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Einheit 731

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Opfer der Einheit 731

Die Einheit 731 war nach der Besetzung der Mandschurei und während des zweiten Japanisch-Chinesischen Kriegs, d. h. zwischen 1932 und 1945, eine von vielen geheimen Einrichtungen der japanischen Armee (Guandong-Armee), die biologische und chemische Waffen erforschte, erprobte und einsetzte. Dazu wurden auch Experimente an lebenden Menschen vorgenommen. Die in den Versuchen der Einheit 731 getöteten Menschen waren ca. 3500 chinesische Zivilisten und amerikanische und russische Kriegsgefangene. Außerdem wurden sechs Feldversuche mit Krankheitserregern durchgeführt, darunter Anthrax und Pest, die mehrere Tausend Menschen das Leben kosteten. Bei Kriegsende 1945 kamen bei der Zerstörung der Produktionsstätten durch die japanische Armee mit Pest infizierte Ratten frei, die in den Provinzen Heilongjiang und Jilin eine Epidemie mit über 20.000 Todesopfern auslösten.

Der Name Einheit 731 wird heute stellvertretend benutzt für das Programm der japanischen Armee zur Herstellung biologischer Waffen, obwohl die Einheit nur ein Teil dieses Programmes war. Bis vor einigen Jahren hat die japanische Regierung die Existenz der Einheit geleugnet.

Entstehung und Stationierung

Ishii Shirō 1932 - Bild aus dem Bulletin der Einheit 731, Fotograf Masao Takezawa

Ärztlicher Leiter der Einrichtung war der Generalleutnant, Arzt und Physiker Shirō Ishii. Dieser baute 1932 mit seiner Einheit die Zhoghma-Festung auf, ein Gefängnis in den Außenbezirken der Stadt Harbin. Diese befand sich in dem Marionettenstaat Mandschuko, der 1931 nach der Besetzung der Mandschurei durch die Japaner eingerichtet worden war. 1935 zwang ein Ausbruch von Insassen Ishii dazu, die Einrichtung in Harbin zu schließen. Stattdessen wurde das Gefängnis nun in Pingfan, einem Ort nahe Harbin, neu aufgebaut und erweiterte sich später um weitere Zweigniederlassungen (Linkou, Sunio und Hailar auf halbem Wege zwischen Mukden und der sowjetischen Grenze). Die Einheit genoss die volle Unterstützung des japanischen Premierministers Hideki Tōjō.

Aktivitäten

Allgemeine Beschreibung der Tätigkeit von Einheit 731:

  • Medizinische Versuche an Menschen (vergleichbar mit medizinischen Tierversuchen) wurden im Rahmen eines Projekts namens Maruta (丸太; deutsch: „Holzklotz; runder nur entrindeter Baumstamm“) durchgeführt. Die Testpersonen wurden dabei aus der chinesischen Bevölkerung der näheren Umgebung ausgewählt. Die einheitsinterne Bezeichnung für diese Menschen lautete wie der Name des Projektes Holzklotz.
  • Die Wirkung von Granaten wurde an Menschen aus unterschiedlichen Entfernungen und Positionen getestet.
  • Unterkühlungsexperimente wurden mit Menschen durchgeführt.
  • Die Entwicklung einer biologischen Waffe in der Form einer mit Bakterienpulver bestückten Bombe (ähnlich dem als Anthrax bezeichneten Kampfstoff mit Milzbrandbakterien).
  • Die Entwicklung einer weiteren Bombe als biologischer Waffe, wobei die Bakterien jedoch in Flöhen enthalten waren.

Konkret dokumentierte Aktivitäten:

  • Der Einsatz von Pestbakterien gegen die Einwohner der chinesischen Stadt Ningbo am 27. Oktober 1940 mit 99 Opfern, sowie ein ähnlicher Einsatz gegen die Einwohner der Stadt Schusien einige Tage später, der 21 Tote forderte.
  • Ein fehlgeschlagener Versuch am 18. November 1940 gegen den Ort Kinhwa, bei dem die Pest nicht zum Ausbruch kam.
  • 3000 chinesische Kriegsgefangene wurden Ende 1941 mit Typhus infiziert und auf die chinesische Zivilbevölkerung losgelassen.
  • 1943 wurde die Seuchenanfälligkeit weißer Menschen an amerikanischen Kriegsgefangenen getestet.

