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Lkw-Maut in Deutschland

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Die LKW-Maut ist eine entfernungsabhängige Gebühr für das Befahren von Autobahnen in der Bundesrepublik Deutschland durch Lastkraftwagen ab 12 t zulässigem Gesamtgewicht.
Installiert und Betrieben wird das deutsche Mautsystem vom privaten Unternehmen Toll Collect (Hauptanteilseigner sind die Deutsche Telekom und DaimlerChrysler).
Erklärtes Ziel war es, auch ausländische LKW stärker an der Finanzierung der deutschen Verkehrs-Infrastruktur zu beteiligen. Der Bundesfinanzminister rechnet dabei mit Bruttoeinnahmen von jährlich 2,8 Milliarden Euro. Toll Collect erhält davon für den Betrieb des Abrechnungssystems zwölf Jahre lang jährlich 600 Millionen Euro, also insgesamt 7,2 Milliarden Euro bis zum Jahr 2015.
Ursprünglich sollte das Mautsystem am 31. August 2003 starten. Wegen technischen Problemen wurde der Termin zunächst auf den 2. November verschoben, später wurde auch dieser Termin gekippt. Die Einführung des Systems ist damit auf unbestimmte Zeit verschoben.
Mauterhebung gibt es in vielen europäischen Staaten. So wird in der Schweiz seit Anfang 2001 für LKW die LSVA fällig und in Österreich wird ab dem 1. Januar 2004 eine österreichische LKW-Maut eingeführt.

Vorgeschichte und Auftragsvergabe

Im November 1995 kündigt der damalige Verkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) die Einführung einer streckenbezogenen LKW-Maut an.
Im Oktober 1998 beschließt die rot-grüne Bundesregierung ein durch Maut finanziertes sog. Anti-Stau-Programm.
Am 7. November 1998 gibt Bundesverkehrsminister Franz Münteferig (SPD) bekannt, er werde bis 2002 eine streckenbezogene Lkw-Maut durchsetzen. Die Verkehrsminister aller Bundesländer begrüßen das Vorhaben einhellig. Das Mautsystem und dessen technische Infrastruktur sollte durch ein privates Unternehmen finanziert, installiert und betrieben werden.
Im Januar 2000 begann das Vergabeverfahren als Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb.
Am 15. März 2000 schlägt eine vom Verkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD) eingesetzte Expertenkommission eine Gebühr von 25 Pfennig (14 Cent) pro Autobahnkilometer vor. Der geplante Starttermin ist der 1. Januar 2003.
Am 15. August 2001 beschließt Das Bundeskabinett die Einführung einer Lkw-Maut auf deutschen Autobahnen. Die Höhe der Maut ist gestaffelt nach Achszahl und Schadstoffausstoß und soll zwischen 14 und 19 Cent pro Kilometer liegen.
Am 12. April 2002 trat das Gesetz zur Einführung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen (BGBl I, Nr. 23, S. 1234) in Kraft. Es ist die rechtliche Grundlage für die Einführung der Lkw-Maut.
Im Juli 2002 setzte sich die Bietergruppe ETC.de (später Toll Collect GmbH) in dem umstrittenen Vergabeverfahren gegen konkurierende Konsortien durch.

Die einzelnen Anbieter

  1. Die Bietergemeinschaft ETC.de aus Berlin mit der Deutschen Telekom AG, der Daimler Chrysler Services (debis) AG sowie der Compagnie Financiere et Industrielle des Autoroutes (Cofiroute S.A.), Frankreich.
  2. Die Bietergemeinschaft AGES Maut System GmbH & Co. KG aus Düsseldorf um die damalige Mannesmann AG (inzwischen Vodafone) mit der Aral AG & Co. KG, der Bundeszentralgenossenschaft Straßenverkehr e.G., der DKV EURO SERVICE GmbH & Co. KG, der euroShell Deutschland GmbH, der Handelsgesellschaft für Kraftfahrzeugbedarf GmbH & Co. KG, der UTA Union Tank Eckstein GmbH & Co. KG.
  3. Die schweizerische Fela Management AG.

