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Frauenordination (Christentum)

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Frauenordination bezeichnet die einer Frau erteilte Weihe bzw. Ordination zum geistlichen Amt in einer christlichen Kirche bzw. Religionsgemeinschaft.

Geschichtliche Entwicklung

Vor- und frühchristliche Traditionen

Im antiken Judentum war der priesterliche Dienst im Tempel auf die männlichen Nachkommen des Aaron (Aaroniten) aus dem Stamm Levi beschränkt und kannte – im Gegensatz zu heidnischen Religionen – kein Frauenpriestertum. (Frauen gelten zudem im traditionellen Judentum während bestimmter Zeiten im Zusammenhang mit Menstruation und Gebären – als rituell unrein.)

Zur Übernahme eines rein männlichen Opferpriestertums aus dem Judentum (allerdings ohne Hinweis auf die – im Christentum nicht existierende – rituelle Unreinheit von Frauen zu manchen Zeiten) kam im Frühchristentum der Gedanke, dass Frauen nicht die Eucharistie „in Person Christi“ (des „Bräutigams“) gegenüber der (als weiblich gedachten) Gemeinde (der „Braut Christi“) zelebrieren könnten. Hinzu kam noch der Hinweis auf den Umstand, dass die von Jesus Christus ausgewählten zwölf Apostel, die nach traditionellem Verständnis den Kern des christlichen Bischofsamtes und Priestertums bildeten (Apostolische Sukzession), allesamt männlich waren.

Historisch eindeutig nachweisbar ist eine Frauenordination jedenfalls nur in der Sekte der Montanisten (und dieses Faktum wurde auch in der zeitgenössischen Auseinandersetzung für die Verurteilung der Sekte maßgeblich herangezogen), andere (angebliche) historische Belege sind zumeist höchst unklar.

Hinsichtlich der Frage des ur- und frühchristlichen Verständnisses von Kirchenamt und Priestertum ist derzeit überhaupt ein lebhafter wissenschaftlicher und weltanschaulich-ideologischer Disput im Gange, ob diese Institute bereits im Urchristentum in jenem Sinne vorhanden waren, der ihnen von der Römisch-Katholischen Kirche bzw. den Ostkirchen beigelegt wird, oder ob es sich dabei um Entwicklungen deutlich nachapostolischer Zeit handelt. Damit ist auch die Frage, ob im Urchristentum eine Frauenordination begrifflich überhaupt gegeben sein konnte, naturgemäß eng verbunden und wird unterschiedlich beantwortet.

Mittelalter und Neuzeit

Im Mittelalter gab es nur in einigen Sekten (z. B. Brüder und Schwestern des freien Geistes) zum Teil Tendenzen zur Frauenordination, doch war auch innerhalb häretischer Bewegungen jener Zeit weithin ein Konsens über die Ungültigkeit bzw. Unzulässigkeit der Frauenordination gegeben. Obwohl es im Zuge der Reformation zu einer fundamentalen Änderung im Verständnis der Ordination kam, wurde hinsichtlich der Frage einer Frauenordination die bisherige Praxis, ausschließlich Männer zu ordinieren, beibehalten. Überhaupt stand die Frauenordination aufgrund der in den christlich geprägten Gesellschaften bis ins 20. Jahrhundert hinein überall herrschenden Auffassung von der Verschiedenheit von Mann und Frau und den daraus resultierenden unterschiedlichen Aufgaben der Geschlechter nicht zur Debatte.

Gegenwart

Die Haltung zur Frauenordination ist in den christlichen Denominationen nach der Frauenbewegung des frühen 20. Jahrhunderts in Bewegung geraten. Die Antworten sind dabei – je nach kirchlicher Tradition und Amtsverständnis – unterschiedlich. Bei den Mariaviten führte Jan Michael Kowalski ab 1929 die Frauenordination ein. Dies führte 1935 zur Spaltung der Mariavitischen Bewegung, deren größerer Teil – die „Altkatholische Kirche der Mariaviten (Plozk)“ – die Einführung der Frauenordination rückgängig machte, während die „Katholische Kirche der Mariaviten (Felizjanow)“ sie beibehält. Im Zuge der Frauenemanzipation setzten in den 1960er Jahren auch in anderen Denominationen Bestrebungen zur Frauenordination ein. Seitdem müssen sich die jeweiligen Religionsgemeinschaften mit dieser Frage auf theologischer Ebene auseinandersetzen, um das Für oder Wider entsprechend begründen zu können.

Der Anglikanismus fing, von einigen unregelmäßigen Ausnahmen abgesehen, in den 1970er Jahren an, Frauen zum Priesteramt zu weihen. Dies geschag in den USA seit 1976, in Neuseeland seit 1977 und in England seit 1994. 1989 und 1990 wurden auch die ersten Bischöfinnen geweiht. Im Juni 2006 wurde Katharine Jefferts Schori zur ersten Primatin in der US-amerikanischen Episcopalkirche gewählt. Anfang Juli 2005 hat die Generalsynode der Church of England prinzipiell die Einführung der Frauenordination bei Bischöfen befürwortet; die Herbeiführung der kirchenrechtlichen Änderungen, die dafür nötig sein werden, wird noch etwas länger dauern (eine Tendenz, die auch bei der Ordination zum Priesteramt oder auch bei Reformen des Book of Common Prayer ebenfalls zu merken war). Konservativere anglikanische Kirchen, wie etwa die nigerianische, weihen nach wie vor nur Männer.

