Flecktarn
Flecktarn (fälschlich oft auch Punkttarn) ist das nach dem Bundeswehr Truppenversuch 76 für die Bundeswehr gewählte Camouflage-Muster.
Im Flecktarn werden kleine, zumeist rundliche Flecke in vier Farben dicht auf einem andersfarbigen Hintergrund angeordnet. In der Hauptausführung sind dies Schwarz, Bronzegrün, Rostbraun und Gelbgrün auf einem grauoliv-farbenen Hintergrund.

Flecktarn ab 1935
Die Waffen-SS war weltweit die erste Truppe, die in größerem Rahmen mit solchen Flecktarnmustern in verschiedensten Ausführungen und Abwandlungen auf ihrer Bekleidung ausgestattet worden war. Das erste dieser Tarnmuster („Platanen“) war von dem Direktor der 1935 aufgebauten Abteilung „T“ („Tarnung“), Prof. Johann Georg Otto Schick, entwickelt worden, während der damalige Sturmbannführer Wim Brant die Richtlinien zu den einzelnen Ausrüstungs- und Bekleidungsteilen entwarf. 1944 begann die US-Army erbeutete Ausrüstungsgegenstände der Waffen-SS nach ihrer Tarnwirkung zu studieren. Bereits im Juni desselben Jahres waren Einheiten der US-Marineinfanterie mit einer amerkanischen Variante des Flecktarnmusters ausgerüstet. Das deutsche „Erbsentarn“ sowie das „Eichellaubmuster“ zählen noch heute zu den meistkopierten Tarnmustern weltweit. Die heutige Namensgebung der Waffen-SS-Muster stammt aus der Nachkriegszeit und wurde erstmals von den US-Amerikanern so beschrieben.
Nur ein einziges deutsches Muster aus dieser Zeit ist unter seinem historischen Namen bekannt geworden. Es ist das letzte während des Krieges gefertigte Flecktarn, das von den amerikanischen Veröffentlichungen „Leibermuster“ genannte wird. Dieses Leibmuster wurde ebenfalls von Prof. Schick entwickelt und mit lichtschluckenden Farbmitteln gedruckt, um Schutz gegen alliierte Nachtsichtgeräte bieten zu können. Die Herstellung der so erzeugten sechsfarbigen Stoffe war ausgesprochen aufwendig. Daher gelangten kriegsbedingt nur noch sehr wenige Stücke an die Truppe. Es war vorgesehen, daß dieses Muster alle bisher eingeführten SS- und Wehrmachtstarnstoffe ersetzen sollte. Das Leibmuster besaß einen lederfarbenen Hintergrund, auf den weiße Flecken gedruckt wurden. Darüber kam eine hellgrüne Musterung sowie eine weitere Druckschicht aus mittlerem Grün in Form von Blättern. Rotbraune Flecken folgten und zuletzt wurden schwarzes „Astwerk“ darübergelegt.
Flecktarn ab 1945
Ungarn
Das SS-Platanenmuster in den beiden Varianten Frühling-/Sommer sowie Herbst-/Winter wurde in Ungarn nach dem Zweiten Weltkrieg noch aufgetragen.
Bundesrepublik Deutschland
Nach Aufstellung der Bundeswehr im Jahre 1955 wurde 1956 bei der Truppe zunächst ein Kampfanzug in leicht abgewandeltem Splittertarn 1931 eingeführt, doch bereits in den frühen 1960er Jahren gegen ein einfarbiges NATO-Oliv ersetzt. Auf die Einführung eines Flecktarnmusters glaubte man aus politischen Gründen vor dem historischen Hintergrund dieser Muster zunächst verzichten zu können.