Die Motive der Anbieter

ETC.de mit DaimlerChrysler Services waren von Anfang an auf ein GPS gestütztes Mautsystem fixiert, da es sich genau in die Geschäftsfelder ihrer Tochterfirmen einpasst. So stellt die Deutsche Telekom ihr Mobilfunknetz zur Datenübertragung von den Fahrzeug-OBUs zum zentralen Buchungscomputer zur Verfügung und übernimmt und die Rechnungsstellung gegenüber dem Mautkunden. DaimlerChrysler wollte endlich mit dem integrierten Konzept "Maut und Mehr" die Telematikdienste seiner kümmernden Tochter DaimlerChrysler Services Mobility Management flächendeckend anbieten. Über das GPS-Mautsystem bestand die Möglichkeit die für die Telematikdienste notwendigen etwa 500 EUR teuren GPS- und Mobilfunkmodule für sie kostenneutral in einen Großteil der in Deutschland verkehrenden Lkw einbauen zu können. Hier sollten später Transportunternehmen die Möglichkeit haben, über die reine Mautbezahlung hinaus zusätzliche Telematik-Dienste von DaimlerChrysler gegen Entgelt zur Optimierung der Geschäftsabläufe in Anspruch zu nehmen, von der Frachtverfolgung bis hin zum Flottenmanagement. Weiterhin wollte man die technischen Standards und Schnittstellen für ein zukünftiges europäische Mautsystem definieren und besetzen.

AGES hatte schon das bis zum 31. August 2003 in Deutschland für den Schwerverkehr ab 12 t zGG geltende zeitbezogene Maut-Vignettensystem betreut. Mit Mannesmann als Mobilfunknetzbetreiber wollte es ebenfalls ein Mautsystem auf GPS-Basis einführen. Im Unterschied zu ETC.de setzte AGES beim Datenaustausch von OBU zum Zentralrechner nicht auf GSM, sondern auf GPRS.

Die Fela Management AG gegründete 1997 in Diessenhofen/Schweiz ist Hersteller von elektronischen Komponenten und Verkehrstelematik Systemen. Am 1. Januar 2001 startete in der Schweiz und Liechtenstein eine elektronisch erhobene, entfernungsabhängige Maut für LKW ab 3.5 t, die LSVA (Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe). Fela ist Entwickler und Lieferant des dafür eingesetzten Gebührenerfassungsgerätes Tripon.
Im Gegensatz zur deutschen LKW-Maut, wird die LSVA auf allen schweizer Straßen fällig, nicht nur auf den Autobahnen. Das erleichtert die technische Umsetzung ganz erheblich. Das Tripon System muss dabei nämlich nur feststellen, welche Entfernungen innerhalb eines Mautpflichtigen Gebietes zurückgelegt wurden und nicht, wie beim deutschen System, welche Straßentypen dabei benutzt wurden. Die bisherigen Erfahrungen sind laut Schweizer Bundesamt für Raumentwicklung durchweg positiv.
Das von ihr für Deutschland vorgesehene Mautsystem hätte auf der DSRC-Technik basiert. Hier werden die Fahrzeuge mit einem relativ billigen Transponder (Herstellungskosten etwa 40 EUR) versehen. Die mautpflichtigen Fahrzeuge durchfahren mit diesem elektronischen Kennzeichen Mautbrücken, die jeweils zwischen einer Auffahrt und der nächsten Abfahrt einer mautpflichtigen Straße aufgestellt sind. Die Nachteile der höheren Infrastrukturkosten wären durch die günstigeren Betriebskosten, etwa 8 % gegenüber etwa 20 % beim GPS-System wohl mehr als kompensiert worden.

Die Motive der Auftraggeber

Etliche Kommentatoren vermuteten bereits im Jahr 2001, dass der Ausgang des Verfahrens längst feststehen würde und sahen in der Vergabe an ETC.de die Bemühung, den Börsenwert der Telekom zu stützen (Computerwoche 2001-12-14).
Andere gehen davon aus, dass die Politik Aufgabenfelder für das geplante europäische Satellitenprojekt Galileo sucht. Es gilt als wahrscheinlich, dass ein zukünftiges europäisches Mautsystem, wenn es denn Satellitennavigation nutzt, nicht auf den amerikanischen GPS, sondern auf den Galileo-Satelliten basieren soll.