Abgesehen von den alt-katholischen Kirchen und den mit ihr in voller Kommunion stehenden anglikanischen haben bisher nur Religionsgemeinschaften der reformatorischen Tradition – und auch von diesen keineswegs alle – eine Frauenordination zugelassen (z.B. Evangelische Kirche in Deutschland [1]) Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass es ein Priestertum als Weiheamt in diesen Kirchen und damit eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen Laien und Priestern nicht gibt. Während z.B. in der römisch-katholischen oder in der orthodoxen Kirche die göttliche Berufung in Gestalt des Weihesakraments ausschlaggebend ist, betrachten die reformatorischen Kirchen die Berufung ins ordinierte Amt als eine Angelegenheit der jeweiligen Kirche, die allein von Gottes Wort her in der jeweiligen Zeit ihre Regelungen trifft. Damit erschien im Umfeld eines geänderten gesellschaftlichen Klimas die Zulassung von Frauen zum Priesteramt eher einführbar zu sein, weil es bei ihnen „nur“ darum ging, von Menschen gemachte Satzungen zu ändern.

Jene Kirchen, die die eigenen Traditionen als Teil der von Gott gegebenen Ordnung begreifen, lehnen die Frauenordination prinzipiell ab. Dies führte u.a. zu erheblichen Spannungen in der Ökumene.

Bisher einmalig in der Kirchengeschichte ist die Tatsache, dass die Evangelisch-Lutherische Kirche Lettlands zunächst die Frauenordination eingeführt hatte, Erzbischof Janis Vanags aber diese nach seiner Wahl zurücknahm und als unbiblische und bekenntniswidrige Lehre verurteilte.

Theologische Fragestellung

Die Frage der Gültigkeit einer Frauenordination berührt sowohl Bereiche der Ekklesiologie wie der Sakramententheologie, die Frage der Zulässigkeit – bei schon vorausgesetzter prinzipieller Gültigkeit – darüberhinaus Fragen des praktischen Kirchenverständnisses (Kanonisches Recht, Missionswesen, Pastoraltheologie).

Religionsgemeinschaften mit Frauenordination versuchen in reformatorischer Tradition (sola scriptura) deren Gültigkeit und Zulässigkeit theologisch auch aus der Bibel zu begründen und weisen einerseits auf ihrer Meinung nach gegebene biblische Zeugnisse der Alten Kirche hin, andererseits auch auf den Grundsatz des Allgemeinen Priestertums aller Christen. In den Paulusbriefen finden sich unter den Grußworten des Apostels eine als διακονος („diakonos“) bezeichnete Phoebe (Vorlage:Bibel2). Strittig ist jedoch, ob die bloße Bezeichnung einer Person als diákonos („Diener“ oder „Dienerin“) bereits deren Innehabung einer Ordination als „Diakon“ bzw. „Diakonin“ bedeutet.

Auch eine „Junia“, die „unter den Aposteln berühmt“ sei (Vorlage:Bibel2, wird von Befürwortern einer Frauenordination gerne angeführt. Der Name „Junia“ wurde in der exegetischen Tradition jedoch weithin als Akkusativ von „Junias“ angesehen, der für einen „Junianus“ als Kurzform (wie sie bei Paulus öfters vorkommen) durchaus möglich ist, und auch z.B. von Martin Luther als Männername übersetzt wurde. Jedenfalls wäre auch eine „Junia, die unter den Aposteln berühmt ist“ deshalb noch keineswegs als weiblicher Apostel nachgewiesen, sondern eben nur ihre Berühmtheit unter den Aposteln, was aber ebensogut auch eine besondere Wertschätzung, die diese Junia bei den Aposteln genossen hatte, ausdrücken kann. Deshalb besitzt die Auseinandersetzung darum, welcher exegetische Sinngehalt welchen Bibelstellen beizulegen ist, tiefgreifende Bedeutung für die Frage.

Altkatholische Kirchen führen als wichtigen Grund für die Frauenordination den Umstand an, dass in Jesus Christus der Mensch als Mann und Frau erlöst sei. Diese Botschaft der Erlösung könne in der heutigen kulturellen Situation unglaubwürdig wirken, wenn das Priesteramt weiterhin Männern vorbehalten bleibe.

In Berufung auf Vorlage:Bibel2 wird besonders in der Römisch-katholischen Kirche (hier auch in Berufung auf die kirchliche Tradition) sowie in den meisten evangelikalen Gemeinden die Frauenordination offiziell abgelehnt.

Ein wesentlicher Grund für die Ablehnung der Frauenordination ist der fehlende Auftrag von Jesus Christus. In der Bibel wird bezeugt, wie Jesus seine Jünger beruft und ordiniert. Aber eine Frau ist nicht darunter.

