Mensur (Studentenverbindung)

Eine Mensur (lateinisch mensura = Abmessung) ist ein streng reglementierter Fechtkampf von Mitgliedern von Studentenverbindungen mit scharfen Waffen. Der Begriff gründet auf den fechttechnischen Fachbegriff „Mensur“, der seit dem 16. Jahrhundert einen festgelegten Abstand der Fechter zueinander beschreibt.
Mensuren werden je nach Hochschulort mit Korbschlägern oder Glockenschlägern gefochten. Die Fechter sind fast vollständig gegen Verletzungen geschützt; lediglich Teile von Kopf und Gesicht sind frei und können verletzt werden. Durch solche Verletzungen entstehende Narben heißen Schmisse.
Mensuren werden von vielen Studentenverbindungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gefochten. Teils sind die Mitglieder dieser Verbindungen verpflichtet, Mensuren zu fechten, teils können sie dies freiwillig („fakultativ“) tun.
Die besondere Eigenart der Mensur
Das Mensurfechten ist weder Sport noch Duell, obwohl es mit beiden Formen menschlichen Kräftemessens Gemeinsamkeiten hat.
Wie beim Sport ist eine Mensur eine Auseinandersetzung von Kontrahenten, zwischen denen keine Antipathie bestehen muss. Im Gegenteil ist für ein Paukverhältnis sogar ein gewisses Vertrauen nötig. Allerdings kennt eine Mensur im Gegensatz zu einem Sportwettkampf keine Gewinner oder Verlierer. Die Leistung eines Paukanten (Teilnehmers an der Mensur) wird unabhängig von der Leistung seines Gegenpaukanten bewertet. Die Bewertung – die etwa Stand, Moral und Technik umfassen kann – wird vorgenommen vom Mensurconvent, einem Gremium, das aus allen anwesenden Bundes- bzw. Corpsbrüdern besteht, die die Mensur vollständig gesehen haben.
Mensuren sind wie Duelle Kämpfe Mann gegen Mann, bei denen die Teilnehmer vor allem den Mut beweisen sollen, solche Auseinandersetzungen trotz der Aussicht auf Verwundung und Schmerz diszipliniert und ohne äußere Anzeichen von Furcht durchzustehen. Wichtiger als das Gewinnen ist die aufrechte Teilnahme. Anders als Duelle dienen Mensuren aber nicht dazu, für so genannte ‚Verletzungen der Ehre‘ Satisfaktion (Genugtuung) zu geben. Das ist ausdrücklich nicht Sinn der Mensur. Mensuren dürfen auch nicht unter Bedingungen gefochten werden, die ernsthafte Verletzungen oder gar den Tod der Teilnehmer wahrscheinlich machen.
Der Zweck der Mensur
Schlagende Verbindungen, besonders pflichtschlagende Verbindungen, betrachten die Mensur als wichtige Hilfe zur Persönlichkeitsbildung. Sie begründen dies damit, dass die Vorbereitung auf eine Mensur vom Studenten nicht nur erfordert, eine saubere Kampftechnik einzuüben (das sogenannte „Pauken“) und dabei Disziplin und Sorgfalt zu entwickeln. Er muss sich auch mit einer bedrohlichen Situation auseinandersetzen, die eigenen Ängste davor überwinden, und ihr gut vorbereitet und gefasst entgegentreten.
Außerdem soll die Mensur den Zusammenhalt der Gemeinschaft stärken. Sie findet deswegen meist vor den versammelten Aktivitates der am Pauktag teilnehmenden Bünde sowie mit der oftmals regen Teilnahme seitens der entsprechenden Altherrenschaften statt.
Ein erwünschter Nebeneffekt der Pflichtmensur ist es, Studenten, die die Mitgliedschaft nur aus materiellen Motiven anstreben, ohne sich selbst einzubringen, vom Eintritt in die Verbindung abzuhalten. Befürworter von Pflichtmensuren führen an, dass die Freiwilligkeit oder weniger gewaltsame Kampfrituale der Mensur diesen Zweck nicht erfüllen würden.
