläuse, Schildwanzen, Birkenspanner, Kohlweißling, Schillerfalter, Stachelbeerspanner, Motten, Eichenwicklerraupen, Frostspannerraupen, Nagelfleckraupen und Regenwürmer gefressen.

Fortpflanzung

Der Kernbeißer wird in der dem Schlüpfen folgenden Brutperiode geschlechtsreif. Die Dauer und Lage der Brutzeit ist von Jahr zu Jahr verschieden und hängt vom Witterungsablauf und vom Nahrungsspektrum ab. Die Brutzeit mitteleuropäischer Vögel erstreckt sich von Anfang April bis Ende Juni. Abgesehen von Nachgelegen brütet der Kernbeißer genau einmal im Jahr. Die Gesamtbrutdauer beträgt etwa 49 Tage; der Eiablagezeitraum erstreckt sich ungefähr über 37 Tage.

Balz und Paarbildung

Vor der Revierbesetzung von März bis Anfang April finden Balz und Paarbildung statt. Dabei werden die Gesangs- oder Imponierbalz und die Demuts- oder Bettelstellbalz unterschieden. Im erstgenannten Fall sträubt das singende Männchen sein Kopfgefieder, spreizt den Schwanz und pendelt den Körper dem Weibchen zugewandt mit hängenden Flügeln hin und her. Indem sich das Weibchen schlank macht und in Richtung des Männchens pendelt, zeigt es seine Zustimmung. Diese Balz führt nicht immer zur Kopulation. Im zweiten Fall fliegt das Männchen mit schnell vibrierenden Flügeln und gestelzten Schwanz von Ast zu Ast. Wenn es sich dem Weibchen in Demutshaltung nähert, wird es vom ihm begleitet. Beiden Balztypen oder auch Kombinationen beider kann die Kopulation folgen. Sie können durch Fütterungen und Schnäbeln unterbrochen werden.

Revier und Nistplatzwahl

Das Männchen sucht das Revier aus, das zugleich Brut- und Nahrungsraum sein kann. Gegenüber Artgenossen verteidigt das Paar nur einen kleinen Nestbezirk, während andere Vögel ohne Ausnahme von beiden Partnern vertrieben werden. Die Größe des Reviers unterliegt großen Schwankungen von von 0.5 ha bis 5 ha/Paar, wobei einem Paar meistens andere Paare nachziehen. Drei bis sechs Paare, höchstens 20 Paare, brüten meist in Gruppen zusammen. Es gibt jedoch auch Fälle von strengen Einzelbruten.

Die Nistplatzwahl erfolgt durch beide Partnern, die endgültige Entscheidung trifft jedoch allein das Männchen. Ist das Weibchen an einem Platz interessiert, drückt es sich in eine Astgabel und lockt das Männchen herbei. Nimmt dieses den Platz an, holt es ein Stöckchen und übergibt es dem Weibchen zum Nestbau. Die Paare bauen die Nester zu 45 Prozent am Stamm in Astquirlen und Astgabeln, zu 36 Prozent in Baumkronen, zu 10 Prozent auf fast waagerechten Seitenkästen von Bäumen und zu 9 Prozent in Sträuchern. Zudem werden Laubbäume und Sträucher gegenüber Nadelbäumen im allgemeinen bevorzugt, diese Wahl variert jedoch nach Menge, Höhe und Struktur. Das Nest befindet sich grundsätzlich an der sonnenbeschienenen Seite der Bäume. Bodennester wurden bisher noch nicht festgestellt. Die Höhe des Nestes ist zunächst von einer freien Anflugmöglichkeit und danach von einer geeigneten Struktur für die Anlage desselben abhängig. So finden sich Nesthöhen von 1 bis 22 Metern, die Mehrzahl liegt jedoch bei zwei bis acht Meter.

