Zum Inhalt springen

Linksextremismus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 30. Juni 2007 um 18:50 Uhr durch Pausenclown (Diskussion | Beiträge) (bitte niemals unbelegte Aussagen ohne Referenzen einschmuggeln; feigen IP-Vandalismus wieder revertiert). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Linksextremismus ist ein Sammelbegriff für Ideologien und Aktivitäten von Gegnern als parlamentarische Demokratie verfasster Staaten, die deren Gesellschaftssystem durch ein radikal-egalitäres ersetzen wollen.

Oft wird der Begriff synonym mit Linksradikalismus verwendet, ist jedoch in der Regel negativer besetzt. Zur Selbstbeschreibung entsprechender politischer Strömungen wird meist der Begriff „linksradikal“ gebraucht. Der Begriff „Linksextremismus“ dient eher der Zuschreibung von außen und wurde in der Bundesrepublik Deutschland von Verfassungsschutz-Behörden eingeführt. Die Medien verwenden ihn seit den 1970er Jahren, in der Politologie ist der Begriff „Extremismus“ allerdings umstritten.[1][2]

Bundesrepublik Deutschland

Staatliche Definition

Siehe auch: Bundesamt für Verfassungsschutz

Unter dem Begriff Linksextremismus erfassen die Behörden deutschsprachiger Länder und StaatenGegner grundlegender Verfassungsprinzipien aus dem Lager der politischen Linken.

Der bundesdeutsche Verfassungsschutz beschreibt Linksextremisten wie folgt:[3]

Als erklärte Gegner der von ihnen als kapitalistisch, imperialistisch und rassistisch diffamierten rechtlichen und gesellschaftlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland streben Linksextremisten nach wie vor die 'revolutionäre', d.h. grundlegende Umwälzung dieser Ordnung an. Alle Linksextremisten bekennen sich dabei grundsätzlich zur 'revolutionären Gewalt'. Ihre Aktivitäten zielen je nach ideologischer Ausrichtung – revolutionär-marxistisch oder anarchistisch orientiert – auf die Errichtung eines sozialistisch/kommunistischen Systems bzw. einer 'herrschaftsfreien' Gesellschaft ('Anarchie') ab.

Diese Beschreibung fasst unterschiedliche Weltanschauungen und Strömungen des Marxismus, Antikapitalismus, Anarchismus und Antiimperialismus zusammen, sofern diese eine gewaltsame Änderung des rechtsstaatlichen Systems der Bundesrepublik in Richtung des Sozialismus, Kommunismus oder einer Anarchie anstreben. Das Ziel gewaltsamer Systemveränderung verbindet solche Gruppen mit anderen „Extremisten“, die ebenfalls die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik oder eines ihrer Länder angreifen, indem sie die Amtsführung der Verfassungsorgane auf ungesetzliche Weise beeinträchtigen.[4]

Alle Extremisten missachten aus Sicht der Verfassungschutzbehörden demokratische Mehrheitsentscheidungen und lehnen deren Voraussetzung, das staatliche Gewaltmonopol, ab. Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gelte ihnen wenig bis nichts. Ihr Handeln und dessen Folgen seien totalitär und diktatorisch und bedrohten damit die Freiheit des Einzelnen.

Dabei würden Linksextremisten geschickt Traditionen der Aufklärung benutzen, um sich als Radikaldemokraten darzustellen, die vorgeblich Unterdrückung und illegitime Herrschaft bekämpfen. Sie beanspruchten Frieden und soziale Gerechtigkeit als Ziele und sähen sich als Speerspitze des sozialen Fortschritts. Damit mobilisierten sie vorhandene antiautoritäre Stimmungen nicht für mehr, sondern gegen die bestehende Demokratie. Ihr Feindbild sei nach wie vor der „freiheitliche Rechtsstaat“. Dieser werde als „imperialistisches, rassistisches und faschistisches System“ denunziert, das gewaltsam umzuwälzen sei. Dabei würden militante Aktionen häufig als „Gegengewalt“ zur Durchsetzung eigener, sonst nicht mehrheitsfähiger Ziele legitimiert.