Geschichte und Charakter der Mensurarten
Studentische Selbstverteidigung
Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit war die öffentliche Sicherheit besonders bei Überlandreisen kaum gewährleistet. Da besonders Schüler und Studenten oft lange zu ihren Studienorten reisen mussten, erlaubte Kaiser Maximilian I. von Habsburg ihnen 1514 das Tragen von Waffen zum Selbstschutz. Dieses Privileg war zugleich ein Ausweis für eine gehobene gesellschaftliche Position, denn außer den Studenten durften dies nur der Adel und das Militär.
In diesen Jahrhunderten gab es noch kein spezifisch studentisches Fechten. In dieser Disziplin übte sich jeder, der meinte, es zu brauchen oder es sich leisten zu können (besonders im Mittelalter waren Metallwaffen noch sehr kostspielig). So waren Fechtübungen zum Beispiel auch bei den Handwerkszünften sehr verbreitet. Noch heute zieren gekreuzte Schwerter manches Zunftwappen.
Während im Mittelalter Schwert und Dussack bevorzugte Fechtwaffen waren, kamen in der frühen Neuzeit durch den Einfluss aus romanischen Ländern wie Spanien oder Italien leichtere, elegantere Waffen in Mode, die mehr zum Stich als zum Hieb taugten. Das war erst der Degen, später das noch leichtere Rapier.
Von "vornehmen Herren" wurde damals erwartet, dass sie sich nicht nur unterwegs vor Räuberbanden schützen konnten, sondern sich auch sonst Respekt verschafften - besonders wenn jemand ihren gesellschaftlichen Stand anzweifelte, indem er sich nicht respektvoll genug benahm. Wer hier nicht zeigte, dass er sich zur Wehr setzen konnte, hatte nicht nur bei seinen Standesgenossen schnell alles Ansehen verspielt.
Auch bei den Studenten bildete sich ein besonderes Standesbewusstsein, das auch auf einer eigenen Sprache (Studentensprache) und einer eigenen Kultur (Comment) beruhte. Die damaligen Studneten fühlten sich herausgehoben aus der Welt der Bürger, unter denen sie lebten. Diesen Stand galt es zu verteidigen.
Das Tragen von Waffen und das Ausfechten von Duellen war unter Studenten bald unverzichtbarer Bestandteil des universitären Lebens, wobei besonders in unruhigen und in Kriegszeiten die Brutalität für heutige Verhältnisse ungeheure Ausmaße annahm. Als besonders schlimm gilt in dieser Hinsicht das 16. Jahrhundert mit den Reformationskriegen und im 17. Jahrhundert die Zeit während und nach dem Dreißigjährigen Krieg.
Duelle wurden teilweise als Rencontre (frz. Zusammentreffen, in der Bedeutung von „wildes Duell“) durchgeführt, das heißt sofort an Ort und Stelle, wobei Opfer nicht selten ohne ärztliche Versorgung einfach liegen gelassen wurden.
Da die Universitätsbehörden sich nur schwer dagegen durchsetzen konnten, versuchten sie, das studentische Fechten in geregelte Bahnen zu lenken. Sie hofften, durch bessere Fechtausbildung die Zahl der Verletzungen minimieren zu können. Das Erlernen der Fechtkunst wurde im Laufe der Zeit eine besondere universitäre Disziplin. Viele Universitäten beschäftigten neben Tanz- und Reitlehrern bald auch eigene Fechtlehrer.
Die Säbelmensur
Schwere Säbel waren Kriegswaffen, die in der frühen Neuzeit im Frieden nur von Adeligen und Studenten getragen werden durften. Der Ehrbegriff dieser Schichten forderte teilweise die Sühne vermeintlicher Beleidigungen durch Duelle mit solchen Säbeln als Fortentwicklung des ritterlichen Turnierkampfs. Ein tödlicher Ausgang des Kampfes wurde dabei bewusst in Kauf genommen.
