Risorgimento
Als Risorgimento (italienisch für: Wiedererstehung) wird zugleich eine Epoche als auch eine politische und soziale Bewegung zwischen 1815 und 1870 bezeichnet, die nach dem Wiener Kongress (1814/15) in den Fürstentümern und Regionen Italiens die italienische Einigung zu erreichen versuchte.
Getragen wurde das Risorgimento durch unterschiedliche Interessengruppen, die vom Ziel einer gesamtitalienischen Monarchie bis hin zu einer bürgerlich-demokratischen Republik reichten.
Bei verschiedenen Erhebungen, Aufständen und Kriegen, vor allem gegen die Vorherrschaft der spanischen Bourbonen im Süden und gegen die der habsburgischen Österreicher im Norden Italiens wurde die italienische Einheit in einem unabhängigen Nationalstaat Italien als Königreich schließlich nach einer wechselvollen Geschichte zunächst 1861 unter Führung Sardinien-Piemonts, letztlich von oben, durchgesetzt, und schließlich 1870 nach der Einnahme Roms vollendet.
Vorgeschichte seit der französischen Revolution bis zum Sturz Napoleons: Ende 18. Jahrhundert bis 1815
Schon im 18. Jahrhundert hatte es Bestrebungen zur Wiederherstellung der italienischen Einheit gegeben. Die italienischen Staaten und Fürstentümer waren schon länger ein politischer Spielball der europäischen Großmächte gewesen.
Während den Jahren der französischen Revolution (1789 bis 1799) hatten sich Ende des 18. Jahrhunderts unter dem Eindruck der neu entstandenen französischen Republik italienische Jakobiner in patriotischen Gruppen zusammengefunden. In Turin, Neapel und Palermo waren diese Gruppen die ersten, die die Forderung nach einer unteilbaren italienischen Republik durch erfolglose Aufstände zwischen 1795 und 1799 umzusetzen versucht hatten.
Während der Koalitionskriege der europäischen Fürstentümer gegen das revolutionäre Frankreich ab 1792/1793 brach die Staatenwelt des alten Italien zusammen. Bis 1801, nach den Siegen von Napoléon Bonaparte befand sich ganz Italien unter französischer Vorherrschaft. Nach der Ausrufung Napoleons zum Kaiser der Franzosen kam es zu fundamentalen Veränderungen in den italienischen Staaten. Zwischen 1796 und 1802 wurden verschiedene Republiken und das Königreich Etrurien gegründet. 1805 wurde unter der Dynastie Bonaparte ein Königreich Italien, 1806 ein Königreich Neapel ausgerufen. Bis 1809 wurde Restitalien durch Frankreich annektiert. Kennzeichen der napoleonischen Vorherrschaft waren eine leistungsfähige zentralistische Bürokratie, die Realisierung bürgerlicher Rechte durch den "Code Napoleon", die Abschaffung der Feudalstrukturen und ein innerer Strukturwandel in den italienischen Staaten. Bei aller zunehmenden Unzufriedenheit vieler Italiener über die despotische Unterwerfung zugunsten der Interessen Frankreichs und bei aller Enttäuschung revolutionärer Hoffnungen im liberal und demokratisch gesinnten Bürgertum, entstand doch ein neues staatsbürgerliches Bewusstsein und die Idee der nationalen Einigung in einem freien Italien, das nicht mehr nur ein geographischer Begriff sein sollte, als Voraussetzung für die Entstehung des Risorgimento nach der militärischen Beendigung der napoleonischen Hegemonie in Italien.
Restauration und Widerstand: 1815 bis 1848
Nach dem Sieg der anderen europäischen Mächte, ihnen voran Russland, Preußen, Österreich und England, über Napoleon wurde beim Wiener Kongress 1814/1815 die Landkarte wieder neu aufgeteilt. In Italien sollte die vornapoleonische Ordnung ausgehend von Legitimitätsprinzip wieder hergestellt werden. Die spanischen Bourbonen erhielten die Vorherrschaft über Neapel-Sizilien, die österreichischen Habsburger die Vorherrschaft über die oberitalienischen Fürstentümer. Dazwischen existierte noch der Kirchenstaat unter dem Papst und das Königreich Sardinien unter dem Haus Savoyen.
Nach dem Wiener Kongress setzte vor allem in Norditalien die vom österreichischen Staatskanzler Fürst von Metternich dominierte Restauration ein, die wichtige Reformen der Napoleonischen Ära wieder rückgängig machte. Dies führte zuerst zu Protesten vor allem des aufsteigenden gewerbe- und handeltreibenden Bürgertums, aber auch in Kreisen des aufgeklärten Adels.