Wissenschaftlicher Diskurs

Siehe auch: Radikalismus und Extremismus

Ideengeschichtlich geht der Extremismusbegriff in der Bundesrepublik auf die Totalitarismustheorie nach Carl Joachim Friedrich und Zbigniew Brzezinski zurück. Diese war mit dem Konzept der „Wehrhaften Demokratie“ verbunden und antikommunistisch ausgerichtet.[5][6]

Eckhard Jesse, ein Extremismusexperte für die Bundeszentrale für Politische Bildung und das Bundesministerium des Innern, begründet die Verfassungsschutzdefinition folgendermaßen:

Unter die Sammelbezeichnung Linksextremismus fallen Anarchisten, für die zentrale Organisationsformen generell von Übel sind, 'autonome' Gruppierungen, die sich nicht an Autoritäten ausrichten und ein hohes Maß an Subjektivismus predigen – die Grenzen zum Terrorismus sind fließend – sowie verschiedenartige Spielarten des Kommunismus.
Diese berufen sich in unterschiedlicher Ausprägung auf Marx, Engels, Lenin, Stalin, Trotzki oder Mao Zedong. Dabei ließen sich in der Vergangenheit grob drei Hauptströmungen voneinander unterscheiden: der an der Sowjetunion orientierte Kommunismus, der Maoismus und der Trotzkismus.
Die erste Variante strebte mit Hilfe des Konzepts der friedlichen Koexistenz einen allmählichen Sieg des Kommunismus an. Der Zusammenbruch des Moskauer Kommunismus hat diese Strömung massiv erschüttert. Der Maoismus warf dem Kommunismus der sowjetischen Prägung vom Ende der 50er-Jahre an Revisionismus vor: Die Weltrevolution sei aufgegeben worden. Der in viele Richtungen zersplitterte Trotzkismus erteilte der Politik des 'real existierenden Sozialismus' in der Sowjetunion und in China eine entschiedene Absage und beklagt(e) deren 'bürokratische Entartung'."[7]

Diese unterschiedlichen Richtungen verbindet die Ablehnung der „kapitalistischen Klassengesellschaft". Eine Subsumierung heterogener Strömungen unter einen Homogenität suggerierenden Sammelbegriff ist in der Politologie allerdings umstritten. Horst Heimann folgend sind die Begriffe Linksradikalismus und Linksextremismus nicht einheitlich definiert.[1] Durch das Fehlen einheitlicher Unterscheidungskriterien ist eine Zuordnung problematisch. Daher werden laut dem Parteienforscher Gero Neugebauer beide Begriffe wissenschaftlich auch nur selten verwendet.

Umstritten ist aber vor allem auch der Oberbegriff Extremismus: Dieser beruht nach Neugebauer auf einem eindimensionalen Zuschreibungskonstrukt, aus dem sich vielfältige Zuordnungs- und Abgrenzungsprobleme ergeben. Der Terminus enthalte zudem eine politische Wertung, sei also ein normativer, kein analytischer Begriff. Er werde für Einstellungen, Verhaltensweisen, Institutionen und Ziele verwendet, die sich gegen den demokratischen Verfassungsstaat richten.[2] Diese normative Perspektive liegt auch dem Begriff „Linksextremismus" zugrunde: Er bezeichne mit Gewaltmethoden verfolgte antikapitalistische Ziele als den einen von zwei Polen auf einer eindimensionalen Achse. Aufgrund dieser eindimensionalen Beurteilungsmethode betont der Ansatz auch die Gemeinsamkeiten zwischen Links- und Rechtsextremismus. Solche Gemeinsamkeiten sind etwa ein rigider Alleinvertretungsanspruch, die Ablehnung pluralistisch-demokratischer Systeme und ein Fanatismus, dem jedes zum Ziel führende Mittel legitim erscheint.

Dennoch werden auch von Befürwortern des Extremismuskonzeptes die fundamentalen Unterschiede zwischen den Extrempositionen nicht ausgeblendet:

Zwischen rechten und linken Extremismen, Anarchisten und Kommunisten, Monarchisten und Neonationalsozialisten bestehen beträchtliche Divergenzen, so dass rechts- und linksextreme Gruppen sich nicht nur gegenseitig, sondern auch untereinander oft heftig bekämpfen.[8]

Für Kritiker ist der Extremismusbegriff kein wissenschaftlich-analytischer Begriff. Er sei vielmehr ein „Arbeitsbegriff für die Verwaltungspraxis". Staatliche Institutionen verwendeten ihn, „um Gegner der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu identifizieren und ihr Verhalten gegebenenfalls zu sanktionieren."[9] Dabei ist Extremismus kein in Gerichtsurteilen oder Gesetzestexten definierter Rechtsbegriff.

