Orchester

Ein Orchester (griechisch ὀρχήστρα orchestra = Tanzplatz, d. h. ein halbrunder Platz vor der Bühne eines griechischen Theaters, auf dem ein Chor tanzte) ist ein Klangkörper als größeres Instrumental-Ensemble, das vor allem für die Aufführung klassischer Musik zum Einsatz kommt.
Orchesterlandschaft Deutschlands
Eine professionelle öffentlich finanzierte Orchesterlandschaft Deutschlands mit gegenwärtig 133 Kulturorchestern beruht im Wesentlichen auf vier Säulen: Da sind zunächst die 82 Theaterorchester, die überwiegend die Sparten Oper, Operette, Musical der Stadt- und Staatstheater bedienen. Das Spektrum reicht von den großen, international renommierten Opernhäusern in Berlin, Hamburg, Stuttgart oder München bis hin zu den kleinen Bühnen in Lüneburg, Annaberg oder Hildesheim. Die zweite Säule bilden 30 Konzertorchester (darunter ein ziviles Blasorchester), die ausschließlich oder überwiegend im Konzertsaal arbeiten oder mit einer eigenständigen Konzerttradition auch im Opernhaus tätig sind. Die Spitzenposition nehmen hier international bedeutende Orchester wie die Berliner Philharmoniker, die Münchner Philharmoniker, die Sächsische Staatskapelle Dresden, die Staatskapelle Berlin oder das Gewandhausorchester Leipzig ein, um nur einige der größten zu benennen. Die dritte Säule bilden sieben Kammerorchester, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden und die in der Regel ohne eigene Bläserbesetzung als reine Streichorchester ganzjährig arbeiten, wie z. B. das Stuttgarter Kammerorchester, das Württembergische Kammerorchester Heilbronn oder das Münchner Kammerorchester. Die vierte Säule schließlich besteht aus den Rundfunkklangkörpern der ARD-Anstalten und der Rundfunkorchester und –Chöre GmbH (ROC) Berlin: 14 Rundfunk- und Radiosinfonieorchester sowie vier Bigbands und sieben Rundfunkchöre sind unverändert ein Standbein für hochwertige Musikproduktion, ambitionierte Programmpolitik und Förderung der zeitgenössischen Musik in Deutschland. Ensembles wie die Symphonieorchester des Bayerischen, Norddeutschen oder Westdeutschen Rundfunks genießen hierbei hohes internationales Ansehen. [1]
Große Orchester, in denen alle typischen Instrumentengruppen vertreten sind, werden „Sinfonieorchester“, „Sinfoniker“ oder „philharmonische Orchester“, „Philharmoniker“ genannt, wobei diese beiden Bezeichnungen keinen Unterschied in Besetzung oder Rolle eines Orchesters andeuten, aber helfen können, verschiedene Orchester einer Stadt zu unterscheiden (z. B. die Berliner Philharmoniker von den Berliner Symphonikern). Ein kleines Orchester oder ein Orchester, in dem in der Regel die Streichergruppen nur mit wenigen Spielern besetzt sind, wird auch Kammerorchester genannt. Kammerorchester haben als reine Streichorchester (1. und 2. Violinen, Bratschen, Violoncelli und Kontrabässe) in der Regel eine Größe zwischen 16 bis 24 Mitgliedern. Kleine Sinfonieorchester gibt es schon in einer Besetzung ab ca. 30 Mitgliedern, wobei teilweise einige Bläser nur einfach besetzt sind. Mittlere bis große Orchester haben in der Regel zwischen 66 bis über 100 Mitglieder. Das größte deutsche Orchester ist das Gewandhausorchester Leipzig mit 185 Planstellen; es spielt allerdings auch in drei Formationen: als Konzertorchester im Leipziger Gewandhaus, als Opernorchester in der Oper Leipzig und als Kantatenorchester in der Leipziger Thomaskirche, der langjährigen Wirkungsstätte von Johann Sebastian Bach. Das mit derzeit 162 Planstellen zweitgrößte Orchester befindet sich quasi gleich nebenan in Halle. Auch die Staatskapelle Halle hat neben dem regulären Orchesterspielbetrieb zahlreiche weitere Aufgaben, wie die Opern-, Musical- und Ballettbespielung, als Orchester der Robert-Franz-Singakademie und des Stadtsingechors, als Landesorchester und als internationaler Kulturbotschafter des Landes Sachsen-Anhalt.
