Perniziöse Anämie
Die perniziöse Anämie (perniziös = bösartig) ist eine Erkrankung, die auf einem Mangel an Vitamin B12 beruht. Vitamin B12 spielt eine bedeutende Rolle in der Blutbildung und beim Abbau von sog. ungradzahligen Fettsäuren; außerdem ist es für die Synthese der DNA wichtig.
Vitamin B12 findet sich nur in tierischen Nahrungsmitteln, insbesondere in der Leber; der tägliche Bedarf beträgt 2–3 Mikrogramm. Das Vitamin wird aus der Nahrung im Darm mithilfe eines speziellen im Magen ausgeschütteten Eiweißmoleküls (Intrinsic Factor) aufgenommen, welches das Vitamin bindet und es so vor einer Zerstörung schützt.
Ein Mangel von B12 kann zu einer Anämie und/oder vielfältigen neurologischen Schäden führen. Eine unbehandelte Perniziöse Anämie ist tödlich.
Ursachen des Mangelzustandes
- gestörte Resorption infolge eines Mangels an Intrinsic Factor, dieser kann durch eine chronische Entzündung der Magenschleimhaut, als Folge einer Autoimmunerkrankung oder einer Erbkrankheit, nach einer operativen Entfernung des Magens, oder durch Parasiten im Darm (Würmer) entstehen.
- verminderter Gehalt in der Nahrung, z. B. bei unausgewogener veganer Kost oder Alkoholismus.
- intensiver Gebrauch von Magensäure hemmenden Mitteln, Magenschutz.
- Anwendung von N2O, Distickstoffmonoxid (Lachgas) bei Operationen und Betäubungen (Zahnarzt)
Unterschiede Gastritis Typ A und Typ B
Bei der Typ A Gastritis handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung des Magens, bei der die Antikörper gegen die Parietalzellen und den Intrinsic Factor gerichtet sind. Befallen sind Corpus und Fundus. Bei der Typ B Gastritis handelt es sich um eine Helicobacter pylori Infektion, die Antrum, Corpus und Fundus des Magens befällt (Pyloro-kardiale Expansion der Gastritis, S.E.Miederer 1969).
Symptome
Die Kombination und Ausprägung der Symyptome kann von Fall zu Fall unterschiedlich sein.
Anämische Symptome
Die typischen Beschwerden sind Müdigkeit, Leistungsverminderung, Erhöhung der Herzfrequenz, Blässe und Kollapsneigung als Folge der Blutarmut. Weiter wird ein Ikterus (Gelbfärbung der Haut) beobachtet, eine entzündlich gerötete, „glatte“ Zunge, Verdauungsstörungen und Bauchschmerzen.
Neurologische Symptome
Neurologische Symptome treten häufig ohne Anzeichen einer Anämie auf. Neurologische Symptome wie Missempfindungen oder Taubheitsgefühl der Haut (Kribbeln, pelziges Gefühl), eingeschlafene Hände und Füsse, Gangunsicherheit, Koordinationsstörungen, Sehstörungen, Polyneuropathien und seltener Lähmungen sind möglich; schließlich auch psychische Symptome wie mangelhafte Merkfähigkeit, Konzentrationsschwäche, Depressionen und Psychosen („megaloblastic madness“) sowie Schizophrenie und Demenz. Im allgemeinen kann es zu generalisierten Schmerzen wie bei einer Fibromyalgie kommen.
Diagnose
Die Diagnose wird durch Laboruntersuchungen gesichert:
Laboruntersuchung
Sicherer Test
- Methylmalonsäure im Urin[1], Positiv wenn erhöht
zusätzlich zu testen:
- Homocystein im Blut
- Vitamin B12 im Blut
Neuer Test
- HoloTC (Holo-Transcobalamin) im Blut
Unterstützende Test / relativ hohe Gefahr von falschen Negativen wie Positiven Ergebnissen.[2]
- Methylmalonsäure im Blut (nicht anwendbar bei Nierenkrankheiten und Dehydrierung )
- Hinweis auf Anämie wenn im Blutbild die typische makrozytär-hyperchrome Anämie besteht. (wenige große rote Blutzellen mit viel Hämoglobin beladen). Folsäure kann das Blutbild trotz B12 Mangel als "normal" erscheinen lassen. Neurologische Schäden enstehen oft vor den Anzeichen einer Anämie im Blut.