Nestbau

Das Paar baut das Nest zwar gemeinsam, dennoch trägt das Weibchen 65 Prozent zum Hauptbau bei. Das Material wird aus 5 bis 60 m Entfernung um den Standort gesammelt. Bei guter Witterung ist das Nest in fünf bis zehn Tagen fertig gestellt. Das napfförmige Nest des Kernbeißers besteht dem Unterbau, der Zwischenlage und der Auspolsterung. Für den Unterbau werden durchschnittlich selbst abgebrochene 65 bis 90 kleine Äste unregelmäßig übereinander gelegt werden. Die Maße gehen von 15 bis 18 cm Breite und 20 bis 26 cm Breite. Die dünne Zwischenlage wird aus Wurzeln und groben Halmen gefertigt. Die etwa ein Zentimeter dicke Auspolsterung wird vor allem aus dünnen Wurzeln und feinsten Halmen gefertigt. Der Einbau von Federn und Moos erscheint unwahrscheinlich. Stattdessen werden trockene Blätter, grüne Kiefernnadeln, trockene Weinreben, Rehhaare und Schweineborsten sowie Bindfäden und Angelschnüre verarbeitet. Die meist ovalen Nestmulden sind 7 bis 7,7 cm breit, 8 bis 9 cm lang und je nach Bauart von 3 bis 4 cm tief. Der eigentliche Außendurchmesser des Halmnestes ohne Unterbau beträgt 9,5 bis 10 cm Breite und 10 bis 11 cm Länge. Die Höhe des Gesamtnestes kann 7,5 bis 12,5 cm betragen. Während der Nestbauzeit geht das Paar gemeinsam auf Nahrungssuche.

Eiablage und Brutpflege

Die Eiablage beginnt normalerweise, sobald der Nestbau beendet ist, findet jedoch oft spätestens ein bis zwei Tage danach statt, wenn sie wegen kühler Witterung nicht nach hinten verschoben wird. Die Eier werden etwa fünf Tage lang in den frühen Morgenstunden bis etwa sieben Uhr gelegt. Die Eier sind oval bis langoval. Die Grundfarbe ist hellbläulichgrau bis hellgrünlichgrau, seltener bräunlichgrau. Sie sind meist relativ gleichmäßig mit einigen, kräftigen schwarzbraunen Punkten und Schnörkeln sowie helleren Kritzeln gezeichnet, die sich teilweise zum stumpfen Pol hin verdichten. Die Eier der Normalform sind durchschnittliche 24,3 mm lang und 17,83 mm breit. Das Frischgewicht beträgt 3,89 g, das Schalengewicht von 0,226 g.

Im Mai werden die meisten Gelege getätigt. Die Gelegegröße des Kernbeißers ist in Mitteleuropa relativ konstant und besteht meistens aus fünf Eiern. Sie steigt im Verbreitungsgebiet, je nach der Länge der Tageshelligkeit, von Süden nach Norden. Das Weibchen beginnt die 12 bis 14 Tage dauernde Bebrütung meist nach Ablage des dritten Eies. Während dieser Zeit wird es vom Männchen gefüttert. Dabei lockt es das Weibchen meist vom Nest, so dass es unter Flügelvibrieren nach Futter bettelt, um kurz nach dem Füttern zum Nest zurückzukehren. Füttert das Männchen schlecht, so muss das Weibchen selbst auf Futtersuche gehen. Das Weibchen brütet sehr fest und ausdauernd. Fühlt es sich bedroht, nimmt es mit geöffnetem Schnabel eine Abwehrhaltung ein und versucht zu beißen. Während der Bebrütung dösen viele Weibchen mit halbgeschlossenen Augen vor sich hin oder gehen Gefiederpflege nach. Mit der Änderung der Sitzrichtung werden die Eier regelmäßig gewendet.

Entwicklung der Jungvögel

Je nach Brutbeginn und Witterungseinflüssen schlüpfen die Jungen asynchron. Das Weibchen frisst die Eischalenreste und hudert die Jungen in Abständen über Tag und in der Nacht bis zum Ausfliegen. In den ersten Tagen wird der Kot von den Altvögeln gefressen, später jedoch fortgetragen. Da das Weibchen in den ersten Tagen intensiv hudert, übernimmt das Männchen den Hauptteil der Fütterung. Das Weibchen nimmt anfangs dem Männchen die Nahrung oft ab und füttert die Jungen aus dem Kropf, die mit seitlichem Schwenken des Kopfes sperrend die Nahrung erwarten. Später beteiligen sich beide Altvögel an der Fütterung. Dabei sucht das Männchen im Umkreis von zwei bis drei Kilometern Entfernung vom Nest nach Nahrung, das Weibchen bleibt in der unmittelbaren Umgebung desselben.