Die Anbieter und das Vergabeverfahren

Die Ausschreibung zur LKW-Maut wurde von der Arbeitsgemeinschaft Beratergruppe LKW-Maut (BLM) verfasst. Die Kölner TÜV InterTraffic und das Beratungsunternehmen PriceWaterhouseCoopers waren dabei für die IT-Technik zuständig.
Das Verfahren war als Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb ausgestaltet, nach § 3 a Nr. 1 Abs. 4 Buchst. c in Verbindung mit § 3 a Nr. 1 Abs. 3 Satz 2 VOL/A. Nur der erste, allgemeine Teil der Ausschreibung war öffentlich und wurde im Dezember 1999 im Bundesausschreibungsblatt und im Januar 2000 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften verföffentlicht.
Nach Ablauf der Einsendefrist, dem 17. Februar 2000, hatten 6 Unternehmen, bzw. Unternehmensgruppen einen Antrag auf Teilnahme an dem Verfahren gestellt. Davon wurden 5 Konsortien aufgefordert, bis zum 31. Jannuar 2001 ein Angebot abzugeben. Diese 5 Bewerber bekamen unter verschwiegenheitverpflichtung vertrauliche Unterlagen mit den Ausschreibungsdetails, die bis heute geheim gehalten werden.
Unter den 5 potentiellen Anbietern, sollen sich auch die Siemens AG und Gedas, die Telematik-Tochter der Volkswagen AG befunden haben. Es reichten jedoch nur 3 konkrete Anbieter fristgerechte Angebote ein.

Mai 2001: Keine Chance für Fela

Am 14. Mai 2001 schloss das Verkehrsministerium die Fela Management AG aus dem Verfahren aus. Begründung: die Gesellschafterstruktur des Konsortiums habe sich (durch das Ausscheiden von Thyssen-Krupp) geändert, weshalb die Finanzierung des Projektes nicht gesichert sei. Die war nötig zum Systemaufbau und um potentielle Vertragsstrafen bezahlen zu können. Nachvollziehen konnten das die Schweizer nicht: Hinter ihrem Konzept stünden große Banken.
Ein am 29. Juni 2001 gestellter Nachprüfungsantrag beim Bundeskartellamt gegen diese Entscheidung wurde am 25. Juli 2001 aus formalen Gründen als unzulässig abgewiesen (VK2-20/01): Fela hatte eine Rüge gegen den Ausschluss gegenüber der Vergabestelle 3 Tage zu spät vorgetragen.

Später erklärte Geschäftsführer Ernst Uhlmann in einem Interview, dass sein Unternehmen nur auf ausdrückliches Drängen des Bundesverkehrsministeriums an der Ausschreibung teilgenommen hätte. Journalisten mutmaßten, dass die mittelständische Fela Management AG nie ernsthaft als Betreiber in Betracht gezogen wurde und nur als "Zählkandidat" diente, um die Anzahl der Anbieter zu erhöhen (ARD-plusminus, [1]).


August 2001: Ages fliegt aus dem Verfahren - und klagt sich wieder rein

Am 17. August 2001 wurde der Ages der Ausschluss vom Vergabeverfahren mitgeteilt. Begründung: es fehle der Nachweis, dass die Projektgesellschaft über genügend finanzielle Mittel verfüge.
Faktisch bedeutete das den Zuschlag für ETC.de, Toll Collect.
Ages beantragte am 29. August 2001 ein Nachprüfungsverfahren beim Bundeskartellamt in Bonn. Der Antrag wurde am 18. Oktober 2001 als unbegründet abgelehnt(VK2-32/01). Doch der von der Ages Anfang November 2001 angerufene Vergabesenat beim Oberlandesgericht Düsseldorf entschied dann am 21. Dezember 2001 in letzter Instanz, dass das Verkehrsministerium das Konsortium zu Unrecht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen hatte. Fazit: "Das Verfahren wird auf den Stand vom 17. August 2001 zurückgesetzt."

Der zu diesem Zeitpunkt noch geplante Start der LKW-Maut am 1. Januar 2003 war damit nicht mehr zu halten.

August 2002: TSR - zu spät und zu billig

Ein erst im Herbst 2001, also zu spät, eingereichtes Konzept von Prof. Dipl. Ing. Heinrich Schüssler, Erfinder und Geschäftsführer der TSR-Verkehrsmanagement-Systeme, wurde vom Bundesverkehrsministerium nicht mehr berücksichtigt. Sein Mautsystem versprach Einsparungen von 500 Millionen € pro Jahr gegenüber der favorisierten ETC-Lösung. Ein entsprechender Auftrag zur Prüfung an den Bundesrechnungshof wurde von der rot-grünen Mehrheit im Bundestags-Haushaltsausschuss abgelehnt.