Der Extremismusbegriff staatlicher Behörden wurde von dem damaligen Innenminister Werner Maihofer im Vorwort des Verfassungsschutzberichts 1974 eingeführt, um den bis dahin verwendeten Begriff des Rechts- bzw. Links-Radikalismus zu ergänzen. Extremismus sollte die konkrete Verfassungswidrigkeit linksgerichteter Bestrebungen kennzeichnen, während Radikalismus als nicht notwendig verfassungsfeindlich betrachtet wurde. Für die amtliche Einordnung ist entscheidend, ob eine Person oder Organisation als radikal oder extremistisch einzuschätzen ist, da daraus Verfassungsmäßigkeit oder -widrigkeit abgeleitet wird.

Diese Unterscheidung reicht Wissenschaftlern wie Gero Neugebauer jedoch nicht aus, um die Besonderheiten der jeweiligen linksextremen Einstellungen und Handlungen auch analystisch angemessen zu erfassen. Um kommunistische, sozialistische, sozialdemokratische, anarchistische, autonome, protestbewegte und terroristische Orientierungen und gegebenenfalls auch Herrschaftsformen richtig einordnen zu können, müsse zumindest nach der angestrebten Gestaltung der ökonomisch-sozialen Ordnung (staatliche Steuerung versus Marktsteuerung) und der politischen Ordnung (Libertarismus versus Autoritarismus) unterschieden werden. Bei den politischen Aktionsformen sei zumindest nach konventioneller, unkonventioneller bzw. gewalttätiger Partizipation zu unterscheiden.[10] Für die Verwaltungspraxis wird der Extremismusbegriff von Neugebauer jedoch ausdrücklich als wichtig und praktikabel eingeschätzt.

Viele Experten halten den Linksextremismus für politisch und ideologisch wesentlich inhomogener als den Rechtsextremismus. Damit wird auch begründet, dass sich zwar eine sozialwissenschaftliche Rechtsextremismusforschung, aber keine Linksextremismusforschung etabliert hat.

Geschichte

Mit der deutschen Studentenbewegung etablierte sich eine starke, außerparlamentarische linke Kraft in der Bundesrepublik.[11] Die große Mehrheit der damaligen Studentengeneration griff zwar staatliche Institutionen, nicht aber den Rechtsstaat als solchen an. Sie bezog sich auf die Parole Willy Brandts: „Mehr Demokratie wagen“. Teile der APO bildeten jedoch seit dem Tod von Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 Gruppen, die auf verschiedene Weise den „bewaffneten Kampf“ befürworteten, planten und ausübten:

Vor allem die RAF steigerte ihre Gewaltaktionen in den 1970er Jahren kontinuierlich.[12] Die Aktionen begannen mit Brandanschlägen auf menschenleere Kaufhäuser und führten über Gefängnisausbrüche zu Entführungen und Ermordungen von Spitzenpolitikern.[13] Es folgten Sprengstoffanschläge unter Inkaufnahme des Todes Unbeteiligter sowie Geiselnahmen von Zivilisten im Zuge von Flugzeugentführungen.[14] Sie rechtfertigten dies nicht mit Berufung auf den Anarchismus oder Marxismus des 19. Jahrhunderts, sondern auf das Konzept der „Stadtguerilla“, bei dem Methoden des Guerillakampfes aus der dritten Welt in die „Metropolen“ der deutschen Industriegesellschaft übertragen wurden.

