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Othmar Spann

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Othmar Spann (* 1. Oktober 1878 in Wien-Altmannsdorf; † 8. Juli 1950 in Neustift an der Lafnitz) war ein österreichischer Nationalökonom, Soziologe und Philosoph. Spann war Wegbereiter des Austrofaschismus.[1][2]

Leben

Othmar Spann wuchs in Altmannsdorf auf, einem damaligen Vorort von Wien. Er studierte in Wien, danach in Zürich, Bern und Tübingen Volkswirtschaftslehre, Gesellschaftslehre und Philosophie. 1903 wurde er in Tübingen zum Doktor der Staatswissenschaften promoviert. Von 1903 bis 1907 war er als wissenschaftlicher Angestellter der „Centrale für private Fürsorge“ (in Frankfurt/Main) wichtiger Mitarbeiter von Christian Jasper Klumker. Von 1909 bis 1918 wirkte Spann als Dozent an der Universität Wien und Professor an der Technischen Hochschule in Brünn. Er begründete einen Universalismus (universalistisch-idealistische Gesellschaftslehre), der sich gegen Rationalismus, Liberalismus, Materialismus und Marxismus richtete und forderte eine Neuordnung von Staat und Gesellschaft auf berufsständischer Grundlage (Ständestaat). 1919 wurde Spann als ordentlicher Professor für Nationalökonomie und Gesellschaftslehre an die Universität Wien berufen und lehrte dort bis 1938.

In seinem Werk „Der wahre Staat“ (1921) entwickelte Spann eine auf Adam Müller fußende Ganzheitslehre, die sich entschieden gegen Marxismus und Liberalismus richtete.[3]

Ab 1928 gewann Spann als Ideologe der faschistischen österreichischen Heimwehr politischen Einluß.[4] 1928 wurde Spann auch Vorstandsmitglied im Kampfbund für deutsche Kultur (KfdK), eine von Alfred Rosenberg gegründete und von Hans Hinkel geleitete nationalsozialistische Kultur-Organisation. Die erste öffentliche Veranstaltung des Kampfbundes fand am 23. Februar 1929 im Auditorium Maximum der Münchener Universität satt, wo Spann als Hauptreferent eine in den damaligen Medien vielbeachtete Rede über „Die Kulturkrise der Gegenwart“ hielt.[5] In Anwesenheit Hitlers forderte Spann als „dritten Weg“ zwischen Demokratie und Marxismus den autoritären Ständestaat.[6] Aufgrund von Differenzen mit Rosenberg wurde Spann 1931 aus dem Kampfbund ausgeschlossen.[7]

Spann war ab 1933 Herausgeber der Zeitschrift „Ständisches Leben“, die dem Nationalsozialismus nahe stand.[8] Spann befürwortete die Bücherverbrennungen, nicht jedoch das Ausmaß des Antisemitismus.[9] Ab 1935 wurden seine Vorstellungen zunehmend auch von NS-Organen angegriffen.

Im Zuge der der nationalsozialistischen Saüberungen des Lehrkörpers der Wiener Universität, wurde 1938 auch Othmar Spann in den zwangsweisen Ruhestand versetzt. Der Grund lag jedoch nicht in einer anti-nationalsozialistischen Haltung, sondern in dem Lavieren zwischen „autoritären Standpunkten des Ständestaates“, des deutschen Nationalsozialismus und der „sudetendeutschen Bewegung“.[10]

1938 wurde er verhaftet und vier Monate im Konzentrationslager KZ Dachau interniert. Nach seiner Entlassung zog sich Spann auf sein Werkschloß in Neustift an der Lafnitz zurück.

Nach Kriegsende bemühte sich Spann erfolglos um eine universitäre Wiedereinsetzung; er wurde 1945 offiziell beurlaubt und 1949 mit vollen Bezügen pensioniert, ohne wieder gelehrt zu haben.

Spann war seit 1906 mit der Lyrikerin Erika Spann-Rheinsch verheiratet, mit der er die beiden Söhne Adalbert und Rafael hatte.

Die akademische Arbeit im Sinne Spanns wird heute von der in Wien ansässigen Gesellschaft für Ganzheitsforschung und der von ihr herausgegebenen Zeitschrift für Ganzheitsforschung fortgeführt.