September 2002: Der Deal mit Ages/Vodafone

Das Bundesverkehrsministerium gab am 8. Juli 2002 seine Entscheidung für ETC.de bekannt. Das Ages-Konsortium unterlag, weil es den Kostenaufwand für die On-Board-Units und Maut-Terminals beträchtlich höher als ETC.de kalkuliert hatte und mit dem Gebot um einige hundert Millionen Euro über deren Angebot lag.
Die unterlegene Ages stellte zum 2. mal einen Nachprüfungsantrag beim Bundeskartellamt. Ages kritisierte das Vergabeverfahren und bezweifelte die Leistungsfähigkeit des Angebotes von ETC.de (Toll Collect). Das verhinderte den sofortigen Zuschlag für das Telekom/DaimlerChrysler-Konsortium durch das Bundesverkehrsministerium (Vergabestelle). Der Antrag wurde jedoch am 4. September 2002 von der 2. Vergabekammer abgewiesen.
Ages legte gegen die Entscheidung des Bundeskartellamtes Beschwerde beim Düsseldorfer Oberlandesgericht ein. Das Gericht gab am 19. September 2002 der Beschwerde des Ages-Konsortiums statt. Diese Entscheidung hatte aufschiebende Wirkung und verhinderte erneut die Vergabe des Maut-Auftrages an Toll Collect.
Ages zog seine Beschwerde jedoch bereits 1 Tag später, am 20. September 2002 wieder zurück. Der Grund laut Ages: Toll Collect plane, "bestimmte geschäftliche Leistungen der Ages Maut System GmbH & Co KG bei der Realisierung des neuen dualen Maut-Systems auf Grund der Sachkompetenz und der Expertise beim gegenwärtigen manuellen System einzubinden". Das bedeutet, Ages, oder besser Vodafone, wird am Aufbau des Mautsystem partizipieren.
Der Vorstandsvorsitzende der DaimlerChrysler Services sprach von einem Anteil unter 20% und betonte, ETC sei von Ages mit dem Rechtsstreit nicht erpresst worden (AFP, [2]).

Am 1. Juli 2002 war der ursprünglich für 1. Januar 2003 geplante Starttermin bereits um ein halbes Jahr, auf den 1. Juli 2003 vershoben worden. Aber selbst dieses Datum war jetzt nicht mehr realistisch.

Alles streng geheim

Noch am selben Tag der Einigung zwischen ETC und Ages, am 20. September 2002, 2 Tage vor der Bundestagswahl, kam es zur Vertragsunterzeichnung zwischen Bundesverkehrsministerium und Toll Collect. Bundesverkehrsminister ist zu diesem Zeitpunkt Kurt Bodewig (SPD). Der vereinbarte Starttermin ist der 31. August 2003.
Die Vertragsdetails werden bis heute geheim gehalten und sind selbst für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages nicht zugänglich. In der Presse wird jedoch berichtet, Toll Collect habe mit dem Ministerium "äußerst günstige Vertragsbedingungen ausgehandelt, u.a. eine Haftungsfreistellung für vier Monate" (Spiegel Online, [3]).



Technische Umsetzung

Anders als etwa in Frankreich, wo die Péage an Schaltern bezahlt wird, die an Autoroute-Abfahrten stehen und mit Kassierern besetzt sind, soll in Deutschland ein hochtechnisiertes, GPS, also satellitengestütztes System aufgebaut werden. Erklärtes Ziel war es dabei, mit der neuen Technologie auch neue Märkte für die beteiligten Unternehmen zu öffnen.

Um am deutschen LKW-Mautsystem von Toll Collect teilnehmen zu können gibt es 3 Möglichkeiten:

A) automatische Einbuchung über eine freiwillig eingebaute OBU

Per Satellit (automatische Einbuchung): Das Speditionsunternehmen läßt seine mautpflichtigen Fahrzeuge bei Toll Collect registrieren. Von einer autorisierten Werkstatt wird daraufhin auf, bzw. in die Armaturenbretter der LKWs ein On-Board-Unit(OBU) genanntes Gerät montiert.

B) manuelle Streckenbuchung

Diese Option (Per Hand und Fuß) ist vor allem für ausländische LKWs vorgesehen, für die sich der Einbau einer On-Board-Unit nicht lohnen würde.

