SS-Hauptämter
Die nationalsozialistische Parteiorganisation „SS“ entwickelte im Laufe der Diktatur einen aus verschiedenen „Hauptämtern“ und deren Unterabteilungen bestehenden Dachverband und bildete mit ihnen seit spätestens 1942 einen regelrechten Staat im Staate.
Die 12 Hauptämter, die aus der weitverzweigten Organisationsstruktur der SS entstanden sind:
SS-Hauptamt
Das SS-Hauptamt (SS-HA) unter SS-Obergruppenführer Gottlob Berger war ursprünglich das Leitorgan und Hauptverwaltungsstelle der Gesamt-SS. Als die Partei-Organisation immer größer wurde, konnte das SS-HA die nun aufkommenden Aufgaben nicht mehr bewältigen. So wurden neue Hauptämter geschaffen, die nach und nach die Aufgaben des SS-HA übernahmen. Schließlich waren rund 70 % der Aufgaben an die anderen Ämter abgegeben, weshalb der Einfluss des SS-HA auf die SS schließlich minimal war. Dem SS-Hauptamt unterstand aber weiterhin das "SS-Ergänzungsamt", das unter Berger weiter ausgebaut wurde. So war dieses Amt für die Betreuung und Verwaltung der Personalakten der SS-Mannschaften und der Unteroffiziere zuständig. Dem SS-Hauptamt unterstanden die bis 1939/40 Kommandoämter der Allgemeinen SS, SS-Verfügungstruppe und der SS-Wachverbände.
1939 riet Berger Adolf Hitler unter anderem, Theodor Eicke die Aufstellung eines eigenen Frontverbandes zu erlauben. Dieser sollte ausschließlich aus Freiwilligen der Totenkopf-Standarten gebildet werden. Ferner schlug Berger vor, die Kommandoämter der Verfügungstruppe und der Wachverbände in einem neuen Kommandoamt, dem "Kommandoamt der Waffen-SS" zu vereinigen. Dem Ergänzungsamt unterstanden auch die Rekrutierungsbüros der Waffen-SS in den unterworfenen Ländern.
SS-Führungshauptamt
Das SS-Führungshauptamt (SS-FHA) war die eigentliche betriebliche Stabsstelle (Hauptquartier) der Schutzstaffel. Es stand seit 1942 unter der Führung des SS-Obergruppenführer Hans Jüttner und leitete bzw. verwaltete die Transportvorgänge, Lohnzahlungen und Ausrüstungen. Ihm unterstand ferner das Kommandoamt der Allgemeinen SS (Heimat- oder Schwarze-SS), das Kommandoamt der SS-Verfügungstruppe und das Kommandoamt der SS-Wachverbände. Die Kommandoämter waren 1935 geschaffen worden und galten als Schaltzentralen der bewaffneten SS-Verbände. Ferner unterstanden dem SS-FHA auch die SS-Junkerschulen (Militärakademie der Waffen-SS), die für die Offiziersausbildung zuständig waren. 1942 wurden die einst eigenständigen Kommandoämter der SS-VT und der SS-TV zum neuen Kommandoamt der Waffen-SS zusammengelegt und es wurde für die germanischstämmigen Freiwilligen-Verbände innerhalb der Waffen-SS ein eigenständiges "Kommandoamt der Allgemeinen/Germanischen-SS" eingeführt. 1944 hatte das SS-Führungshauptamt 45.000 Mitarbeiter.
Persönlicher Stab Reichsführer SS
Der Persönliche Stab RFSS unterstand dem SS-Obergruppenführer Karl Wolff. Der „Persönliche Stab Reichsführer-SS“ war eines der Berliner Hauptämter und für alle Himmlerschen Belange bestimmt, die nicht in den Bereich eines SS-Hauptamtes fielen. Ihm unterstanden vor allem die privaten Organisationen "Lebensborn", "Freundeskreis Reichsführer-SS" und "Fördernde Mitglieder der SS".
