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Karlspfund

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Das Karlspfund ist eine aus der Zeit Karls des Großen stammende Masseneinheit. Attestiert seit dem Jahr 780, diente sie sowohl als Handelsgewicht, als auch als Münzgewicht.

Sein Initialgewicht kann heute nur noch durch das Wiegen erhaltener mittelalterlicher Münzen bestimmt werden, wobei aber Streuungen von mehreren Prozent auftreten.
Oft wird in der Literatur das Karlspfund mit 408,25 Gramm oder nur mit ca. 408 g[1] angegeben. Letzteres entspricht einem Denar (oder Pfennig)  zu genau 1,7 g.

Moderne historische Metrologen gehen heute gerne von dem arbiträren, 7-glatten Wert von 406,4256 ± 2,4 g aus. Dies bedeutet eine metrologische Steuung von knapp 0,6%.
Das Karlspfund wird demnach  – je nach seiner späteren regionalen Ausbildung bzw. seinen nationalen Ableitungssystemen –  zwischen ca. 404 und knapp 409 g angesetzt.


Bedeutung des Karlspfunds

Das Karlspfund hat auch über seine von ihm abgeleiteten Gewichte, wie das Livre tournois und den Poids de marc, sowie später auch z.B. der Kölner Mark bis weit ins 19. Jahrhundert eine herausragende Bedeutung. Das Englische Pfund ist wohl ebenfalls  − über das Livre de Troyes und das Englische Tower-Pfund −  vom Karlspfund abgeleitet.


Herleitung des Karlspfunds

Noch nicht geklärt ist die genaue Herleitung des Karlspfunds selbst. Es fällt aber auf, dass das Karlspfund bei oben genanntem Wert genau einem Vierundsechtigstel der Wassermasse des römischen Kubikfuß entspricht. Schriftliche Belege aus dem frühen Mittelalter gibt es dazu nicht. Herleitungen der Gewichte von der Masse des Wassers sind schon seit der Antike, auch im Zusammenhang mit Wasseruhren, attestiert. Die Reinheit und die Temperatur des Wassers spielen dabei auch, aber eine relativ nicht so entscheidende Rolle.[2]


Ableitungen des Karlspfunds

Französische Ableitungen

Seit der Mitte des 12. Jahrhunderts entwickelten sich in Frankreich verschiedene Varianten des Karlspfundes, die zu verschiedenen Zeiten legale Gültigkeit hatten.

  • Das Pariser Pfund (Libra parisi) zu knapp 460 g ist seit Karl dem Dicken bezeugt und beträgt neun Achtel des Karlspfundes.
  • Zu Beginn des 13. Jahrhunderts galt in Frankreich das Livre tournois, das Pfund der Stadt Tours, das mit dem gleichzeitig in Troyes geltenden, frühen Livre de Troyes identisch war.
    Die Ratio des Livre tournois beträgt genau 9 : 10  bezüglich des Karlspfundes.
  • Gleichzeitig entstand in Troyes ein neues System, das spätere Livre de Troyes. Dieses galt spätestens seit 1266 in ganz Frankreich bis 1793.
    Es wird auch oft das Pfund der poids-de-marc genannt. Seine Ratio bezüglich des Karlspfundes beträgt  12 : 10.

Die sehr früh und direkt aus Frankreich übernommenen, englischen Pfundwerte belegen, dass auch in Frankreich sicherlich lange ein etwas geringerer Wert für das Karlspfund galt.

Der Wert des Pfunds der poids de marc entspricht aber auch sehr genau einem 70.stel der Wassermasse eines französischen Kubikfußes. So liegt der Schluss nahe, dass es genau deshalb in Frankreich zu einer leichten Erhöhung der Gewichtsmaße gekommen ist. Dieses identifizierte, "französische Gewichtskomma" beträgt etwa 3136 : 3125, also nur ca. +0,35%.


  Pfund
Ratio
glatte Werte
3136 : 3125 
empirisch  
Livre de Troyes
6 : 5
487,71072  g
~ 489,43  g
ca. 489,5  g
Livre parisi
9 : 8
457,22880  g
~ 458,84  g
ca. 459,0  g
Charlemagne
1 : 1
406,42560  g
~ 407,86  g
ca. 408,0  g
Livre tournois
 9 :10
365,78304  g
~ 367,07  g
ca. 367,0  g


Das Livre de Troyes, also das Pfund der poids de marc betrug bei seiner Ersetzung durch das Dezimalsystem Ende des 18. Jahrhunderts (9216/18,82715=) etwa 489,50585 g.[3]
Anmerkung:  Beide Begriffe, sowohl der des "Livre de Troyes", als auch der des "Livre tournois", werden heute nicht selten synonym zum "Pfund der poids-de-marc" verwendet.