Ab 1820 loderte massiverer Widerstand auf. 1820/21 kam es im Königreich beider Sizilien, 1821 in Piemont und 1831 in Mittelitalien (Modena, Romagna) zu bürgerlich-liberalen Aufständen und Revolutionen, in denen die italienische Einheit, Verfassungen und Parlamente gefordert wurden. Organisiert wurden diese Aufstände, die alle von österreichischen Truppen niedergeschlagen wurden, von freimaurerähnlichen Geheimbünden, den "Carbonari" (italienisch für Köhler).
Der republikanisch-demokratische Revolutionär Giuseppe Mazzini gründete 1831 in seinem Marseiller Exil den Geheimbund "Giovine Italia" (italienisch für: Junges Italien), der dessen Zentralorgan "La Giovine Italia" illegal in Italien verbreitete. In dieser Zeitung vertrat Mazzini die Forderung nach einer Einigung Italiens als demokratische Republik von unten, die durch das Volk erkämpft werden sollte, und an dessen Ende ein freies Italien in einem Europa der Völker entstehen sollte. Mazzini und seine Gruppe, der sich 1833 auch Giuseppe Garibaldi angeschlossen hatte, organisierten schließlich ab 1833 verschiedene Aufstände, zuerst in Piemont 1833/34, dann 1843 in Bologna, 1844 in Kalabrien und 1845 in Rimini. Alle diese Aufstände scheiterten. Sie beförderten jedoch unter den Verfechtern der Einheit eine relativ breite öffentliche Diskussion über die Struktur eines künftigen Italien. Dabei gab es neben der als radikal geltenden republikanischen Lösung Mazzinis und seiner Anhänger unter anderem Vorschläge wie dem des Philosophen Vincenzo Gioberti, den Papst als Oberhaupt einer konstitutionellen italienischen Staatenkonföderation zu ernennen; andere wollten die Einigung unter Führung des Königreichs Sardinien umsetzen.
Papst Pius IX. begann 1846 mit einer relativ liberalen Reformpolitik in Rom. Er bildete einen Staatsrat, gründete eine Bürgerwehr, führte eine Amnestie durch und schlug eine Zollunion der italienischen Staaten vor.
Revolution von 1848/49, sardinischer Krieg
Die Reformen des Papstes im Kirchenstaat brachten die anderen Fürstentümer in Zugzwang. Der liberale Druck nahm in allen italienischen Staaten zu. Dazu trug auch die Turiner liberalkonservative Zeitschrift "Il Risorgimento", die der Epoche ihren Namen gab, bei. Sie trat für eine italienische Einigung unter Führung des Hauses Savoyen, das den König von Sardinien und Piemont, Karl Albert, stellte, ein, vertrat also entgegen den republikanischen Forderungen die Vorstellungen der "Moderati", die ein liberales Königtum für das künftige Italien vorsahen. Mitbegründer von "Il Risorgimento" war Camillo Benso Graf von Cavour. Er setzte sich später als Ministerpräsident Sardinien-Piemonts von 1852 bis 1859 sowie 1860/61 an führender Stelle wesentlich für dieses Ziel ein und wurde schließlich nach der Einigung Italiens 1861 erster Ministerpräsident des Königreichs Italien.
Nach den Reformen des Papstes kam es nach 1846 unter dem Druck der zunehmenden liberalen und demokratischen Bewegungen, die auch in anderen europäischen Staaten Europas um sich gegriffen hatten und weiter anwuchsen (siehe auch Julirevolution 1830, Februarrevolution 1848 und Märzrevolution 1848/49), zu schrittweisen Zugeständnissen einiger Fürstentümer. Neben dem Kirchenstaat erhielten auch das Königreich beider Sizilien, die Toskana und am 3. März 1848 Sardinien Verfassungen. Dabei hatte insbesondere König Karl Albert von Sardinien-Piemont nach der Februarrevolution in Frankreich und dem Beginn der Märzrevolution in vielen anderen europäischen Ländern (darunter auch im habsburgischen Kernland Österreich), die Situation der Zeit erkannt. Mit seiner Verfassung begründete er im Königreich Sardinien-Piemont eine konstitutionelle Monarchie mit für diese Zeit relativ weit gehenden politischen und sozialen Reformen. Die Verfassung Sardinien-Piemonts bildete denn auch die Grundlage für die spätere Verfassung des italienischen Königreichs ab 1861, wo sie im Prinzip bis 1946 gültig blieb. Damit prädestinierte sich Sardinien-Piemont als wesentliche politische Speerspitze der weiteren italienischen Einigungsbewegung.