Rasse- und Siedlungshauptamt
Das Rasse- und Siedlungshauptamt (RuSHA) unterstand dem SS-Obergruppenführer Richard Hildebrandt. Das Rasse- und Siedlungshauptamt RuSHA war eines der drei ältesten SS-Hauptämter. Das RuSHA wurde bereits Ende Dezember 1931 gegründet. Es war zuständig für Rassenuntersuchungen und Ehegenehmigungen der SS sowie für die Rassenselektion von sogenannten "eindeutschungsfähigen Volksdeutschen" und anderen Völkern angehörenden Menschen.
Siehe auch: Prozess Rasse- und Siedlungshauptamt der SS
Aufgabe
Der Name beinhaltete auch gleichzeitig die Aufgabe:
- Rasse: "Reinhaltung der arischen Rasse" und "Aufnordung" des deutschen Volkes
- Siedlung: Gewinnung von Lebensraum und Germanisierung der eroberten Gebiete
Dies bezog sich vor allem auf Angehörige der SS. Die Rassenreinheit der SS-Männer (und auch ihrer Frauen) sollte gewährleistet und die Ansiedelung von entlassenen SS-Männern im Osten überwacht und geleitet werden.
Amtsleiter
- SS-Gruppenführer Richard Walther Darré ( 1931 - 1938)
- SS-Brigadeführer Günther Pancke (1. September 1939 - 9. Juli 1940)
- SS-Gruppenführer Otto Hofmann (9. Juli 1940 - 20. April 1943)
- SS-Obergruppenführer Richard Hildebrandt (20. April 1943 - 25. Dezember 1943)
- SS-Gruppenführer Dr. Harald Turner (25. Dezember 1943 - ? 1944)
- SS-Obergruppenführer Richard Hildebrandt (? 1944 - 31. Juli 1944)
- SS-Standartenführer Albert Uhlih (31. Juli 1944 - ? 1944)
- SS-Obergruppenführer Richard Hildebrandt (? 1944 - ? 1945)
Hauptamt Dienststelle SS-Obergruppenführer Heißmeyer
Dem Hauptamt Dienststelle SS-Obergruppenführer Heißmeyer unterstanden die Nationalpolitischen Erziehungsanstalten (NPEA). Damit hatte diese Dienststelle einen großen Einfluss auf die Ausbildung der deutschen Kinder und Jugendlichen. Heißmeyer hatte bis 1940 die Kontrolle über die staatlichen Schulen erlangt und gedachte, die begabtesten Schüler auf die NPEA zu überführen. Dort sollten sie bewusst zum Führernachwuchs für die SA und SS herangezogen werden.
Reichssicherheitshauptamt
Das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) wurde nacheinander von SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich, Reichsführer-SS Heinrich Himmler und ab Februar 1943 von SS-Obergruppenführer Ernst Kaltenbrunner geführt.
Das Reichssicherheits-Hauptamt war die zentrale Stelle zur Ausübung der polizeilichen Funktionen der Schutzstaffel (SS). Ihm war aber auch die Sicherheitspolizei unterstellt, die die Aufsicht über die Kriminal-, Grenz- und Geheime Staatspolizei (abgekürzt Gestapo) ausübte. Der Sicherheitspolizei unterstanden auch die berüchtigten Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD (abgekürzt Einsatzgruppen), die die Massenmorde in den östlichen Gebieten verübten. Ferner war dem RSHA auch der Sicherheitsdienst des Reichsführers-SS (abgekürzt SD) angegliedert, der als Geheimdienst zur Bekämpfung äußerer wie innerer Gegner sowie zur Bespitzelung der Bevölkerung tätig war. Viele Schreibtischtäter aus Adolf Eichmanns Referat IV B 4 im RSHA, die die Endlösung organisatorisch ermöglichten, stammten aus dem SD.
Im Urteil des Internationalen Militärgerichtshofes gegen die Hauptkriegsverbrecher (Nürnberger Prozess) wurden SD, SS und Gestapo zu kriminellen Vereinigungen erklärt.