Demonstration von Autonomen im Schwarzen Block

Man bezog sich u.a. auf die Fokustheorie Che Guevaras und das Vorgehen der Tupamaros in Uruguay[15]: Diese wollten nach der erfolgreichen Revolution in Kuba den Guerillakampf auch ohne Unterstützung der einheimischen Bevölkerung in andere Länder exportieren, um dort einen Umsturz der Machtverhältnisse zu erzwingen. Gruppen mit ähnlichen Handlungskonzepten waren die Roten Brigaden in Italien und die Action Directe in Frankreich.[16] Die RAF-Aktionen sollten Reaktionen des Staates provozieren, die der Masse die Augen für seine angeblich faschistische strukturelle Gewalt öffnen sollte.[17] Deshalb galten ihre Anschläge und Entführungen hervorgehobenen Repräsentanten aus Wirtschaft und Staat mit tatsächlichen oder vermeintlichen Verbindung zum Nationalsozialismus. Die RAF blieb dabei jedoch völlig isoliert von der Arbeiterbewegung wie auch dem Großteil der Studentenbewegung. Dort löste die RAF eine heftige Debatte um die Gültigkeit von Rechtsnormen und die Grenzen und die Zweckmäßigkeit von Gewalt zum Erreichen der eigenen Ziele aus. Oft wurde dabei zwischen aus ihrer Sicht "legitimer Gewalt gegen Sachen" und illegitimer Gewalt gegen Personen unterschieden. Die Revolutionären Zellen und deren feministischer Ableger, die Rote Zora, schlossen Gewalt gegen bestimmte Repräsentanten der Staats- und Wirtschaftsmacht nicht generell aus. Doch selbst bei ihnen stieß der elitäre Führungsanspruch der RAF auf Ablehnung.[18] Später sammelten sich im autonomen Spektrum Gruppen mit unterschiedlichem antiimperialistischen oder antifaschistischen Selbstverständnis und einer Gewaltbereitschaft gegen Staatsorgane. Sie versuchten seit etwa 1980, die damals wachsende Friedensbewegung und die Atomkraftgegner im Sinne ihrer Ziele zu beeinflussen. Bei Demonstrationen verursachte der „schwarze Block“ nicht selten Sachbeschädigungen, und bei Gegendemonstrationen gegen Rechtsextremisten kam oft Gewalt gegen Personen hinzu. Die Zahl der Autonomen ging jedoch im Zuge der europäischen Einigung der späten 1980er Jahre stark zurück.[19]

Im Kontext neuer sozialer Bewegungen wie der Globalisierungskritik oder der Hartz-IV-Opposition versuchen noch vorhandene radikale oder extreme Gruppen heute, Anschluss an eine gesellschaftspolitische Opposition zu finden. Dabei ist zu beobachten, dass diese Gruppen ihre radikalen Forderungen teilweise moderaten Zielen unterordnen, um ihre eigentlichen Kernanliegen einer breiteren Öffentlichkeit nahe zu bringen.[20]

Diese Versuche zeigen sich etwa durch Mitarbeit als linksextrem eingestufter Gruppen bei Attac. Nach Darstellung der Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) versuchen sie den Koordinierungskreis von Attac personell zu dominieren, und die Organisation für ihre Ziele zu instrumentalisieren.[21]

Nach dem Bericht des Bundesverfassungsschutzes Extremismus in Deutschland vom Juni 2004 ist Linksextremismus weiterhin ein aktuelles Phänomen und „keine Fiktion, sondern leider unbestreitbare Realität“ (Otto Schily).[22]

Auch Sena Ceylanoglu, Historikerin und Referentin des Innenministeriums, sah in ihrem Bericht den Linksextremismus in Deutschland heute[23] als aktuelle Bedrohung der bestehenden freiheitlichen Ordnung an. Dies werde zu Unrecht in Wissenschaft und Publizistik seit vielen Jahren ignoriert (S. 136). Zwar bilde der Linksextremismus wegen seiner organisatorischen Zersplitterung, Mitgliederschwund und Überalterung seit dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus nicht mehr die Hauptgefährdung der inneren Sicherheit Deutschlands: Dennoch haben Linksextremisten durch ihre teilweise virtuos unter Beweis gestellte Fähigkeit, demokratische Organisationen zu unterwandern, mehr Einfluss als man annehmen könnte, wenn man allein die Mitgliederzahlen ihrer Organisationen betrachtet. Es ist bezeichnend, dass selbst eine inhaltlich erstarrte und verkrustete Partei wie die DKP bemerkenswerte Agilität unter Beweis stellt, wenn es darum geht, sich einen Platz in Organisationen wie ATTAC zu erkämpfen oder bei Vorbereitungen zu Großdemonstrationen mitzuwirken (S. 161).

Verfassungsschutzbericht für 2006

Gruppen

Der Bericht des Bundesverfassungsschutzes für 2006[24] rechnet etwa 30.700 (2005: 30.600) Personen zu Organisationen und Gruppen, bei denen Anhaltspunkte für linksextreme Bestrebungen festzustellen seien. Diese verteilt er auf zwei Hauptströmungen:

  • revolutionär-marxistische Gruppen mit traditionellen Klassenkampf-Konzepten. Dazu wurden 2006 etwa 25.000 (2005: 25.400) Personen gezählt. Die Mitgliederzahl ist seit Jahren rückläufig.
  • autonome Gruppen mit anarchistischen Vorstellungen eines freien, selbstbestimmten Lebens in „herrschaftsfreien Räumen“, die alle staatlichen und gesellschaftlichen Normen ablehnen. Zu ihnen zählt der Bericht etwa 6.000 (2005: 5.500) Personen.
  • Von den ca. 60.300 Mitgliedern der Linkspartei. werden anders als 2004 wegen ihres „ambivalenten Erscheinungsbildes“ und der Fusion mit der nicht als linksextrem eingestuften WASG nur noch etwa 1.000 als Linksextremisten gezählt.

