Buch Samuel
Öh, NPOV? Kann mMn vom Ansatz her nix werden. -- PvQ 18:49, 27. Jun. 2007 (CEST)
Die beiden Samuelbücher gehören zur hebräischen Bibel und sind nach dem Propheten Samuel benannt, mit dessen Berufung ihre Erzählung beginnt. Trotz der heute üblichen Teilung in erstes und zweites Buch Samuel handelt sich historisch gesehen um ein zusammenhängendes Buch (das traditionell auf einer Schriftrolle notiert war); die Unterteilung entstand erst im Mittelalter. Der Artikel behandelt die beiden Samuelbücher daher als Einheit.
Der Text der Samuelbücher
Der Text der Samuelbücher ist in drei verschiedenen Fassungen überliefert: Qumran, Septuaginta und masoretischer Text.
Qumran
Die ältesten erhaltenen Handschriften der Samuelbücher stammen aus Qumran. Dort wurden im letzten Jahrhundert in zwei Höhlen eine große Anzahl an Schriftrollen-Bruchstücken gefunden, die zu insgesamt vier verschienen Samuel-Rollen gehören (1QSam, 4QSama-c). Zusammengenommen enthalten diese Bruchstücke etwa ein Zwölftel des gesamten Textes der Samuelbücher.
Von vielen Forschern wird 4QSamb als eine der ältesten erhaltenen Bibelhandschriften überhaupt angesehen. Diese Rolle gehört zu den ganz wenigen Qumran-Funden, die in das dritte vorchristliche Jahrhundert datiert werden. Die anderen drei Samuel-Handschriften (1QSam, 4QSama+c) dürften (wie die große Mehrheit der Bibelhandschriften aus Qumran) in das zweite oder erste vorchristliche Jahrhundert zu datieren sein.
Der Text der Samuel-Rollen aus Qumran weicht signifikant vom späteren masoretischen Text ab. Oft decken sich die Abweichungen mit dem Text der Septuaginta. Obwohl die genaue Erforschung des Verhältnisses zwischen Qumran und masoretischem Text noch aussteht, zeichnen sich die Grundzüge eines Forschungskonsenses ab: Danach bezeugen die Qumran-Handschriften einen im Vergleich zum masoretischen Text älteren Text der Samuelbücher.
Septuaginta
Der zweite wichtige Textzeuge für die Samuelbücher ist die im 3./2. vorchristlichen Jahrhundert angefertigte Bibelübersetzung ins Griechische, die Septuaginta. Da die Übersetzung der Samuelbücher sehr wortgetreu ist, kann man von ihr gut zurückschließen auf den hebräischen Text, der dem Übersetzer vorlag. Die vielen Übereinstimmungen zwischen Lesarten der Septuaginta und Lesarten aus Qumran gegen Lesarten des masoretischen Textes zeigen, dass die Qumran-Rollen und die Septuaginta eine ähnliche Bearbeitungsstufe der Samuelbücher wiedergeben.
An einigen Stellen hat die Septuaginta einen deutlich kürzeren Text als der masoretische Text (Kap. 17f.; näheres im Abschnitt David). Eine Analyse der quantitativen Unterschiede zwischen Septuaginta und masoretischem Text ergibt, dass die Septuaginta ein früheres Stadium in der Entwicklung des Samueltextes darstellt, d.h. dass der masoretische Text um die betreffenden Teile erweitert wurde (Klaus Peter Adam).
Einige Handschriften der Septuaginta haben einen abweichenden Umfang der Samuelbücher: Sie rechnen den Text von 1. Könige 1,1 – 2,12 noch zu Samuel. Die Mehrzahl der Handschriften sowie der masoretische Text bezeugen jedoch die übliche Trennung zwischen Samuel- und Königsbüchern nach 2. Samuel 2,25.
Masoretischer Text
Die jüngste und heute gebräuchliche Textform der Samuelbücher stellt der masoretische Text dar. Im Vergleich zu vielen anderen biblischen Büchern ist die Qualität seiner Überlieferung eher schlecht: Er ist mit erheblichen textkritischen Problemen belastet, für deren Lösung oftmals die Septuaginta und neuerdings auch die Qumran-Funde herangezogen werden.
Der masoretische Text wurde im nachchristlichen Judentum und in weiten Teilen des westlichen Christentums als einzig autoritativer Text rezipiert (anders in der Orthodoxie, wo die Septuaginta als autoritativ gilt). Daher bildet der masoretische Text auch die Grundlage fast aller moderner Bibelübersetzungen. Als späteste Form der Samuelbücher („Endtext“) und weil er in den jüdischen und christlichen Glaubensgemeinschaften gebräuchlich ist, nehmen auch die meisten Forscher dem masoretischen Text zur Grundlage ihrer Exegese.