Hauptamt SS-Gericht
Das Hauptamt SS-Gericht ging hervor aus dem SS-Disziplinaramt und dem SS-Rechtsamt, die schon länger zuvor bestanden hatten und am 1. Juni 1939 im neuen Hauptamt aufgingen. Sein Aufgabenbereich war zunächst die Bearbeitung von "Disziplinar- und Beschwerdesachen für den Reichsführer-SS". Es unterstand nacheinander den SS-Obergruppenführern Paul Scharfe und Franz Breithaupt. Es war die Zentral- und Ministerialinstanz des gesamten SS- und Polizeigerichtswesens mit Sitz in München. Das Hauptamt war - gleichberechtigt neben der Kriegsgerichtsbarkeit der Wehrmacht - als Sondergerichtsbarkeit in Strafsachen für den gesamten Bereich der SS und der Polizei zuständig. Später wurde die Zuständigkeit ausgedehnt auf deutsche und ausländische Zivilpersonen wegen aller im Operationsgebiet begangenen Straftaten, ab Januar 1945 sogar auf alle Kriegsgefangenen.
Juristische Grundlagen
Grundlage der Arbeit der Sondergerichtsbarkeit der SS und Polizei waren das Militärstrafgesetzbuch und die Militärstrafgerichtsordnung, von denen jedoch in einer Reihe von Fällen abgewichen wurde.
Amtsleiter
Erster Hauptamtschef war vom 1. Juni 1939 bis zu seinem Tode am 29. Juli 1942 SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Paul Scharfe. Nachfolger und letzter Hauptamtschef wurde am 15. August 1942 SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS Franz Breithaupt. Zum Dienstantritt Breithaupts verfügte Himmler, dass niemals ein Jurist an die Spitze des Hauptamts SS-Gericht treten dürfe.
SS- und Polizeigerichte
Im Hauptamt in München wurde ein Oberstes SS- und Polizeigericht eingerichtet für alle Fälle von Hoch- und Landesverrat, Spionage, für alle Straftaten von SS- und Polizeioffizieren im Generalsrang sowie für Straftaten von besonderer Bedeutung. Das Oberste SS- und Polizeigericht war kein übergeordnetes Gericht im Sinne einer Rechtsmittelinstanz. In allen Strafverfahren der SS und Polizei entschied jedes Gericht, entsprechend den Kriegsgerichten der Wehrmacht, ohne Berufungsmöglichkeit in erster und letzter Instanz. Es kam jedoch häufig vor, dass Himmler, dem eine enorme Anzahl von Urteilen persönlich vorgetragen oder vorgelegt wurden, Urteile eigenhändig korrigierte, sei es strafverschärfend oder auf dem Gnadenwege Todesurteile abschwächend durch Versetzung von Verurteilten zu so genannten "Bewährungseinheiten" (siehe unten).
Dem Hauptamt SS-Gericht unterstanden bis zu 38 regionale SS- und Polizeigerichte. Sie waren eingerichtet jeweils am Dienstsitz eines Höheren SS- und Polizeiführer, der in den Verfahren auch als Gerichtsherr fungierte. An den SS- und Polizeigerichten waren SS-Führer mit der Befähigung zum Richteramt als so genannte SS-Richter tätig, die der Waffen-SS angehören mussten. Bei einem chronischen Mangel an qualifizierten Juristen gab es im Sommer 1944 immerhin 605 dem Hauptamt SS-Gericht unterstellte SS-Richter: ein deutlicher Hinweis auf die hohe Zahl von Strafsachen in den Reihen der SS und Polizei.
