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Krimkrieg

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Der Krimkrieg fand von 1853 bis 1856 zwischen Russland einerseits und dem Osmanischen Reich (dem Vorläuferstaat der heutigen Türkei), Frankreich, Großbritannien und seit 1855 auch Piemont-Sardinien andererseits statt. Er begann als der siebte russisch-türkische Krieg und erhielt den Namen "Krimkrieg", weil die längsten und entscheidenden Schlachten um die Halbinsel Krim geführt wurden.

Anlass und Ursache des Krimkriegs

Äußerer Anlass des Krieges waren religiöse Konflikte. Russland verlangte zum Schutz der orthodoxen Christen im osmanischen Reich das Protektorat über sie im "Heiligen Land", was vom Sultan des osmanischen Reiches in Konstantinopel (dem heutigen Istanbul) abgelehnt wurde. Die katholischen Franzosen und die protestantischen Briten wollten sich mit einer russischen Vorherrschaft über die Christen in Palästina ebenfalls nicht einverstanden erklären. Nach der Ablehnung der Forderung hatte Russland den Vorwand für die militärische Eskalation des Konflikts. Im Mai 1853 brach Russland zunächst die diplomatischen Beziehungen zu Konstantinopel ab, und begann mit der Besetzung der Donaufürstentümer den Krieg.

Die eigentliche und tiefer liegende Ursache des Krieges war jedoch der innere Zerfall des osmanischen Reiches, durch den Russland eine Chance sah, seinen Machteinfluss in Europa stärker geltend zu machen und insbesondere einen Zugang zum Mittelmeer und auf den Balkan zu bekommen. Die osmanische Herrschaft auf dem Balkan schien gefährdet und Russland drängte darauf, die wichtigen Meerengen des Bosporus und der Dardanellen zu gewinnen. England und Frankreich sperrten sich gegen diese Expansion. Sie wollten nicht, dass diese wichtigen Stützpunkte in russische Hände fallen und unterstützten die Osmanen, um den Status Quo zu erhalten und damit ihre eigene Machthoheit in Südosteuropa an den osmanischen Grenzen zu sichern.

Inkjerman: Zeitgenössische Zeitungsillustration, 1855
Armeelager bei Balaklawa

Verlauf des Krieges

Ende März 1854 erklärten England und Frankreich Russland den Krieg, um eine russische Machtausweitung zu verhindern. Sardinien-Piemont schloss sich 1855 den Alliierten an. Österreich erzwang den Abzug Russlands aus den Donaufürstentümern, ohne der englisch-französischen Flotte, die auf der Krimhalbinsel die Festung Sewastopol belagerte, zu Hilfe zu kommen. So spielte Österreich eine wichtige Rolle im Krimkrieg, auch wenn es sich nicht aktiv am Kriegsgeschehen beteiligte. Der Kampf um die Festung Sewastopol erreichte seinen Höhepunkt und den gleichzeitigen Abschluss nach fast einjähriger Belagerung mit der Erstürmung des Forts Malakoff. Danach zogen sich die russischen Verteidiger von der Halbinsel Krim zurück.

Die wichtigsten chronologischen Daten des Kriegsverlaufs:

  • 3. Juli 1853: Besetzung der Donaufürstentümer durch russisches Militär.
  • 16. Oktober 1853: Offizieller Kriegsbeginn durch die Kriegserklärung des Osmanischen Reiches an Russland.
  • 27. und 28. März 1854: Kriegserklärungen von England und Frankreich gegen Russland
  • 20. April 1854: Abkommen einer Defensivallianz zwischen Preußen und Österreich für die Dauer des Krimkriegs.
  • Von Ende Juli bis September 1854: Räumung der Donaufürstentümer durch Russland auf österreichischen Druck
  • 16. August 1854: Vorübergehende Besetzung der russischen Festung Bomarsund auf Åland in der Ostsee.
  • 14. September 1854: Landung der Alliierten auf der Halbinsel Krim und Beginn der Belagerung Sewastopols.
  • 2. Dezember 1854: "Dezemberbündnis" von Wien zwischen Großbritannien, Frankreich und Österreich gegen Russland
  • 16. Januar 1855: Kriegseintritt Sardinien-Piemonts auf der Seite der Aliierten gegen Russland.
  • 22. Mai 1855: Erfolglose Kriegsexpedition von Einheiten der britischen und französischen Marineflotte ins Asowsche Meer.
  • 8. September 1855: Militärische Kriegsentscheidung durch die alliierte Eroberung Sewastopols nach 349 Tagen Belagerung (Schlacht um Malakow), was die Niederlage Russlands bedeutet.
  • 30. März 1856: Offizielles Ende des Krimkriegs im Frieden von Paris, den die Teilnehmer des osmanischen Reichs, Russlands, Sardiniens, Frankreichs, Großbritanniens, Österreichs und Preußens unterzeichnen. Rückgabe der besetzten Gebiete durch Russland. Bis auf die Preisgabe Bessarabiens bleibt das Territorium Russlands jedoch unangetastet. Die Integrität des Osmanischen Reiches wird garantiert. Das Schwarze Meer wird entmilitarisiert.