Unterschiedliche Stellung im Kanon
Für Qumran ist wenig darüber bekannt ist, ob es kanonische Bücher gab und welche das waren. Daher lässt sich über die Stellung der Samuelbücher in einem möglichen qumranischen Schriftenkanon keine Aussage treffen. Nach der Einteilung der Septuaginta gehören die Samuelbücher zu den historischen Büchern oder Geschichtsbüchern. In der hebräischen Bibel gilt Samuel als prophetisches Buch; zusammen mit Josua, Richter und Könige bildet es die Gruppe der vorderen Propheten.
Inhalt
Thema der Samuelbücher ist die Entstehung des Königtums im alten Israel. Die Handlung der Bücher spielt im 11. Jahrhundert v.Chr. Sie erreicht ihr Ziel und ihren Höhepunkt in der Begründung der davidischen Dynastie (2. Samuel 7). Die Erzählung von Samuel und Saul (1. Samuel 1ff.) lesen sich wie ein Vorspann zur Geschichte vom Aufstieg des Hirtenknaben David zum König (1. Samuel 16ff.).
Samuel
Samuel setzt in der Erzählung der Samuelbüchern die Reihe der kleinen Richter des Richterbuchs (Richter 10,1-5; 12,7-15) fort und schließt sie ab (1. Samuel 7,15-17; 25,1). Als Richter erscheint Samuel auch nach 1. Samuel 8,1-5.
Im wesentlichen wird Samuel jedoch nicht als Richter, sondern als Prophet gesehen (zuerst 1. Samuel 3,20). Insbesondere seine wunderbare Geburt (1. Samuel 1f.) und Berufung (1. Samuel 3), sein fürbittendes Handeln für das Volk (1. Samuel 7), seine Reden über das vom Volk begehrte Königsamt (1. Samuel 8,11-18; 1. Samuel 12) sowie seine Vorwürfe gegenüber Saul (1. Samuel 13,13f.; 1. Samuel 15) lassen ihn als Propheten erscheinen, der viele Züge des „Ur-Propheten“ Mose trägt (vgl. Deuteronomium 18,15).
Viele der Berichter über Samuel sind spätere, redaktionelle Bildungen, so dass historische Aussagen über ihn schwierig sind. Seine Rolle als Richter ist aber glaubhafter als die des Propheten, gerade weil letztere breit ausgeschmückt ist und für die Etablierung der davidischen Dynastie instrumentalisiert wird (Peter Mommer).
Saul
Einen ersten Schwerpunkt setzen die Samuelbücher mit der Bestimmung Sauls zum ersten israelitischen König (1. Samuel 8 – 12). Es werden sowohl innen- wie außenpolitische Gründe genannt, warum Israel das Amt eines König braucht: Innenpolitisch soll er die Rechtsprechung sichern (1. Samuel 8); außenpolitisch soll er Israel gegen seine Feinde schützen (1. Samuel 11; 13,1f.). Die Texte erzählen auf verschiedene Weise, wie dann Saul zu diesem ersten König wird: Das Volk fordert einen König (1. Samuel 8); ein Prophet (Samuel) salbt ihn im Auftrag Gottes (1. Samuel 9 - 10,15); ein Losverfahren wird geschildert (1. Samuel 10,17-20); körperliche Größe wird als Kriterium genannt (1. Samuel 10,23f.).
Diese Vielfalt an Erzählmotiven deutet darauf hin, dass unterschiedliche Erzählungen von der Krönung Sauls miteinander verwoben wurden. Historisch glaubhaft ist insbesondere das Motiv, dass die Bevölkerung in Israel einen Führer fordert, um koordiniert gegen die außenpolitischen Bedrohungen vorzugehen. Das ist dann auch die Rolle, die Saul in der weiteren Erzählung spielt: Er verteidigt Israel gegen die Amalekiter (1. Samuel 15) und vor allem gegen die Philister (1. Samuel 13f.; 23,28). Bei einer militärischen Auseinandersetzung mit den Philistern kommt er auch ums Leben (1. Samuel 31).