In den 1970er Jahren wurde das internationale Interesse für die Arbeit von Prof. Schick wieder geweckt. Daher führte in der zweiten Jahreshälfte 1976 die Bundeswehr eine Reihe von Truppenversuchen durch, mit denen die Wirksamkeit verschiedener, teilweise in Zusammenarbeit mit der französischen Armee entwickelter, neuer Tarnmuster getestet werden sollte. Im Versuch befanden sich insgesamt fünf verschiedene Muster: das an Blätter erinnernde "Sägezahnmuster", das "Punkttarnmuster" und Flecktarn A (klein) sowie Flecktarn B (groß). Das ungewöhnlichste der fünf Muster war Flecktarn C, oder Schattentarn, bei dem es sich um die Umrisse von Flecktarn A in drei verschiedenen Grau- bzw. Graugrüntönen handelte.
Das als Ergebnis des Tr.Vsu. 1976 entwickelte Tarnmuster (Flecktarn B) wurde nicht direkt in Truppenverwendung gegeben, sondern tauchte erst in den Jahren 1987-1990 als Teil der Versuchsreihe "Kampfanzug 90" wieder auf. Ebenso wurde in den Jahren 1986-87 kurzzeitig ein Flecktarnmuster erprobt, welches etwas kleinere enger geclusterte, dafür aber insgesamt farblich hellere Flecken aufwies. Dieses Muster ist in einigen Fotos zu sehen und auch 'am Mann' in der Uniformsammlung des Panzermuseums Munster / Oertze zu besichtigen (hier allerdings nur am Tragesatz, pers. Ausr.)
Die weiter andauernde Verwendung einfarbiger Uniformen durch die Bundeswehr hatte wohl primär mit einer Orientierung an anderen NATO-Partnern zu tun, die ebenfalls olivgrüne Uniformen trugen (alle außer Großbritannien und Belgien, sowie in eingeschränkter Form die USA ab Anfang der 70er Jahre), kann aber zumindest teilweise auch finanzielle Beweggründe gehabt haben.
Deutsche Demokratische Republik
Bei der Nationalen Volksarmee (NVA) und dem Miniterium des Inneren (MDI) wurde 1958 ein Flecktarnmuster („Flächentarnmuster“) eingeführt, das direkt von einer SS-Vorlage abgeleitet worden war. Das DDR-Flecktarn wurde bis 1967 hergestellt und langsam vom Strichtarnmuster ersetzt, das man seit 1965 hergestellt hat.
Österreich
In Österreich wurden bereits in den 1960er Jahren die besonderen Eigenschaften des Flecktarns hinsichtlich einer körperauflösenden Tarnung wiederentdeckt und ein direkt vom SS-Erbstarnmuster abgeleiteter Stoffdruck eingeführt. Das Erbstarnmuster ist eine erstmals 1943 erschienene Variante des Flecktarns. Österreichisches Erbstarn wurde 1978 in einer Zeit abgeschafft, als weltweit der Trend zum Flecktarn erst begann. Bis heute (2007) hat die österreichische Armee keine Tarnmuster mehr eingeführt. Im Feld wird ein olivgrüner Ton getragen.
Wirkung
Durch die Anordnung der Flecken soll ein optisches Verschwimmen der Umrisse des Körpers bewirkt werden, wodurch es dem Feind erschwert wird, das Gesehene als getarnte Person zu identifizieren. Das Muster ist recht wirkungsvoll in bewaldetem Gelände mitteleuropäischen Typs (Mischwald) und war von Anfang an nicht als sogenanntes Multigeländemuster('all-terrain') konzipiert, wie dies beispielsweise beim britischen DPM (Disruptive Pattern Material) sowie bei dem von der U.S.-Armee im Jahr 2004 neu eingeführten ACU-Muster (Army Combat Uniform) der Fall ist.
Flecktarn entstand vor dem Hintergrund der angenommenen Bedrohung durch den Warschauer Pakt, also zu einer Zeit, als der Heimatschutz der Bundesrepublik noch im Vordergrund stand, weshalb man die typischen mitteleuropäische Bewaldungsfarben nachahmte. Mit dem erweiterten Aufgabenspektrum der Bundeswehr entwickelte man 1993/94 eine Variante für Wüstengebiete im Dreifarbdruck (gemeinhin "Wüstenflecktarn") in der Farbkombination hellbeige, beigebraun und flaschengrün.
