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Erziehung im Nationalsozialismus

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Erziehung im Nationalsozialismus bezeichnet die Erziehungsansätze, die in Deutschland an den Universitäten und Schulen während der Zeit des Nationalsozialismus entwickelt oder angewendet wurden, um die NS-Weltanschauung bei den Schülern durchzusetzen.

Nationalsozialismus und Erziehung

Der nationalsozialistische Staat stellte einen Anspruch auf eine "totale Erziehung". Insofern könnten auch alle Formen der Propaganda im Alltagsleben zur Erziehung im Nationalsozialismus gerechnet werden. Dieser Beitrag beschränkt sich aber auf die gemeinhin unter "Erziehung" gefassten Aspekte. Der oberste Grundsatz der Schule im Nationalsozialismus war die Durchsetzung der nationalsozialistischen Weltanschauung. Die Funktion der Schule im Nationalsozialismus war es dabei, die Jugend zu "rassebewussten Volksgenossen" zu erziehen und ihre "jugendlichen Körper zu stählen" - es galt die Vorstellung vom "politischen Soldaten". Des Weiteren war es die Aufgabe der Schule den Charakter der Schüler zu formen. Sie sollten zu freiwilliger Verantwortung, Willenskraft und Aushalten von Strapazen erzogen werden, auch hier greift die Vorstellung einer Sammlung von soldatischen Tugenden. Erst am Schluss stand die wissenschaftliche Erziehung, welche von Hitler selbst in seiner Ideologie "Mein Kampf" als gering geschätzt wird.

Schon vor 1933 haben Pädagogen Überlegungen für eine nationalsozialistische Erziehung angestellt. Entsprechende Werke sind z.B. "Menschenformung" von Ernst Krieck; aber auch der Mitbegründer der Volkshochschule Herman Nohl mit der "Landbewegung" wurde verwendet.

Kontinuität zur Weimarer Republik und Wandel

Mit dem Konzept ihrer völkischen Erziehung stellten sich die Nationalsozialisten gegen die Aufklärung und rationale Vernunft. Die praxisnahe Schulung verdeutlicht das anti-intellektuelle, anti-humanistische Konzept. Es herrschte ständige Konfrontation mit dem Nationalsozialismus in Form von Propaganda und dem Führerkult im Schulhaus oder Klassenraum (Gemälde von Hitler, Hitlergruß, Hakenkreuze, Fahnen, Fahnenapelle). Des Weiteren wurde die Koedukation von Jungen und Mädchen gemeinsam abgeschafft, die Lehrerausbildung entwissenschaftlicht, Eliteschulen aus der Weimarer Republik intensiviert (Napola, AHS, SS-Junkerschule) und die Minderheiten (Juden und Roma, Sinti und Jenische), welche zuvor fast Gleichberechtigung erreicht hatten, fast komplett von öffentlichen Schulen ausgeschlossen. Dafür wurden Schulen in jüdischen Gemeinden eingeführt, welche bis zur Reichspogromnacht den jüdischen Schülern Schutz bot.

Individuelle Haltung der Lehrkräfte

Schon kurz nach der "Machtergreifung" wurden ein Drittel der Lehrerinnen und alle jüdischen Lehrkräfte entlassen. Die verbliebenen Lehrer wurden "aufgefordert", dem NS-Lehrerbund (NSLB) beizutreten. Vereinzelt gab es Distanz oder Verweigerung vom Lehrstoff, jedoch waren 97% der Lehrer im NSLB und 33% in der NSDAP. Diese Zahlen kommen zustande, da im Sinne des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums alle Lehrer, die nicht die nationalsozialistische Meinung vertraten, entlassen wurden. Einige wenige traten aber auch nur in den Lehrerverbund oder die NSDAP ein, um sich Aufstiegschancen zum Schulleiter etc. zu ermöglichen.