Zu den eher traditionell marxistisch orientierten linksextremen Organisationen zählt der Bericht:

Zu den Trotzkisten, die mit „Entrismus“ gemäßigtere Parteien zu unterwandern suchten, zählt der Bericht:

Zu autonomen Gruppen, die teilweise Gewalttaten mit terroristischen Ansätzen begingen, zählt der Bericht:

Er beobachtet auch autonome Vernetzungsbündnisse wie die

Zu den traditionellen Anarchisten gehören nach dem Bericht:

Zu den Zusammenschlüssen tendenziell linksextremer Globalisierungsgegner zählt der Bericht:

  • die „Interventionistische Linke“ (IL)
  • „Dissent! (plus X)“
  • das „Revolutionäre Anti-G8-Bündnis“, eine Abspaltung von „Dissent!“

Als linksextremistisch beeinflusste Gruppen sieht der Bericht:

  • die „Marx-Engels-Stiftung e. V.“ (MES)
  • den „Bundesausschuss Friedensratschlag“ (BAF)

Publikationen

Der Bundesverfassungsschutz hält etwa 30 Verlage und Vertriebsdienste und etwa 220 von diesen verbreitete Zeitungen, Zeitschriften usw. mit einer Gesamtauflage von ca. 6,5 Millionen (2005: 7 Millionen) für zumindest teilweise linksextrem. Hinzu kämen zahlreiche unregelmäßige und teilweise konspirativ verbreitete Publikationen aus der autonomen Szene.

Als linksextrem betrachtet werden folgende bundesweit erscheinende Medien:

  • die Tageszeitung Junge Welt (jW), herausgegeben vom Verlag „8. Mai GmbH“. Sie sei mit „ca. 12.000 Exemplaren ein bedeutendes Printmedium im linksextremistischen Bereich.“
  • DISPUT“, ein der PDS nahestehendes Monatsblatt
  • „Mitteilungen der Kommunistischen Plattform der Linkspartei.PDS“, monatlich
  • „Marxistisches Forum“ und „PDS International“, unregelmäßig
  • „Unsere Zeit“ (UZ), wöchentlich, Parteiorgan der DKP mit einer Auflage von ca. 7.000 (2005: ca. 6.300)
  • „INTERIM“, ein zweiwöchentlich erscheinendes Szeneblatt der Autonomen
  • „radikal“, ebenfalls ein sogenanntes Untergrundblatt der Autonomen.
  • Beobachtet werden weitere mehr als 50 regionale Szenepublikationen wie „Swing“ (Frankfurt/Main), „Zeck“ (Hamburg) oder „incipito“ (Leipzig)
  • „Rote Fahne“, wöchentlich, Parteiorgan der MLPD
  • „REBELL“, das zweimonatliche Magazin des Jugendverbandes der MLPD
  • „Lernen und Kämpfen“, mehrmals jährliches Hochschulblatt der MLPD
  • „Galileo“, zweimal jährlich erscheiende Zeitung der Hochschulgruppe der MLPD.
  • „DIE ROTE HILFE“, vierteljährlich erscheinende Zeitung der gleichnamigen Gruppe.
  • die Zeitung „Graswurzelrevolution -für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft“ als Plattform traditionell anarchistischer Gruppen.

Als linksextreme Internetplattformen gelten dem Verfassungsschutz:

Die Einordnungen fallen je nach Bundesland zum Teil verschieden aus. Kritiker führen diese unterschiedlichen Wertungen auch auf die aktuellen Regierungskonstellationen des jeweiligen Landes zurück.

