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Röcken

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Vorlage:Infobox Ort in Deutschland

Dorfbild Röcken mit Kirche
Ortseingang Röcken mit B 87 aus Richtung Weißenfels
Teichanlage in Röcken
Kirche in Röcken mit Familiengrabstätte Nietzsche
Altar und Kanzel der Kirche in Röcken
Epitaph eines der letzten Ritter von Kratzsch in der Kirche Röcken
Geburtshaus Friedrich Nietzsches mit Skulpturengruppe "Röckener Bacchanal"
Friedrich Nietzsche

Röcken ist eine Gemeinde im Landkreis Weißenfels in Sachsen-Anhalt, die der Verwaltungsgemeinschaft Lützen-Wiesengrund angehört und sie ist Teil der international bekannten Geschichts- und Kulturregion Lützen und Umgebung.


Geografische Lage, Geschichte und Vegetation

Die Gemeinde Röcken liegt zwischen Weißenfels und Lützen südwestlich der etwa 20 Kilometer entfernten Stadt Leipzig in der Leipziger Tieflandsbucht und bildet durch die bisher nicht erfolgten Eingriffe in die Landschaft aufgrund des Braunkohlenbergbaus ein Fragment der ursprünglichen Kulturlandschaft. Damit erhielt sich der Charakter dieses flachen Landschaftsgebietes, der durch die flurmäßige Anordnung weiträumiger Felder und aus Dörfern mit Weihern gekennzeichnet ist.

Der Ort wurde 1232 erstmals urkundlich erwähnt. Die Gründung erfolgte jedoch weit früher, vermutlich durch sorbische Siedler. Röcken, von fruchtbaren Feldern mit hochwertigem Lössboden umgeben, war von Anbeginn ein Bauerndorf mit einem Rittergut sowie Klein- und Mittelbauern. Das Dorfbild veränderte sich auch im 19. Jahrhundert nicht, als die Industrialisierung in der näheren Umgebung Struktur- und Arbeitsveränderungen mit sich brachte. Der an Röcken vorbeiführende historische Verkehrsweg Via Regia von Frankfurt am Main nach Leipzig führte dazu, dass der Ort, auch durch die unmittelbare Nähe zur zwei Kilometer entfernten Stadt Lützen, mit Ereignissen mitteldeutscher Geschichte verbunden ist. Am 15. November 1632, dem Vorabend der Schlacht bei Lützen, zog der König von Schweden, Gustav Adolf, bereits in Schlachtordnung auf dieser Straße an Röcken vorbei auf Lützen zu, um dort in Stellung für die am darauf folgenden Tag stattfindende Schlacht zu gehen, nachdem er in Pörsten und Poserna unweit von Röcken kaiserliche Kroaten besiegt hatte.

Die Kirche in Röcken

Die Kirche in Röcken wurde in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts erbaut und ist bis heute weitestgehend in ihrem Urzustand erhalten geblieben. Sie gehört mit ihrem Wehrturm zu den ältesten Kirchenbauten der Region um Lützen. Sehenswert sind die romanischen Pfeiler mit Palmettenornament im Kircheninneren und zwei Epitaphien der letzten Ritter von Kratzsch aus dem 17. Jahrhundert. Unter dem frühkindlichen Eindruck dieser Epitaphien stilisierte der jugendliche Friedrich Nietzsche im Nachhinein das Epitaph des Ritters in Rüstung aufgrund von Ähnlichkeitsmerkmalen zur Erscheinung des heiligen Georg in seiner ersten Autobiographie "Aus meinem Leben" von 1858: "(...) in der düstern Sakristei der Kirche stand an der einen Seiten das übermenschliche Bild des Heiligen Georg, von geschickter Hand in Stein gegraben. Die hehre Gestalt, die furchtbaren Waffen und das geheimnisvolle Halbdunkel ließen mich ihn immer nur mit Scheu betrachten. Einst, so geht die Sage, sollen seine Augen erschrecklich gefunkelt haben, so daß alle,die ihn angesehen hätten, mit Grausen erfüllt worden wären." In dieser Kirche wurde die Eltern Friedrich Nietzsches am 10. Oktober 1843 getraut und er selbst am 24. Oktober 1844 durch seinen Vater Carl Ludwig Nietzsche auch getauft.

Friedrich Nietzsche und Röcken

Der bedeutendste Einwohner von Röcken war der hier am 15. Oktober 1844 im Pfarrhaus von Röcken geborene Philosoph Friedrich Nietzsche, der mit seinen Werken Weltruhm erlangte und in Röcken am 28. August 1900 auch bestattet wurde. Friedrich Nietzsches Vater Carl Ludwig Nietzsche war von 1842 bis 1849 Pfarrer des Kirchspiels Röcken. Das 1825 erbaute Geburtshaus Friedrich Nietzsches ist bis heute das Pfarrhaus der Kirchengemeinde Röcken.

