Gerhard Bohne
Gerhard Bohne, (*1. Juli 1902 in Braunschweig, + 8. Juli 1981), war im Dritten Reich SS-Hauptsturmführer, Leiter der Berufsgruppe Rechtsanwälte im „Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen“ und als Leiter der Büroabteilung juristischer Organisator der mit der Durchführung der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde ("Aktion T4") beauftragten Zentraldienststelle.
Leben
Dr. Gerhard Bohne wurde am 1. Juli 1902 in Braunschweig als Sohn eines Reichsbahnbeamten geboren. Schon am 27. April 1920 trat er dem „Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund“ und am 1. August 1930 gleichzeitig der NSDAP und SA bei. Nach Austritt aus der SA im Oktober 1935 ging Bohne am 14. Oktober 1937 zur SS.
Der promovierte Jurist betätigte sich als Gauredner für den NS-Rechtswahrerbund und wurde am 5. April 1933 zum Leiter der Unterabteilung I (bürgerliche Rechte und verwandte Gebiete) der rechtspolitischen Abteilung beim Gau Groß-Berlin der NSDAP bestellt. Am 27. April 1933 betraute man ihn mit der Leitung der Berufsgruppe der Rechtsanwälte des „Bundes Nationalsozialistischer Deutscher Juristen“. Schließlich war auch noch Untersuchungsrichter des Ehrenrates der Deutschen Reichsbauernrates. Bohne widmete sich in seiner anwaltlichen Tätigkeit vorrangig der Verteidigung von beschuldigten SA-Angehörigen.
Die von Hitler mit der Durchführung des „Euthanasie“-Programms (das im Sprachgebrauch der Nachkriegszeit als „Aktion T4“ bekannt wurde) beauftragte „Kanzlei des Führers“ sollte ebensowenig wie das involvierte Reichsministerium des Innern, selbst in Erscheinung treten. Auf Vorschlag von Herbert Linden, dem im Innenministerium für das Gesundheitswesen zuständigen Ministerialdirigenten, wurde Ende 1939 eine Scheinorganisation mit der Bezeichnung „Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten (RAG)“ geschaffen.
Der zwischenzeitlich zum SS-Obersturmführer beförderte Bohne wurde zum Leiter dieses Tarnunternehmens als Oberregierungsrat bestellt. Bohne schaffte den organisatorischen Rahmen für die Erfassung der Opfer, den Transport in die Tötungsanstalten und die Beurkundung ihres Todes einschließlich der Nachlaßverwaltung und sorgte für die formaljuristische Absicherung. Für den Transport der von den Gutachtern zur Tötung bestimmten Patienten, wurde ein eigenes Scheinunternehmen mit der Bezeichnung „Gemeinnützige Krankentransport GmbH“ gegründet, für das Bohne den Gesellschaftsvertrag fertigte und die Eintragung ins Handelsregister veranlaßte. Für den Kontakt des T4-Personals nach außen wurde eine weitere Scheinfirma gegründet, die den Namen „Gemeinnützige Stiftung für Anstaltspflege“ erhielt und nur auf Briefköpfen existierte.
Für die einzelnen Vergasungsanstalten baute Bohne das System der Sonderstandesämter auf, um die hohen Todeszahlen vor den gemeindlichen Standesbeamten zu verbergen.
Überraschend trat Bohne im Sommer 1940 von seinem Amt zurück und verfaßte zur Begründung eine Denkschrift, die u.a. an den Chef des Reichssicherheitshauptamtes, Reinhard Heydrich, gerichtet war. Darin prangerte er unerträgliche Mißstände unter dem T4-Personal an, die von Lebensmittelschiebungen, illegalen Verhältnissen der T4-Ärzte bis zu sexuellen Exzessen reichten. Ein gleichzeitige Anzeige führte zu einer Überprüfung, die einen Teil der Vorwürfe bestätigte, Bohne aber auch die Feindschaft der Betroffenen eintrug. Mit einem „Geheim“-Urteil vom 10. August 1943 wurde er durch die 1. Kammer des Obersten Parteigerichts der NSDAP aus der Partei ausgeschlossen.
Das Kriegsende erlebte Bohne in Italien, wo er in amerikanische Gefangenschaft geriet. Ende 1946 entlassen, kehrte er nach Köln zurück. In Düsseldorf war er als juristischer Mitarbeiter in einem Anwaltsbüro tätig.
1949 ging Bohne nach Argentinien, wo er nach eigenen Angaben in einem Industriebetrieb und später selbständig als Rechtsberater arbeitete. 1955 kehrte er wieder nach Deutschland zurück und wurde im Juli 1956 in Köln und im Dezember 1956 in Düsseldorf als Anwalt zugelassen.
Am 10. September 1959 wurde Bohne in Untersuchungshaft genommen und mit dem ehemaligen medizinischen Leiter der Aktion T4, Werner Heyde, Hans Hefelmann, den ehemaligen Leiter der Hauptabteilung IIb der Kanzlei des Führers und Friedrich Tillmann, seinen Nachfolger in der Büroabteilung des T4-Zentraldienststelle, von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/M. angeklagt (Js 17/59). Am 15. März 1963 erhielt er aus gesundheitlichen Gründen Haftverschonung, die er dazu nutzte, sich via Dänemark und Zürich nach Buenos Aires abzusetzen und dort unter dem Falschnamen Kurt Alfred Rüdinger unterzutauchen. Aber am 27. Februar 1964 wurde er schließlich von der argentinischen Bundespolizei verhaftet und nach zweijährigen Versuchen seine Auslieferung zu verhindern, am 11. November 1966 der deutschen Polizei übergeben. Trotzdem kam es nicht mehr zu einem Abschluß der Verhandlung vor dem Landgericht Limburg, da Bohne in einem Gutachten des Instituts für gerichtliche und soziale Medizin vom 22. November 1967 für nicht verhandlungsfähig erklärt wurde. Ein neues Gutachten vom Dezember 1967 attestierte zwar noch eine eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit. Als Bohne jedoch am 158. Verhandlungstag, den 30. September 1968 nicht vor Gericht erschien, stellte ein Sachverständiger für Bohne eine Herzinfarktgefahr bei Fortgang des Prozesses fest. Das Verfahren wurde daher am 11. Oktober 1968 vorläufig und am 22. Juli 1969 endgültig eingestellt.
Gerhard Bohne verstarb am 18. Juli 1981.
Literatur
- Ernst Klee: „Euthanasie“ im NS-Staat. 11. Auflage. Fischer-Taschenbuch, Frankfurt/M. 2004, ISBN 3-596-24326-2
- Ernst Klee: Was sie taten – Was sie wurden. Ärzte, Juristen und andere Beteiligte am Kranken- oder Judenmord. 12.Auflage. Fischer-TB, Frankfurt/M. 2004, ISBN 3-596-24364-5
- Ernst Klee: „Gerhard Bohne, Eintrag in ders.: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Aktualisierte Ausgabe. Fischer-Taschenbuch, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-596-16048-0, S. 12