Zum Inhalt springen

Morbus Perthes

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 6. Juli 2007 um 20:51 Uhr durch 84.169.242.107 (Diskussion) (Synonyme). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Der Morbus Perthes ist eine orthopädische Kinderkrankheit. Die Ursache ist eine Durchblutungsstörung (Ischämie) und Absterben (Nekrose) von Knochengewebe im Hüftkopf. Die Kinder entwickeln Schonhinken, Knieschmerz und Hüftgelenksrotationseinschränkungen.

Der Morbus Perthes wurde von dem deutschen Chirurgen Georg Clemens Perthes (* 17. Januar 1869 Moers, † 2./3. Januar 1927 Arosa), einem Neffen von Friedrich Christoph Perthes, entdeckt.

Synonyme

  • Morbus Legg-Calvé-Perthes (LCP)
  • Osteochondropathia deformans coxae juvenilis
  • juvenile Hüftkopfnekrose
  • idiopathische kindliche Hüftkopfnekrose
  • WICHSE

Vorkommen

Die Prävalenz beträgt ca 1:1200. Die Erkrankung tritt überwiegend bei weißen (kaukasischen) Jungen (Jungen sind ca. 4x häufiger betroffen als Mädchen) überwiegend zwischen dem 5. und 9. Lebensjahr auf (selten auch noch in der Pubertät). Bei ca. 15 % der Kinder sind beide Seiten gleichzeitig betroffen. Neben der Osteochondrosis dissecans ist der Morbus Perthes mit die häufigste aseptische Knochennekrose.

Ursachen

Die Ursachen des Morbus Perthes sind noch weitgehend unbekannt und so werden einige mögliche Ursachen diskutiert:

  • Durchblutungsstörungen: Diskutiert werden evtl. vorliegende Gefäßfehlbildungen, die die auch bei normalen Gefäßbett eher schlechte Durchblutung des Hüftkopfes beeinträchtigen.
  • hormonelle Dysregulation
  • Druckerhöhung im Knochen oder Gelenkraum
  • genetische Faktoren: Hier wird eine multifaktorielle Vererbung vermutet. Besonders direkte Verwandte (z.B. Geschwister) tragen ein deutlich erhöhtes Risiko

Beim Morbus Perthes handelt es sich um eine wahrscheinlich durch Durchblutungsstörungen hervorgerufene Erkrankung des Hüftkopfes im Kindesalter. Im Frühstadium führt sie zu einer Gelenkreizung mit Gelenkergüssen, so daß eine Ähnlichkeit mit rheumatischen Erkrankungen besteht. Im weiteren Verlauf tritt regelhaft ein Zusammensintern der Hüftkopfkugel auf, oft verbunden mit einem seitlichen Auswandern aus dem Gelenkkugellager im Becken, auch Gelenkpfanne. Später kommt es zu einer bleibenden Verformung von Kopf und Pfanne mit einer entsprechenden Bewegungsstörung. Das Bein bleibt verkürzt. Der frühe Verschleiß des Hüftgelenkes ist vorprogrammiert. Bei Kindern im Alter von 2 bis 12 Jahren muß beim Auftreten von Hüftschmerzen und -hinken, bei Schmerzaustrahlung ins Knie und Gehfaulheit an diese Erkrankung gedacht werden. Mit Röntgenaufnahmen lassen sich die knöchernen aber nicht die knorpeligen Veränderungen des Hüftgelenkes erkennen.

Typischer Verlauf im Röntgenbild

  • Initialstadium: scheinbare Gelenkspaltverbreiterung im Hüftgelenk.
  • Kondensationsstadium: In diesem Stadium ist eine Verdichtung der Knochensubstanz zu erkennen.
  • Fragmentationsstadium: Ein scholliger Zerfall der Hüftkopfepiphyse wird erkennbar.
  • Ausheilungsstadium: Es kommt zur Wieder-Verknöcherung des Hüftkopfes, unter Umständen mit Deformierung.

Dauer: Zwei bis vier Jahre. Erste Zeichen sind Bewegungseinschränkung und/oder die Schmerzen im Hüft-/Kniebereich. Im Sonogramm wird ein Gelenkerguss diagnostiziert. Zusätzlich sind beginnene Veränderungen der Epiphyse vorne früh zu erkennen. Nur die fortgeschrittenen Veränderungen sind im Röntgenbild erkennbar. Im Verdachtsfall wird deshalb meist die Magnetresonanztomographie (MRT) eingesetzt, da die Erkrankung hier schon im Initialstadium entdeckt werden kann.