Erziehung neugeborener Kinder

Neben den weiterexistierenden Kindergärten gab es Versuche, den "neuen Menschen" im Sinne des Nationalsozialismus zu züchten. Aus den Erziehungsschriften der Ärztin Johanna Haarers (1900 - 1988) wird deutlich, wie sehr die ideologische Forderung nach Härte im Nationalsozialismus auch den Umgang mit Kleinkindern geprägt hat. Sie behandelt Kinder ab der Geburt als Feinde, deren Schreien und Flehen nicht nachgegeben werden soll. Der Aufbau einer liebevollen Beziehung zwischen Eltern und Kindern soll verhindert werden – dabei ist die Kindererziehung selbstverständlich Aufgabe der Mutter.

Im Rahmen der Aktion Lebensborn wurden Heime errichtet, in denen der Nachwuchs der SS gefördert werden sollte. In den Heimen konnten ledige Frauen ihre Kinder zur Welt bringen, ohne sich der gesellschaftlichen Ächtung aussetzen zu müssen. In den deutschen Heimen werden ca. 8.000 Kinder geboren. Später entführten die Nazis auch Kinder aus den besetzten europäischen Ländern, die von ihrem Aussehen her dem Idealtypus des Ariers nahekamen, und gaben sie SS-Familien zur "Aufzucht".

Schule

Die Schule war nach Hitlers Ansicht vor allem eine Vorstufe zum Heeresdienst. Die Wehrmacht wurde daher auch in Reden „Schule der Nation“ genannt. Vor allem auf den Schulalltag färbte dies ab, indem Krieg und Kampf in allen Fächern allgegenwärtig wurden. Bereits 1927 wurde der Nationalsozialistische Lehrerbund (NSLB) gegründet.

Auch in der Schule war ein Hauptziel der Nazis, ihre rassistische Ideologie zu verbreiten. Da sie relativ viel Geld in die Aufrüstung investierten, nutzten sie preiswert zu produzierende 'Zusatzhefte', die sie anstatt Schulbüchern anschafften, um inhaltliche Vorgaben für den Unterricht zu geben. Am 15. Januar 1935 veröffentlichte Bernhard Rust die Richtlinien zur Rassenkunde, in denen der Biologie der Schwerpunkt der Rassenkunde zugeordnet wurde, aber alle Fächer über ihre neue Aufgabe informiert werden.[1]

Eines der obersten Ziele der Nationalsozialisten war es, die Kinder zu "rassebewussten Volksgenossen" zu erziehen und "ihren Körper zu stählen", also die körperliche Abhärtung. Erst an zweiter Stelle stand die geistige Erziehung, und dort vor allem die Erziehung zu Willens- und Entschlusskraft, zur Verschwiegenheit, Verantwortungsfreudigkeit und zum Aushalten von Strapazen.

Erst an letzter Stelle stand die wissenschaftliche Bildung, sie wurde von Hitler in "Mein Kampf" mit größter Geringschätzung behandelt. Fächer wie Englisch, Französisch, Latein und Griechisch wurden nur noch an den höheren Schulen (Oberschulen und Gymnasien) unterrichtet.

Aus Ablehnung der Aufklärung und des rationalen Fachunterrichts suchten die Nazis alternative Erziehungsformen, die sie in der Reformpädagogik fanden. So ist es zu erklären, dass viele reformpädagogische Einrichtungen "erst" Mitte der 1930er Jahre geschlossen wurden. So erklärte Wilhelm Kirchner 1939 in Anspielung auf Rousseau: „Wir werden also zum Beispiel rassenpolitische Erziehung nicht beginnen und erschöpfen mit gescheiten Abhandlungen zur Rassenthematik. Wir werden das Kind im Umgang mit Pflanze, Tier und Mensch jahrelang Anschauungen sammeln lassen, ohne das Wort Rasse überhaupt zu benutzen.“
Elvira Bauers bereits 1936 veröffentlichtes Lesebuch Trau keinem Fuchs auf grüner Heid und keinem Jud bei seinem Eid sprach hingegen eine deutliche Sprache und wurde von den Parteiorganisationen u. a. kostenlos verteilt.