Englische Ableitungen

Das Englische Gewichtssystem (Troyweight)  wurde aus Frankreich übernommen. Dabei hielt man sich an die alten Werte des Livre troyen, d.h. zwölf Zehntel Karlspfund.
So lassen sich auch leicht die verschiedenen Ratios direkt zum Karlspfund angeben:


  Pfund
Ratio
glatte Werte
offiziell (1958)[4]
London
225 : 196
466,5600  g
466,552 15200  g
Englisches
125 : 112
453,6000  g
453,592 37000  g
Merchant
625 : 448
437,4000  g
437,392 64250  g
Karlspfund
1 : 1
406,4256  g
406,418 76352  g
Troy
45 : 49
373,2480  g
373,241 72160  g
Tower
675 : 784
349,9200  g
349,914 11400  g


Die metrologisch glatten Werte differieren bezüglich der offiziellen Werte (1958)  nur um etwa 0,0017%. Die Ersteren stimmen mit einem englischen Gran von genau 64,8 mg überein.

Bei der Entstehung des englischen Systems müsen die englischen Metrologen den Weg über ein 10 000 Englische-Grain-Pfund  von 648 g  gegangen sein. Dieses entsteht aus der sehr einfachen Ableitung:  Karlspfund × 12/10 × 16/12. Da dies aber  – wohlgemerkt, ausgehend von einem Karlspfund zu 406,4256  g –  einen Wert ergibt, der um genau das oben genannte französischen Gewichtskomma zu groß ist, (nämlich 650,28096 g,)  so müssen  – da gibt es gar keine andere Möglichkeit –  die englischen Metrologen zwar das noch das "gute Pfund" aus Troyes geerbt haben, um dann aber, im Laufe der Jahrhunderte, ihrerseits, durch Ungenauigkeiten in der Bewahrung des Maßes, ein "englisches Gewichtskomma"  von 3125 : 3136, d.h. dem Reziprokwert des französichen Gewichtskommas, zu kommen.

In Zahlen:  406,4256 × 12/10 × 16/12 × 3125/3136  =  648,0000 Gramm.

(Bleibt noch das sehr geringfügige  "englische Zusatz-Gewichtskomma, 1958"  von:  27 × 34 × 54  :  11 × 97 × 6073  um auf den gesetzlichen Wert des Grains von 1958 zu kommen.)



Ableitungen im Deutschen Reich

Auch viele wichtige Gewichte im Deutschen Reich, wie zum Beispiel das Wiener Pfund, die Kölner Mark und das Nürnberger Apothekerpfund sind vom Karlspfund abgeleitet.
So beträgt die Ratio zum Beispiel der Kölner Mark zum Karlspfund genau 576 : 1000.


  Gewicht
Ratio
glatte Werte
empirisch[5]
Abweichung
Wiener Pfund
 864 : 625 
561,842 74944 g
561,288 g
- 0,099 %
Kölner Pfund
144 : 125
468,202 29120 g
467,6246 g
- 0,123 %
Karlspfund
1 : 1
 406,425 60000 g 
408,0 g
+ 0,387 %
Apothekerpfund
216 : 245
358,318 08000 g
357,84 g
- 0,133 %
Wiener Mark
432 : 625
280,921 37472 g
280,644 g
- 0,099 %
Kölner Mark
  72 : 125
234,101 14560 g
233,8123 g
- 0,123 %


Die relativ große Abweichung des empirischen Karlspfund von knapp 0,4 %  – was aber auch noch innerhalb des für alte Gewichte festzustellenden Variationskoeffizienten liegt –  bezieht sich auf das spätere, französische, leicht größere Karlspfund. (Siehe oben.)

Die sogenannte Zollvereinsmark wurde 1834 auf 233,8555 g festgesetzt, also nur ca. 0,105 % weniger als der glatte Wert. Die Kölner und die Wiener Mark stehen im Verhältnis 10 : 12.


Karolingisches Pfenniggewicht

In der Karolingerzeit galt der Schilling (lat. solidus) nur als Recheneinheit. Er wurde nicht geprägt. Aus einem Pfund Silber wurden aber 240 karoligischen Silberpfennige geprägt.

Bei historischen Längenmaßen liegt der Variationskoeffizient im allgemeinen unter 1/500, was eine Genauigkeit von ± 0,2 % bedeutet. So gelten bei den Längenmaßen z.B. 1/2400 oder 1/4374, also die 7-glatten Ratios 2401 : 2400 und 4375 : 4374, sowie ihre Reziprokwerte nicht als eigentliche Ratios, sondern nur als Kommata. Es handelt sich um das gleiche Maß.