Frauenordination in der Minderheit

Weltweit sind jene Kirchen, welche keine Frauenordination anerkennen, nach Mitgliederzahlen in der deutlichen Mehrheit (ca. 85%). In Deutschland ist es nach Mitgliederzahl ungefähr die Hälfte der Kirchen, die eine Frauenordination befürwortet.

Kirchen mit Frauenordination

Unterschiedliche Varianten

Kirchen ohne Frauenordination

Literatur

  • Urs von Arx (Hrsg.): Bild Christi und Geschlecht: „Gemeinsame Überlegungen“ und Referate der Orthodox-Altkatholischen Konsultation zur Stellung der Frau in der Kirche und zur Frauenordination als ökumenisches Problem: 25. Februar - 1. März 1996 in Levádhia (Griechenland) und 10. - 15. Dezember 1996 in Konstancin (Polen); Internationale Kirchliche Zeitschrift 88/2; Bern: Stämpfli, 1998
  • Peter Brunner: Das Hirtenamt und die Frau, in: ders.: Pro Eccelsia, Bd.1; Berlin und Hamburg: Lutherisches Verlags-Haus, 1962; ISBN 3-924022-26-7; S. 310ff
  • Christine Globig: Frauenordination im Kontext lutherischer Ekklesiologie. Ein Beitrag zum ökumenischen Gespräch; Kirche und Konfession, Bd. 36; Universität Kiel: Dissertation 1992; Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1994; ISBN 3-525-56540-2
  • Stephan Gröne: Kontra Frauenordination – Warum Jesus die Gemeindeleitung durch Frauen verbietet; Hamburg: MeinBu.ch, 2006; ISBN 3-86516-727-6
  • Manfred Hauke: Die Problematik um das Frauenpriestertum vor dem Hintergrund der Schöpungs- und Erlösungsordnung; Paderborn: Bonifatius, 19913; ISBN 3-87088-661-7
  • Heinrich Herrmanns, Horst Georg Pöhlmann, Reinhard Slenczka: Pro und kontra Frauenordination. Referate und Voten auf der Schaumburg-Lippischen Landessynode am 5. Oktober in Bückeburg; Wetzlar: idea, 1991
  • Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (Hg.): Frauenordination und Bischofsamt. Eine Stellungnahme der Kammer für Theologie der EKD; EKD-Texte 44; Hannover: Kirchenamt der EKD, 1992
  • Kurt E. Marquart: The ordination of Women; in: ders.: The Church an her fellowship, ministry and governance; Confessional Lutheran Dogmatics, Bd. 9; Fort Wayne, Indiana (USA): International Foundation for Lutheran, 1990; ISBN 0-9622791-9-6; S. 166ff
  • Reinhard Slenczka: Die Ordination von Frauen zum Amt der Kirche; in: ders.: Amt – Ehe – Frau. Vier Vorträge aus gegebenem Anlass; Groß Oesingen: Lutherische Buchhandlung Harms, 1994; ISBN 3-86147-104-3; S. 8-25
  • Dagmar Herbrecht, Ilse Härter, Hannelore Erhart (Hg.): Der Streit um die Frauenordination in der Bekennenden Kirche. Quellentexte zu ihrer Geschichte im Zweiten Weltkrieg; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1997; ISBN 3-7887-1649-5
  • Dagmar Herbrecht: Emanzipation oder Anpassung. Argumentationswege der Theologinnen im Streit um die Frauenordination in der Bekennenden Kirche; Kassel, Univ., Diss., 1999; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 2000; ISBN 3-7887-1785-8
  • Werner Neuer: Mann und Frau in christlicher Sicht; Gießen: Brunnen, 20025; ISBN 3-76559503-9
  • Bund freikirchlicher Pfingstgemeinden: Stellungnahmen zum „Dienst der Frau“; Materialien des Bundes-Unterrichts-Werks, Sonderband 2; Penig: Bundes-Unterrichts-Werk des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden, o.J. (2004); vgl. dazu [1]

Quellen

  1. http://www.ekd.de/aktuell_presse/pm204_2005_elkthue_reformationstag.html
  2. http://www.moravian.org/publications/moravian/back_issues/2005/2005_sep_women_historical.phtml
  3. http://www.lutheranworld.org/News/LWI/DE/2102.DE.html
  4. http://www.lutheranworld.org/news/lwi/de/1771.de.html
  5. http://www.lutheranworld.org/news/lwi/de/1644.de.html
  6. ELCIC:News
  7. http://www.abwim.org/information.asp
  8. http://www.nabconference.org/pages.asp?pageid=642
  9. Siehe http://www.baptisten.org/nachrichten/news_show.php?sel=200&show=528&select=Aktuelles
  10. The ordination of women in WARC member churches
  11. http://www.bfp.de/index.php?id=165
  12. Maas-Archiv: Erzbischof Kowalski zwischen zwei Bischöfinnen, 24. April 2006

Pro und Kontra Frauenordination

Pro Frauenordination

Kontra Frauenordination