B1.)an einem stationären Mautstellen-Terminal

LKW-Fahrer, deren Fahrzeug über keine OBU verfügen, soll es möglich sein, sich an sog. Mautstellen-Terminals in das System einzubuchen und dort auch die fällige Maut zu entrichten. Für diese manuelle Einbuchung sollen ca. 3.500 Terminals in der Nähe aller Autobahnauffahrten zur Verfügung stehen. Sie sollen auch auf größeren Autohöfen und an Tankstellen aufgestellt werden. Hersteller der Automaten ist die Höft & Wessel AG (Hannover). Das Auftragsvolumen betrug 31 Mio. EUR
Für die manuelle Einbuchung am Mautstellen-Terminal ist keine Registrierung bei Toll Collect notwendig.

B2.)per Internet über das Portal von Toll Collect

Drittfirmem planen hier auch zwischengeschaltete kommerzielle Dienstleistungen, die eine Streckenbuchung per SMS ermöglichen sollen (www.sms-maut.de). Ein Einbuchen direkt über eine WWW-Schnittstelle, also mit einem Webbrowser, über die Homepage von Toll Collect soll ebenfalls möglich sein. Die Internet-Einbuchung steht nur registrierten Benutzern zur Verfügung und setzt, ähnlich wie bei der Einbuchung am Mautstellen-Terminal, die Eingabe aller relevanten Fahrzeugdaten und der Route voraus.

Maut ist gut, Kontrolle ist besser

Nach den Vorgaben des Datenschutzes dürfen nur stichprobenartige Überprüfungen der Mautzahlung durchgeführt werden. Insgesamt ist die Kontrollzahl mit 10 Mio. LKW pro Jahr festgelegt. Der Betreiber Toll Collect hat sich verpflichtet davon jährlich 7 Mio. Fahrzeuge auf Mautzahlung zu überprüfen. Dazu wurde die Vitronic GmbH(Wiesbaden) beauftragt, für ca. 100 Mio. EUR an den Autobahnen 300 stationäre Anlagen als Messbrücken über die Fahrbahn zu errichten. Mit ihnen sollen LKW entdeckt werden, für die keine Gebühr gezahlt worden ist. LKW-Fahrer passieren also auf dem ca. 12000 Baukilometer umfassenden Autobahnnetz (Richtung - Gegenrichtung 24000 Streckenkilometer) durchschnittlich alle 80 Kilometern eine solche Kontrollstelle, da die stationären Kontrollanlagen nur halbseitig, d. h. nur über einer Richtungsfahrbahn montiert sind.

Dort gibt sich die On-Board-Unit per Infrarot-Signal zu erkennen. Die übermittelten Daten werden dann mit den Buchungsdaten im Zentralrechner vergleichen.
Spediteure bemängeln, dass die Messbrücken zu niedrig seien, um sie mit Schwertransportern zu unterqueren. Zudem kam es zu einer Reihe von Auffahrunfällen, da Autofahrer die Messbrücken für Radarfallen hielten und Vollbremsungen einlegten.

Wenn ein LKW mit / ohne oder mit ausgeschalteter OBU durch eine scharf geschaltete Mautkontrolle fährt, sucht eine Kamera per Schrifterkennung das Bild nach Zahlen und Buchstaben ab. Auf diese Weise sollen die Nummernschilder der LKW ausgelesen werden.
Ist das maschinell ausgelesene Kennzeichen nicht im Buchungscomputer zu finden, oder konnte die OCR-Software der Schrifterkennung das Kennzeichen nicht identifizieren, wird das schon im Vorfeld der Kontrollmaßnahme erstellte Frontfoto des Lkw gespeichert. Die Bilder der Mautzahler werden nach dem Abgleich mit dem Computer gelöscht. Die gespeicherten Fotos können dann später manuell von Mitarbeitern des Betreibers ausgewertet werden.
Fotografiert werden auch die Fahrzeuge deren montiertes Kennzeichen nicht mit dem in der OBU abgespeicherten elektronischen Kennzeichen identisch ist. Damit will man verhindern, dass eine OBU aus einem Lkw mit geringerer Schadstoffemission und auf geringere Mautzahlung programmiertes Gerät ausgebaut und in einem Lkw ohne Abgasreinigung weiterverwendet wird.

Die Kennzeichen-Lesefähigkeiten des automatischen Kontrollsystems werden von Toll Collect mit über 90 % angegeben. Das identische Kontrollsystem der Schweiz liefert bei Fahrzeugen mit OBU, also mit einem bei Kontrolle übermitteltem elektronischem Kennzeichen eine Erkennungsrate von 93 %, bei Fahrzeugen ohne OBU eine Erkennungsrate von 77 %.
Um 7 Mio. Lkw auf Mautzahlung zu kontrollieren, muss der Betreiber seine 300 Überwachungsanlagen unter Berücksichtigung der Verkehrszählungszahlen rein rechnerisch etwa 3 Wochen im Kontrollmodus betreiben.