David
Wie schon Saul wird auch David mit einer Reihe verschiedener Erzählungen in die Handlung eingeführt, an deren Ende er schließlich zum alleinigen König von Israel wird (1. Samuel 16 – 2. Samuel 5): Eine Salbung durch den Propheten Samuel wird geschildert (1. Samuel 16,1-13), eine Berufung als Musiker an den Hof Sauls (1. Samuel 16,14-21) sowie die Entdeckung als militärisches Talent bei einem Kampf gegen den Philister Goliat (1. Samuel 17). Teilweise bestehen Spannungen zwischen den Schilderungen: So holt Saul den David nach 16,19-21 als persönlichen Waffenträger an seinen Hof, kennt ihn dann aber nach 17,55-58 überhaupt noch nicht. Die großen Unterschiede, die die Septuaginta und der masoretischen Text für diese Erzählungen aufweisen (s.o.), belegen, dass auch hier verschiedene Erzähltraditionen zusammengefügt worden sind.
Als historisch lässt sich keine dieser Erzählungen erweisen. Die folgende Schilderung von Davids Aufstieg (2. Samuel 18ff.) macht deutlich, dass auch bei diesem König die Erfolge gegen die Feinde Israels das zentrale Motiv dafür, dass er den israelischen Königsthron besteigen und sich auf ihm behaupten konnte (vgl. insbesondere 2. Samuel 5,1-3 und in 2. Samuel 5,17-25 seine erste Maßnahme als König: Krieg gegen die Philister). Die Erzählungen zeigen, dass der Übergang von Saul zu David mit erheblichen Auseinandersetzungen verbunden war (1. Samuel 18 – 2. Samuel 1), die sich auch noch in der Auseinandersetzung mit einem ebenfalls den Königsthron beanspruchenden Sohn Sauls (Isch-Baal) fortsetzten (2. Samuel 2-4). Durch das Überlaufen des fähigen Truppenführers Abner zu David (2. Samuel 3,6ff.) entscheidet sich der Kampf zu dessen Gunsten.
Als König erweist sich David als geschickter Taktiker: Nicht nur bindet er die Familie und die Anhänger Sauls geschickt ein (2. Samuel 9; 21,10-14), sondern mit der Eroberung der bis dahin von Jebusitern kontrollierten Stadt Jerusalem als Hauptstadt für sein Königreich (2. Samuel 5,6ff.) gelingt es ihm, die stets latenten Spannungen zwischen den nördlichen und südlichen Landesteilen (2. Samuel 2,12ff.; 20,1f.; 1. Könige 12) von einem neutralen Ort aus auszugleichen. Mit der Überführung der Bundeslade (1. Samuel 4-6) nach Jerusalem (2. Samuel 6) richtet er dort einen zentralen Staatskult ein und legt damit die Grundlage, dass sich der JHWH-Kult nach längeren Auseinandersetzungen als alleiniger Kult in Israel durchsetzen kann (vgl. Monolatrie).
Militärisch gelingt es David, Israel aus der Abhängigkeit von den Philistern und anderen Nachbarvölkern zu befreien (vgl. 1. Samuel 13,19; 14,48; 2. Samuel 8,1) und diese Völker nun gegenüber Israel tributflichtig zu machen (2. Samuel 8,2-14; 10,19). In David hatten sich damit die Hoffnungen erfüllt, die die Menschen in Israel mit dem neu geschaffenen Königtum verbanden.
Außer vom Regierungshandeln Davids berichten die Samuelbücher auch über eine Reihe von Vorfällen aus dem familiären Umfeld des Königs. Der Ehebruch mit Bat-Seba und die anschließende Beseitigung ihres Ehemannes schildern ihn als skrupellosen, dann aber einsichtigen Machthaber (2. Samuel 11f.). Eine ganze Reihe von Erzählungen widmet sich Auseinandersetzungen um seine Nachfolge, die offenbar schon zu Lebzeiten eingesetzt haben: Von Putschversuchen zweier seiner Söhne wird berichtet (Abschalom: 2. Samuel 13-19; Scheba: 2. Samuel 20). Beide Usurpationen kann David mit Hilfe seines begabten Militärführers Joab abwehren.
2. Samuel 21 – 24 bilden Nachträge zu den Daviderzählungen und schließen sie ab. Hier finden sich Listen besonders verdienter Militärs (2. Samuel 21,15-22; 23,8-39); ein Psalm (2. Samuel 22; nahezu identisch auch als Psalm 18 überliefert); letzte Worte Davids (2. Samuel 23,1-7). Eine späte Legende erzählt schließlich, wie David den Bauplatz für den Jerusalemer Tempel gefunden haben soll (2. Samuel 24). Ihre Fortsetzung findet die Geschichte vom israelitischen Königtum in den Königsbüchern, die mit der Ernennung von Salomo zu Davids Nachfolger beginnen (1. Könige 1).