Am Schlupftag haben die Jungvögel ein Gewicht von etwa 5 g und rufen ganz leise „zieht“. Am dritten Tag ändert sich die Rachenzeichnung. Die Augen öffnen sich schlitzförmig am vierten Tag und sind einen Tag später ganz geöffnet. Die Sitzordnung der Jungen ist bis zum fünften Tag der Brust-an-Brust-Sitz. Ihm folgt der Ringsitz, wo der Körper am Nestrand entlang und der Kopf auf das Hinterteil des Vorderjungen liegt. Am siebten Tag erfolgt wiederum eine Rachenfärbung. Nun folgen variable Lock- und Bettelrufe. In den letzten Tagen wird dachziegelartiges Sitzen mit dem Ringsitz kombiniert. Mit 10 bis 11 Tagen können die Jungen bei Gefahr das Nest verlassen. Sie begeben im Alter von 12 bis 14 Tagen auf die Äste in Nestnähe (Ästlingsstadium). Zu diesem Zeitpunkt wiegen sie etwa 34 g. Die Jungvögel sind mit 16 bis 19 Tagen voll flugfähig und werden zwischen den Altvögeln aufgeteilt, um nach Nahrung suchend umherzuziehen. Die letzte Rachenfärbung erfolgt am 26. Tag. Nach 30 bis 31 Tagen sind sie selbständig.

Der Kernbeißer hat hohe Brutverluste, die meistens durch die offene Nestlage bedingt sind. Die häufigsten Nesträuber stellen Eichelhäher, Eichhörnchen und Marder dar. Gebietsweise holt sich der Rotrückenwürger seinen Anteil. Zudem bleiben viele Paare jährlich ohne Jungvögel, obwohl sie ein Nachgelege anlegen. Untersuchungen zeigen, dass selbst unter Berücksichtigung des Nachgeleges nur jedes vierte Brutpaar Erfolg bezüglich der Zahl der Gelege hat. Nach der Eizahl ergäbe sich ein noch niedrigerer Bruterfolg. Das asynchrone Schlüpfen der Jungen führt zur Verdrängung der jüngsten Nestlinge durch die zuerst geschlüpften Jungen, so dass diese nicht gefüttert werden und eingehen. Dadurch verlassen in der Regel nur ein bis drei, ganz selten vier Junge das Nest. Das entspricht einen Bruterfolg von 13 bis 16 Prozent, in England sind es 10 bis 15 Prozent.

Freilebende Vögel werden maximal zwölf Jahre alt. In Gefangenschaft können sie ein Alter von 15 bis 20 Jahren erreichen.

Verhalten

Der Kernbeißer ist tagaktiv. Er verlässt Schlafast mit Tagesbeginn, mit Sonnenuntergang sucht er ihn wieder auf. In den frühen Morgenstunden ist die Nahrungssuche am intensivsten. Die Aktivitätsphase wird häufig durch Ruhe- und Putzphasen unterbrochen. Während der Brutzeit verhält sich der Kernbeißer sehr unauffällig, da er in Bäumen Schutz sucht.

Der Kernbeißer lebt während der Brutzeit gerne gesellig, obwohl er oft Scheinangriffe auf Artgenossen und andere Vögeln zeigt. Ein lockeres, kolonieartiges Brüten findet besonders in nordischen Ländern statt. Nach der Brutzeit, teilweise schon ab Juni, ziehen die Familien zu tragenden Steinobstbäumen, insbesondere zu Kirschbäumen. Je näher der Winter rückt, desto größere Familiengruppen begeben sich gemeinsam auf Nahrungssuche. Der Paarzusammenhalt bleibt im Winter bestehen. Zum Frühjahr hin beginnt sich der Zusammenschlusses langsam zu verkleinern. Im Frühjahr beginnen die Männchen die Weibchen zu jagen, wobei es auch vorkommen kann, dass ein Männchen ein anderes hetzt. Allgemein gelten alle Verhaltensformen der Stieglitzartigen (Carduelinae).