In der Weimarer Republik war das Schulsystem, vor allem die Volksschulen, unter der Hoheit der Länder stark heterogen strukturiert. Ab 1934 übernahm das Reichsinnenministerium Teile der Schulheoheit der Länder und begann mit einer Vereinheitlung des Schulsystems. Vorangetrieben wurde diese Entwicklung 1935 mit der Einrichtung des Reichserziehungsministeriums. Parallel dazu wurden oppositionelle und jüdische Lehrer entlassen, die übrigen zum Eintritt in den NSLB gezwungen, bis 97 Prozent der Lehrer NSLB-Mitglieder waren. Ab 1937 strukturierten die Nazis das System der Oberschule um, schafften die gemeinsame Beschulung von Jungen und Mädchen (Koedukation) mit Ausnahme der sogenannten Aufbauschulen (höhere gemeinsame Schulbildung ab dem 7.Schuljahr) ab und entwissenschaftlichen die Lehrerausbildung. Ebenfalls 1937 wurden konfessionelle Schulen abgeschafft. Sie gründeten im Sinne der Eliteförderung besondere NS-Erziehungsanstalten, die von unterschiedlichen Flügeln des Nationalsozialismus getragen wurden: z.B. die 'Nationalpolitischen Erziehungsanstalten' (NPEA, volkstümlich "Napola"), Adolf-Hitler-Schulen, die Reichsschule der NSDAP, SS-Junkerschulen und die weiterführenden Ordensburgen.

Für die Nazis war die Erfassung der Jugend in außerschulischen Organisationen der Hitler-Jugend besonders wichtig, da sie dort mit stärkeren erlebnispädagogischen Ansätzen einen gefühlsmäßigen Zugang zu den jungen Menschen bekommen, eine direkte ideologische Kontrolle des Geschehens zu erreichen und paramilitärische Erziehung realisieren wollten. Auch in Sportvereinen wurde die Gesinnung durch einen Dietwart geschult und überprüft.

Ab 1943 setzten die Nationalsozialisten Minderjährige der Jahrgänge 1926 bis 1928 als Flakhelfer und ab 1944 als Soldaten im Volkssturm ein.

Schulpraxis

Samstage wurden ab 1934 zum „Staatsjugendtag“, der mit 2 Stunden nationalpolitischer Belehrung begann und darauf mit Werk- und Sportunterricht von Führern der HJ gefüllt war. Allerdings wurde er 1937 wegen mangelnden Niveaus wieder abgeschafft. Sport bildete als „Ertüchtigung“ einen wichtigen Teil der NS-Erziehung, und mit 5 Stunden pro Woche einen Schwerpunkt im Stundenplan. Zudem wurde gefördert, dass Sportlehrer Rektoren wurden. Religion wurde zunehmend eingeschränkt und die Lehrerausbildung für Religionspädagogik ab 1939 eingestellt. Bis 1937 waren die Richtlinien für den Unterricht kaum reformiert worden, und erkennbar noch aus der Weimarer Zeit. Danach wurde aber unter anderem verstärkt Gymnasien in Höhere Schulen umgewandelt, die Fächer neu geordnet und (noch relativ) unabhängige Schulbuchverlage[2] aufgelöst.