Das älteste ununterbrochen bestehende deutsche Orchester ist das Orchester des Hessischen Staatstheaters Kassel, gegründet im Jahr 1502. Das älteste Orchester in Europa ist die königliche Hofkapelle in Kopenhagen (1448).
Andere größere Instrumentalgruppen können ebenfalls Orchester heißen; diese bestehen häufig nur aus Instrumenten einer bestimmten Art, z. B. Blasorchester, Streichorchester oder Zupforchester. Auch Big Bands nennen sich hin und wieder „Unterhaltungs-“ oder „Tanzorchester“.
Sinfonieorchester
Das Sinfonieorchester ist der übliche Klangkörper zur Wiedergabe von Orchesterwerken aus der zweiten Hälfte des 18., des 19. und teilweise auch des 20. Jahrhunderts. Verschiedentlich werden Sinfonieorchester auch für Popmusik herangezogen. Eine bedeutende Rolle spielt das Sinfonieorchester in der Filmmusik.
Besetzung
Im Sinfonieorchester stehen die Streicher, deren Stimmen mehrfach besetzt sind, den anderen Instrumentengruppen, die einzeln besetzt sind, gegenüber.
Die Instrumentengruppen (geordnet nach der Anordnung in der Partitur):
- Holzbläser:
- Flöten mit Piccoloflöte
- Oboen mit Englischhorn
- Klarinetten mit Es- und Bassklarinette
- Fagotte mit Kontrafagott
- Blechbläser:
- Schlaginstrumente:
- Pauken
- Schlagwerk (z. B. Trommeln, Becken, Triangel, Glockenspiel und andere Mallets)
- Streicher:
- 1. Violinen (Geigen)
- 2. Violinen
- Violen (Bratschen)
- Violoncelli
- Kontrabässe
- Zupfinstrumente, üblicherweise die Harfe
Es können noch weitere Instrumente dazukommen, die jedoch selten in deutschen Berufsorchestern fest besetzt sind. Dazu gehören z. B.
- Tasteninstrumente wie Klavier, Cembalo, Orgel, Celesta
- moderne Weiterentwicklungen klassischer Orchesterinstrumente wie Saxophon, Heckelphon und Wagnertuba
- ursprüngliche Militärinstrumente wie das Flügelhorn
- Zupfinstrumente aus Folklore oder Jazz wie Mandoline, Gitarre, Balalaika oder Zither
- Zungeninstrumente wie Akkordeon oder Bandoneon
- elektronische Instrumente wie Ondes Martenot oder Trautonium
Leitung
Heutzutage werden die Musiker normalerweise von einem Dirigenten geleitet, obwohl in der Anfangszeit Orchester keinen Dirigenten hatten und statt dessen dem ersten Geiger (Konzertmeister) oder dem Generalbass spielenden Cembalisten diese Rolle zukam. Auch einige wenige moderne Orchester kommen ohne einen Dirigenten aus, besonders kleinere Orchester, die sich auf die historische Aufführungspraxis von Alter Musik spezialisiert haben.
Als erster moderner Dirigent der Neuzeit gilt der Komponist und Kapellmeister Carl Maria von Weber (1786-1826), der anfangs mit einer Notenrolle, später mit einem Taktstock das Orchester leitete.
Probenbetrieb
Entgegen der vorherrschenden Meinung finden Orchesterproben nicht immer in voller Besetzung statt (Tuttiprobe), sondern es können zunächst Einzelproben der verschiedenen Stimmen oder Instrumentengruppen (Registerproben) stattfinden. Dies dient dazu, dass bei spieltechnisch schwierigen oder neu einzustudierenden Werken die einzelnen Gruppen ihren Part beherrschen, bevor sie zu einem (schwerer durchhörbaren) Ganzen zusammengefügt werden.
Siehe auch
Quellen
- ↑ Gerald Mertens, Kulturorchester, Rundfunkensembles und Opernchöre, hier: Punkt 2. Überblick
Weblinks
- Das Orchester - Zeitschrift für Orchesterkultur & Rundfunk-Chorwesen
- Deutsche Orchestervereinigung (DOV)
- Deutsche Orchester-Stiftung (DO-S)
- Deutsches Musikinformationszentrum (MIZ)
- MusData - Orchesterverzeichnis Internationales Orchester- und Musikerverzeichnis (englisch)