Diese Form des Duells entstand um 1600 und wurde in den meisten europäischen Staaten um 1800 unter Strafe gestellt. In Deutschland wurde das Gesetz dazu von 1871 jedoch nur selten angewandt, da der gesellschaftliche Ehrenkodex, der die Sühne vermeintlicher Beleidigungen durch ein Duell forderte, vielfach noch akzeptiert wurde. Bis 1945 wurde das Duell auch in Form der Säbelmensur (Glocken- und Korbschläger sind keine ehrenreinigenden Waffen) gerade in und unter Verbindungen häufig offen oder heimlich weiter praktiziert. Heute ist diese Vorform der Mensur im modernen Sinn streng verboten und wird nicht mehr praktiziert. In den meisten europäischen Ländern (anders als in den USA) ist das Tragen von tödlichen Waffen in der Öffentlichkeit verboten. (Gewaltmonopol des Staates als Errungenschaft der Aufklärung, konzeptionell vorgedacht durch Montesquieu, der als Richter in Bordeaux durchaus Todesurteile verhängt hatte; als Begriff geprägt von Max Weber.).
Seit etwa 1800 wurden Mensuren nach dem Satisfaktionsprinzip gefochten: Sie dienten dazu, eine subjektiv empfundene Ehrverletzung auszugleichen. Dabei standen in der Regel beide Seiten unter gesellschaftlichem Druck: Wenn eine vermeintliche Beleidigung nicht durch eine Forderung (auf einen Zweikampf) beantwortet wurde, konnte der Beleidigte drastisch an gesellschaftlichem Ansehen verlieren. Umgekehrt konnte eine Forderung nicht ohne einen enstsprechenden Verlust an Ansehen abgelehnt werden. Noch bis 1945 war dieses Prinzip der unbedingten Satisfaktion bei den schlagenden Verbindungen weit verbreitet. Für die Satisfaktion waren nur der studentische Säbel und die Pistole geeignet. Eine Pistolenforderung wurde aber nur in Ausnahmefällen genehmigt und konnte nur nach absolvierter Säbelpartie durchgeführt werden.
Persönliche Beleidigungen eines Mannes ([[Lateinische Sprache|lateinisch vir) wurden durch eine Forderung zum Kampf Mann gegen Mann (viritim) beantwortet, die sogenannte Viritim-Forderung.
Beleidigungen einer gesamten Verbindung zog eine Pro-Patria-Suite (für's-Vaterland-Folge) nach sich, die – analog zu einer Suite von Sätzen in einem Musikstück – aus einer Reihe von Mensuren von Mitgliedern der beteiligten Vereinigungen bestand. Hinsichtlich solcher Forderungen bestand der gleiche gesellschaftliche Druck wie bei vermeintlichen persönlichen Beleidigungen.
Heute existiert das Satsifaktionsprinzip in schlagenden Verbindungen nur noch in Österreich. In Deutschland gibt es nur eine Fortsetzung dieser Tradition in der Form von Glocken- oder Korbschlägerpartien. Diese sind aber aufgrund der Fechtwaffe nicht ehrenreinigend. Ehrensachen müssen daher über ein Ehrengericht gereglt werden. Die von der Viritim-Forderung abstammende Forderung wird persönliche Contrage (PC) genannt. Bei Pro-Patria-Forderungen (PP, im Namen der ganzen Vereinigung) fechten drei Chargen (Verbandsführer) und drei Burschen (aktive Mitglieder) jeder Seite je drei Partien gegen einen entsprechenden Vertreter der Gegenseite. Der Unterschied der PC und der PP zu den heute verbotenen ehrenreinigenden Forderungen ist deren Freiwilligkeit. Kein Bund muss eine PC oder PP annehmen.
Die Bestimmungsmensur
Das Austragen von Mensuren zur Bereinigung von Ehrenhändeln und mit tödlichen Waffen (Säbelmensur) wurde in einem Musterprozess vom Bundesverwaltungsgericht 1953 verboten (siehe unten und Göttinger Mensurenprozess).
Seitdem gibt es nur noch die so genannte Bestimmungsmensur. Sie wird mit Korb- oder Glockenschlägern ausgetragen. Als Faustregel kann man sagen, dass östliche der Elbe mit dem Glockenschläger, westlich der Elbe mit dem Korbschläger gefochten wird. (Ausnahmen sind hierbei Jena und Halle/Leipzig, wo "auf Glocke" gefochten wird und Kiel und Rostock, wo "auf Korb" gefochten wird.) Im Vorfeld bestimmen (daher der Name) die Fechtchargierten – die für den Fechtbetrieb zuständigen Mitglieder einer schlagenden Verbindung – welcher Paukant welchen Gegner bekommen soll. Sie handeln den Kampf mit einer anderen Verbindung aus und achten dabei zum Wohl ihres Paukanten auf die Wahl von technisch ebenbürtigen Gegnern (Körpergröße, Rechts- oder Linkshänder).