Pfarrhaus von Röcken um 1900


Friedrich-Nietzsche-Gedenkstätte in Röcken

Auf dem Kirchenareal befindet sich in einem Nebengebäude die museale Nietzsche-Gedenkstätte mit Dauerausstellung zum Thema "Friedrich Nietzsche und Röcken", die durch die „Freunde von Röcken“ nach 1990 schrittweise aufgebaut wurde und 2003 eine umfassende Sanierung sowie Erweiterung erfuhr. In drei Räumen werden Nietzsches Kindheit, dessen Verhältnis zum Christentum und die Geschichte seiner Ruhestätte aufgezeigt. Die Gedenkstätte befindet sich in Trägerschaft des Evangelischen Kirchspiels Lützener Land. Geburtshaus, Taufkirche, Dorfschule und das Familiengrab bilden ein museales Ensemble, das Einblick in die Lebenswelt der ersten Kindheitsjahre Friedrich Nietzsches gibt.

Grabstätte Friedrich Nietzsches und seiner Familie

Die Gräber von Friedrich Nietzsche und seiner Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche sowie der Eltern Carl Ludwig Nietzsche und Franziska Nietzsche, geborene Oehler und des kleinen Bruders Ludwig Joseph Nietzsche befinden sich in der Familiengruft an der Kirche in Röcken. Mit Beschluss des Rates des Kreises Weißenfels vom 31.12.1986 wurde das Familiengrab Nietzsche "wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen bzw. wissenschaftlichen Bedeutung für die sozialistische Gesellschaft", wie es in der damaligen Begründung hieß, unter Denkmalschutz gestellt.

Im Jahr 2000 wurde zum 100. Todestag Friedrich Nietzsches neben der Kirche auf dem ehemaligen Friedhof die vom Künstler Klaus Friedrich Messerschmidt geschaffene Skulpturengruppe "Röckener Bacchanal" eingeweiht, die Friedrich Nietzsche in verschiedenen Situationen seines Lebens stehend an seinem Grab zeigt und einem Traum Nietzsches nachempfunden wurde. Die Figuren entsprechen in ihrer Modellierung den realen Körpergrößen Friedrich Nietzsches und seiner Mutter Franziska Nietzsche.

Braunkohlenlagerstätte und Abbaupläne

Der Ort Röcken zählt aufgrund seines kohleführenden Untergrundes mit zur Braunkohlenlagerstätte, die sich unter und um Lützen befindet und gehört geologisch zum Weißelsterbecken der Leipziger Tieflandsbucht. Bereits 1920 wurde südöstlich von Röcken der Tagebau Gustav Adolf aufgeschlossen. Aufgrund von Problemen mit dem Grundwassersystem musste der Abbau aber bereits 1929 eingestellt werden. Ein markanter Bauzeuge aus dieser Zeit ist die noch existierende, allerdings verfallene Kohlebeschickungsanlage, die unweit von Röcken parallel zur bereits zurückgebauten Bahnstrecke gebaut worden war. Nach 1990 wurde die Kippe des Tagebaus mit Weichholzgewächsen aufgeforstet.

Datei:Kohlebeschickungsanlage Röcken.jpg
Ehemalige Kohlebeschickungsanlage bei Röcken

Umfassende Abbaupläne in Gestalt eines Großtagebaus wurden in der Folgezeit, insbesondere während des des Bestehens der DDR nicht mehr verwirklicht, wenn auch 1984 bis 1985 Erkundungsbohrungen auf Veranlassung der Bezirksplankommission des Bezirkes Halle im Feld Lützen durchgeführt wurden, die eine spätere Devastierung der Gemeinde Röcken im Rahmen der von der SED verkündeten Energiewirtschaftspolitik zur "radikalen Ausbeutung aller Braunkohlelagerstätten" frühestens nach dem Jahr 2000 vorsahen.

Anfang Februar 2006 gab die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft bekannt, Probebohrungen zur Untersuchung der Kohlequalität in den Gemeinden Röcken und der Nachbargemeinde Sössen hinsichtlich einer etwaigen späteren Erschließung durchzuführen. Diese Probebohrungen begannen am 20. Juli 2006 auf dem Territorium der Gemeinde Sössen, was den Protest der Einwohner hervorrief. Daraufhin verkündete am 18. Dezember 2006 der Gemeinderat von Röcken, alle Möglichkeiten für den Erhalt seiner Ortschaften auszuschöpfen. Nach deren Meinung würde die Erschließung des Tagebaus Lützen und die damit verbundene Einbeziehung und Devastierung der Orte Stößwitz, Sössen, Gostau, Kölzen, Röcken, Michlitz, Bothfeld und Schweßwitz sowie von Teilen der Gemarkung der Stadt Lützen bedeuten, dass eine international bekannte europäische Geschichts- und Kulturregion verloren gehen würde, die auch Friedrich Nietzsche nachhaltig in seiner Entwicklung beeinflusst hat. Am 10. Februar 2007 erklärten die gegen den Braunkohlenabbau agierenden Bürgerinitiativen von Röcken und Sössen ihren Zusammenschluss und den Beitritt zum Aktionsbündnis "Zukunft statt Braunkohle" in Schneidlingen. Bei einer daraufhin gestarteten Bürgeranhörung in der Gemeinde Röcken stimmte eine Mehrheit von 64 % der stimmberechtigten Einwohner gegen Probebohrungen auf gemeindeeigenen Flächen.