Bei antiken und mittelalterlichen Gewichtsmaßen muss eine Schwankungsbreite von etwa (1,0023 -1 =)  3/500 angesetzt werden. So kann z.B. die Ratio 225 : 224, die bei Längenmaßen eigene Maße begründet, (cf. Heraion Fuß vs. römischer Fuß,) bei den Gewichten noch als Komma gelten. Bei mittelalterlichen Gewichten wird die Ratio 126 : 125, sowie ihr Reziprokwert, noch als letztes, höheren metrologischen Präzisionsansprüchen gerecht werdendes Komma angesehen.

Zu beachten ist, dass die Variationskoeffizienten dann ab etwa der Renaissancezeit natürlich erheblich kleiner werden. Außerdem muss unterschieden werden, zwischen den eigentlichen und bekannten Werten der Maße selbst und den bei "Massenproduktion" unweigerlich auftretenden Toleranzen. Damals, rein technisch bedingt, nicht besser als: Denare von 1,6 bis 1,8 g.
(Auch heute, obwohl der Meter auf neun Dezimalstellen genau definiert ist, lässt die moderne, sehr präzise Industrieproduktion Toleranzen von oft sogar mehr als ± 0,5 % zu.)


   Pfundgewicht       Komma    Pfenniggewicht   Qualifizierung des Münzgewichts „Wasserfuß“
 409,677 0048  g 126 : 125 1,706 98752  g    übergewichteter karolingischer Pfennig  ~ 297,1 mm
  etwas schwerer karolingischer Pfennig
 408,240 0000  g 225 : 224 1,701 00000  g   ~ 296,7 mm
  gewichteter karolingischer Pfennig
 406,425 6000  g 1 : 1 1,693 44000  g   ~ 296,3 mm
 
 404,619 2540  g 224 : 225 1,685 91360  g   ~ 295,9 mm
  etwas leichter karolingischer Pfennig
 403,200 0000  g 125 : 126 1,680 00000  g   ~ 295,5 mm
  untergewichteter karolingischer Pfennig
Dieser alte, abgenutzte Denier z.B. wiegt nur 1,19 Gramm.


Tatsächlich gibt es unter den erhaltenen, karolingischen Silberpfennigen sowohl einige übergewichteter, als auch, noch mehr, untergewichteter Exemplare, schon weil Silbermünzen keine  – auch damals nicht –  geeichten Gewichtssteine für eine Präzisionswaage darstellen. Dazukommend:  Zwar blieb das Karlspfund als Gewicht stabil, bekannt und erhalten, trotzdem kam es bald durch leichtere Ausprägungen zur Steigerung des Schlagschatzes zum Rückgang des tatsächlichen Münzgewichts. Das heißt, um ein Karlspfund auf der Waage aufzuwiegen, mussten bald mehr als die theoretischen 240 Denare in die andere Waagschale gelegt werden (cf. Inflation).


Vereinfachter Wert des Karlspfundes

  • Als bester vereinfachter Wert des Karlspfundes ist wohl nur der Wert 406 ½ Gramm zu nennen.
    Der einzige Nachteil dieses Wertes ist, dass für den Denar mit 1,69375 g, im Wert sich dann doch wieder rechnerisch eine fünfstellige Nachkommazahl ergibt.
  • Der Wert 406 g ergäbe einen Periodenwert für den Denar. Dieser Wert wird aber dennoch durch die Zollvereinsmark gestützt:  406 × 0,576  =  233,856 Gramm.
  • Der Wert 408 g ist sicher nicht falsch, wenn auch etwas hoch. Er ergibt sich praktisch auch als zehn Zwölftel des alten französischen Pfundes.
    Außerdem ist dieser Wert der einzige mit nur einer einstellige Nachkommazahl für den Denar und bleibt somit akzeptabel.
  • Werte wie (240 × 1,701 =)  408,24 g  bzw. dann auf 408,25 g  gerundet, erscheinen völlig aus der Luft gegriffen.  (Französischen Ursprungs?)
  • Der arbiträre Definitionswert von 406,4256 Gramm ist zwar kein dezimal vereinfachter Wert, sondern eben 7-glatt. Er stellt somit eine moderne Over-all-Rundung aller, auch der später vom Karlspfund abgeleiteten Gewichte dar. 7-glatten Werte behaupten aber nicht, die karolinger Metrologen hätten ihren Pfundwert bis in die zehntel Mikrogrammpräzision bestimmen können, noch dass die Wissenschaft heute den historischen Wert mit ebendieser Präzision feststellen könnte.



Referenzen

  1. Dr. R. Leng, Universitat Würzburg:  Denar Karls des Großen  5. Gewichtspfund und Rechenpfund:  "Ein karolingisches Pfund besaß ca. 408 gr."
  2. Computer Support Group: Wassermasssenberechnung
  3. Französisches Industrieministerium: Altes französisches Pfund
  4. Angloamerikanisches Maßsystem #Massemaße
  5. Meyers Konversationslexikon, 1892