Aktionsfelder

Linksextremisten besetzen nach Einschätzung des Verfassungsschutzes 2004 die Themenfelder Antifaschismus, Antirassismus, die Globalisierung und den sogenannten Sozialabbau. Dabei arbeiten sie mit Vertretern von Gewerkschaften und Attac zusammen. Das Thema Friedenskampf sei durch den Irakkrieg temporär wiederbelebt worden. Das Thema Anti-Atomkraft gehöre dagegen der Vergangenheit an.[25]

Diese Aktionsfelder, so der neue Bericht, wurden 2006 durch die Kampagne gegen die für Juni 2007 geplante G-8-Gipfel-Konferenz in Heiligendamm überlagert. Die Mobilisierung dagegen sei zum Fokus der ganzen linksextremen Szene geworden. Diese versuche so „einerseits ihre konzeptionelle und strategische Schwäche zu überwinden und andererseits das Thema für ihre weitergehenden Ziele in Richtung Systemüberwindung zu nutzen.“ Der G-8-Gipfel gelte in als Symbol der „Macht des globalen Kapitalismus“ und seiner „politischen und militärischen Gewalt“. Mehrere „Aktionskonferenzen“ hätten sich u.a. auf eine Großdemonstration, einen Alternativ-bzw. Gegengipfel und ein umfassendes Blockadekonzept verständigt.

Ein weiteres Aktionsfeld ist das Thema „Antirepression“, das seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zunehmende Bedeutung für Linksextremisten gewonnen habe. Besonders Autonome betrachteten Sicherheitsgesetze, neue technische Fahndungsmittel, polizeiliche Gewaltprävention wie für den bevorstehenden G8-Gipfel als neue Qualität „staatlicher Repression“ und leiteten daraus Rechtfertigungen ihrer Gewalt ab.

Den traditionellen Antifaschismus gegen „Nazi-Aufmärsche“, Einzelpersonen und Einrichtungen von Rechtsextremisten sieht der Bericht nur vordergründig als Bekämpfung rechtsextremer Strukturen. Ziel sei dabei vielmehr, die freiheitlich verfasste Demokratie zu überwinden und angebliche Wurzeln des Faschismus im Kapitalismus zu beseitigen.

Gegen die angeblich faschistische und rassistische Politik des Staates agieren traditionell marxistische Gruppen eher mit öffentlicher Agitation, Demonstrationen, Veranstaltungen und Wahlbeteiligung, Autonome dagegen auch mit „Militanz“. Besonders dem Trotzkismus zugeordnete Gruppen versuchten, nichtextreme Organisationen mit „Entrismuspolitik“ (Unterwanderung) zu beeinflussen. Im Internet gebe es Hacker-Angriffe auf rechtsextremistische Internetseiten; die gewonnenen Informationen über Personen aus der rechtsextremistischen Szene würden verbreitet.

Straftaten

Ausschreitungen am 1. Mai in Berlin (2001)

Gewaltbereitschaft sieht der Bericht vor allem bei den Autonomen. Diese suchten unter dem Begriff „Massenmilitanz“ direkte Konfrontation mit politischen Gegnern oder wandelten Demonstrationen zu „Straßenkrawallen“ um. Ein seit Jahren in der autonomen Szene etablierter Anlass dafür ist der 1. Mai in Berlin, bei dem es regelmäßig zu Zusammenstößen mit der Polizei kommt.

Der Bericht weist insgesamt 5.363 (2005: 4.898) Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund aus: 2,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Anteil Gewalttaten ging von 1.240 (2005) auf 1.209 um 3,8 Prozent zurück. Das Bundeskriminalamt erfasste 2.369 (2005: 2.305) vollendete oder versuchte Straftaten, darunter 862 (2005: 896) Gewalttaten, davon 754 Sachbeschädigungen, 444 Körperverletzungen, 195 Fälle von Landfriedensbruch, 115 Widerstandsdelikte, 44 Nötigungen oder Bedrohungen, 42 Brandstiftungen, 41 gefährliche Eingriffe in den Verkehr, eine Sprengstoffexplosion, und ein versuchtes Tötungsdelikt.

423 Delikte richteten sich gegen Rechtsextremisten. Im Bereich Antiglobalisierung wurden 4 Delikte registriert, im Bereich der Antiatomkraftbewegung keins (anders als 2005 wegen der damaligen Castortransporte). Die meisten Straf- und Gewalttaten verzeichnete Berlin. Ein Großteil der registrierten linksextremen Widerstandsdelikte geht auf Zusammenstöße mit der Polizei bei Gegendemonstrationen gegen Rechtsextremisten zurück.

Italien

In Italien gelten vor allem die Roten Brigaden (ital. Brigate Rosse) als linksextrem. Diese Gruppe von etwa 60 aktiven Mitgliedern verübte zwischen 1970 und 1976 hauptsächlich bewaffnete Banküberfalle und Erpressungen, dann auch politische Morde – am bekanntesten der Mord an Aldo Moro - , Entführungen, Attentate und Sprengstoffanschläge. Sie wurde 1982 zerschlagen.