Durch Erlass Himmlers vom 16. Mai 1944 wurde beim Hauptamt SS-Gericht ein SS- und Polizeigericht z. B.V. (zur besonderen Verwendung) eingerichtet, das ausschließlich mit der Aufklärung und Verfolgung einiger in Konzentrationslagern begangener Delikte, insbesondere von Unterschlagungen und Korruption, betraut war. Zum Tode verurteilt wurden die beiden KZ-Kommandanten Karl Otto Koch (KZ Buchenwald) und Hermann Florstedt (KZ Buchenwald und KZ Majdanek). Koch wurde in Buchenwald erschossen, Florstedts Schicksal ist nicht völlig geklärt. Verhaftet und verurteilt wurden mindestens drei weitere abgesetzte KZ-Kommandanten. Ermittlungsverfahren gab es unter anderem gegen SS-Oberführer Johannes Loritz (KZ Dachau und KZ Sachsenhausen), Rudolf Höß (KZ Auschwitz), sogar gegen den Chef des SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamtes Oswald Pohl und seinen Vertreter August Frank. Diese Ermittlungen wurden erwartungsgemäß auf direkte Weisung Himmlers eingestellt.
Strafvollzug
Zu Zeitstrafen Verurteilte wurden in das Strafvollzugslager Danzig-Matzkau der SS und Polizei in Danzig-Matzkau eingewiesen, das der Waffen-SS unterstand. Die Lagerbedingungen entsprachen der Ideologie und Menschenverachtung der SS und Polizei und wurden übereinstimmend als extrem geschildert. Ein wegen einer Falschaussage zu einem halben Jahr in Matzkau verurteilter Angehöriger des SS-Sonderkommandos Sobibor wurde bei seiner Rückkehr auf Grund seines körperlichen Zustandes von seinen Kameraden kaum mehr wiedererkannt.
Eine Strafverbüßung war auch als so genannte Frontbewährung möglich in der berüchtigten Strafeinheit "Dirlewanger", die von verurteilten SS- und Polizeioffizieren kommandiert wurde und als "Himmelfahrtskommando" galt, das viele nicht überlebten.
Dokumentation
Zur Illustrierung der Denk- und Vorgehensweise des Obersten SS- und Polizeigerichts werden hier Auszüge aus dem Feldurteil im Namen des deutschen Volkes vom 24. Mai 1943 gegen den Waffen-SS-Angehörigen SS-Untersturmführer Max T. wegen der Erschießung von 510 ukrainischen Juden (Männern, Frauen und Kindern) und anderer Delikte wiedergegeben:
- 1.) Wegen der Judenaktionen als solcher soll der Angeklagte nicht bestraft werden. Die Juden müssen vernichtet werden, es ist um keinen der getöteten Juden schade. Wenn sich auch der Angeklagte hätte sagen müssen, dass die Vernichtung der Juden Aufgabe besonders hierfür eingerichteter Kommandos ist, soll ihm zugute gehalten werden, dass er sich dabei allerdings befugt gehalten mag, auch seinerseits an der Vernichtung des Judentums teilzunehmen. Wirklicher Judenhass ist der treibende Beweggrund für den Angeklagten gewesen. Er hat sich dabei allerdings in Alexandria zu Grausamkeiten hinreissen lassen, die eines deutschen Mannes und SS-Führers unwürdig sind. Diese Übergriffe lassen sich auch nicht, wie der Angeklagte will, damit rechtfertigen, dass sie nur gerechte Vergeltungen für das Leid seien, das die Juden dem deutschen Volke angetan haben. Es ist nicht deutsche Art, bei einer notwendigen Vernichtung des schlimmsten Feindes unseres Volkes bolschewistische Methoden anzuwenden. An solche grenzt die Handlungsweise des Angeklagten bedenklich. Der Angeklagte hat es zu einer so üblen Verrohung seiner Männer kommen lassen, dass sie sich unter seinem Vorantritt wie eine wüste Horde aufführten. Die Manneszucht ist vom Angeklagten in einer Weise aufs Spiel gesetzt worden, wie es schlimmer kaum denkbar ist. Mag der Angeklagte auch sonst für seine Männer gesorgt haben, so hat er doch durch sein Verhalten seine Dienstaufsichtspflicht gröblichst verabsäumt, wozu nach SS-mäßiger Auffassung auch gehört, dass er seine Männer nicht seelisch verkommen lässt. Der Angeklagte hat sich deshalb insoweit nach § 147 MStGB strafbar gemacht. Da diese Strafvorschrift jedoch nur Gefängnis oder Festung bis zu 15 Jahren als Strafrahmen vorsieht, ist die Anwendung des § 5a der Kriegssonderstrafrechtsverordnung geboten, da eine derartige Auflösung der Manneszucht eine schwerere Strafe erheischt.