Die Ahndung von Verstößen gegen die Mautpflicht gehört nicht zur Aufgabe von Toll Collect. Sie liegt in der Zuständigkeit des Bundesamts für Güterverkehr (BAG). Bei Auffälligkeiten sollen 535 speziell dafür eingestellte Mautkontrolleure des Bundesamtes die Fahrer stoppen. Diese neuen BAG-Mitarbeiter, eingestellt aus dem Personalüberhang der Post und Bahn, sollen in 278 mobilen Kontrollfahrzeugen (Fabrikat Mercedes Vito) verteilt auf 3 Schichten unterwegs sein, um die Kennzeichen der LKW mit den Daten des Buchungssystems abzugleichen. Das Bundesamt für Güterverkehr soll im Rahmen dieser Kontrolltätigkeit 3 Mio. Lkw auf Mautzahlung überprüfen.
Weiterhin sollen ca. 40 Betriebsprüfer des BAG stichprobenartige Kontrollen bei deutschen Transportfirmen durchführen.

Systembedingte Grundprobleme der deutschen GPS-Maut-Lösung

Als Kritiker der deutschen LKW-Maut-Lösung gilt der Geschäftsführer der schweizer Fela Management AG. Er führt an, dass ein GPS-Mautsystem nie abrechnungs- und betrugssicher arbeiten kann. Zum gleichen Ergebnis kam offensichtlich auch der österr. Straßenbetreiber ASFINAG. Er plant die Einführung einer streckenbezogenen LKW-Maut in Österreich zum 01. Januar 2004 auf Basis der DSRC-Technik. Möglicherweise fußt die Entscheidung der ASFINAG auf einem von ihr bei der Rapp AG aus Basel(Schweiz) 1999 in Auftrag gegebenen Gutachten. In dieser Expertise werden die potenziellen Mängel eines GPS-Mautsystems beschrieben:

  • Wegen der hohen Geräte- und Einbaukosten (Anm. 500 EUR / 250 EUR) kann keine OBU-Pflicht durchgesetzt werden. Fahrzeuge ohne Erfassungsgerät sind aber für das System auf den langen Streckenabschnitten zwischen den Kontrollbrücken nicht erkennbar.
  • Das Mautsystem kann wegen der vor genannten hohen Kosten nicht ohne weiteres auf eine PKW-Maut ausgeweitet werden.
  • Die einfache Abschattung der GPS-Antenne unterbricht die sichere Gebührenerfassung.
  • Weltweit gibt es keine Gebührenabrechnung die auf GPS basiert. Somit ist der Ausgang von Gerichtsverhandlungen bezügl. der Abrechnungen völlig offen.
  • Die einzelne Kontrollbrücke kann nur prüfen, ob auf der Strecke von letzter Auffahrt bis Kontrollbrücke die Maut bezahlt wurde, da sie nicht weiß, ob das Kfz schon auf einem vorherigen Steckenabschnitt die Autobahn befahren hat.
  • verhindern Datenschutzauflagen die Speicherung einer Fahrtroute, ist es möglich, dass nur die Streckenabschnitte mit Kontrollbrücken bezahlt werden.
  • Die Kontrollbrücken haben bei Fahrzeugen ohne OBU nur eine maschinelle Kennzeichenlesefähigkeit(OCR) von ca. 80 %, da das gespeicherte elektronische Kennzeichen der OBU zum Abgleich fehlt.
  • Anhand der von den Kontrollbrücken fotografierten ausländischen Kennzeichen von Lkw ohne OBU können nachträglich weder der Fahrzeughalter noch die zur Mautprüfung wesentlichen Fahrzeugdaten ermittelt werden.

Das Gutachten schließt mit der Anmerkung, dass für ein GPS/GSM-System keine Vorteile, jedoch gravierende Nachteile und Probleme bestehen, die nicht nur im technischen Bereich der Gebührenerfassung sondern vor allem in den ablauftechnischen Bereichen des Gesamtsystems wie der Kontrolle, der Behandlung nicht ausgerüsteter Benutzer oder einer für den Benutzer (und die Gerichte !) untransparenten Erfassung liegen.