- Hinweis auf Aufnahmestörung von Vitamin-B12 durch den Darm mit Hilfe des Schilling-Tests (Einnahme von radioaktiv markiertem Vitamin-B12, das bei Aufnahme anschließend im Harn erscheint). Gefahr von Falsch Normal Werten da unter anderem einige zwar kristallines B12 aber nicht nahrungsgebundenes B12 aufnehmen können.
Bei der Ursachensuche ist eine Magenspiegelung (Gastroskopie) mit Probenentnahme (Stufenbiopsie) zum Nachweis einer atrophischen Gastritis üblich (Die Histotopographie der Magenschleimhaut. S. E. Miederer, Thieme 1977). Auch Stuhluntersuchungen mit Kulturen auf Mikroorganismen und die Prüfung auf Wurmeier kann man durchführen. Die Gastroskopie kann allerdings keinen B12 - Mangel ausschließen.
Zur Diagnose gehört eine Körperliche inklusive neurologischer Untersuchung.
Anti-Parietalzellen-Autoantikörper
Bei der autoimmunen Form des Vitamin B 12 Mangels finden sich nur bei ca. 60 % Anti-Parietalzellen-Autoantikörper, die sich gegen die a- und b-Untereinheit der Magen H+/K+-ATPase richten. Bei der H+/K+-ATPase handelt es sich um ein Wasserstoffionen transportierendes Enzym, das für die Bildung der Magensäure verantwortlich ist. Die H+/K+-ATPase gehört zu den elektroneutralen Ionenpumpen.
Blutbild
Eine Perniziöse Anämie kann auch ohne Veränderungen im Blutbild bestehen. Infolge eines Mangels verringert sich die Anzahl der roten Blutkörperchen (Erythrozyten); außerdem erscheinen sie zu groß und enthalten pro Zelle vermehrt Hämoglobin, denn es kommt zu einer Störung der Zellteilung in den unreifen Vorläuferzellen der roten Blutkörperchen im Knochenmark. In der mikroskopischen Untersuchung werden sogenannte Megaloblasten (sehr große Vorläuferzellen) und Megalozyten (sehr große Erythrozyten) gefunden. Im Verlauf wird auch die Bildung weißer Blutzellen (Leukozyten)und Blutplättchen (Thrombozyten) beeinträchtigt.
bei megaloblastärer Anämie:
- Blutbild, mikroskopisches Differentialblutbild (übersegmentierte Neutrophile?), Retikulozyten
- CRP, LDH, Bilirubin, GOT, GPT, AP, γ-GT, Elektrolyte
- Vitamin-B12-, Folsäure-, Ferritinkonzentration im Serum
- bei unklarer Befundkonstellation: Knochenmarksuntersuchung
Folatstoffwechsel / Folsäure
Erhöhte Blutwerte von Methylmalonat und Homocystein zeigen sehr sensitiv eine Störung des Folatstoffwechsels an und können zur Differentialdiagnose bei Patienten mit neurologischen Veränderungen herangezogen werden, bei denen die Blutbildveränderungen und Vitaminkonzentrationen nur grenzwertig verändert sind. Folsäure kann einen B12-Mangel im Blutbild überdecken.[3]
Differentialdiagnostik
Krankheiten bei denen B12-Mangel ausgeschlossen werden sollte:
- Polyneuropathie, Fibromyalgie, generalisiertes Schmerzsyndrom
- Rheumatoide Arthritis, Rheuma, Arthritis
- undifferenzierte Kollagenose, Lupus erythematodes, Antiphospholipid-Syndrom, Sklerodermie, Sjörgren-Syndrom,
- Borreliose
- Krankheiten aufgrund erhöhtem Homocystein (Herzinfarkt, Schlaganfall)
- Osteoporose
- Arteriosklerose
- Erkrankungen der Wirbelsäule, HWS / funikuläre Myelose[4][5]
- Multiple Sklerose/ MS
- Karpaltunnel Syndrom, RSI-Syndrom
- Restless-Legs-Syndrom / RLS und Tremor
- Chronisches Erschöpfungssyndrom / CFS
- Demenz, Autismus, Alzheimer
- Parkinson-Krankheit[6]
- Depression
- Schizophrenie
- Erkrankungen der Schilddrüse, Hashimoto-Thyreoiditis
- Unfruchtbarkeit[7], Fehlgeburt
- Syndrom der blinden Schlinge (engl. blind-loop syndrome)
- Morbus Crohn
- Aids
- Diabetes
- Hautkrankheiten wie Psoriasis-Arthritis/ Schuppenflechte[8] und Neurodermitis
Allgemeine Risikogruppen
- Vegetarier und Veganer insbesondere deren Kinder und Stillkinder
- Senioren ab ca. 60 Jahre
Krankheiten die einem Mangel zugrunde liegen können:
Behandlung
Wenn die Ursache nicht beseitigt werden kann, muss das Vitamin B12 lebenslang zugeführt werden. B12 muss in diesem Fall in sehr hohen Dosen von mind. 1000mcg verabreicht werden.