Schulbücher

Am schnellsten fallen die Mathebücher auf, in denen in trivialen Rechenbeispielen „unterschwellig Gefühle der Unmenschlichkeit und des Hasses“[3] erzeugt wurden, etwa „ein Irrenhaus kostet xxx RM, wie viele deutsche Familien könnten davon eine Wohnung bekommen“, „Wie viele höhere Schüler würde es in Berlin gegeben haben, wenn die arischen Eltern ihre Kinder in dem gleichen Umfang wie die Juden zur höheren Schule geschickt hätten? (Berlin hatte 4.242.500 Einwohner)“ oder „Wie lange braucht ein Bomber von der französischen Grenze zu deiner Heimatstadt, und wie groß ist der Bereich, den er voll bestückt (Zahlen werden genannt) in deinem Stadtzentrum zerstören kann“. So wird nicht nur Angst (und damit Wut) erzeugt, sondern auch „kriegsfähiges Wissen“ vermittelt, also die naturwissenschaftlichen Fächer Teil der Wehrerziehung. Umgekehrt wurde mit Statistiken über den Etat von NS-Organisationen suggeriert, wie sehr der neue Staat dem Menschen hilft, wenn man gefügig ist. Im Fach ’’’Deutsch’’’, das zusammen mit Erdkunde und Geschichte sogenannte „deutschkundliche Fächer“ bildete, wurde (wie im Lesebuch „Ewiges Volk“) aus der altnordischen und mittelalterlichen Literatur (insb. Edda, Nibelungenlied) entnommen, was der nationalsozialistischen Ideologie entsprach, ohne dabei ein repräsentatives Bild nordischer Literatur vermitteln zu wollen. Auch neuere Literatur wurde verwendet, aber so aus dem Zusammenhang, dass Romantiker wie Hölderlin als „kriegsmotivierend“ suggeriert wurden. Das stand auch ausdrücklich in den Schulbüchern selbst: „Der Stoff, das Bildungsgut ist so zu wählen und auszuwerten, daß der Schüler ohne es bewusst zu merken, immer wieder auf die Idee des Soldatentums gestoßen wird.“[4] Im Fach Erdkunde („Geopolitik“) wurde die „Volk-und-Raum“-Ideologie, in Geschichte Revanchismus (gegen den Versailler Vertrag) und Rassenhochmut beigebracht.

Umgang mit Minderheiten

In der Weimarer Republik waren die Diskriminierungen von Minderheiten in der Schule weitgehend aufgehoben worden (auch wenn die Praxis teilweise anders aussah). Die rechtliche Gleichstellung vor allem der jüdischen und der Roma, Sinti und Jenischen-Kinder heben die Nazis nach der Machtergreifung auf. Mit dem 'Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums' vom 7. April 1933 werden vor allem jüdische Professoren und Lehrer aus dem Staatsdienst entlassen. Ähnlich hart gingen die Nazis auch mit der im Lande lebenden polnische Minderheit (Polonia und Ruhrpolen) um. Zunächst durften die Polen ihre Vereine etc. beibehalten, doch diese wurden zunehmend unter staatliche Kontrolle gesetzt und mit immer mehr Verboten belegt und 1938 schließlich gänzlich verboten. Viele polnischstämmige Kinder wurden im selben Jahr der Schule verwiesen. Auch Geschäfte von Polen wurden geschlossen und Deutschen übergeben. Zahlreiche Polen verloren zudem ihre Arbeitsplätze; Ziel war es, die Polen dazu zu bewegen, in ihr Heimatland zurückzukehren. Trotzdem lebten 1938 noch 150.000 Polen in Deutschland, vor allem im Ruhrgebiet und in Berlin.

Zudem begrenzen die Nazis den Anteil von "fremden" (vor allem jüdischen) Schülern in deutschen Klassen auf 1,5 %. In den folgenden Jahren verbieten sie ihnen die Teilnahme an Schulveranstaltungen, Klassenfahrten und Besuchen in Schullandheimen. Nach den November-Pogromen 1938 werden öffentliche Schulen und Universitäten ganz für "Fremde" geschlossen. Die Hilfsschulen übernehmen die Aufgabe, Schüler auszulesen und besonders Roma, Sinti und Jenische für die Sterilisation vorzuschlagen.

Die aus den öffentlichen Institutionen ausgeschlossenen Schüler sollen in Schulen der jüdischen Gemeinden bzw. der Sinti unterrichtet werden, wobei die Sinti häufig nicht über die Mittel verfügen, Schulen einzurichten. Die jüdischen Einrichtungen arbeiten anfangs an einer Stärkung der Verbundenheit der Schüler zu Deutschland, später bereiten sie vor allem die Emigration vor. Diese Schulen gewährten den jüdischen Schülern einen Schutzraum vor den Diskriminierungen, denen sie alltäglich ausgesetzt waren. Zudem wurde den Kindern und Jugendlichen ihre jüdische Identität als positiver Wert bewusst gemacht, und mit gestärkter Selbstachtung konnten sie den Abwertungen durch die Nazis begegnen. Andererseits bieten sie den Machthabern eine Kontrollmöglichkeit, die später die Deportation und Ermordung erleichtert. Mit der Realisierung des Holocausts werden die Sondereinrichtungen 1942 geschlossen.