Entstehung der Samuelbücher
Ursprünge und Quellen
Die Verschiedenheit des Materials sowie Spannungen zwischen einzelnen Erzählungen (s.o.) machen deutlich, dass die Samuelbücher nicht „aus einem Guss“ sind, sondern dass verschiedene Traditionen zu einer Erzählung kombiniert wurden. Teile dieses Kompositionsprozesses lassen sich anhand der unterschiedlichen Texte von Septuaginta, Qumran und masoretischem Text nachvollziehen. Es ist deutlich, dass die Samuelbücher erst um die Zeitenwende die heute übliche Gestalt bekommen haben.
Während die letzte Phase des Entstehungsprozesses der Samuelbücher anhand der unterschiedlichen Textformen gut nachvollzogen werden kann, ist man für seine Anfänge auf Hypothesen angewiesen. Nach breitem Konsens in der Forschung ist davon auszugehen, dass nach der Eroberung Israels durch die Babylonier (597 v.Chr.) in Israel eine Reflexion der eigenen Geschichte einsetzt, um das (vorläufige) Ende der Geschichte Israels als Staat zu bearbeiten und zu deuten. Man beginnt, die mündlichen Traditionen über das untergegangene Königreich zu sammeln, die schriftlichen Quellen (wie Listen von Beamten, z.B. 2. Samuel 8,15-18) zu sichten und fügt sie schließlich zu einem geschlossenen Erzählwerk zusammen. Durch die Kombination und Verflechtung von Samuel-, Saul- und Davidgeschichten entsteht so im 6. oder 5. vorchristlichen Jahrhundert eine Erstfassung der Samuelbücher.
Deuteronomistische Redaktion
Ein in der Forschung intensiv diskutiertes Thema ist die Frage nach den späteren Überarbeitungen (Redaktionen) des einmal entstandenen Samuelbuchs. Im Zentrum der Diskussion stehen Texte, die als deuteronomistisch bezeichnet werden, weil sie eng mit der Sprache und den Inhalten des Deuteronomiums verbunden sind (vgl. z.B. 1. Samuel 12,12-15 mit Deuteronomium 18,15-18; 28,1f.). Diese Texte gehen auf eine theologische Schule zurück, die sogenannten Deuteronomisten.
Umstritten ist, ob die Deuteronomisten als Verfasser der Samuelbücher gelten können, d.h. ob sie es waren, die die Samuel-, Saul- und Davidgeschichten zu einem neuen Buch zusammengefügt und an den Schlüsselstellen (1. Samuel 12, 2. Samuel 7 u.a.) ihre eigenen Positionen eingefügt haben. Eine andere Möglichkeit ist, dass die Deuteronomisten ein bereits bestehendes Samuelbuch mit deuteronomistischen Texten erweitert haben, evtl. sogar in mehreren Durchläufen zu verschiedener Zeit. Dann hätte man mit mehreren deuteronomistischen Redaktionen zu rechnen, die zeitlich zwischen dem 6. und 3. Jahrhundert v.Chr. liegen können.
Unumstritten ist, dass die Samuelbücher in ihrer Endfassung stark deuteronomistisch geprägt sind und zusammen mit den Büchern Deuteronomium, Josua, Richter und Könige einen Teil des Deuteronomistischen Geschichtswerks bilden.
Literatur
Quellen
■ Discoveries in the Judaean Desert. Bd. 1 (1955) = 1QSam, Bd. 15 (2005) = 4QSama-c. Oxford University Press, New York. ISBN 0199249555
■ Alfred Rahlfs (Hrsg.): Septuaginta, id est Vetus Testamentum Graece iuxta LXX interpretes. Erstausgabe Stuttgart 1935. Verbesserte Neuausgabe: Editio altera quam recognovit et emendavit Robert Hanhart, Stuttgart 2006.
■ Biblia Hebraica Stuttgartensia, 5. Auflage, Stuttgart 1997.
Lexika
■ Klaus Peter Adam, Art. Samuelbücher, WiBiLex 2005, www.wibilex.de.
■ Peter Mommer, Art. Samuel, Theologische Realenzyklopädie Bd. 30 (Berlin / New York 1999), S. 1-5.
■ Walter Dietrich, Art. Samuel- und Königsbücher, Theologische Realenzyklopädie Bd. 30 (Berlin / New York 1999), S. 5-20.