Gottmadingen
Vorlage:Infobox Ort in Deutschland Gottmadingen ist eine Gemeinde im Landkreis Konstanz in Baden-Württemberg.
Geografie
Geografische Lage
Gottmadingen liegt am Westrand des Hegau, etwa sieben Kilometer von Singen entfernt.
Nachbargemeinden
Die Gemeinde grenzt im Norden an Hilzingen im Osten an Rielasingen-Worblingen und die Schweizer Gemeinde Buch im Kanton Schaffhausen, im Süden an Gailingen und im Westen an Dörflingen und Thayngen, beide im Kanton Schaffhausen.
Gliederung
Neben dem Hauptort (7.581 E, Stand 02/07) gehören mit Bietingen (1.118 E), Ebringen (276 E) und Randegg (1.376 E) fünf weitere Ortsteile zur Gemeinde. Zu Randegg gehören weiterhin die Weiler Petersburg und Murbach.
Geschichte
Die erste Erwähnung des Ortes "Gotemundingen" geht auf eine gefälschte Urkunde aus dem Jahr 965 zurück, in dem Kaiser Otto der Kirche Öhningen ihre Besitzungen bestätigt. Die ersten Herren von Gottmadingen tauchen 1100 als Ortsadlige aus dem Geschlecht der Nellenburger auf. Im 13. Jahrhundert ist eine Verbindung mit der Bodmanner Herrschaft verzeichnet.
Als erste Ortsherren und Inhaber der Herrschaft Heilsberg erscheinen die Herren von Randegg, die sich im 12. Jahrhundert im Hegau niederließen und denen bis zum Schweizerkrieg 1499 Schloss Randegg und die Feste Heilsberg zugeschrieben werden. In Verbindung mit den Randeggern wird auch eine weitere "Gottmadinger" Burg gebracht, Burg Gebsenstein, die allerdings auf Hilzinger Gemarkung liegt. Sagenumwoben sind die 1253, 1276 und 1308 bis 1326 erwähnten "Drei Edelfräulein von Gebsenstein", Gertrud, Gebizo und Katharina, denen große Mildtätigkeit nachgesagt wird. Die Damen wurden bis in die 1960er Jahre im Dorf verehrt.
Einige Jahre nach dem Schweizerkrieg geht die Herrschaft auf die Schellenberger, einem ursprünglich oberbayrischen und später in Liechtenstein ansässigen Geschlecht über. Als herausragender Vertreter dieser Herrschaft tut sich Hans II. von Schellenberg (1552-1609) hervor, ein studierter und humanistisch gebildeter Mann, der gebildetste unter den Gottmadinger Ortsherren, der sich mit Fragen der Theologie, Archäologie und Geschichte auseinandersetzte. Mit seinem Tod stirbt die Linie aus.
Die neuen Herren sind die Vintler von Plätsch, deren Wurzeln im Südtirol zu finden sind. Ohnehin chronisch verschuldet sind die Vintler noch zusätzlich vom Pech verfolgt. Am 13. April 1611 brennt ein Teil des Dorfes ab. 27 Häuser gehen in den Flammen auf. Die Geldknappheit der Vintler bekommen die Gottmadinger mit immensen Fronforderung zu spüren. In der Ortschronik heißt es: "Der Vintler wurde in der Sage zum 'Finkler' und zum Inbegriff des bösen, raffgierigen und eigensüchtigen Herrn". Zudem leidet das Dorf arg unter dem 30-jährigen Krieg. 1632 ziehen marodierende Truppen durch den Ort, 1635 zerstört Konrad Widerholt, der als Plage für die um den Hohentwiel gelegenen Dörfer gilt, die Burg auf dem Heilsberg.
Nach dem Tod des Junker Vintler verkaufen dessen Gläubiger 1660 die heruntergekommene Herrschaft Heilsberg samt Gottmadingen und Ebringen an den österreichischen Regimentsvizekanzler Dr. Johann Michael Sonner, der die Herrschaft aus der Landgrafschaft Nellenburg herauslöste und als Territorialherr selbst zu Gericht über Leben und Tod saß. In dieser Zeit finden auch Hinrichtungen statt, von der der Gewannname "Galgenbuck" Richtung Katzental zeugt. Nach dessen Tod 1672 wird das Lehen vom österreichischen Kaiser neu ausgegeben.
Die Herren von Deuring kommen aus dem Vorarlberg nach Gottmadingen und hinterlassen mit dem goldenen Löwen auf blauem Feld und drei goldenen Kugeln ihre Insignien im Wappen der Gemeinde. Die Deurings werden zu Freiherren erhoben, Adrian von Deuring macht Karriere und wird später gar Kanzler in Innsbruck. Gleichzeitig sind die Deurings aber das letzte Geschlecht, die als Reichsritter regieren und unmittelbar dem Kaiser unterstanden.