- 2.) Soweit der Angeklagte von den Vorgängen Aufnahmen gemacht hat oder machen ließ, in Fotogeschäften entwickeln ließ und seiner Frau und Bekannten zeigte, hat sich der Angeklagte eines Ungehorsams schuldig gemacht. Solche Bilder können die größten Gefahren für die Sicherheit des Reiches heraufbeschwören, wenn sie in falsche Hände geraten. (...) Der Ungehorsam ist deshalb als besonders schwerer Fall anzusehen. (...) Der Angeklagte ist nach alledem wegen dieser Tat nach § 92 MStGB zu bestrafen. (...)
- 3.) Die Erschiessung des ukrainischen Milizkommandanten ist nach § 115 MStGB zu ahnden. Der Angeklagte hat Untergebene veranlasst, Chamrai zu erschiessen und ist deshalb als Täter zu bestrafen. Das Oberste SS- und Polizeigericht kann den Angeklagten aber auch in diesem Fall nicht als Mörder bezeichnen. Der Angeklagte hat sich bei dieser Tat von dem Gedanken leiten lassen, dass Chamrai mit kommunistischen Banden in Verbindung stände. Er wusste aber ganz genau, dass er Chamrai nicht erschiessen durfte (...). Es handelt sich bei dieser Tat deshalb um einen Totschlag im Sinne des § 212 RStGB. (...)
- 4.) Der Angeklagte hat sich schließlich der Anstiftung zu einer versuchten Abtreibung schuldig gemacht. (...) Der Angeklagte ist insoweit nach § 218, 48 RStGB zu bestrafen. (...)
- 6.) (...) Das Oberste SS- und Polizeigericht hat den Angeklagten zu insgesamt 10 Jahren Zuchthaus verurteilt. Damit war der Angeklagte zwangsläufig aus der SS auszustossen und für wehrunwürdig zu erklären. Das Verhalten des Angeklageten ist im höchsten Grade eines ehrliebenden und anständigen deutschen Mannes unwürdig. Es wurde deshalb nach § 32 RStGB außerdem auf zehn Jahre Ehrverlust erkannt. (...)
(Anmerkung: Dieses Dokument lag 1981 einem Prozess in Heilbronn gegen Untergebene Max T.s zugrunde. T., der bereits 1943 von dem Obersten SS- und Polizeigericht rechtskräftig verurteilt worden war, trat neben seinen noch lebenden damaligen Richtern selbst nur als Zeuge vor Gericht auf.)
SS-Personalhauptamt
Das SS-Personalhauptamt unterstand nacheinander den SS-Obergruppenführern Walter Schmitt und Maximilian von Herff. Das Hauptamt galt quasi als "Personalabteilung" der SS und war mit der Betreuung der SS-Führer beschäftigt. Das SS-Personalhauptamt gab seit 1934 die Dienstalterslisten der Schutzstaffel der NSDAP heraus, deren letzte Ausgabe 1944 erschien und in denen anfänglich unteres, mittleres und oberstes SS-Führerkorps aufgelistet waren. Gegen Kriegsende war nur noch das mittlere und obere SS-Führerkorps aufgeführt.
Mitte 1944 gab das Personalhauptamt die Dienstaltersliste der Waffen-SS (Sachstand; 1. Juli 1944) heraus, die allerdings nicht - wie damals üblich - allen SS- und Polizeidienststellen zur Verfügung gestellt wurde. Diese Dienstaltersliste blieb ein Einzelexemplar für den rein internen Gebrauch des Personalhauptamtes und stellt zu den anderen "SS-Dienstalterslisten" ein Paranoptikum dar.