Im Verlauf kommt es beim M. Perthes Gelenk zu einer Hüftkopfvergrößerung, die bis zu einer Inkongruenz des Hüftkopfkugel zum Gelenkkugellager im Becken führen kann. Beide Gelenkanteiel können schwer deformiert werden. Man spricht von einem Containmentverlust. Die konservative Behandlung beruht darauf, die Gelenkbeweglichkeit krankengymnastisch zu erhalten und das Gelenk zu entlasten (je nach Ausprägung: Sportverbot bis Rollstuhlentlastung möglich). Eine einheitliche Behandlungsstrategie gibt es im deutschsprachigen Raum leider nicht. Orthesen wie die Thomasschiene werden selten, bzw. früher angewendet. Deformitäten im Sinne eines Containmentverlustes (beginnend oder ausgeprägt) können operativ behandelt werden. Diese Operationen beinhalten eine Durchtrennung des Beckens (Beckenosteotomie nach Salter) oder des Oberschenkelkonochens (Infratrochantäre varisierende Femurosteotomie), um die Kongruenz des Gelenkes wieder herzustellen. die eingebrachten Implantate müssen wieder entfernt werden.

Die Bildgebung muss bei ausgeprägten Befall oder erhöhten Risiko der Kinder mindestens alle 4 Monate wiederholt werden bis das Regenerationsstadium erreicht ist. Danach ist keine weitere Deformierung zu erwarten, abgesehen von einem Trochanterhochstand. Dieser sollte durch eine Verödung der Wachstumsfüge im Wachstum gebremst werden, damit keine Hinkendes Gangbild entsteht. Ob ein Röntgenbild oder die MRT eingesetzt werden ist ebenfalls noch nicht einheitlich. Weiterhin ist eine Arthrographie zur Beurteilung des Containments möglich. Neuerdings gibt es auch Untersuchung von der Containmentdiagnostik im Ultraschall im Vergleich zur MRT und Röntgen, welche eine gute Aussage über die Gelenksituation geben können.

Bisher ist bei etwa 40% der Patienten mit einem ungünstigen Verlauf der Erkrankung zu rechnen. Im mittleren Lebensalter müssen dann chronische Hüftbeschwerden und wegen der Beinlängendifferenz auch Wirbelsäulenbeschwerden behandelt werden. 10 bis 15 Jahre lang ist mit jährlichen ambulanten Behandlungskosten von ca. Euro 800.- zu rechnen. Dann ist die Versorgung mit einer Endoprothese erforderlich, für die Kosten in Höhe der dann gültigen DRG anfallen (ca. Euro 10.000). Die Erkrankung ist mit einer jährlichen Inzidenz von 1 Fall auf 20.000 Einwohner (genaue Daten für die Bundesrepublik fehlen) relativ häufig.

Diagnose

Es kommt zur Einschränkung in der Abspreiz- und Drehbeweglichkeit im Hüftgelenk, so dass es zu einem positiven Viererzeichen kommt. Die Innenrotation und Abduktion sind eingeschränkt, Hüftschmerz ist eher selten (Frühsymptom ist schmerzloses Hinken). Röntgenologisch sind die unter dem Abschnitt Pathogenese erklärten Veränderungen zu erkennen. Im Initialstadium ist meist eine Magnetresonanztomografie (MRT) nötig, was bei kleinen Kindern in der Regel eine Vollnarkose bedeutet. Da die Initialphase meist nur wenige Wochen andauert, die Beschwerden sich aber häufig erst in der Kondensationsphase einstellen, kommt es auch erst dann zur Diagnose. Dann reichen Röntgenbilder in zwei Ebenen.

Radiologische Risikozeichen

Die Risikozeichen weisen auf einen prognostisch eher ungünstigen Verlauf hin:

Therapie

Der zeitliche Verlauf lässt sich nicht beeinflussen. Die Erkrankungsdauer ist von der Ausprägung abhängig und kann von wenigen Monaten bis über mehr als fünf Jahre andauern. Bei der Therapie ist es das Ziel, das geschwächte Gelenk zu entlasten und das Auftreten von Deformierungen des Hüftkopfes während der Reparation zu verhindern. Im Verlauf der Jahre wurden viele Möglichkeiten versucht, diese Gelenkentlastung zu fördern, es hat sich aber keine davon wirklich durchgesetzt. Es gibt auch regional verschiedene Behandlungsstrategien.

Konservativ: Hüftgelenk entlastende Orthesen werden heute selten angewendet. Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse, dass Orthesen den Verlauf positiv beeinflussen, aber konsequent eingesetzt führen sie oft zum Erfolg und sind für die Kinder besser verträglich als Unterarmgehhilfen ("Krücken") oder Rollstühle.