Mit dem Pressburger Frieden vom 26. Dezember 1805 kommt Gottmadingen zusammen mit der Landgrafschaft Nellenburg an das neue Königreich Württemberg. Der württemberger König gibt die Herrschaft nicht wieder als Lehen aus, sondern stutzt die Deurings auf den Vasallenstand zurück. Die Gerichtsbarkeit liegt nun im Schwäbischen. Nach vier Jahren erfolgt die Erlösung und Gottmadingen wird mit der napoleonischen Neuordnung grossherzöglich-badisch. Gottmadingen kommt zum badischen Bezirksamt Radolfzell. Erneut ist es Überschuldung die den Wechsel des Ortsherren auslöst. Die Gläubiger des letzten Deuring verkaufen die Herrscahft 1813 an Johann Andreas von Traitteur (1753-1825) in Bruchsal. Traitteur gilt als schillernde Persönlichkeit: akademisch doktoriert, Lehrer, Baukommissär, Festungsingenieur und Salinenbesitzer, gleichzeitig aber auch Lebemann, Phantast und Vater zahlloser nicht realisierter Projekte. Von ihm wird berichtet, dass er 1794 die Stadt Mannheim überfluten lassen wollte, um sie vor dem französischen Bombardement zu schützen. Der Plan wurde nicht in die Tat umgesetzt.
Die Erben des selbsternannten Grafen von Traitteur verkaufen die Grundherrschaft 1829 an den Großherzog Ludwig von Baden, der sie zur Ausstattung seiner Tochter Luise Gräfin von Langenstein erwirbt. Durch deren Heirat 1848 mit dem Grafen Karl Israel Douglas kommen die Besitzungen zur Familie Douglas, die noch heute über weite Landbesitzungen in der Gemeinde verfügt.
Wirtschaftlichen Aufschwung erlebt das Dorf mit dem Bau der Eisenbahnlinie Schaffhausen-Singen ab 1863. Die Herrschaft entwickelt sich zum Industriedorf durch den Ausbau von drei Familien- zu Industriebetrieben: Landmaschinenfabrik Fahr, Brauereien Bilger und Graf (alle heute nicht mehr existent). In den 1970er und 1980er Jahren durchlebt die Gemeinde einen Strukturwandel zum Gewerbe- und Dienstleistungsstandort.
Quelle: Wolfgang Kramer, Kreisarchivar
Religionen
Obwohl überwiegend römisch-katholisch geprägt, gibt es in Gottmadingen neben der katholischen Gemeinde auch ein evangelisches Pfarramt, eine Freie Evangelische Gemeinde und mit der Kirche des Nazareners eine weitere Freikirche.
Eingemeindungen
Bietingen, Ebringen und Randegg (inkl. Murbach und Petersburg)
Politik
Die Gemeinde ist Sitz der Vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft der Gemeinde Gottmadingen mit den Gemeinden Büsingen am Hochrhein und Gailingen am Hochrhein. Gottmadingen ist ein Unterzentrum mit dem Entwicklungsschwerpunkt "Arbeiten und Wohnen".
Gemeinderat
Dem Gemeinderat gehören nach der Kommunalwahl vom 13. Juni 2004 neben dem Bürgermeister als Vorsitzenden 22 Mitglieder an. Die Wahl brachte folgendes Ergebnis:
Bürgermeister
Als Bürgermeister wurde in der Wahl am 6. Oktober 2004 Dr. Michael Klinger gewählt.
Als Stellvertreter sind vom Gemeinderat gewählt:
- Veronika Herberger (FWG)
- Georg Ruf (SPD)
- Daniel Binder (CDU)
Partnerschaften
Gottmadingen unterhält partnerschaftliche Beziehungen zu
- Champagnole in Frankreich seit 1968,
- Caselle in Pittari in Italien seit 1993 und
- Randegg in Niederösterreich seit 1969.
Ehrenbürger
Ein Pfarrer, ein Unternehmer, ein Kommunalpolitiker: Franz Burkard, Geistlicher Rat (*12.2.1888 †8.2.1965), Johann Georg Fahr, Generaldirektor (*16.10.1904 †26.4.1972) und Karl Stett, Bürgermeister (21.7.1902 †22.4.1985). 2004 wurde ausserdem der aus dem Amt geschiedene Bürgermeister Hans Jürgen Schuwerk zum Ehrenbürger ernannt.
Wirtschaft und Infrastruktur
Verkehr
Gottmadingen ist durch die Hochrheinbahn (Basel – Kreuzlingen) an das überregionale Schienennetz angebunden. Außerdem ist Gottmadingen Ausgangspunkt der Bundesautobahn A 81 nach Würzburg.