Auch im besetzten Europa ist die Schulpolitik rassistisch geprägt: besonders in Polen richten die Deutschen ein Schulsystem ein, wie es Hermann Nohl schon 1933 gefordert hatte: es zielt auf die Germanisierung der "deutschstämmigen" Kinder und die Aussonderung und Versklavung der polnischen Schüler ab. Die polnischen Pädagogen werden entlassen, 17.000 werden unter deutscher Herrschaft ermordet, darunter auch Janusz Korczak (1878 - 1942). Heinrich Himmler fordert 1940, es dürfe für die Slawen keine höhere Schule geben. "Das Ziel dieser Volksschule hat lediglich zu sein: einfaches Rechnen bis höchstens 500, Schreiben des Namens, eine Lehre, dass es ein göttliches Gebot ist, den Deutschen gehorsam zu sein und ehrlich, fleißig und brav zu sein. Lesen halte ich nicht für erforderlich."

Widerstand

Nach dem Ausschluss "abweichender" Lehrer hat der Nationalsozialismus einen hohen Organisationsgrad unter der deutschen Lehrerschaft: bis 1936 treten 97 % dem Nationalsozialistischen Lehrerbund bei, über 30 % werden Mitglieder der NSDAP oder anderer NS-Organisationen (laut Angaben des NSLB). Organisierten Widerstand von Lehrern gibt es nur vereinzelt – öfter gibt es aber Formen der "inneren Distanzierung" vom Nationalsozialismus, was sich unter anderem dadurch ausdrückt, dass die vorgegebenen Erziehungsinhalte nicht oder nur mit deutlicher Distanz dargestellt werden.

Dagegen gibt es häufiger Formen des Jugendwiderstandes, der sich insbesondere gegen die ideologische Vereinnahmung durch die Hitler-Jugend (HJ) richtete. Beispiele dafür sind z.B. die Weiße Rose, die Gruppen um Herbert Baum und die um Helmuth Hübener oder die Edelweißpiraten.

Für widerständische Jugendliche richten die Nazis Jugendkonzentrationslager in Moringen (Jungen), in der Uckermark (Mädchen) und Litzmannstadt (polnische Jugendliche) ein.

NS-Erziehungswissenschaften

Die Erziehungswissenschaften im Nationalsozialismus unterliegen verschiedenen Tendenzen: einerseits versuchen sie, sich den Machthabern anzudienen und Konzepte für die Umsetzung ihrer rassistischen Weltanschauung zu entwickeln. Andererseits versuchen sie die Autonomie der Pädagogik und Wissenschaft zu bewahren und die Ansätze der HJ sind ihnen häufig ein Dorn im Auge. Gemäß dem Führerprinzip war eigentlich eine Diskussion über eine NS-Erziehung ausgeschlossen; so hatte Hitler in „Mein Kampf“ in einem Absatz zusammengestellt, Feldwebel seien die besseren Lehrer und Jugend müsste sich in „Soldaten verwandeln“ um „Unrecht und Recht [!] schweigend ertragen“ zu können. Reichserziehungsminister Bernhard Rust setzte sich erst spät (ab 1937-9) mit Unterrichtsplänen durch und behielt sich vor, „die Richtlinien nach Beendigung des Krieges zu prüfen.“ [5]

Ernst Krieck (1882 - 1947) hat als erster eine nationalsozialistische Pädagogik formuliert: er geht von einem faschistischen organischen Gesellschaftsmodell aus, in dem Erziehung der Zurichtung auf die aus der Herkunft ableitbare soziale Position dient, entsprechend benutzt er den Begriff "Zucht". Alfred Baeumler (1887 - 1968) schreibt: "Es ist die Schule von der Rasse her, die wir suchen." (1942, S. 70). Die nationalsozialistische Pädagogik und die damit verbundene Didaktik verstand sich als normativ, also ausgehend von „obersten Sinn-Normen“; fast alle Theorien (aber nicht alle) beriefen sich auf den einen Absatz in Hitlers „Mein Kampf“ über Erziehung („am besten durch Feldwebel“).