Im Zuge der Revolutionen von 1848/49 kam es in den italienischen Fürstentümern zu der bis dahin massivsten Welle der revolutionären Aufstände des Risorgimento. Die revolutionären Ereignisse begannen in Italien schon vor der französischen Februarrevolution mit dem sizilianischen Januaraufstand von 1848, und breiteten sich im Anschluss auf der ganzen italienischen Halbinsel aus. Ebenfalls schon im Januar 1848 kam es in Oberitalien, zuerst in Mailand, Brescia und Padua zu Aufständen gegen die österreichische Vorherrschaft. Mitte März 1848 erklärte Mailand seine Unabhängigkeit von Österreich und den Anschluss der Lombardei ans Königreich Sardinien-Piemont. Kurz darauf wurde in Venedig unter der Führung von Daniele Manin die Republik ausgerufen.
Zur Unterstützung Lombardo-Venetiens zog Sardinien unter König Karl Albert in den Krieg gegen Österreich. Karl Albert setzte sich damit an die Spitze der italienischen Einigungsbewegung. Nach anfänglichen Erfolgen unterlagen die sardinischen und revolutionären Truppen gegen die Österreicher unter Feldmarschall Johann Wenzel Radetzky am 25. Juli 1848 in der Schlacht von Custoza. Im darauffolgenden Waffenstillstand ging die Lombardei wieder an Österreich. Nach einem Aufstand in der Toskana brach der Krieg zwischen Sardinien-Piemont und Österreich erneut aus. Trotz zahlenmäßiger Überlegenheit unterlag die sardinische Armee letztlich erneut gegen Österreich am 23. März 1849 in der Schlacht von Novara. König Karl Albert trat noch am Abend des selben Tages zugunsten seines Sohnes Viktor Emmanuel II. zurück. Der schloss am 6. August 1849 in Mailand einen Friedensvertrag mit Österreich. Nach dieser Niederlage und der am 22. August 1849 erfolgenden Niederschlagung der Stadtrepublik Venedig, die sich mehr als ein Jahr gehalten hatte, war die italienische Einigungsbewegung in Norditalien vorerst zerschlagen.
Auch im Süden Italiens hatte es 1848/49 republikanisch motivierte Revolutionen gegeben, beispielsweise in Neapel und in Rom. Nachdem der Papst im November 1848 vor den zunehmenden Unruhen aus Rom nach Gaeta geflohen war, rief am 9. Februar 1849 Giuseppe Mazzini die Republik im Kirchenstaat aus. Französische Truppen schlugen am 3. Juli 1849 die römische Republik von 1849 wieder nieder. Der Papst kehrte 1850 nach Rom zurück und etablierte dort wieder ein autoritäres Polizeiregime.
Neuformierung der Einigungsbewegung bis zur Ausrufung des Königreichs Italien: 1849 bis 1861
Nach der Niederwerfung der Revolutionen von 1848/49 wurde zunehmend die Hauptstadt Sardinien-Piemonts, Turin, zum Zentrum des Risorgimento. Unter dem sardinisch-piemontesischen Ministerpräsidenten Camillo Benso Graf von Cavour veränderte sich die Strategie der Erreichung einer italienischen Einigung. Durch die Erfahrung der 48/49er Revolution war die Einsicht gereift, dass Italien seine Einheit nicht nur aus eigener Kraft erreichen könne, sondern dass dazu auch Bündnisse mit anderen Staaten notwendig seien. So wurde die internationale Lage mit Hilfe diplomatischer Kanäle genutzt, um den italienischen Nationalstaat - nun stärker unter konservativem Vorzeichen - durchzusetzen. Durch das Scheitern der Revolution war die demokratische Bewegung, bis dahin lange Zeit prägende Kraft des Risorgimento, nicht nur in Italien, sondern in ganz Europa entscheidend geschwächt worden.