Hauptamt Ordnungspolizei
Das Hauptamt Ordnungspolizei bündelte die Führung der uniformierten Polizei in Deutschland. Auf diese Weise war die staatliche Polizeiorganisation an die SS angebunden und wurde von der Partei kontrolliert. Die Polizeiführung unterstand zunächst SS-Obergruppenführer Kurt Daluege (der schließlich zum SS-Oberstgruppenführer befördert wurde) und später SS-Obergruppenführer Alfred Wünnenberg.
SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt
Das SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt (SS-WVHA) entstand aus dem „SS-Verwaltungshauptamt“ und wurde im März 1942 durch SS-Obergruppenführer Oswald Pohl gegründet. Es verwaltete die SS-eigenen Industrien, Gewerbe und Betriebe in den Konzentrationslagern und führte diese zu eigenen Konzernen zusammen. Damit arbeitete das WVHA eng mit dem SS-Hauptamt zusammen und ab 1942/43 war ihm das gesamte Konzentrationslagerwesen allein unterstellt. Der Standort des ehemaligen SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamts ist Unter den Eichen 126-135, 12205 Berlin-Steglitz Ortsteil Lichterfelde. Das Amt hatte unter dem ca. 500m entfernten Fichtenberg einen Bunker für die Unterbringung des Aktenbestands und des Personals während der Luftalarme errichtet. Nach 1945 war das Gebäude eine ausgebrannte Ruine.
Es bestand aus folgenden fünf Amtsgruppen:
- 1. Amt A: Truppenverwaltung unter SS-Brigadeführer Fanslau
- 2. Amt B: Truppenwirtschaft unter SS-Gruppenführer Lörner
- 3. Amt C: Bauwesen unter SS-Gruppenführer Kammler
- 4. Amt D: Konzentrationslagerwesen unter SS-Gruppenführer Glücks
- 5. Amt W: Wirtschaftsunternehmungen unter der direkten Leitung Pohls.
Das einstige Verwaltungsamt des SS-Führungshauptamtes war schließlich für die Kontrolle der Allgemeinen SS hinsichtlich der fünf Bereiche zuständig. In Wirklichkeit war aber mit Kriegsausbruch 1939 die Bedeutung der Allgemeinen SS infolge Einzuges ihrer Mitglieder in die Feldtruppen (hauptsächlich Wehrmacht) enorm gesunken. Vielmehr begann das Wirtschaftsamt, anfangs die SS-Verfügungstruppe und schließlich die Waffen-SS wirtschaftlich zu unterstützen; allein die Verwaltung von 38 SS-Front-Divisionen (1945) stellte schon ein beachtliches Unterfangen dar. Ferner waren ab 1942 dem WVHA sämtliche Totenkopf-Verbände einschließlich ihrer KZ-Wachsturmbanne unterstellt. Diese wurden nun in der Inspektion Konzentrationslager und verstärkte SS-Totenkopf-Standarten in der Amtsgruppe D zusammengefasst.
Im Januar 1944 kam noch formal die Verwaltungszentrale des "Hauptamtes Ordnungspolizei" hinzu und nach dessen Vernichtung durch alliierte Bombenangriffe wurden dessen Aufgaben nun auch de facto vom Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt übernommen.
Nach dem die Waffen-SS als ganzes als staatliche Einrichtung angesehen wurde, war ihre Finanzierung mehr als kompliziert. Die Gelder der Waffen-SS wurden vom Reichsfinanzministium überwacht, während aber die Allgemeine SS als Teil der NSDAP galt. Die Allgemeine SS erhielt ihre Gelder durch den Reichsschatzmeister der Partei, Franz Xaver Schwarz, der mit seinen Mitteln viel großzügiger war. So kam es zu folgendem Kuriosum, dass die Gelder für die Waffen-SS strikt kontrolliert wurden, während die nun unbedeutende Allgemeine SS als solche und auch deren SS-SD, eines der absoluten Machtinstrumente der Nationalsozialisten, keinerlei finanziellen Beschränkungen unterworfen waren.
Das WVHA verfügte über eine eigene Verwaltungsschule ("SS-Verwaltungsschule Dachau"), in der der eigene Verwaltungsnachwuchs ausgebildet wurde.