Folgen des Krimkriegs

Ein Resultat des Krimkriegs war das Ende der Heiligen Allianz zwischen Österreich, Russland und Preußen, das im Krieg neutral geblieben war. Preußens und Russlands Beziehungen verbesserten sich. Österreichs Beziehungen zu Preußen wurden angespannter, zu Russland zerrütteten sie. Österreich lief Gefahr, von England und Frankreich unter Napoleon III., das diplomatisch ebenfalls näher an Russland heran rückte, isoliert zu werden. Die bisherige Vormachtstellung Österreichs im Deutschen Bund wurde ersetzt durch die zunehmende Entfaltung Preußens unter dem Ministerpräsidenten Otto von Bismarck. Damit veränderte sich langfristig die zwischenstaatlich seit dem Wiener Kongress trotz vieler inneren Unruhen in den jeweiligen Staaten seither relativ stabil scheinende europäische Mächtekonstellation nachhaltig zu Ungunsten Österreichs. Die Schwächung Österreichs führte andererseits zu einer Stärkung der Position Sardinien-Piemonts, das seit der 1848er-Revolution eine Vorreiterrolle in der italienischen Einigungsbewegung, des "Risorgimento" unter monarchistischem Vorzeichen hatte. Im Bündnis mit Frankreich und anderen Staaten konnte die Einigung Italiens unter König Viktor Emmanuel II. gegen Österreich bis 1861 durchgesetzt werden.

Bedeutung des Krimkriegs

Der Krimkrieg war der erste moderne Krieg der Weltgeschichte. Heute ist er in der Öffentlichkeit fast vergessen, obwohl er militärhistorisch und politisch für die Machtentwicklung und -verteilung unter den europäischen Staaten eine hohe Bedeutung hat. Diesbezüglich bildete der Krieg bzw. das Friedensabkommen von Paris die zweite machtpolitische Zäsur des 19. Jahrhunderts in Europa nach dem Wiener Kongress von 1815.

Im Krimkrieg kamen erstmals Dampfkanonenboote (Ironclads) zum Einsatz sowie die moderne Artillerie mit Explosivgranaten. Er war der erste Graben- und Stellungskrieg der Geschichte. Zum Einsatz kamen ebenfalls erstmalig der Telegraph und die Eisenbahn zum Nachschub von Mensch und Material.

Erstmals konnten Kriegsberichterstatter, unter ihnen der Brite William Howard Russell, der für seine Reportagen von der Krim berühmt wurde, ohne Zeitverlust Berichte an Zeitungen senden. Dabei kam es zu einem Eklat in England. Durch Fehler eines Offiziers starben bei einer Attacke mehr als 900 britische Kavalleristen in weniger als 20 Minuten. Die Zeitung London Times berichtete bereits am selben Abend über die militärisch sinnlose Attacke. Des weiteren gab es zum ersten mal Fotoreportagen aus einem Krieg, die auch dessen Elend und nicht mehr nur die heroische Seite darstellen konnte.

Kriegsopfer, Reform des britischen Lazarettwesens

Alles in allem erlitten die Briten die schwersten Verluste in dem auch insgesamt sehr opferreichen Krieg mit etwa einer halben Million Toten. Ein großer Teil der Soldaten kam nicht nur durch Kampfhandlungen ums Leben, sondern auch durch Hunger und Mangelkrankheiten, sowie durch fehlende Hygiene in den unzureichend ausgestatteten Lazaretten für die Verwundeten. In diesem Zusammenhang von Bedeutung ist die Betreuung der Verwundeten durch Florence Nightingale, die im Krimkrieg den Beinamen "Engel der Verwundeten" erhielt. Die in einer Diakonissenanstalt im deutschen Kaiserswerth ausgebildete Krankenschwester war in England auf die erbärmliche Lage im Krieg aufmerksam geworden. Bedingt durch diese Zustände engagierte sie sich für die Reform des Versorgungs- und Lazarettwesens, wozu sie schließlich auch von der englischen Regierung beauftragt wurde. Schon mit der Einführung einfacher Hygienemaßnahmen konnte sie die Sterblichkeitsrate in den englischen Lazaretten deutlich senken. Wenige Jahre nach dem Krieg gründete Florence Nightingale eine eigene Schwesternschule in London, wo sie die Krankenpflege zum Lehrberuf machte.

Randnotiz

Die in den folgenden Jahren im Ruhrgebiet zur Kohleförderung errichteten Türme erhielten die Bezeichnung Malakoffturm nach den Türmen des Fort Malakoff bei Sewastopol, um das sich die entscheidende Schlacht des Krimkriegs drehte. Durch ihre massive Bauweise in Ziegelstein und ihren aus dem Festungsbau entlehnten architektonischen Elemente wurde für die Türme dieser Name gewählt.

Siehe auch: Liste von Kriegen, Liste von Schlachten