Im Geheimvertrag von Plombières 1858 sicherte sich Cavour die Hilfe Frankreichs unter dem seit dem Krimkrieg (1853 bis 1856) nach Prestige strebenden Kaiser Napoleon III. zu. Durch das Näherrücken Russlands und Frankreichs nach dem Frieden von Paris 1856 war Österreich in der Folge des Krimkrieges politisch und diplomatisch geschwächt worden. Napoleon III., der hinter einer Einigung Italiens stand, um seine eigene Machtstellung in Europa zu stärken, sagte Sardinien-Piemont zu, es bei einem Krieg gegen Österreich zur Eroberung Lombardo-Venetiens zu unterstützen. Dafür sollte Sardinien-Piemont Nizza und Savoyen an Frankreich abtreten. Im Mai 1859 kam es zum Krieg Frankreichs und Sardinien-Piemonts gegen Österreich. Durch geschickte taktische Winkelzüge, indem Cavour Truppen zusammenzog und in der Lombardei um Freiwillige warb, wurde Österreich zum Einmarsch in Sardinien-Piemont provoziert, und stand damit als kriegsauslösende Macht schuldig da. Nach knapp 2-monatigem Kriegsverlauf wurden die österreichischen Truppen bei der Schlacht von Solferino entscheidend geschlagen. Allerdings zog sich Napoleon III. nach dem Sieg gegen Österreich auf Druck der anderen Großmächte, die kein Interesse an einer italienischen Einigung hatten, durch den geheimen Waffenstillstand mit Österreich vom 11. Juli 1859 in Villafranca, aus dem Krieg zurück. So erhielt Sardinien-Piemont nach dem Frieden von Zürich am 10. November 1859 nur die Lombardei, während Venetien noch in habsburgischer Hand verblieb.
Die Pläne der Großmächte, eine Vereinigung ganz Italiens zu verhindern, gingen jedoch nicht auf. Noch während des Krieges hatten in den Herzogtümern Parma und Modena sowie im Großherzogtum Toskana Aufständische die habsburgischen Landesherren gestürzt und auch die päpstlichen Legaten aus der Romagna, die zum Kirchenstaat gehörte, vertrieben.
Im März 1860, nachdem Sardinien-Piemont Nizza und Savoyen an Frankreich abgetreten hatte, kam es, von Napoleon III. gebilligt, in den noch österreichischen Gebieten Oberitaliens zu Volksabstimmungen, in denen sich die Bevölkerungen mit überwältigender Mehrheit für den Anschluss ans Königreich Sardinien-Piemont aussprachen.
Die Preisgabe Nizzas und Savoyens brachte allerdings den populären Freiheitskämpfer und Nationalhelden Giuseppe Garibaldi, der, im Grunde Republikaner, bisher aus Vernunftgründen im Interesse der italienischen Einigung die Politik Cavours mitgetragen hatte, nun endgültig gegen Cavour und seine liberalkonservative pragmatische Linie auf.
Garibaldi seinerseits landete am 11. Mai 1860 - zunächst noch mit Unterstützung Cavours - mit einer 1067 Mann starken Truppe aus Freiwilligen auf Sizilien, wo er sich selbst zum Diktator ernannte. Mit der als "Zug der Tausend" bezeichneten Freischar eroberte er die süditalienische Insel und befreite im Anschluss daran, ab dem 20. August 1860 den Rest des Königreichs beider Sizilien von der Herrschaft der spanischen Bourbonen. Am 7. September 1860, nachdem der letzte Bourbonenkönig Franz II. geflohen war, nahm Garibaldi mit seinen Truppen die Hauptstadt Neapel ein.
Der Erfolg Garibaldis gefährdete die Führungsrolle Sardinien-Piemonts bei der Einigung Italiens. Graf Cavour vereinbarte mit Napoleon III. dessen Billigung der Eroberung der zum Kirchenstaat gehörenden Marken und Umbriens, um Garibaldi zuvorzukommen. Im September 1860 rückten piemontesische Truppen in den Provinzen des Kirchenstaats ein. Bei Castelfidardo in Ancona unterlag die päpstliche Armee. Nach dem Sieg der Piemonteser, bei dem der unter französischen Schutz stehende restliche Kirchenstaat mit Rom unangetastet blieb, stießen die Truppen weiter nach Süden vor. Garibaldi wurde bis November 1860 von den Truppen Sardinien-Piemonts, die unter dem Befehl von König Viktor Emmanuel II. selbst standen, besiegt. Garibaldi trat von seinem Machtanspruch zurück, nachdem sich die Bevölkerung beider Sizilien wie schon diejenige Norditaliens im März 1848, bei einem Plebiszit am 21. Oktober 1860 mit überwältigender Mehrheit für den Anschluss ans Königreich Sardinien-Piemont ausgesprochen hatte. Am 17. März 1861 wurde schließlich in Turin das neue Königreich Italien unter König Viktor Emmanuel II. ausgerufen. Camillo Benso Graf von Cavour wurde erster Ministerpräsident Italiens, als der er bis zu seinem Tod am 6. Juni 1861 im Amt blieb. Vorläufiger Regierungssitz wurde die bisherige sardinisch-piemontesische Hauptstadt Turin. 1864 wechselte dieser Status nach Florenz, die Hauptstadt der Toskana.