Bei 15 Tatverdächtigen, die 2007 wegen geplanten Anschlägen auf Führungspolitiker festgenommen wurden, vermuten die Behörden eine Nachfolgeorganisation.

Als linksextrem gilt auch ein Zusammenschluss antiimperialistischer Gruppen, der Campo Antimperialista. Ihm werden Gewaltaktionen im Zusammenhang des G8-Gipfel in Genua 2001 zur Last gelegt.

Die Kommunistische Partei Italiens (KPI) galt wegen ihrer eurokommunistischen und parlamentarischen Orientierung nicht als linksextrem.

Frankreich

In Frankreich entstand 1979 die Action Directe (dt. Direkte Aktion), die einen Marxismus-Leninismus als ideologische Basis vertrat. Sie wurde von der damaligen Regierung zuerst toleriert, inhaftierte Mitglieder wurden im Herbst 1981 amnestiert. Kontakte zur westdeutschen RAF und italienischen Brigate Rosse wurden vermutet, von denen einige in ihren Heimatländern verfolgte Mitglieder bei der Action Directe untertauchten.

Ab 1983 begann die Gruppe Führungspersonen in Militär und Wirtschaft zu ermorden, darunter General René Audran und Renaultchef Georges Besse. Daraufhin wurden am 21. Februar 1987 die Gründer der Gruppe festgenommen.

Schweiz

In der Schweiz gibt es eine autonome Szene ähnlich wie in Deutschland. Hier gelten vor allem die Gruppe Revolutionärer Aufbau Schweiz (RAS) und gewaltbereite Globalisierungsgegner als linksextrem. Ein Kristallisationspunkt für einen heterogenen Protest auch als linksextrem eingestufter Gruppen ist der traditionelle Gipfel des Weltwirtschaftsforums in Davos.[26]

Österreich

Nach dem Verfassungsschutzbericht 2006[27] besteht die vor allem in Wien, Innsbruck und Salzburg konzentrierte linksextreme Szene in Österreich aus zwei Hauptströmungen: Marxisten-Leninisten und Anarchisten. Sie besetzen zwar gemeinsam die Themenfelder Anti-Rassismus, Anti-Nationalismus, Kritik am Asylwesen, Globalisierungskritik, Anti-Sexismus und Proteste gegen Rechtsextremismus, spalteten sich aber seit 2001 zunehmend an der Palästinafrage und Bewertung der Rolle Israels im Nahostkonflikt.

2005 und 2006 stand der Kampf zum Erhalt des Wohn- und Lebensraums, besonders des seit 1990 besetzten Ernst-Kirchweger-Hauses in Wien, im Vordergrund vieler Szene-Aktivitäten. Ein Bündnis „Gruppe Freiraum“ entstand, das freien Zugang zu Selbstverwaltungsräumen erkämpfen will und die Kluft zwischen gemäßigten und radikalen Gruppen mit diesem Thema punktuell überbrücken konnte. Der Konflikt um das Haus führte zu Sachbeschädigungen von Autonomen an Parteilokalen und Wohnungen von KPÖ-Mitgliedern, denen der drohende Verlust des Hauses angelastet wurde. Dies führte zum Bruch mit moderaten Gruppen und schwächte die Solidarisierung zum Erhalt des Hauses. Die Öffnung für die Punk-Szene verschärfte interne Konflikte. Erst ein Eigentümerwechsel entspannte die Situation.

Andere Aktionen richteten sich gegen den Wiener Opernball, konnten aber anders als früher nur wenige Teilnehmer mobilisieren und blieben gewaltfrei. Auch Proteste gegen die österreichische EU-Ratspräsidentschaft aus dem globalisierungskritischen Spektrum blieben friedlich.

Die Zahl der strafbaren Handlungen bis Juli 2006 nahm im Vergleich zum Vorjahr leicht zu. Autonome Gruppen verübten verschiedene, nicht zentral organisierte Sachbeschädigungen, selten auch Sprengstoffanschläge, zu verschiedenen Anlässen: So wurde 1992 z.B. ein Bunkersystem des Bundesheeres mit Sprengstoff angegriffen. Die „Radikal Agierenden AntiFaschistInnen“ bekannten sich im „TATblatt“ dazu.