Kritiker bemängeln auch die hohen Betriebskosten des deutschen Systems, so erhält der Betreiber Toll Collect ca. 20 bis 25 % der Mauteinahmen. Beim schweizer Mautsystem(LSVA) ist dagegen von nur 8 % die Rede.
Andere weisen darauf hin, dass GPS-Störsender existieren, mit denen das Abrechnungssytem möglicherweise sabotiert werden könnte. Nach dem Scheitern dieses Mautsystems müssen nach einer Schätzung 4,8 Mrd. EUR für die Rückabwicklung aufgewendet werden.



Aktuelle Situation

Zum festgesetzten Starttermin, dem 31. August 2003, konnte die Erfassung der Gebühr nicht beginnen, da mehrere Probleme beim Aufbau des Systems bestanden und weiterhin bestehen:

  • Lieferengpässe und Fehlfunktionen der On-Board-Units, dem Kern des Abrechnungssystems.
  • Nicht alle Messbrücken wurden rechtzeitig fertiggestellt.
  • Es stehen noch nicht genügend Automaten, sog. Mautstellen-Terminals, für das manuelle Einbuchen zur Verfügung.
  • Die Maut-Terminals stürzten aufgrund von Software-Fehlern ab.
  • An den Maut-Terminals stehen zu wenig Fremdsprachen für die Bedienung durch ausländische LKW-Fahrer zur Verfügung, im Regelfall nur die Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch und Polnisch.
  • Schwierigkeiten bei der Systemintegration, dem korrekten Zusammenspiel aller Hardware und Software Komponenten.

Als neuer Termin wurde von Verkehrsminister Manfred Stolpe der 2. November 2003 festgesetzt, bis dahin soll eine nicht gebührenpflichtige Testphase stattfinden. Im Rahmen eines Krisengipfel des Bundesverkehrsministers mit Vertretern der Industrie am 5. Oktober 2003, in Berlin wurde jedoch auch dieser Termin gekippt. Die Einführung des Systems ist damit auf unbestimmte Zeit verschoben.
Die Bundesregierung beziffert den Ausfall bereits budgetierter Einnahmen auf 156 Millionen Euro pro Monat. Inwieweit der Betreiber Toll Collect dafür haftbar gemacht werden kann, ist aufgrund der geheimhaltung der Verträge unbekannt und Inhalt zahlreicher Spekulationen. Die CDU-Opposition macht Stolpe persönlich für die Verzögerungen verantwortlich und fordert seinen Rücktritt.

Findige Aufbauhersteller stellen Gliederzüge (Lastkraftwagen mit Anhänger) mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 11,99 Tonnen vor, mit denen die Maut umgangen werden kann. Auch mit einem erhöhten Aufkommen von Kleintransportern ist zu rechnen.

Ausnahmen von der Mautpflicht

In § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Einführung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen ist festgelegt, welche Fahrzeuge von der LKW-Mautpflicht ausgenommen sind :

  • Kraftomnibusse
  • Fahrzeuge der Streitkräfte und der Polizeibehörden
  • Fahrzeuge des Zivil- und Katastrophenschutzes, der Feuerwehr und anderer Notdienste
  • Fahrzeuge des Bundes und des Straßenunterhaltungs- und Straßenbetriebsdienstes
  • Für Straßenreinigung und Winterdienst genutzte Fahrzeuge
  • Fahrzeuge von Schausteller- und Zirkusbetrieben

Argumente für die LKW-Maut

Um Lagerkapazitäten einzusparen, setzen viele Firmen darauf, Waren bzw. Zwischenprodukte erst dann liefern zu lassen, wenn sie vor Ort benötigt werden (business on demand). Da die Eisenbahn, obwohl preisgünstiger und umweltschonender, die dazu notwendige Flexibilität nicht bieten kann, verlagern sich immer größere Teile des Gütertransports von der Schiene auf die Straße.

Kritisiert wird auch, dass Waren im Verlauf ihrer Produktion oft quer durch die EU gefahren werden. Stattdessen solle etwa ein Supermarkt seine Waren von ortsansässigen Herstellern beziehen. Auch wird argumentiert, dass Lastwagen die Straßen stärker abnutzen als PKWs und Speditionen deshalb auch entsprechende Abgaben zu zahlen hätten.

Argumente gegen die LKW-Maut

Deutsche Spediteure befürchten einen Wettbewerbsnachteil gegenüber ihren europäischen Konkurrenten. Sie machen auch darauf aufmerksam, dass für Ausbau und Reparatur des Straßennetzes bereits Kfz-Steuern und Mineralölsteuern entrichtet werden.