Das neue Italien wurde letztlich von oben durchgesetzt, auch wenn die vorhergehenden Revolutionen vom Volk getragen worden waren. Die Hoffnungen der Republikaner auf eine verfassunggebende Nationalversammlung erfüllten sich nicht. Schrittweise wurde die sardinisch-piemontesische Verfassung von 1848 auf Italien übertragen, mit der eine konstitutionelle Monarchie festgelegt wurde. Die politische Repräsentation war wegen eines hohen Zensuswahlrechts mit nur 1,9 % wahlberechtigter Bevölkerung auf eine kleine konservativ-liberale Oberschicht beschränkt. Das Wahlrecht wurde später zwar ausgeweitet, blieb aber dennoch nur einer Minderheit vorbehalten. Die fortschrittlichen liberalen Parlamentarier Marco Minghetti und Luigi Carlo Farini scheiterten mit ihrem Plan, autonome Regionen zur Basis des neuen Italien zu machen. Unter dem Nachfolger Cavours, Ministerpräsident Bettino Ricasali, erhielt Italien eine zentralistische Verwaltung und wurde ähnlich wie Frankreich in Provinzen gegliedert.
Die europäischen Großmächte Frankreich, Preußen und Großbritannien erkannten den neuen Staat Italien an. Protest gegen die diplomatische Anerkennung kam von Österreich und dem Kirchenstaat, die zurecht weitere Ansprüche Italiens auf ihre Hoheitsgebiete bzw. Teile davon befürchteten. Vorerst noch nicht zu Italien gehörten Venetien im Nordosten, das weiterhin unter der habsburgischen Herrschaft Österreichs stand, sowie der Restkirchenstaat mit Rom, in dem französische Schutztruppen stationiert waren.
Vollendung des Risorgimento und der Einheit Italiens bis 1870
Zur weiteren Schwächung Österreichs mit dem Ziel, auch Venetien an Italien anzuschließen, schloss Italien unter dem Eindruck der Zuspitzung des preussisch-österreichischen Konflikts am 8. April 1866 ein Bündnis mit Preußen.
Wenige Tage nach Beginn des Deutschen Krieges zwischen Preußen und Österreich am 14. Juni 1866, erklärte auch Italien Österreich den Krieg.
Obwohl Österreich in den entscheidenden Schlachten des Krieges in Italien (Schlacht bei Custoza am 24. Juni 1866, Seeschlacht von Lissa am 20. Juli 1866) siegreich hervorging, verlor Österreich den Krieg gegen Preußen in der Entscheidungsschlacht bei Königgrätz am 3. Juli 1866. Diese Niederlage hatte zur Folge, dass Venetien einen Tag später an Frankreich abgetreten wurde, worauf italienische Truppen kampflos in Venetien einmarschieren konnten.
Im Wiener Frieden zwischen Italien und Österreich vom 3. Oktober 1866 wurde Venetien als italienischer Besitz bestätigt. dennoch blieben auch nach 1866 noch einige Gebiete, die weiterhin von Italien beansprucht wurden, in österreichischer Hand: Die "Irredenta" (= "unerlöste" Gebiete), die erst nach dem 1. Weltkrieg an Italien fielen.
Auch der Kirchenstaat unter dem Pontifikat von Papst Pius IX. blieb weiterhin ein Konfliktherd. Schon seit den 1830er Jahren wurde im Rahmen des Risorgimento die Forderung nach der weltlichen Herrschaft über Rom vertreten. Rom wurde von den italienischen Nationalisten als die natürliche Hauptstadt Italiens angesehen.
Im Oktober 1867 versuchte Garibaldi, der nach seiner Gefangenschaft wieder auf die aktive politisch-kämpferische "Bühne" zurück kehrte, mit einigen Freischaren, Rom einzunehmen. Seine Einheiten wurden jedoch am 3. November 1867 von französischen und päpstlichen Truppen besiegt.