Die Pflichtmensur
Bezüglich ihrer Einstellung zur Mensur unterscheidet man heute folgende Formen von Studentenverbindungen:
- Pflichtschlagende Verbindungen fordern von ihren Mitgliedern das Schlagen (Fechten) von Mensuren. Meist ist inder Satzung eine Mindestanzahl von Mensuren festgelegt, die ein Mitglied fechten muss.
- Fakultativ schlagende Verbindungen ermöglichen ihren Mitgliedern auf deren Wunsch hin das Schlagen einer Mensur. Manche Satzungen enthalten nur dieses Prinzip, wobei kein Mitglied das Pauken (das Üben der Mensur) mehr erlernt. Andere unterscheiden sich kaum von pflichtschlagenden Verbindungen, weil das freiwillige Pauken von allen Mitgliedern auf Grund regen Interesses regulär geübt wird.
- Nichtschlagende Verbindungen lehnen das Schlagen von Mensuren grundsätzlich ab und schaffen ihren Mitgliedern keine Möglichkeit, sie zu absolvieren. Das kann auf Grund der religiösen Überzeugung, aber auch auf der Tradition der eigenen Verbindung beruhen. Bis zum 2. Weltkrieg war es aber bei vielen nichtschlagenden Bünden üblich sich bis zur Mensurreife einzupauken; die Mensur wurde aber nicht durchgeführt. Dies sollte zeigen, dass man Mensuren fechten könnte, wenn man dies wollte.
Es gibt in Deutschland drei pflichtschlagende Korporationsverbände, die das Schlagen von Mensuren für alle ihre Mitgliedsverbindungen zwingend vorschreiben: den Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV, Kösener Corps), den Weinheimer Senioren-Convent (WSC, Weinheimer Corps) und den Coburger Convent (CC, Turnerschaften und Landsmannschaften). Die Deutsche Burschenschaft, die Neue Deutsche Burschenschaft und die Deutsche Sängerschaft sind fakultativ schlagend, d.h. den Mitgliedsverbindungen ist es freigestellt, Mensuren zu verlangen oder nicht. Die Mehrheit ihrer Mitgliedsverbindungen tut dies.
Beteiligte und Ablauf
Unparteiischer
Der Unparteiische ist ein Waffenstudent, der bereits selbst eine gewisse Anzahl von Mensuren nach dem entsprechenden Paukcomment geschlagen haben muss, um als Schiedsrichter tätig sein zu können. Er hat während der Partie zu gewährleisten, dass sich die Anwesenden und die Mensurbeteiligten regelgerecht verhalten. Er kann jeden Anwesenden bei Störungen des Ablaufs der Partie sowie jeden an der Partie Beteiligten bei Regelverstößen aus dem Pauklokal verweisen. Grundsätzlich urteilt der Unparteiische nur auf Anfrage von anfrageberechtigten Beteiligten. Das sind in der Regel die beiden Sekundanten und die beiden Testanten. Der Unparteiische darf keiner der beiden paukantenstellenden Studentenverbindungen angehören. Er hat nach bestem Wissen und Gewissen zu urteilen und ist während der Partie unverletzlich und darf weder ausgelacht noch herausgefordert werden.
Paukant
Der Paukant ist der Fechter, also derjenige der die Mensur schlägt. Bei einer Mensur gibt es immer genau zwei Paukanten. Die beiden Paukanten gehören immer unterschiedlichen Verbindungen an.
Sekundant
Der Sekundant ist für den Schutz seines Paukanten verantwortlich. Er überprüft die Schutzmaßnahmen des eigenen, aber auch die des gegnerischen Paukanten, damit sein eigener Schützling nicht benachteiligt ist. Während der scharfen Gänge schirmt er seinen Paukanten vor nicht erlaubten Hieben ab und fragt Verstöße beim Unparteiischen an. Dies geschieht dadurch, dass er „Halt“ ruft. Beide Sekundanten stellen sich daraufhin sofort vor ihre Paukanten, um sie vor weiteren Hieben zu schützen.