Im Falle der chronischen Magenschleimhautentzündung wird es in die Muskulatur oder subcutan gespritzt (ebenso bei einem ganz oder teilweise entfernten Magen). In den Fällen, wo ein Mangel des Intrinsic Factors diagnostiziert werden kann, kann dieser gegeben werden um die Fehlabsorption zu beheben. Bei einer chronisch atrophischen Gastritis vom Typ A besteht die Möglichkeit die anfänglichen Entzündungszeichen und Veränderungen der Schleimhaut mit Cortison zu therapieren.
Die Therapie mit Vitamin B12 in der Form von Methylcobalamin[9] und Adenosylcobalamin verspricht den grössten Erfolg. In einer typischen Therapie werden in den ersten Wochen 1-3 tägig 1000mcg gespritzt, sodann in einem 1-2 monatigen Abstand lebenslang weiter Spritzen von ca 1000mcg verabreicht.
Orale Therapie (Tabletten): Entgegen der verbreiteten Annahme, verspricht auch eine Orale Therapie(Tabletten) erfolgreich zu sein. Durch Absorption von ca 1% ist selbst ohne Intrinsic Faktor eine Aufnahme möglich. Zu beachten ist hier eine mindest Dosis von über 500mcg um die Absorption zu ermöglichen. Um vergleichbare Erfolge zu erzielen ist hier eine tägliche Dosis von mind. 1000mcg erforderlich.[10][11] In jedem Fall ist eine regelmässige Überprüfung der Werte wichtig.
Quellen
- ↑ B12 Test
- ↑ UMMA Test
- ↑ American Family Physician: B12 Deficiency, 2003
- ↑ HWS Funikuläre Myelose, 2005
- ↑ Orale Vitamin-B12-Substitution bei funikulärer Myelose (HWS)Uniklinik Bonn 2006
- ↑ Parkinson's, B6, B12, and Folate - What's the Connection?
- ↑ http://www.westonaprice.org/basicnutrition/vitaminb12_de.html
- ↑ Vitamin B12 und Hautkrankheiten
- ↑ Methylcobalamin The New B12
- ↑ American Family Physician: B12 Deficiency, 2003
- ↑ Orale Vitamin-B12-Substitution bei funikulärer Myelose (HWS)Uniklinik Bonn 2006
Weblinks
- American Family Physician Vitamin B12 Deficiency, 2003
- Diagnose eines Vitamin-B12-Mangels: nur scheinbar ein Kinderspiel, 1999,Schweiz Med Wochenschr, deutsch
- Warning: Usual Test for Vitamin Deficiency Can Mislead Doctors, Fibromyalgiasupport, 2004
- Vitamin B-12 Associated Neurological Diseases, 2006
- Untersuchung über den Folsäure und Vitamin B12-Status in einer gesunden Bevölkerung, 2007
- Vitamin B12 Methylcobalamin ,Fibromyalgie, 1995
- Sweden: Vitamin B12 and mercury(Blei)
- CFS Homocysteine and B12, 2006