Gemeinsam mit dem SS-Führungshauptamt war das Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt für das SS-eigene Versorgungssystem verantwortlich: Während das SS-FHA für Waffen und Munition zuständig war, musste das WVHA für die Uniformen und persönliche Ausrüstung der Truppen sorgen.
Schon vor Beginn des Krieges hatte die SS begonnen, kleinere Wirtschaftsunternehmen zumeist jüdischer Geschäftsleute aufzukaufen (Arisierung) und selbst zu gründen. Diese unterstanden dann dem nachmaligen Obergruppenführer Pohl, der als Leiter des SS-Verwaltungshauptamtes eingesetzt war. Mit dem Krieg im Osten gelangten fast alle intakten Firmen in den besetzten Gebieten in die Hand Pohls und mit dem Ausbau der KZ zu riesigen Industrieunternehmen war sein Einfluss geradezu unermesslich. Allein im Deutschen Reich gehörten 500 Betriebe zum Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt. Dabei erstreckte sich sein Einfluss von der Land- und Bauwirtschaft über den Fahrzeugbau bis zum Getränkebereich. Mit der Übernahme von "Coca Cola Deutschland" kam noch einer der größten Limonadenhersteller zum Wirtschaftsunternehmen Pohls; der Markenname "Fanta" stammt von Pohl selbst.
1945 verfügte z. B. das Amt "W" des Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt allein über folgende Ämter:
- 1. Amt I - Ausgrabungen und Steinbrüche unterstand als "Deutsche Erd- und Steinwerke GmbH" dem SS-Obersturmbannführer Mummenthey. Dieses Amt wies noch zahlreiche Unterämter in den KZs Buchenwald, Neuengamme, Sachsenhausen, Stuthof, Großrosen, Mauthausen und Natzweiler auf.
- 2. Amt II - Baumaterialien unterstand als "Baustoffwerk und Zementfabriken" dem SS-Obersturmbannführer Bobermin. Auch dieses Amt zerfiel in zahlreiche Unterämter, die auf Posen, Bielitz, Zichenau und vor allem Auschwitz verteilt waren.
- 3. Amt III - Nahrungsmittel war als Zusammenschluss der Lebensmittelindustrie anzusehen. Firmen wie "Sudetenquell", "Apollinaris" und "Coca Cola Deutschland" waren hier angeschlossen. Die Schlachtereien der KZs Auschwitz, Dachau und Sachsenhausen waren ebenfalls diesem Amt unterstellt. Aber auch die Bäckereien der Lager Auschwitz, Dachau, Herzogenbusch, Lubin, Plasnow und Sachsenhausen waren hier vertreten.
- 4. Amt IV - Deutsche Ausrüstung war für die Bekleidung und Ausrüstung der Frontdivisionen der Waffen-SS zuständig.
- 5. Amt V - Land- und Forstwirtschaft, Fischerei war für die Züchtung und Arterhaltung von Pflanzen und Tierrassen zuständig. Dieses Amt hatte großes Ansehen bei Heinrich Himmler, der selbst Hobby-Landwirt war und in diesem Amt seine verquasten Rassentheorien verwirklicht haben wollte.
- 6. Amt VI - Textil- und Lederverwertung war für die Umarbeitung von Lederwaren und Uniformen zuständig; auch stammte die lederne SS-Sonderbekleidung aus diesem Amt.
- 7.Amt VII - Bücher und Bilder waren der Verlag "Nordland" (SS-eigener Buchverlag) und die Kunstrestautationsbetriebe unterstellt. Dieses Amt war für die Kunstwerke zuständig, mit denen Himmler seine "Ordensburg" Wewelsburg ausstattete.
- 8. Amt VIII - Kulturbauten war für die Erhaltung und Erneuerung alter und zerstörter Denkmäler zuständig.