Ansässige Unternehmen
Johann Georg Fahr gründete in Gottmadingen 1870 die Maschinenfabrik Fahr. Das Unternehmen, das in seiner Blütezeit Anfang der 1960er Jahre an die 4.000 Arbeiter und Angestellte hatte, spielt eine prägende Rolle in der Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Ortes. Unter zahlreichen Erfindungen der Landmaschinentechnik ist die Entwicklung der 'Kreiseltechnik' die bedeutendste. Der bis 1961 familiengeführte Betrieb beteiligte zur Bewältigung eines breiten Produktionsprogramms 1961 die Klöckner Humbold Deutz AG (KHD) in Köln und musste dafür die 1398 aufgenommene geschichtsträchtige Schlepperproduktion opfern. KHD übernahm nach der Rezession von 1966 im Jahr 1968 die Aktienmehrheit bei Fahr und gliederte 1977 die bis dahin noch selbstständig geführte Firma als Zweigniederlassung in der eigenen Konzern ein. In den Folgejahren wurde der Betrieb unter massivem Stellenabbau noch zweimal weiterverkauft, bis der letzte Besitzer Kverneland im Jahre 2006 die Schließung der Pforten angekündigt hat.
Auf dem früheren Fabrikgelände befindet sich heute ein Gewerbepark, der Industrie-Park Gottmadingen, in dem etwa die BKK Fahr ihren Sitz hat.
Die Brauerei Bilger war der zweite Großbetrieb, der Gottmadingen die Bezeichnung eines Industriedorfs bescherte. Die Brauerei geht auf den Gründungsvater Johann Nepomuk Bilger zurück, der in den 1820er Jahren die Bierherstellung in einer Gasthausbrauerei aufnahm. Bis in die Jahre 1965 bis 1968 konnte die Brauerei den Bierausstoß auf knapp 220.000 hl/Jahr steigern und gehörte damit zu den 4 größten Brauereien Südbadens. In den Glanzzeiten schenkte die Lufthansa Bilger-Bier in Dosen an Bord ihrer Flugzeuge aus. Die vormals einem Industrieadel ähnelnde soziale Stellung der Brauereifamilie Bilger verfiel rapide als 1968 die Brauerei über Nacht an die Donaueschinger Fürstenberg Brauerei verkauft wurde. Der 1968 noch 271 Beschäftigte zählende Betrieb wurde 1976 vom Konkurrenten geschlossen.
Das Brauereigelände lag an zentraler Stelle in der Ortsmitte der Gemeinde und wurde in den 1990er Jahren abgerissen und ist einer Wohnbebauung gewichen. Das sog. Sudhaus zeugt neben dem Hotel Sonne und der ehemaligen Fabrikantenvilla noch von den Gebäuden der Brauerei.
In der Gegewart zeigt sich die Industrie- und Gewerbestruktur diversifizierter. Von knapp 800 angemeldeten Betrieben firmieren noch 41 Unternehmen als Industriebetriebe.
Bildungseinrichtungen
Neben der Eichendorff-Realschule und der Eichendorf-Hauptschule gibt es noch Grundschulen im Kernort (Hebelschule), in Bietingen und in Randegg. Außerdem gibt es noch zwei römisch-katholische, zwei kommunale, einen evangelischen und einen Waldorf-Kindergarten.
Kultur und Sehenswürdigkeiten
Museen
- Fahr- und Schlepperverein (Edelweiß-Straße 9)
Bauwerke
Kirchliche Bauten
- Christkönigskirche (1931 erbaut von Johann Luger), klassizistische motiviertes Langhaus mit expressionistisch abgetreppten Glockenturm
- evangelische Lutherkirche (1936/37 erbaut von Berthold Sack)
- St. Ottilia (Randegg) mit der ältesten datierten Glocke Deutschlands (1209).
Öffentliche Bauten
- Neues Rathaus, ehemaliges Gasthaus "Oberer Sternen" (1900 erbaut, 1988 umgebaut von Josef Binder) am Bahnhof
- Altes Rathaus, ehemaliges Schloss Gottmadingen (15. Jh.) in der Ortsmitte
- Hebelschulhaus (1914, Architekt Bauer, Konstanz) in der Ortsmitte, mit sezessionistisch geprägtem Eingangsportal
Burgen und Schlösser
- Ruine Burg Heilsberg
- Schloss Gottmadingen, heute Altes Rathaus (15. Jh.)