Denkbar ist auch, dass es zu einer Überlastung des restlichen Straßennetzes kommt, weil LKW-Fahrer auf Bundesstraßen ausweichen könnten. PKW-Nutzer befürchten, dass auch sie in Zukunft eine Maut zahlen sollen. Außerdem ist ein allgemeiner Preisanstieg infolge gestiegener Transportkosten zu erwarten. Die Deutsche Post (DHL) hat bereits eine Tariferhöhung angekündigt. Es ist zu befürchten, dass dieser Preisanstieg überproportional ausfallen wird. Das Brötchen würde dann evt. nicht 0,2 Cent teurer werden, sondern 2 Cent. Auch ein Anwachsen des Verkehrs mit sog. "Klein-LKWs" als Folge der Maut wird befürchtet.



Die Vertragspartner der LKW-Maut auf deutschen Autobahnen

Systembeschreibung http://www.dcl.hpi.uni-potsdam.de/cms/teaching/mobilitySem03/slides/tollcollect.pdf

Geschichte und technischer Hintergrund der deutschen LKW-Maut


Ausschreibung und Vergabe Nicht nur die Verträge mit Toll Collect, vom September 2002 waren geheim. Bereits die Ausschreibungsunterlagen zum Mautsystem, die nach dem 17. Februar 2000 den 5 möglichen Anbietern zur Verfügung gestellt wurden, waren geheim. Folgende Dokumente betreffen Entscheidungen in den Nachprüfungsanträgen bei der Vergabekammer des Bundeskartellamtes in Bonn, die von den ausgeschlossenen Bietern gestellt wurden. Sie sind möglicherweise die einzige öffentlich zugängliche Informationsquelle, aus denen sich Rückschlüsse auf die Ausschreibung zum Mautsystem ziehen lassen. Die pdf-Dokumente sind anonymisiert und teilweise geschwärzt(Auslassungen). Inhalt und Verfahrensbeteiligte mussten recherchiert werden und sind bei den Links angegeben.
Übrigens waren alle (3) Nachprüfungsanträge erfolglos, alle (2) Klagen vor dem OLG-Düsseldorf gegen diese Entscheidungen wiederum erfolgreich.

  • Der Beschluss VK2-58/02 der 2. Vergabekammer des Bundeskartellamtes vom 4. September 2002
    Betr. Nachprüfungsverfahren von Ages gegen die Auftragsvergabe an ETC.de (Toll Collect)
    Mit umfangreichen Hinweisen zur Auschreibung und Realisierung des Mautsystems
    als pdf-File 226 KB
    http://www.bundeskartellamt.de/VK2-58-02.pdf Stand der URL 2003-10-11
  • Der Beschluss VK2-32/01 der 2. Vergabekammer des Bundeskartellamtes vom 18. Oktober 2001
    Betr. Nachprüfungsverfahren von Ages gegen -Weiterverhandlung nur mit Telekom/DaimlerChrysler -Ausschluss unzureichende Bürgschaftsoption
    Mit Informationen zu geforderten finanziellen Sicherheiten der Anbieter
    als pdf-File 95 KB
    http://www.bkarta.de/VK2-32-01.pdf Stand der URL 2003-10-15
  • Der Beschluss VK2-20/01 der 2. Vergabekammer des Bundeskartellamtes vom 25. Juli 2001
    Betr. Nachprüfungsverfahren von Fela wegen -Ausschluss wegen unzureichender Finanzierung
    Aufgrund der anonymisierung kaum lesbar
    als pdf-File 50 KB
    http://www.bkarta.de/VK2-20-01.pdf Stand der URL 2003-10-15


Das Gesetz und die Verordnungen


Die deutsche LKW-Maut in der Medienberichterstattung


Sonstige Berichte zur Maut


Infos über die Kontrolle


Datenschutz


PR Video-clips von Toll Collect über das deutsche Mautsystem
als .mpeg Video (Achtung: download Größe 8-39 MB) vom Server der Wirtschaftskammer Österrreich.
Stand aller URLs 2003-10-11


Mehr zur schweizer LKW-Maut (LSVA) und der Technik der Fela Management AG (Mitbewerber um das deutsche Mautsystem) :

Vorschlag für eine RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES über die allgemeine Einführung und die Interoperabilität elektronischer Mautsysteme in der Gemeinschaft