Siehe auch:
- Nordland Verlag
- Porzellanmanufaktur Allach
- Prozess Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt der SS
- Deutsche Erd- und Steinwerke
- Heinkel
Hauptamt Volksdeutsche Mittelstelle
Das Hauptamt Volksdeutsche Mittelstelle (VoMi) war zuständig für außerhalb des Deutschen Reiches lebende "Volksdeutsche" und unterstand seit Febr. 1937 dem SS-Obergruppenführer Werner Lorenz. Vorläufer war ein "Volksdeutscher Rat" unter Kursell. Hauptaufgabe dieses Hauptamtes war die Umsiedlung deutscher Volksgruppen, die zwischen 1939 und 1940 mit der Losung Heim ins Reich stattfanden. Die VoMi siedelte bis 1940 rund 1 Million Volksdeutscher ins Reich um und dort vor allem in den Reichsgauen Wartheland (Posen) und Danzig-Westpreußen (Danzig) an.
Stabshauptamt des Reichskommissars für die Festigung des deutschen Volkstums
Das Stabshauptamt des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums stand unter der Leitung von SS-Obergruppenführer Ulrich Greifert und arbeitete eng mit der VoMi zusammen. Hauptaufgabe dieses Amtes war die sogenannte Re-Germanisierung deutscher Volksgruppen, die trotz "deutscher Abstammung im fremdvölkischen Umfeld aufgegangen" seien. Aber auch für die "Eindeutschung" gutbefundene slawische Volksteile wurden in diesem Hauptamt erfasst. VoMi und Stabshauptamt waren für die Erfassung der Volksdeutschen und des sogenannten "deutschen Blutes" in verschiedenen "Deutschen Volkslisten" zuständig. Anhand dieser Volkslisten wurde der Status des Inhabers innerhalb der "deutschen Volksgemeinschaft" festgelegt:
- Liste 1 und 2 enthielten Personen "deutscher Volkszugehörigkeit, die nachweislich ihr Deutschtum bewahrt hatten". Diese Personengruppen erhielten automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit und waren für die Angehörigkeit in der NSDAP vorgesehen.
- Liste 3 enthielt Personen deutscher Volkszugehörigkeit, die bereits "Bindungen zum Polentum" angenommen hatten. Ferner waren in dieser Liste auch die Angehörigen der Masuren und Kaschuben aufgeführt, die man als "eindeutschungsfähig" betrachtete. Diese Listenangehörigen bekamen die vorläufige deutsche Staatsangehörigkeit verliehen.
- Liste 4 enthielt die "eindeutig polonisierten Deutschen", die trotz deutscher Abstammung ihr Volkstum aufgeben und die polnische Sprache und Kultur angenommen hatten. Diese Listenabgehörigen bekamen die deutsche Staatsangehörigkeit auf Widerruf und mussten sich "die endgültige deutsche Staatsangehörigkeit erdienen".
Siehe auch: Aktion Ritterbusch, Ostforschung
Literatur
- Bernd Wegner: Die Sondergerichtsbarkeit von SS und Polizei. Militärjustiz oder Grundlegung einer SS-gemäßen Rechtsordnung? in: Ursula Büttner (Hg.): Das Unrechtsregime. Internationale Forschung über den Nationalsozialismus Bd. I, Hamburg 1986 S. 243-259, ISBN 3767209624
- Hans Buchheim: Die SS. Das Herrschaftsinstrument Gutachten des Instituts für Zeitgeschichte. In: Anatomie des SS-Staates Bd. I, Deutscher Taschenbuch Verlag Nr. 2915, München 1967, S. 153-160 ISBN 3423029153
- Karin Orth: Das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Eine politische Organisationsgeschichte Hamburger Edition 1999 ISBN 3930908522; 2. Aufl. TB Pendo, Zürich 2002 ISBN 3858424501 (30 Seiten Lit.-Verz.)
Weblink
- 179 Original-Dokumente von und über Walter Schmitt und Maximilian von Herff (Personalabteilung) aus dem Simon Wiesenthal Center L.A. Institute of Documentation in Israel Direktor Tuviah Friedman H.S.
- Gebäudefoto WVHA (Berlin-Lichterfelde) und von der dort angebrachten Informationstafel (Zustand ca. 1999; R. Golz)