Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr


Das Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr (ZNBw) mit Sitz in Grafschaft bei Bonn ist die zentrale Dienststelle der Bundeswehr zur Feststellung, Analyse und Bewertung der militärischen und politischen Lage anderer Staaten sowie der militärischen Sicherheitslage der Bundesrepublik Deutschland. Das ZNBw ging am 1. Juli 2002 aus dem Amt für Nachrichtenwesen der Bundeswehr (ANBw) hervor, liefert und analysiert Informationen für das Einsatzführungskommando und das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst (BND), dem Auswärtigen Amt (AA) und weiteren Sicherheitsorganen der Bundesrepublik.
Die Hauptinformationsquellen des ZNBw sind der BND, die Einsatzkontingente, das Zentrum Operative Information, Militärattachés, das Zentrum Feldnachrichtendienst, Botschafter, das Kommando Strategische Aufklärung (KSA), Verbindungselemente in befreundeten Nachrichtendiensten der NATO und vor allem Presseberichte. Da das ZNBw meist, nicht wie der BND und die Presse, über eigenes Nachrichtenaufkommen aus Krisengebieten verfügt, versteht sich das ZNBw als wachsames Auge mit vorausblickenden aktuellen Analysen in der Hinterhand.
Da das Bundesverteidigungsministerium mangels Weisungsbefugnis nicht direkt über die Arbeit des BND verfügen kann, betrachtet sich das ZNBw nicht als überflüssig, wenn auch der BND ähnliche Aufgaben wahrnimmt. Gestaffelte Geheimhaltungsgrade oder der Schutz von Quellen des BND lassen meist nur eine sehr eng umgrenzte Weitergabe einzelner Informationen durch den BND zu. Das ZNBw liefert an das Verteidigungsministerium dagegen seine vollständigen Informationen, und vor allem ohne Verzug.
Nach Presseberichten ist allerdings geplant, das ZNBw 2007 in den BND zu integrieren.[1] Die zentrale Lagebearbeitung in Einsatz und Grundbetrieb wird demnach vom ZNBw zum Bundesnachrichtendienst überführt. „Das ZNBw wird aufgelöst, die verbleibenden Aufgaben werden im wesentlichen durch das Kommando Strategische Aufklärung übernommen.“[2]
Das ZNBw gliedert sich derzeit in die Abteilungen:
- Grundlagen,
- Einsatz,
- Zentrale Aufgaben,
- Systemzentrum JASMIN (Joint Analysis System Military Intelligence) und
- Lehrgruppe.
Die Abteilung Grundlagen analysiert die Teilstreitkraft-übergreifenden und -spezifischen Elemente zur Bearbeitung der Lage anderer Staaten einschließlich ihrer Land-, Luft- und Seekriegspotenziale.
Das Lagezentrum des ZNBw ist der Abteilung Einsatz zugeordnet und übernimmt permanent eine zentrale Warn- und Schutzfunktion für das BMVg und die Bundeswehr sowie deren Einsatzkontingente. Das ZNBw ist damit rund um die Uhr auskunftsfähig.
Das ZNBw verfügt über etwa 650 Dienstposten, wovon allerdings rund 30 Prozent mit zivilen Mitarbeitern besetzt sind.
Das ZnBw betreibt die Bodenstation des deutschen Spionagesatellitensystems SAR-Lupe.
JASMIN-Panne
Vorlage:Aktuell Im Juni 2007 wurde nach Recherchen von Report Mainz und tagesschau.de bekannt, dass durch eine Panne im Datenverarbeitungssystem JASMIN (Joint Analysis System Military Intelligence) Geheimdienstinformationen aus den Jahren 1999 bis 2003 offenbar unwiederbringlich vernichtet wurden. Öffentlich wurde dies, als der Verteidigungsausschuss des Bundestages Informationen des Datenbestandes der Bundeswehr aus dem Jahre 2002 anfordern wollte. Der Ausschuss benötigte die Infomationen im Verfahren zum damaligen Häftling Murat Kurnaz und zur Verwicklung der KSK darin. Staatssekretär Peter Wichert räumte ein, dass die Daten seit Ende 2004 verloren seien. Er begründete dies damit, dass der Speicherungsroboter von JASMIN bereits wenige Jahre nach seiner Inbetriebnahme an die Grenzen seiner Speicherkapazität geraten war und deswegen im Jahr 2004 Archive und Datenbackups in Form von Magnetbändern angelegt worden seien – dies aber lediglich einmal. Später habe sich herausgestellt, dass sie Bänder nicht mehr lesbar gewesen seien. „Entsprechend der gültigen Vorschriften zum Umgang mit Verschlusssachen wurden die nicht mehr lesbaren Kassetten am 4. Juli 2005 vernichtet“, teilte das ZNBw schließlich mit.[3]
Datensicherungsexperten wie Peter Böhret[4] und Geheimdienstexperten wie Erich Schmidt-Eenboom bezweifelten die Unrettbarkeit der beschädigten Daten mit dem Hinweis auf moderne Datenrettungsmethoden. Schmidt-Eenboom vermutete zudem eine vorsätzliche Datenvernichtung im Zusammenhang mit Informationen über illegale Geheimverhöre des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) 2001 in Tuzla, die sich mit Hilfe der verschwundenen Daten hätten rekonstruieren lassen.[5] Andere Aussagen gehen davon aus, dass die Daten noch vorhanden seien, unter Umständen aber nicht weitergegeben werden sollen.[6]
Weblinks
- Joachim Mogwitz: Das Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr in Grafschaft-Gelsdorf auf der Seite der Kreisverwaltung Ahrweiler.
- Alexander Richter, Thomas Reutter: Bundeswehr vernichtete Geheimdaten. Brisantes Material aus Auslandseinsätzen verloren. In: tagesschau.de, 25. Juni 2007.
- Schwere Panne im Bundesverteidigungsministerium. Presseinformation Report Mainz, 25. Juni 2007.
- Ralf R. Zielonka: Geheim! Besuch beim Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr (PDF, 68 KB, ursprünglich aus der Zeitschrift loyal, April 2005).
Quellen und Anmerkungen
- ↑ BND bekommt fünf Sputniks geschenkt. In: Neues Deutschland, 21. Dezember 2006.
- ↑ 3.5.3. Militärisches Nachrichtenwesen. In: Jährliche Weisung der Deutschen Marine.
- ↑ Vgl. Alexander Richter, Thomas Reutter: Bundeswehr vernichtete Geheimdaten. Brisantes Material aus Auslandseinsätzen verloren. In: tagesschau.de, 25. Juni 2007; sowie Schwere Panne im Bundesverteidigungsministerium. Presseinformation Report Mainz, 25. Juni 2007.
- ↑ Peter Böhret, Geschäftsführer des Datenrettungsunternehmens Kroll Ontrack in Deutschland; vgl. "Sehr fragwürdig". Zweifel am Datenschwund. n-tv, 26. Juni 2007. Vgl. auch die Darstellung des Leiters der Datensicherung im Hochschulrechenzentrum der Freien Universität Berlin, Bernd Melchers, auf tagesschau.de: Datenskandal bei der Bundeswehr. Daten über Geheimverhöre gelöscht?, 26. Juni 2007.
- ↑ Andreas Förster: Geheimberichte verschwunden. Unter Rot-Grün wurden brisante Datenbestände der Bundeswehr gelöscht. Berliner Zeitung, 26. Juni 2007.
- ↑ Es sei möglich, dass die Bundeswehr versuche, „Informationen nicht nach außen zu geben“, sagte Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele: "Sehr fragwürdig". Zweifel am Datenschwund. n-tv, 26. Juni 2007.