Werke

  • Gesamtausgabe. ADEVA, Graz 1974 ff
  1. Frühe Schriften in Auswahl. 1974, ISBN 3-201-00133-3
  2. Die Haupttheorien in der Volkswirtschaftslehre. 1969
  3. Fundament der Volkswitrschaftslehre. 1967
  4. Gesellschaftslehre 1969
  5. Der wahre Staat. Vorlesungen über Abbruch und Neubau des Staates. 1972
  6. Tote und lebendige Wissenschaft. Kleines Lehrbuch der Volkswirtschaft in 5 Abhandlungen. 1967
  7. Kämpfende Wissenschaft. 1969
  8. Kleine Schriften zur Wirtschafts- und Gesellschaftslehre. 1975, ISBN 3-201-00135-X
  9. Kategorienlehre. 1969
  10. Der Schöpfungsgang des Geistes. 1969
  11. Gesellschaftsphilosophie 1. 1968
  12. Gesellschaftsphilosophie 2. 1970
  13. Philosophenspiegel. Die Hauptlehre der Philosophie begrifflich und geschichtlich dargestellt. 1970
  14. Erkenne dich selbst. Eine Geistesphilosophie als Lehre vom Menschen und seiner Weltstellung. 1968
  15. Naturphilosophie. 1963
  16. Religionsphilosophie auf geschichtlicher Grundlage. 1970
  17. Ganzheitliche Logik. 1971
  18. Meister Eckeharts mystische Philosophie, im Zusammenhang ihrer Lehrbegriffe dargestellt. 1974, ISBN 3-201-00134-1
  19. Kunstphilosophie. 1973, ISBN 3-201-00132-5
  20. Gespräche über die Unsterblichkeit. Betrachtungen zweier Krieger im Felde. 1965

Quellen

  1. Ernst Klee, Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Fischer Verlag, 2005, S.589
  2. Carola Stern, Lexikon zur Geschichte und Politik im 20. Jahrhundert, Kiepenheuer & Witsch 1971, S.59
  3. Ernst Piper, Alfred Rosenberg, Hitlers Chefideologe, Pantheon Verlag 2007, S.262
  4. Claus Mühlfeld, Rezeption der nationalsozialistischen Familienpolitik: Eine Analyse über die Auseinandersetzung, F. Enke Verlag 1992, S.187
  5. Reinhard Bolimus, Das Amt Rosenberg und seine Gegner, Deutsche Verlags-Anstalt 1970, S.30
  6. Claus Mühlfeld, Rezeption der nationalsozialistischen Familienpolitik: Eine Analyse über die Auseinandersetzung, F. Enke Verlag 1992, S.187
  7. Reinhard Merker, Die Kunst im Deutschen Reich, DuMont Verlag 1983, S.88
  8. Claus Mühlfeld, Rezeption der nationalsozialistischen Familienpolitik: Eine Analyse über die Auseinandersetzung, F. Enke Verlag 1992, S.42
  9. Detlef J. Blesgen, Erich Preiser: Wirken und wirtschaftspolitische Wirkungen eines deutschen Nationalökonomen, Springer Verlag 2000, S.314
  10. Johannes Feichtinger, Wissenschaft zwischen den Kulturen.: Österreichische Hochschullehrer in der Emigration 1933 - 1945, Campus Verlag 2001, S.197; so wurde Otto Neurath nach einer Beurteilung Spanns gefragt. Er antwortete am 18.11.1944: „In any case he is a Nazi and persecution would be only the result of some deviation and not of anti-Nazism“

Literatur

  • Walter Becher: Der Blick aufs Ganze. Das Weltbild Othmar Spanns. Universitas-Verlag, München 1985, ISBN 3-8004-1095-8
  • Walter Heinrich u.a. (Hrsg.): Othmar Spann - Leben und Werk. Ein Gedenkband aus Anlass der 100. Wiederkehr des Geburtstages. ADEVA, Graz 1979, ISBN 3-201-01110-X
  • Johann H. Pichler (Hrsg): Othmar Spann oder Die Welt als Ganzes. Böhlau, Köln 1988, ISBN 3-205-05107-6
  • Arnulf Rieber: Vom Positivismus zum Universalismus. Untersuchungen zur Entwicklung und Kritik des Ganzheitsbegriffs von Othmar Spann. Duncker & Humblot, Berlin 1971, ISBN 3-428-02462-1
  • Martin Schneller: Zwischen Romantik und Faschismus - Der Beitrag Othmar Spanns zum Konservativismus in der Weimarer Republik, Klett, 1970, ISBN 3129077707