Testant
Der Testant hat in Bezug auf das ‚Anfragen‘ die gleichen Rechte wie der Sekundant. Auch er darf so genannte nicht commentgemäße Hiebe in Frage stellen. Zusätzlich hat er vor jedem Gang die Klinge des Paukanten zu desinfizieren und sie auf den regelgerechten Zustand zu überprüfen. Bei jeder Mensur gibt es zwei Testanten.
Protokollführer
Die beiden Protokollführer werden durch die beiden beteiligten Studentenverbindungen gestellt. Sie stehen unmittelbar neben dem Unparteiischen und halten auf der Mensurkarte die Namen aller Beteiligten, die geschlagenen Gänge, die Pausen und die Kreiden (siehe unten) fest.
Paukarzt
Bei jeder Mensur muss ein approbierter Arzt anwesend sein, der Paukarzt oder Mensurarzt. Er ist oft selbst Mitglied einer schlagenden Verbindung. Ab höheren Partien sind in der Regel zwei Paukärzte – für jeden Paukanten einer – anwesend. Der Paukarzt entscheidet, ob eine Verletzung derartig ist, dass bei Fortsetzung der Mensur ernsthafte Folgen eintreten können. Dann wird der Paukant durch den eigenen Sekundanten abgeführt und der Paukarzt näht die Wunde.
Ablauf
Bei einer Mensur sind beteiligt:
- 1 Unparteiischer
- 2 Paukanten
- 2 Sekundanten
- 2 Testanten
- 2 Protokollführer
- 1 Paukarzt (oder zwei)
Eröffnet und/oder beendet wird die Mensur heutzutage mit einem Scheingang, dem Ehrengang. Dabei behalten die Paukanten ihre normalen Mützen auf und kreuzen nur die Klingen. Vor dem ersten scharfen Gang werden die Mützen dann abgenommen. Eine Partie geht je nach Comment meist über 30 bis 40 Gänge zu jeweils vier bis sechs Hieben. Ein Unparteiischer leitet den Ablauf der Partie wie ein Schiedsrichter.
Fehler von Paukanten sowie vom Sekundanten bzw. des Testanten können Kreiden zur Folge haben. Kreiden sind eine gewisse Anzahl von Strichen, die für ein Monitum notwendig sind. Es wird zwischen Paukantenkreiden und Sekundantenkreiden unterschieden. Die beiden Arten dürfen nicht summiert werden. Üblichweise ergeben die ersten drei Kreiden das erste Monitum, zwei weitere Kreiden das zweite und eine weitere Kreide das dritte. Bei Erreichen des dritten Monitums durch den Paukanten, so muss dieser abtreten und die Mensur zieht nicht (ist nicht gültig). Bei Erreichen des dritten Monitums durch den Sekundanten oder Testanten, sind diese auszuwechseln. Eine Kreide für einen Paukant, wird durch Aufforderung eines Sekundanten oder Testanten (das Monieren) für einen nichtcommentgemäßen Hieb erteilt, wegen Haltungsfehlern oder wenn er muckt, d.h. den Kopf oder den Körper bewegt oder zurückgeht oder aufrückt. Kreiden für Sekundanten oder Testanten gibt es, wenn der Grund des Monieren nicht vorlag und der Gegensekundant dies verlangt, also die Mensur unnötig unterbrochen wurde. Das Abtreten eines Sekundanten kann je nach Comment zu einer sofortigen Sekundantencontrahage zur Folge haben.
Technik
Stoßfechten
Zunächst entsprach das studentische Fechten der allgemein üblichen Fechtpraxis (Stoßfechten). Hierbei kam es nicht selten zu tödlichen Verletzungen oder schwerwiegenden Spätfolgen durch direkte Stöße beziehungsweise Stiche in den Oberkörper (zum Beispiel den so genannten Lungenfuchser). Das studentische Stoßfechten wurde ab 1767 vom Hiebfechten verdrängt, hielt sich aber vereinzelt noch bis 1860.
