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Wolfgang Welsch (Fluchthelfer)

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Wolfgang Welsch (* 5. März 1944 in Berlin) ist Politologe, Publizist und ehemaliger Fluchthelfer für aus der DDR Flüchtende.

Nach einem eigenen vergeblichen Fluchtversuch aus der DDR bei Boizenburg am 22. Mai 1964 und weiteren Verurteilungen, wie zum Beispiel aufgrund des Vorwurfs "staatgefährdender Hetze", verbrachte der Schauspieler Wolfgang Welsch 7 Jahre in DDR-Gefängnissen (Gefängnis Bautzen, Zuchthaus Brandenburg). Auf Initiative von DDR-Anwalt Wolfgang Vogel wurde Welsch 1966 vorzeitig aus der Haft entlassen. Er hätte in die Bundesrepublik ausreisen können, lehnte er ab, weil er einen Film über seine Erfahrungen und das System DDR plante.

Welsch wurde erneut verhaftet, diesmal nur wegen "Vorbereitungen" eines Hetz-Films. Dass er längst mit den Dreharbeiten begonnen hatte, wusste die Stasi nicht. Dennoch lauteten Anklage und Urteil auf 5 Jahre Haft wegen Hochverrates.

Im Jahre 1971 zählte Welsch zu den Häftlingen, die auf Initiative von Willy Brandt freigekauft wurden. Er studierte an der Justus-Liebig-Universität in Gießen Soziologie und promovierte 1977 in England mit einer Dissertation über das Ministerium für Staatssicherheit (MfS).

Zugleich begann Welsch mit dem Aufbau einer Fluchthelferorganisation und half etwa 200 Menschen bei der Flucht aus der DDR. Dadurch geriet er erneut in das Visier des MfS. Es folgten Mordversuche auf Welsch, die von Erich Mielke im Jahre 1983 angeordnet wurden: eine Autobombe in Deutschland, ein Schütze schoss auf ihn in Großbritannien und schließlich ein Giftattentat mittels Bouletten auf ihn und seine Familie in Israel.

Welsch setzte im Jahre 1990, kurz nach dem Fall der Mauer, die Strafverfolgung durch. Sein angeblicher Freund Peter Haack (der Beinahe-Boulettenmörder) wurde 1994 wegen Mordversuchs zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, dessen Führungsoffizier beim MfS, Generalmajor Dr. Heinz Fiedler, erhängte sich am 15. Dezember 1993 in der Untersuchungshaft im Gefängnis in Moabit.

Unklar ist bis heute die Rolle seiner Ehefrau. Auf der einen Seite war sie ebenfalls beinahe Opfer des Bouletten-Giftanschlages in Israel, auf der anderen Seite gibt es Hinweise darauf, dass auch sie als IM auf Welsch, ihren Ehemann, angesetzt war.

Weil er immer wieder Morddrohungen erhielt, ging Welsch von 1992 bis 1994 ins Ausland, unter anderem nach Costa Rica. Im Jahre 1997 wurde er für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen. Heute lebt Wolfgang Welsch zurückgezogen als freier Autor und Publizist in Sinsheim in Baden.

Das u.g. Buch "Ich war Staatsfeind Nr. 1" wurde 2004 unter dem Titel Der Stich des Skorpion unter der Regie von Stephan Wagner verfilmt.

Werke

Literatur

  • Gerhard Klussmann; Die Opfer der SED-Diktatur: Ohnmacht und Protest. Dokumentation. Bochum 1998; ISBN 3-93422-7007 (Welsch ist Co-Autor)
  • Mertens/Voigt (Hrsg.); Opfer und Täter im SED-Staat. Berlin 1998; ISBN 3-42809-4220 (Welsch ist Co-Autor)