Schlussfolgerungen

Erziehung im Nationalsozialismus ist nicht auf die Zeit der Nazi-Herrschaft (1933-1945) zu begrenzen. Dagegen spricht auch die Kontinuität, die das deutsche Bildungssystem zeigt. Mit der Re-Edukation werden alleine die offen nationalsozialistischen Elemente entfernt, nicht aber die autoritären Grundstrukturen die z.B. die soziale Reproduktion bewirken, die im deutschen Bildungssystem besonders stark ist. An Universitäten lehrende Pädagogen wie Theodor Wilhelm können nach einer kurzen Kriegsgefangenschaft schon 1945 wieder als Lehrer arbeiten, dieser wird 1951 sogar Professor für Pädagogik in Flensburg.[6]

Es ist auch nicht unwichtig, auf die großen methodischen und inhaltlichen Schwächen hinzuweisen, die mit einem ganz ausdrücklichen Antiintellektualismus keine ausreichende Vorbereitung auf eine Industriegesellschaft bot. Mythen, Mythologeme und Wehrerziehung verhinderten damit genau den hohen Standard zu halten, auf den sich der Nationalsozialismus berief.

Bis heute ergibt sich etwa für den Politikunterricht daraus die Schwierigkeit, über Parteien zu informieren, da man bei einer parteilichen Information einen zu hohen Einfluss einer einzelnen Partei fürchtet.