Hiebfechten
Mit der Zeit wurde die Technik zunehmend ritualisiert. Die Distanz der Kontrahenten verkürzte sich bis auf eine Schlägerlänge. Damit wurden Stöße unmöglich. Es entwickelte sich die heute noch praktizierte Hiebtechnik. Die heute verwendeten Waffen haben daher auch eine stumpfe Spitze. Das Klingenende ist nun, je nach örtlichem Fechtregelwerk (Comment), rund oder flach. Ebenso ist örtlich unterschiedlich, ob das Klingenende scharf geschliffen wird.
Das Verletzungsrisiko
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts kämpfte man Mensuren als Form des Duells auf Tod oder Sieg, also mit oft tödlichem Ausgang. Unter anderem deswegen wurde das Duell gesetzlich verboten; allerdings blieb das Waffenprivileg von Studenten und Adels erhalten.
Auch später konnte das nun abgemilderte Mensurfechten blutige Folgen haben. Da das Tragen von Schmissen als Ausweis besonderer Männlichkeit galt, wurden diese oft bewusst herbeigeführt (z.B. durch das Einnähen eines Haares in die Wunde) und mit Stolz getragen. Sie waren im 19. und 20. Jahrhundert bis 1945 ein häufiges Kennzeichen einer universitären Ausbildung und Laufbahn.
Durch Wundinfektionen konnten Mensuren bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts auch bei nur leichten Verletzungen einen tödlichen Ausgang nehmen. Diese Verletzungen waren aber keine Folge der eigentlichen Mensur, sondern von unsachgemäßer Versorgung der Wunde. Erst seit der Entdeckung des Penicillin ist diese Gefahr vermindert.
Die Verletzungsgefahr wird auch heute bewusst in Kauf genommen, da sie im Selbstverständnis schlagender Verbindungen Bedingung für die erzieherische Wirkung der Mensur ist. Schwere oder gar tödliche Verletzungen gibt es jedoch heute nur noch äußerst selten. Werden alle Sicherheitsbestimmungen bei einer Mensur eingehalten, dann sind sie praktisch ausgeschlossen. Dafür sorgen mehrere Faktoren:
- die ritualisierte Technik, die mit Hilfe eines Fechtlehrers ausgiebig gelernt und geübt wird;
- die ärztliche Mensuruntersuchung, zum Beispiel auf nicht richtig zusammengewachsene Fontanellen, der Paukanten vor einer Mensur unterzogen werden;
- die umfangreiche Schutzbekleidung. Dazu gehört ein stichfestes Hemd, darüber ein Kettenhemd oder ein Plastron, eine Halskrause, Stulpen und eine Paukbrille zum Schutz der Augenpartie. Je nach Comment können auch Ohrenleder und Wangenleder hinzukommen.
Für die dennoch möglichen kleinen Schnittverletzungen im Kopfbereich (deren Vernarbung zu Schmissen führt), steht der Paukarzt zur Verfügung. Er kann eine Partie jederzeit aus medizinischen Gründen abbrechen, zum Beispiel wegen Verletzung oder Kreislaufkollaps.
Rechtslage
Deutschland und Österreich
Im Göttinger Mensurenprozess (1951–1953) bestätigte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe, dass durch die Mensur gefährliche Körperverletzungen im Sinne des Strafgesetzbuches entstehen können. Diese seien jedoch keine Straftaten, da sie mit Einwilligung des Verletzten zustande kämen. Sie müssten daher straflos bleiben, solange sie nicht im Rahmen von Ehrenhändeln vor sich gehen und bei ihrer Durchführung alle erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen für die Beteiligten getroffen würden. Insbesondere setzt die Straffreiheit den Verzicht auf tödliche Waffen voraus.
Dieses Urteil hat zu den oben geschilderten generellen und amtlich überwachten Sicherheitsvorkehrungen geführt.
Die Rechtslage in Österreich ist vergleichbar: § 90 öStGB entspricht der deutschen Einwilligungsregelung nach § 228 dStGB.
Schweiz
Dort stellte das Strafgesetzbuch von 1937 das Duell zwar als Delikt gegen Leib und Leben unter Strafe. Da die dort verwendete Definition des Duells aber Mensuren nicht einschließt, blieben Mensuren meist straflos.
Katholische Kirche
Nach früherem kanonischem Recht des Vatikan waren Mensuren, selbst wenn sie nicht auf Tötung abzielten, unsittlich und wurden mit Kirchenstrafen bis zur Exkommunikation belegt, da sie körperlich und mental auf echte Duelle vorbereiteten.