Der Ausbruch des Krieges zwischen Frankreich und Preußen am 19. Juli 1870 kam Italien in der Frage des Kirchenstaates gelegen. Als Frankreich in Folge des Krieges seine Schutztruppen aus Rom abzog, eroberten italienische Truppen ab 11. September 1870 den Kirchenstaat, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen. Am 20. September 1870 wurde Rom eingenommen. Eine Volksabstimmung ergab eine breite Zustimmung für die Vereinigung des Kirchenstaats mit Italien. Die Vereinigung wurde am 6. Oktober 1870 durch königliches Dekret proklamiert. Damit war die Einigung Italiens und mit ihr das Ziel des Risorgimento vollendet.
1871 wurde die italienische Hauptstadt von Florenz nach Rom verlegt. Auch die meisten ausländischen Staaten verlegten ihre Gesandtschaften nach Rom, womit sie stillschweigend das Ende der weltlichen Herrschaft des Papsttums anerkannten.
Weitere Entwicklung: Folgen des Risorgimento, Kirchenkonflikt, Nord-Süd-Konflikt
Der Papst verblieb im Vatikan. In den sogenannten Garantiegesetzen vom Mai 1871 wurde die Stellung des Papstes in der italienischen Hauptstadt geregelt. Demnach verblieb der Vatikan, das Lateran und die päpstliche Sommerresidenz in Castel Gandolfo im Besitz des Papstes, der in diesen Bereichen weiterhin als staatlicher Souverän galt und bis in die Gegenwart gilt.
Pius IX. und seine unmittelbaren Nachfolger Leo XIII. und Pius X. erkannten das neue Italien nicht an, und lehnten jede offizielle diplomatische Zusammenarbeit mit den neuen Machthabern ab. Pius IX. bezeichnete sich selbst als "Gefangener im Vatikan". Die Urheber und Teilnehmer an der Einnahme des Kirchenstaates belegte er mit dem Bann. Seine Forderung nach Wiederherstellung der weltlichen Macht des Papsttums blieb jedoch erfolglos - trotz der weiterhin bestehenden, seit der Verkündung der päpstlichen "Unfehlbarkeit" nach dem ersten vatikanischen Konzil am 18. Juli 1870, sogar verstärkten kirchlichen Vormachtstellung mit weltweitem auch politischem Einfluss. Dennoch blieb der Streit um den Status der katholischen Kirche auch nach der Vollendung der italienischen Einheit ein noch lange schwelender Konflikt im neuen Italien. Breite katholische Schichten blieben durch die Einnahme Roms entfremdet.
Die meisten der noch zu Österreich-Ungarn gehörenden itaienisch-sprachigen Gebiete Norditaliens (Südtirol, das Trentino, Dalmatien und Istrien), die so genannten Irredenta (italienisch für unerlöste Gebiete), fielen erst nach der Niederlage Österreichs im 1. Weltkrieg an Italien.
Im sozialen und wirtschaftlichen Bereich dauert der Konflikt zwischen dem reicheren industrialisierten Norden Italiens und dem landwirtschaftlich geprägten armen Süden des Landes (Mezzogiorno) bis in die Gegenwart an.
Nach der Ausrufung des Königreichs Italien 1861 wurde die Hoffnung der süditalienischen Kleinbauern und Landarbeiter auf eine Umverteilung des Großgrundbesitzes enttäuscht. Durch indirekte Steuern wurde ihre Armut noch verstärkt. Der nach der Staatsgründung eingeführte Freihandel bewirkte einen Konkurrenzdruck, dem der Süden nicht stand halten konnte, und der die wirtschaftliche Weiterentwicklung der Region nachträglich behinderte.
Die zunehmende Verarmung Süditaliens bewirkte eine lange andauernde Abwanderung großer Bevölkerungsteile in den Norden Italiens oder eine verstärkte wirtschaftlich begründete Emigration vor allem nach Amerika. Der Süden Italiens blieb in Folge der sozialen Not lange Zeit ein schwelender Unruheherd mit einem ausgeprägten Banditenwesen, das von den inzwischen entmachteten Bourbonen unterstützt wurde, und das auch nach der Staatsgründung Italiens große Teile der italienischen Armee innenpolitisch band. Später entwickelten sich aus den Banditenbanden verschiedene auch große kriminelle patriarchalische Organisationen heraus, die heute zusammengefasst unter dem Namen Mafia bekannt sind. Die verschiedenen oft gegeneinander konkurrierenden Mafia-Organisationen brachten es teilweise bis zu politischem Einfluss, sowohl in Italien als auch international.
siehe auch
Geschichte Italiens, Koalitionskriege, Lajos Kossuth, Ludwik Mieroslawski,