Siehe auch

Literatur

  • Ödön von Horvath: Jugend ohne Gott, Suhrkamp Verlag, 1938.
  • Alfred Bäumler: Bildung und Gemeinschaft, Berlin: Junker und Dünnhaupt, 1942.
  • Lutz van Dijk: Oppositionelles Lehrerverhalten 1933 - 1945, 1988, ISBN 3779906775.
  • Deborah Dwork: Kinder mit dem gelben Stern, Europa 1933-1945, 1994, ISBN 3-406-38016-6.
  • Kurt-Ingo Flessau, Schule der Diktatur, München 1977, ISBN 3-431-01915-3.
  • Henning Heske: "... und morgen die ganze Welt ...", Erdkundeunterricht im Nationalsozialismus. Gießen: Focus, 1988, ISBN 3-88349-363-5
  • Wolfgang Keim: Erziehung unter der Nazi-Diktatur, 2 Bde., Antidemokratische Potentiale, Machtantritt und Machtdurchsetzung; Kriegsvorbereitung, Krieg und Holocaust, 2001, ISBN 3896789910.
  • Martin Kipp, Gisela Miller-Kipp: Erkundungen im Halbdunkel, Einundzwanzig Studien zur Berufserziehung und Pädagogik im Nationalsozialismus, 1995, ISBN 3925070141.
  • W. Kirchner: Die völkische Landschule im Aufbruch, Frankfurt am Main: Diesterweg, 1939.
  • Wolfgang Klafki (Hg.): Verführung - Distanzierung - Ernüchterung, Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus, Autobiographisches aus erziehungswissenschaftlicher Sicht, Reihe Pädagogik; 1988, ISBN 340734015X.
  • Ernst Krieck: Menschenformung, 4. Auflage, Leipzig: Quelle & Meyer, 1939.
  • Ernst Krieck: Nationalpolitische Erziehung, 20. Auflage, Leipzig: Armanen-Verlag, 1939.
  • Ernst Krieck: Grundriß der Erziehungswissenschaft, Leipzig: Quelle & Meyer, 1944.
  • Johanna Haarer: Unsere kleinen Kinder, 6. Auflage, München: Lehmanns, 1940.
  • Johanna Haarer: Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind, ohne Angabe der Auflage, München: Lehmanns, 1942.
  • Johannes Leeb: Wir waren Hitlers Eliteschüler, Ehemalige Zöglinge der NS-Ausleseschulen brechen ihr Schweigen, 1999, ISBN 3453165047.
  • Karl-Christoph Lingelbach: Erziehung und Erziehungsthorien im nationalsozialistischen Deutschland, Ursprünge und Wandlungen der 1933 - 1945 in Deutschland vorherrschenden erziehungstheoretischen Strömungen; ihre politische Funktionen und ihr Verhältnis zur außerschulischen Erziehungspraxis des "Dritten Reiches", Frankfurt am Main: dipa, 1987.
  • Franz Lüke: Das A.B.C. der Rasse, Verlag Ferdinand Kamp, Bochum (von der "Schule für Rassenpolitik" in München)
  • Erika Mann: Zehn Millionen Kinder, Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich, edition spangenberg im Ellermann Verlag, 1986, ISBN 3-7707-0213-1
  • Hans Müncheberg: Gelobt sei, was hart macht, 1991, ISBN 3371003213
  • Karin Neidhart: Nationalsozialistisches Gedankengut in der Schweiz. Eine vergleichende Studie schweizerischer und deutscher Schulbücher zwischen 1900 und 1945, Bern u.a.: Peter Lang, 2004, ISBN 3-631-51892-7.
  • LWL-Medienzentrum für Westfalen: Schule unterm Hakenkreuz. Zeitgenössische Filmaufnahmen aus der Martin-Luther-Schule Plettenberg. DVD mit Begleitheft, Münster 2007 ISBN 9783923432592
  • Hermann Nohl: Landbewegung, Osthilfe und die Aufgabe der Pädagogik, Leipzig: Quelle & Meyer, 1933.
  • Benjamin Ortmeyer: Schulzeit unterm Hitlerbild, Analysen, Berichte, Dokumente, 2000, ISBN 3860992066.
  • Detlev J. K. Peukert: Die Edelweißpiraten, 1988, 3. Auflage, ISBN 376633106X.
  • Kurt Piehl: Rebellen mit dem Edelweiß, Von den Nazis zu den Yankees, Roman eines Edelweißpiraten, 1985, ISBN 3925798889.
  • Geert Platner-Schüler der Gerhart-Hauptmann-Schule in Kassel (Hrsg.): Schule im Dritten Reich. Erziehung zum Tod., 1981, Pahl-Rugenstein Verlag, ISBN 3-7609-1196-X
  • Ruth Röcher: Die jüdische Schule im nationalsozialistischen Deutschland 1933-1942, 1992, ISBN 3763801731.
  • Barbara Schneider: Die Höhere Schule im Nationalsozialismus. Zur Ideologisierung von Bildung und Erziehung, 2000, ISBN 3-412-03500-9.
  • Christian Schneider, Cordelia Stillke, Bernd Leineweber: Das Erbe der Napola, Versuch einer Generationengeschichte des Nationalsozialismus, 1996, ISBN 3930908255.
  • H. Schnorrbach (Hg.): Lehrer und Schule unterm Hakenkreuz. Dokumente des Widerstands von 1930 bis 1945, 2. Auflage, Bodenheim: Syndikat, 1995.
  • Theodor Wilhelm: Die Idee des Berufsbeamtentums. Ein Beitrag zur Staatslehre des deutschen Frühkonstitutionalismus, Tübingen: Mohr, 1933.
  • Theodor Wilhelm: Die kulturelle Kraft Europas im Kriege, in: Internationale Zeitschrift für Erziehung, 13, Heft 1/2, 1944, S. 1 - 14.

Fußnoten

  1. http://www.dhm.de/lemo/html/dokumente/rassenkunde/
  2. Außer sozialistischen, jüdischen etc, die sofort 1933 aufgelöst worden waren
  3. Flessau, S. 142
  4. Nationalsozialistisches Bildungswesen (5) 1940, nach Flessau, S. 122
  5. Erlass EIIa485, aus: Kurt-Ingo Flessau, Schule der Diktatur, S. 53.
  6. Seine Tätigkeit im und nach dem Nationalsozialismus ist an seinen Werken aus der NS-Zeit abzulesen, siehe auch Gudrun Hentges, Debatten um die politische Pädagogik bzw. Bildung vor und nach 1945, Münster 1999