In Vorarlberg etablierten sich Antifa-Aktivitäten gegen das Auftreten rechtsextremer Gruppen im österreichisch-deutsch-schweizerischen Grenzgebiet.

Siehe auch

Quellen

  1. a b Horst Heimann: Linksradikalismus und Linksextremismus. In: Lexikon des Sozialismus, Köln 1986, S. 404
  2. a b Gero Neugebauer: Extremismus – Rechtsextremismus – Linksextremismus: Einige Anmerkungen zu Begriffen, Forschungskonzepten, Forschungsfragen und Forschungsergebnissen. In: Schubarth/Stöss (Hrsg.): Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland – Eine Bilanz. Opladen 2001 (pdf-Auszug vom 4. Dezember 2003, S. 6ff)]; s. auch Hans-Gerd Jaschke, Politischer Extremismus, 2006, der den Begriff Linksextremismus nach problematisierenden Vorbemerkungen ebenfalls verwendet.
  3. Verfassungsschutzbericht 1999
  4. Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg
  5. Wolfgang Wippermann: Totalitarismustheorien. Die Entwicklung der Diskussion von den Anfängen bis heute. Primus Verlag, Darmstadt 1997.
  6. Wolfgang Wippermann: Die deutsche Staatsideologie. Zur Konzeption des Totalitarismus, in: Hsozkult-Tagungsbericht: Herrschaft. Macht. Geschichte – Internationale Tagung zur Politik mit dem Vergangenen, Wien 2006
  7. Eckhard Jesse, Linksextremismus. In: Everhard Holtmann (Hrsg.), Politik-Lexikon, München-Wien 2003, S. 356, zitiert nach Neugebauer, Extremismus.com
  8. Uwe Backes, Eckhard Jesse: Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland. In: Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 272, Bonn 1994, S. 45 (zitiert nach Neugebauer, a.a.O. S. 2)
  9. Gero Neugebauer, a.a.O. S. 2
  10. Gero Neugebauer, a.a.O. S. 6
  11. Ingrid Gilcher-Holtey, Die 68er Bewegung. Deutschland - Westeuropa - USA, 2001
  12. Wolfgang Kraushaar, Die RAF und der linke Terrorismus, 2 Bde., 2006
  13. Thorwald Proll, Daniel Dubbe, Wir kamen vom anderen Stern. Über 1968, Andreas Baader und ein Kaufhaus, 2003
  14. Stefan Aust, Der Baader Meinhof Komplex, 1998; Gerd Koenen, Das rote Jahrzehnt. Unsere kleine deutsche Kulturrevolution 1967-1977, 2002, Gerd Koenen, Vesper, Ensslin, Baader. Urszenen des deutschen Terrorismus, 2005
  15. Steffen Kailitz, Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland - Eine Einführung, 2004, S. 88, S. 111ff. Wilhelm Heitmeyer, John Hagan, Internationales Handbuch der Gewaltforschung, S. 489ff.
  16. Wolfgang Gast, Internationale der Einäugigen RAF und Rote Brigaden: zwei Modelle des Scheiterns, in: Das Parlament, Nr. 36 / 04.09.2006 (Internet)
  17. Wolfgang Kraushaar, Karin Wieland, Jan Philipp Reemtsma, Rudi Dutschke, Andreas Baader und die RAF, 2005
  18. Innenministerium NRW: Schutz und Sicherheit - Verfassungsschutz - Überblick - Linksextremismus - RZ und Rote Zora, Internet abgerufen am 11. Februar 2007
  19. Verfassungsschutz Baden-Württemberg, Linksextremismus in der Bundesrepublik Deutschland (PDF), Stand: Februar 2003
  20. Verfassungsschutzbericht Thüringen 2005, Linksextremismus (Internet)
  21. Arbeitspapier/Dokumentation: Herausgegeben von der Konrad-Adenauer-Stiftung
  22. Bundesministerium des Innern: Extremismus in Deutschland - Erscheinungsformen und aktuelle Bestandsaufnahme. Texte zur Inneren Sicherheit, Juni 2004, S. 5
  23. BMI, Extremismus in Deutschland, a.a.O. S. 136-161
  24. Verfassungsschutzbericht 2006, herausgegeben vom Bundesministerium des Innern, 10 559 Berlin (pdf, Vorabfassung)
  25. Extremismus in Deutschland, 2004, S. 141
  26. Schweiz: Bericht Innere Sicherheit 2006
  27. Verfassungsschutzbericht 2006, Bundesinnenministerium Österreich

Literatur