Bei der Bundeswehr sind die Felduniform und die persönliche Ausrüstung mit dem Fünffarbtarndruck versehen. Feldbekleidung sowie Helmbezüge gibt es auch im Dreifarbdruck für die Tarnung in ariden Gebieten.
Häufig verwendet, aber falsch ist die Bezeichnung "Tarnfleck".
Kritik, Ausblick in die Zukunft
Seit seiner Einführung fand das Flecktarnmuster in Militärkreisen große Zustimmung, so war es bis zum Jahrtausendwechsel unangefochtener Vergleichssieger der Nato-Partner in Punkto Tarnwirkung im bewaldeten Gelände.
Mittlerweile steht das in die Jahre gekommene "Europamuster" jedoch in der Kritik. Experten für Wehrtechnik kritisieren das Flecktarnmuster oftmals als "Unangemessen für die Schlachtfelder der Zukunft" und "lebensbedrohlich, wenn am falschen Ort eingesetzt". Sie bemängelten die Universalität der Flecktarnmuster im wechselnden Gelände und -speziell für Bekleidung- die noch unterentwickelte Infrarot-Tarnung. Diese sollte zwar durch die ins Gewebe eingelassenen Remissions-Fäden gewährleistet werden, hat sich aber zur Unterdrückung der Wärmesignatur im Gelände angeblich nicht bewährt, sondern die Atmungsaktivität des Gewebes nur reduziert. In Zeiten immer besser werdender elektronischer Gefechtsfeldaufklärung sei aber die "Signaturunterdrückung" von immenser Bedeutung.
Gefordert wurde statt dessen eine völlig neue Serie eigenständig entwickelter Tarnmuster, die auf interdisziplinärer Forschung beruhen und für jede Geländeform und Beleuchtung geeignet sein soll. Derzeit entsprechen US-kanadische Digitaltarnmuster am ehesten diesen Anforderungen, die auch für die Entwicklung eines neuen Universal-Flecktarnmusters Pate stehen, das im Rahmen des Projektes "Infanterist der Zukunft" entwickelt wird. Dabei wird angeblich auch ein Schneetarnmuster entwickelt, das das bislang verwendete "Wintertarn" (lediglich eine mit gleichmäßig grau/grünen Farbsprenkeln versehene weiße Oberfläche) ablösen soll.
Die Zukunft der Tarnmuster wird im Bereich der Nano-Technologie liegen und diese einbinden. Ziel ist die Entwicklung wandelbarer, langlebiger Tarnung, die dem Geländehintergrund und der Lichtsituation angepasst werden kann und Wärmeabstrahlung fast völlig unterdrückt. Industrie und Forschung halten eine Marktreife derartiger Projekte in Deutschland innerhalb der nächsten zehn Jahre für möglich.
Literatur
- Andrew Steven, Peter Amodio: Uniformen der Waffen-SS in Farbe, Verlag Karl-Heinz Dissberger, 2. berichtigte Auflage, Düsseldorf 1992 ISBN 3-924753-44-X
- Laurent Mirouze: Infanteristen des Zweiten Weltkriegs, Verlag Karl-Heinz Dissberger, Düsseldorf ISBN 3-924753-27-X
Siehe auch
Weblinks
- Vergleich des dänischen M/84 und des deutschen Flecktarn
- Sämtliche im Text erwähnten ausländischen Flecktarnmuster sowie andere Tarnmuster der ganzen Welt in Farbfotografien mit erklärenden Texten
- Verschiedene Entwicklungsvarianten des Flecktarn-Musters und Informationen zu Bundeswehr Truppenversuchen mit ausführlicher Bilddokumentation der erprobten Muster
- Detaillierte Seite eines australischen Sammlers mit allen weltweit verwendeten Tarnmustern und Hintergrundinformationen. Hier auch Bilder des Bw-Leibermusters und hochaufloesende Aufnahmen der im Artikel genannten Tr.Vsu. Tarnmuster aus der Sammlung Feldkamp