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Alija Izetbegović

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Alija Izetbegović (* 8. August 1925 in Bosanski Samac, † 19. Oktober 2003 in Sarajewo) war ein bosnischer Politiker und islamischer Aktivist. Er war von 1990 bis 1992 Präsident der jugoslawischen Teilrepublik Bosnien und von 1996 bis 2000 Mitglied des kollektiven Staatspräsidiums Bosnien-Herzegowinas. 1992 erklärte er die Unabhängigkeit Bosniens, was zum Krieg mit Serbien führte.

Izetbegović wurde als Sohn eines Buchhalters in der nordbosnischen Stadt Bosanski Samac geboren. In den 1930er Jahren übersiedelte die Familie nach Sarajewo. Dort wächst Alija unter slawischen Muslimen auf.

Während des 2. Weltkriegs schließt er sich der Gruppe der Jungen Muslime an und zwar jener Fraktion, die mit den von den Nazis gesponserten und von der SS organisierten Handzar-Divisionen kämpft. Wegen dieser Aktivitäten muss er nach Titos Regierungsantritt 1946 für drei Jahre ins Gefängnis. Nach seiner Freilassung studiert er in Sarajewo Jura und bleibt weiter politisch aktiv.

1970 gibt er das Manifest Die islamische Deklaration heraus, das später seinen serbischen Gegnern als Beweis für sein fundamentalistischen Anschauungen dienen soll. 1980 erscheint sein Buch Der Islam zwischen Ost und West, in dem er versucht zu definieren, welchen Platz der Islam unter anderen großen Ideen einnimmt. Wegen der islamischen Deklaration, die damals Zeit unter bosnischen Muslimen kursierte, wurde er 1983 zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt. Die kommunistische Regierung warf ihm verschwörerische Pläne zur Errichtung eines islamischen Staates vor. Er wurde allerdings 1988 schon wieder frei gelassen.

1990 gründet er gemeinsam mit Fikret Abdić, der später zu seinem Rivalen wird, die Partei der demokratischen Aktion (SDA). Sie geht - ebenso wie die national ausgerichteten Parteien der Kroaten (HDZ) und der Serben (SDS) - aus nach den ersten freien Wahlen nach dem Ende des Kommunismus als Sieger hervor. Die drei Parteien bilden eine Koalition, in der Izetbegović neben einem serbischen Parlamentssprecher und einem kroatischen Ministerpräsidenten Präsident der jugoslawischen Teilrepublik Bosnien wird.

Nachdem Slowenien und Kroatien ihre Unabhängigkeit von Jugoslawien erklärt hatten, stand die Frage im Raum, wie sich Bosnien verhalten würde. Izetbegović war zunächst für den Verbleib Bosnien-Herzegowinas bei Restjugoslawien und sprach sich für eine "gesunde Föderation" aus. Doch bald entwickelte sich die Lage so, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als die Unabhängigkeit anzustreben. Slobodan Milosevic verhandelte mit Franjo Tudjman über die Aufteilung Bosnien-Herzegowinas. Gleichzeitig machte die Jugoslawische Armee für den Fall einer Unabhängigkeitserklärung mobil. Am 15. Jänner erkannte die Europäische Union Slowenien und Kroatien als souveräne Staaten an und stellte auch Bsonien Herzegowina die Anerkennung in Aussicht, falls die Bevölkerung in einem Referendum für die Unabhängigkeit votieren sollte. Dennoch unterzeichnete Izetbegović noch am 23. Februar 1992 ein Abkommen über die Bildung einer Konföderation mit den bosnischen Serben und Kroaten. Nachdem sich am 26. Februar Vertreter der bosnischen Kroaten und Serben getroffen hatten, um über die Aufteilung des Territoriums zu verhandeln, änderte er allerdings seine Meinung. Am 29. Februar ließ er das von der EU nahe gelegte Referendum abhalten. Kroaten und Muslime stimmten mit über 90% dafür, die Serben boykottierten die Abstimmung.

Am 5. April 1992 kam es in Sarajewo zu Straßenkämpfen. Am 6. April erklärte Izetbegović Bosnien für unabhängig. Während des darauffolgenden Krieges zeigte er sich nicht bereit, die Souveränität Bosniens gegen den Frieden einzutauschen, zumal seine Seite eher an Stärke gewann.

Nach dem Massaker von Srebrenica verschärften die USA unter Bill Clinton und die internationale Staatengemeinschaft ihren Druck für den Frieden und es gelang ihnen schließlich, Izetbegović, Franjo Tudjman und Slobodan Milosevic zum Unterzeichnen des Friedensvertrages von Dayton zu bewegen.

Alija Izetbegović vertrat ab 1996 im kollektiven Staatspräsidium von Bosnien-Herzegowina die Muslime, bis er sich 2000 aus gesundheitlichen Gründen zurückzog.

Am 10. September 2003 erlitt er bei einem Sturz nach einem Ohnmachtsanfall in seinem Haus 4 Rippenbrüche und innere Blutungen. Am 16. Oktober 2003 wurde er auf die Intensivstation verlegt, nachdem Herzprobleme hinzukamen. Am Vortag seines Todes besuchte ihn der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. Izetbegović schien zu ahnen, dass er nicht mehr genesen werde. Er rief in einem Telefoninterview mit dem Fernsehsender Hayat zur Versöhnung auf und mahnte, dass die Republik Bosnien-Herzegowina nur überleben würde, wenn der Hass zwischen den Völkern überwunden werde. Serben, Kroaten und Muslime sollten ihrer nationalen Identität treu bleiben, aber sie sollten alle Bosnier sein.

Der internationale Bosnien-Verwalter Paddy Ashdown würdigte Izetbegovićs politsche Arbeit mit der Anspielung auf seinen Spiztnamen Dedo (Großvater) bei seinen Anhängern: Er war im wahrsten Sinne der Vater seines Volkes, ohne ihn würde Bosnien-Herzegowina vermutlich nicht existieren. Zugleich rief Ashdown die Bosnier auf, als Vermächtnis Izetbegovićs, weiterhin an der Zukunft ihres Landes zu arbeiten.