- Schloss Randegg (ab 1567)
- Schloss Bietingen (ab 1718)
Industriearchitektur
Zwei identitätsstiftende Baustrukturen zeigen von der Industriegeschichte. Auf dem Kohlberg steht das ehemaliges Sudhaus der Brauerei Bilger (erbaut 1913), das neben zwei Villenbauten das letzte verbliebene Produktionsgebäude ist. Mit leichten Anklängen an Burgenarchitektur vertritt es sowohl in stilistischer wie auch in bautypologischer Hinsicht die um die von 1880 bis zur Zwischenkriegszeit gängige Brauereibauweise. Nach dem Abriss der restlichen Brauerei stand das Gebäude über Jahre leer. Seit 2006 ist das Gebäude saniert. Im ehemaligen Werksareal der Firma Fahr ist über Jahre eine flächenhafte, niedrige Hallenstruktur mit bildprägenden Sheddächern entstanden. Die sog. Sägezähne der Firma Fahr sind das zweite Wahrzeichen der Industriegemeinde. Mit schlechter baulicher Substanz ausgestattet ist deren Überleben nach dem Ende der Landmaschinenproduktion heute indes ungewiss. Nennenswert ist auf dem Werksareal ausserdem der 1939 mit Anklängen an die Monumentalarchitektur der 30er Jahre errichtete 'Schlepperbau'.
Arbeitersiedlungen
Gleichzeitig mit den Industriebauten ist ein nennenswerter Bestand an Arbeiterwohnungsbau realisiert worden. Die ersten Arbeiterhäuser wurden in der Lindenstrasse (1907, Firma Fahr) und an der Strasse nach Schaffhausen (1905, Sternenbrauerei) ab der Jahrhundertwende errichtet. Große Bautätigkeit ist in den 1930er Jahren zu verzeichnen, in der mit zwei Straßenzügen siedlungsartiger Arbeiterwohnungsbau betrieben wurde: die Brodlaube (ab 1933 bis Anfang 1950er Jahre) mit Häusern für Mitarbeiter der Firma Fahr und die sog. WOBAG-Siedlung im Gewann Rattenäcker (ab 1938) als nationalsozialistisch motivierter Siedlungsbau.
Villenbau
Als dritte bemerkenswerte Bautätigkeit um die Industrieproduktion ist der Villenbau der Unternehmerfamilien zu nennen, die in der Blütezeit deutlich aus dem übrigen Stadtbild hervorstachen.
Fasnacht
Die Gemeinde verfügt über mit 140 Jahren eine zwar junge aber sehr ausgeprägte Fasnachtskultur. Die 1874 gegründete Gerstensackzunft veranstaltet mit dem Bieranstich, ihrem Narrenspiegel, dem Gerstensackkonzert, dem Frühschoppen und dem großen Umzug vier feste Eckpfeiler der Gottmadinger Fasnacht, von denen insbesondere letztere beiden überörtlich Beachtung finden. Der "Fasnetmäntig-Umzug" wird seit dem ersten Weltkrieg veranstaltet. Während dieser von der badischen Regierung in den 1920er Jahren zweimal verboten wurde, wurde der Umzug ab 1927 als Themenumzug abgehalten und entwickelte sich in der Blütezeit der Firmen Fahr und Bilger zu einem prächtigen Aufmarsch mit aufwändig ausgestatteten Wagen und Gruppen. Heute bewegt sich der Umzug zu einer Mischung von Themenwagen und Narrentreffen.
Kunst
Über die Region hinaus bekannt ist die Kunstausstellung Experimentelle, die im Zweijahresturnus von der Galerie Titus Koch auf Schloss Randegg veranstaltet wird und schwerpunktmässig gegenstandslose Kunst zeigt. Den Ort säumen weiterhin ausgehend vom Anneliese-Bilger-Platz eine Reihe von zeitgenössischen Skulpturen, deren Aufstellung vom Förderverein für Kultur- und Heimatgeschichte betrieben wird.
Jüdische Geschichte
Der Ortsteil Randegg verfügte bis zum Dritten Reich über eine lebendige jüdische Gemeinde. Die Zuwanderung ist seit etwa 1700 verzeichnet. 1851, im Jahr des Höchststands, wohnten 351 Juden in Randegg und erreichten einen Bevölkerungsanteil von 42%. Ab 1776 trat mit Michael Levi Neumann eine jüdische Persönlichkeit hervor, der 1796 von Franz II. zum kaiserlichen Hoffaktor (Hoflieferant) ernannt wurde und 1823 die Ortsherrschaft erwerben konnte. Ins Jahr 1810 fällt der Neubau einer Synagoge, die 1928 gesprengt wurde. 1940 wurden 18 jüdische Randegger deportiert, mindestens 12 fanden in Auschwitz den Tod.
Literatur
- Kramer, Wolfgang [Red.]: Gottmadingen - Vom Bauerndorf zur Industriegeschichte, Gottmadingen/Radolfzell 1997, ISBN 3-921413-67-2
- Gemeinde Gottmadingen [Hrsg.]: 1000 Jahre Gottmadingen, Gottmadingen 1965
- Schwab, Karl: Gottmadingen in Vergangenheit und Gegenwart, Gottmadingen 1952