Alle Projekte der Einheit unterlagen der strengsten Geheimhaltung. Sie wurde deshalb nach außen als Abteilung der Guandong-Armee für die Prävention von Epidemien und die Wasserreinigung getarnt. Die Versuchszonen der Einheit waren Luftsperrgebiet. Die interne Bezeichnung Einheit 731 war ab 1941 üblich.

Bekannte Mitglieder

Die Einheit hatte bis zu 3000 Mitglieder, von denen die meisten Bakteriologen waren. Namentlich bekannte Mitglieder der Einheit waren:

In den späteren Prozessen in Chabarowsk (1949) und Shenyang (1956) wurden einige der niederrangigen Verantwortlichen verurteilt, die es im Gegensatz zu ihren Vorgesetzten nicht geschafft hatten, bei Kriegsende nach Japan zu fliehen. Darunter war auch der Soldat Shinozuka Yoshio. Die Haupttäter mit Shirō Ishii an der Spitze gingen jedoch bei den Tokioter Prozessen straffrei aus, weil die US-Regierung ihnen im Austausch gegen die Forschungsergebnisse der Einheit 731 Immunität zugestand.

Abteilungen

Die Einheit 731 setzte sich aus acht verschiedenen Abteilungen zusammen:

  • Abteilung 1: Erforschung der Wirkung der Krankheitserreger von Pest, Cholera, Milzbrand und Tuberkulose auf lebende Menschen. Diese Abteilung unterhielt ein Gefängnis für ca. 300 bis 400 Menschen.
  • Abteilung 2: Entwicklung von praktisch anwendbaren biologischen Waffen, insbesondere von Geräten, die Keime und Parasiten versprühen
  • Abteilung 3: Produktion von Granaten und Bomben (unter anderem aus Porzellan) für biologische Kampfstoffe, stationiert in Harbin
  • Abteilung 4: Produktion von nichtbiologischen Kampfstoffen
  • Abteilung 5: Ausbildung von Personal
  • Abteilung 6-8: Abteilungen für Ausrüstung, Medizinische Versorgung und Verwaltung der Einheit

Einrichtungen

Der 1935 gegründete Komplex umfasste ein Gebiet von sechs Quadratkilometern und bestand aus mehr als 150 Gebäuden. Die Gebäude waren sehr solide, so dass eine Zerstörung nur schwer möglich war. Einige der Gebäude sind bis heute erhalten und für Touristen zugänglich.

Der Komplex bestand aus verschiedenen Produktionseinrichtungen. Es befanden sich 4500 Container für Flöhe, sechs gigantische Kessel zur Produktion von Chemikalien sowie ca. 1800 Container zur Produktion von biologischen Kampfstoffen auf dem Gelände. Im Verlauf eines Tages konnte die Einrichtung 10 kg Pestbakterien produzieren. Diese Kapazitäten wurden ab November 1944 voll ausgeschöpft.

Einige Dutzend Tonnen der von Einheit 731 hergestellten biologischen Kampfstoffe wurden an verschiedenen Plätzen in Nordchina gelagert. Bei Kriegsende versuchten die Japaner jeglichen Beweis für die Existenz dieser Kampfstoffe zu vernichten. Es wurden beispielsweise alle infizierten Tiere (Flöhe, Ratten, …) freigelassen. Trotzdem gelang es nicht, alle Beweise zu zerstören. Die Aktion führte außerdem dazu, dass die Kampfstoffe bis auf den heutigen Tag die Menschen in dieser Region schädigen. Ein Beispiel hierfür ist ein Vorfall aus dem August des Jahres 2003, als 29 Menschen in ein Krankenhaus eingeliefert werden mussten, nachdem Bauarbeiter versehentlich Granaten mit chemischen Kampfstoffen ausgegraben hatten, die von der Einheit 731 hergestellt worden waren.