Abweisungs- und Drohverhalten zeigt sich durch ein Schnabelsperren mit langem Hals und erhobenen Kopf mit je nach Intensität gespreizten Flügeln. Will ein Vogel angreifen, knappt er hörbar mit dem Schnabel. Dann wird unter Hacken und Beißen gekämpft. Dabei wird oft in höchster Erregung der Schwanz gefächert. Als Vorstufe zur Angriffs- oder Fluchtstimmung kann auch das Kopfgefieder gesträubt werden.

Auf der Nahrungssuche lässt sich der Kernbeißer beim Start eines Fluges vom Ast fallen, um in einem nach unten weisenden Bogen zum nächsten Baum zu fliegen.

Kernbeißer und Mensch

Etymologie und Benennung

Die Namen des Kernbeißers weisen fast alle auf die charakteristischen Eigenschaften dieses Vogels, also den große Kegelschnabel und die Kunst, Steine zu knacken, hin. Neben der Bezeichnung „Kernbeißer“ ist besonders die Benennung als „Kirschkernbeißer“ geläufig. Weitere Namen sind Kirschfink, Kirschvogel, Kirschenknipper, Kirschbeerfink, Kirschknacker, Steinbeißer und Knospenbeißer. Weiterhin wird dieser Vogel als „Finkenkönig“ bezeichnet, weil er der Größte und Kräftigste unter den Finkenvögeln ist

Der wissenschaftliche Name Coccothraustes setzt sich zusammen aus dem griechischen kokkos (der Kern) und thrauein (zerbrechen), also der Kernzerbrecher. Die Artbezeichnung unterlag im Laufe der Jahrhunderte einiger Veränderungen. So benutzte Carl von Linné (1758) den Namen Loxia coccothraustes. Mathurin-Jacques Brisson (1760) behielt sich für den Kernbeißer den Gattungsnamen Coccothraustes vor. Pallus (1811) Benennung als Coccothraustes vulgaris hielt sich am längsten. Im 20. Jahrhundert wurde der heutige Name Coccothraustes coccothraustes festgelegt

Haltung als Volierenvogel

Bis heute wird der Kernbeißer als Volierenvogel gehalten. Wildfänge sind nach dem § 20d BNatSchG jedoch illegal. Bei Interesse geben Züchter Tiere ab. Die Weiterbildung durch geeignete Literatur vor der Anschaffung dieser Tiere ist notwendig. Kernbeißer können bei artgerechter Fütterung nur in der beflanzten Voliere gehalten werden. Das Futter sollte abwechslungsreich sein und sich aus Grundfutter und Samen sowie Insekten zusammensetzen. Die Voliere wird am Boden zum Schutz vor Schimmelbildung mit Fichtennadeln ausgelegt und mit Holunder, Hainbuche, Fichte und Stechpalme sowie Kiefernzweigen bepflanzt. Eine Überwinterwinterung ist möglich, wenn ein Schutzraum angegliedert ist. Außerhalb der Brutzeit, kann der Kernbeißer ruhig mit heimischen Stieglitzartigen (Carduelinae) wie dem Gimpel oder Girlitz vergesellschaftet werden

Kernbeißer aus der Haltung versuchen, Gesänge anderer Vögel nachzuahmen. Dazu zählen unter andrem die Imitation des Schlags der Zwergwachtel, des Trillern des Grünfinken und das Schilpen des Haussperlings.

Literatur

  • Einhard Bezzel: BLV Handbuch Vögel. BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München, 2006, ISBN 3-8354-0022-3
  • Einhard Bezzel: Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Singvögel. Wiesbaden, 1993
  • Horst Bielfeld: Zeisige, Girlitze, Gimpel und Kernbeißer. Herkunft, Pflege, Arten. Ulmer Verlag, 2003, ISBN 3-8001-3675-9
  • H. Dahte: Zur Biologie des Kernbeißers. Beiträge zur Fortpflanzungsbiologie der Vögel mit Berücksichtigung der Oologie. Berlin, Bd. 16:30, 1940
  • H. Dost: Handbuch der Vogelpflege und Züchtung. Jena, 1954
  • Mountfort: The Hawfinch. London, 1957
  • Kraft: Kernbeißer. AZN 12, 1988
  • S. Krüger: Der Kernbeißer (Coccothraustes coccothraustes). Neue Brehm-Bücherei, Bd. 525, Wittenberg, 1982, ISBN 3-89432-371
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