Nachdem das Duell aufgegeben wurde, entfiel dieses Argument. Nach der neuesten Fassung des codex juris canonici von 1983 steht die Bestimmungsmensur nicht mehr unter expliziter kirchlicher Strafandrohung, sofern sie nicht mehr als Vorbereitung zum Duell anzusehen ist und keine Gefahr schwerer Verletzungen beinhaltet. Sie wird aber weiterhin als sittlich verwerflich angesehen. Auch ein möglicher Verstoß gegen das allgemeine Verbot der Körperverletzung in Canon 1397 sieht nur Sühnestrafen, hingegen keine Exkommunikation vor.
Darum gibt es auch katholische schlagende Verbindungen bzw. katholisch getaufte Mitglieder in anderen schlagenden Verbindungen. Der Großteil christlicher Verbindungen lehnt die Pflichtmensur jedoch strikt ab.
Kritik
Viele Menschen haben eine reservierte oder ablehnende Haltung gegen das Mensurfechten. Die Gründe für die Ablehnung stammen meist aus drei Bereichen:
- Mensuren stammen vom Duell ab und haben immer noch eine äußere Ähnlichkeit zu ihm: Geschichtlich haben sich Mensuren aus Duellen entwickelt und lange Zeit – bis 1945 – teilweise auch dessen Funktion erfüllt, vermeintliche Beleidigungen zu sühnen. Dass Duelle das Gewaltmonopol des Staates verletzen, wurde offenbar in Verbindungen lange Zeit ignoriert. Insofern wirkt die Mensur auf viele Kritiker heute wie ein zivilisatorischer Rückfall in längst überholte Geschichtsepochen (Atavismus). Sie empfinden sie wegen dieser Nähe zum Duell trotz der veränderten Rahmenbedingungen und des anderen rechtlichen Status als eine überholte Art, mit Konflikten umzugehen.
- Auch bei den heute angewandten Sicherheitsvorkehrungen kann es – zum Beispiel durch Überwachungsfehler oder unsachgemäßes Verhalten – zu schweren Verletzungen kommen, wenn diese auch selten sind. Dauerhafte körperliche Verletzungen werden bewusst in Kauf genommen. Kritiker halten es für unvernünftig und sittenwidrig, eine Situation bewusst herbeizuführen, in der diese Gefahren bestehen.
- Die ethische, soziale oder pädagogische Funkion wird abgelehnt: Mensuren werden von vielen Kritikern, teilweise auch innerhalb von Verbindungen, als Einübung fragwürdiger gewaltorientierter Verhaltensmuster gesehen. Aus diesem Grund lehnen zum Beispiel die meisten christlichen Verbindungen die Mensur grundsätzlich ab. Auch die katholische Kirche vertritt diese Haltung. Sie betont bei ihrer Kritik an der Mensur heute den ethischen gegenüber dem juristischen Aspekt und stuft sie als unsittliches Verhalten ein.
Mit dieser Begründung wird von vielen Kritikern auch die Mensur als ungeeignete Form der Angstüberwindung bezeichnet. Sie vertreten die Ansicht, der Kampf zweier Personen entstamme einem patriarchalischen, reaktionären, militaristischen und gewalttätigen Gesellschaftsmodell und sei daher heute abzulehnen.
Obwohl auch Kritiker kaum bestreiten, dass sich u.a. die medizinischen Bedingungen, unter denen Mensuren stattfinden, weiterentwickelt haben, sehen sie diese dennoch als abzulehnendes Beispiel einer rückwärtsgewandten Konfliktlösungsstrategie.
Siehe auch
Waffenring, Fecht-Comment, pennales Fechten, Mensurprotokoll, Liste verbindungsstudentischer Begriffe
Weblinks
- "Warum wir fechten": Gedanken und stehend-freihändige Assoziationen zur Notwendigkeit der Mensur im 21. Jahrhundert
- Umfangreiche Erklärungen und Geschichte der Mensur
- "Hoch bitte - Los!" Erlebnisbericht von der ersten Mensur
- Die kleine Studentische Fechtfibel - sehr ausführliche Beschreibung der Geschichte, des Ablaufs, der Fechttechnik sowie des Paukcomments