Die Auflösung der Einheit am Ende des Zweiten Weltkrieges

Shirō Ishii befürwortete den Einsatz von biologischen Waffen im Pazifikkrieg seit dem Mai 1944, doch seine Versuche scheiterten wiederholt an schlechter Planung und dem Eingreifen alliierter Truppen. Als abzusehen war, dass der Krieg bald vorbei sein würde, ordnete Ishii die Zerstörung der Fabrik an. Er befahl seinen Untergebenen „das Geheimnis mit ins Grab zu nehmen.“ Der gesamte Komplex wurde in den letzten Tagen des Krieges durch die Japaner gesprengt, um alle Beweise für ihre Experimente zu vernichten. Die noch am Leben gebliebenen Häftlinge wurden ohne Ausnahme hingerichtet. Es gab deshalb keine lebenden Zeugen des Gefängnisses von Einheit 731.

Gedenkplakette für die Verbrechen von Einheit 731 auf dem ehemaligen Gelände der Biowaffenfabrik

Die Militärs der USA glaubten, dass die von Einheit 731 gewonnenen Forschungsergebnisse tatsächlich von großem wissenschaftlichem Wert wären, dies vor allem, da man die dort praktizierte Methode von Experimenten an Menschen bei den Alliierten nie in ernsthafte Erwägung gezogen hatte. Auch wollten die Vereinigten Staaten nicht, dass die Sowjetunion Daten über die Herstellung biologischer Waffen erhielt. Deshalb wurde den Mitgliedern von Einheit 731 im Austausch für ihre Daten Straffreiheit zugesichert.

Auf der anderen Seite wurde der Fall durch die Sowjetunion sehr genau untersucht, da neben den chinesischen, mongolischen und koreanischen Opfern auch einige hundert Russen durch die Einheit 731 umgebracht worden waren. Die von Russen gefangengenommenen Mitglieder der Einheit wurden in den Prozessen von Chabarowsk verurteilt und später an China ausgeliefert, wo sie noch einmal im Kriegsverbrecherprozess von Shenyang angeklagt wurden.

Viele frühere Mitglieder der Einheit 731, die sich nach Japan hatten retten können, gingen nach dem Krieg Tätigkeiten in der japanischen Pharmaindustrie nach. Dr. Kitano Masaji leitete zum Beispiel Japans größtes Pharmaunternehmen "Grünes Kreuz". Andere leiteten Schulen für Mediziner oder waren im japanischen Gesundheitsministerium tätig.

Geschichte als politischer Zündstoff

Nationalistische japanische Historiker leugnen bis heute die Taten der Einheit 731 und behaupten, dass sie ein Konstrukt chinesischer Propaganda sei. Im Gegensatz dazu haben links gerichtete Organisationen Geschichten über Einheit 731 verbreitet, die vor allem den späteren Handel mit den Amerikanern und die damit einhergehende Vertuschung betreffen. Die Taten der Einheit 731 werden in vielen japanischen Geschichtsbüchern über den zweiten Weltkrieg einfach übergangen. In Tokio existiert statt dessen ein Denkmal für diese Einheit. Erst nachdem eine Klage von 180 Chinesen auf Eingeständnis, Entschuldigung und Wiedergutmachung der von Einheit 731 begangenen Verbrechen bei der japanischen Regierung eingegangen war und einige Mitglieder der Einheit ihre Verbrechen öffentlich zugaben, änderte sich das Verhalten der Japaner zu ihrer eigenen Geschichte.

Gebäude auf dem Gelände der ehemaligen Biowaffenfabrik von Einheit 731

Im August 2002 gab der Gerichtshof des Distrikts Tokio in seinem Urteil erstmals zu, dass die Einheit 731 und die von ihr begangenen Kriegsverbrechen tatsächlich existiert haben. Wesentlichen Anteil an diesem Schritt hatte der ehemalige Soldat Shinozuka Yoshio, der es nicht ertragen konnte, die letzten Anweisungen seines Vorgesetzten Shirō Ishii tatsächlich auszuführen. Eine Entschädigung der Opfer wurde aber mit Verweis auf das gemeinsame Kommunique der Regierungen Japans und Chinas vom 29. September 1972 abgelehnt, das jegliche Reparationsansprüche von seiten Chinas ausschloss. Dieses Urteil wurde am 19. Juli 2005 in zweiter Instanz von dem Hohen Gericht bestätigt.

Filme

Literatur

  • Williams, Peter; Wallace, David: Unit 731. Japan's Secret Biological Warfare in World War II. New york (N. Y.): Free Press, 1989.