Wichtig ist Bewegung ohne Belastung, nicht springen oder hüpfen. "Schritte reduzieren". Zeitweise können Unterarmgehhilfen oder ein Rollstuhl sinnvoll sein. Regelmäßige Kontrollen sind nötig, um die Notwendigkeit einer Operation zu erkennen. Die Bildgebung muss bei ausgeprägten Befall oder erhöhten Risiko der Kinder mindestens alle 4 Monate wiederholt werden bis das Regenerationsstadium erreicht ist. Danach ist keine weitere Deformierung zu erwarten, abgesehen von einem Trochanterhochstand. Dieser sollte durch eine Verödung der Wachstumsfüge im Wachstum gebremst werden, damit keine hinkendes Gangbild entsteht. Ob ein Röntgenbild oder die MRT eingesetzt werden ist ebenfalls noch nicht einheitlich. Weiterhin ist eine Arthrographie zur Beurteilung des Containments möglich. Neuerdings gibt es auch Untersuchung von der Containmentdiagnostik im Ultraschall im Vergleich zur MRT und Röntgen, welche eine gute Aussage über die Gelenksituation geben können.

Trügerisch ist, dass die Kinder die Krankheit oft nicht hinreichend ernst nehmen, nämlich wenn sie schmerzfrei sind. Oft benutzen sie ihre Krücken dann nicht oder nicht richtig. Wenn das unbeobachtet geschieht oder die Eltern das tolerieren, rächt es sich oft nach Wochen und Monaten dadurch, dass eine Operation nicht mehr vermieden werden kann.

Chirurgisch: Behandlung von auftretenden Deformitäten und die Wiederherstellung der Gelenkkongruenz.

Nach der Operation ist weiter über längere Zeit Entlastung im Rollstuhl oder mit Orthesen geboten. Die eigentlich nötige psychosoziale Betreuung der Kinder und der Eltern fehlt leider in der Regel. Dementsprechend wichtig sind Selbsthilfegruppen, in denen zum Beispiel Alltagsprobleme diskutiert und Erfahrungen ausgetauscht werden können, etwa zum Umgang mit den Hilfsmitteln im Alltag und zur Reaktion auf "Angestarrtwerden".

Bisher ist bei etwa 40% der Patienten mit einem ungünstigen Verlauf der Erkrankung zu rechnen. Im mittleren Lebensalter müssen dann chronische Hüftbeschwerden und wegen der Beinlängendifferenz auch Wirbelsäulenbeschwerden behandelt werden. 10 bis 15 Jahre lang ist mit jährlichen ambulanten Behandlungskosten von ca. Euro 800.- zu rechnen. Dann ist die Versorgung mit einer Endoprothese erforderlich, für die Kosten in Höhe der dann gültigen DRG anfallen (ca. Euro 10.000). Die Erkrankung ist mit einer jährlichen Inzidenz von 1 Fall auf 20.000 Einwohner (genaue Daten für die Bundesrepublik fehlen) relativ häufig.

Literatur

Grundlagen - Erstbeschreibungen

  • J. Calvé: Sur une forme particulière de pseudocoxalgie greffée sur déformation caractéristiques de l’extrémité supérieure du fémur. In: Revue de chirurgie. 30/1910, S. 54-84
  • A. Legg: An obscure affection of the hip joint. In: Boston Medical and Surgical Journal. 162/1910, S. 202-204
  • G. Perthes: Über Arthritis deformans juvenilis. In: Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. 107/1910, S. 111-117

Wichtige Klassifikationen

  • A. Catterall: The natural history of Perthes’ disease. In: Journal of Bone and Joint Surgery. British Volume. 53/1971, S. 37-53
  • E. J. Eyring, D. R. Bjornson, C. A. Petersen: Early diagnostic and prognostic signs in Legg-Calvé-Perthes disease. In: The American Journal of Roentgenology. 92/1965, S. 382 - 387
  • J. A. Herring, B. Jeffrey, J. J. Williams, J. S. Early, R. H. Browne: The lateral pillar classification of Legg-Calvé-Perthes disease. In: Journal of Pediatric Orthopaedics. 12/1992, S. 143-150
  • R. B. Salter, G. Thompson: Legg-Calvé-Perthes disease. The prognostic value of the subchondral fracture and a two group classification of the femoral involvement. In: Journal of Bone and Joint Surgery. American Volume. 66/1984, S. 479-489
  • S. D. Stulberg, D. R. Cooperman, R. Wallenstein: The natural history of Legg-Calvé-Perthes disease. In: Journal of Bone and Joint Surgery. American Volume. 63/1981, S. 1095-1108

Literatur zur Diagnostik

  • Konermann W, Gruber G, Gaa J.: Standardized sonographic examination of the hip joint; Ultraschall Med. 2000 Jun;21(3):137-41.
  • Kramer J, Hofmann S, Scheurecker A, Tschauner C.: Perthes disease; Radiologe. 2002 Jun;42(6):432-9.
  • Stuecker MH, Buthmann J, Meiss AL.: Evaluation of hip containment in legg-calve-perthes disease: a comparison of ultrasound and magnetic resonance imaging; Ultraschall Med. 2005 Oct;26(5):406-10.

Deutschsprachiges Standardlehrbuch

  • K.-P. Schulitz, H.-O. Dustmann: Morbus Perthes. Ätiopathogenese, Differentialdiagnose, Therapie und Prognose. 2. Auflage. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1998