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Richard Müller (Gewerkschafter)

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Richard Müller (* 1880; † 1943) war Autor und Vertreter der Arbeiterbewegung in Deutschland zur Zeit des Kaiserreichs und der Weimarer Republik. Als einer der Köpfe der Revolutionären Obleute spielte er vor allem im Vorfeld und Verlauf der Novemberrevolution als Verfechter einer Räterepublik eine wichtige Rolle.

Leben und Wirken

Richard Müller war seit 1914 Leiter der Dreherbranche im freigewerkschaftlichen Deutschen Metallarbeiterverband und einer der führenden Köpfe des auf dem linken Flügel der Gewerkschaften angesiedelten Metallarbeiterverbandes in Berlin. Müller hatte seit Beginn des Krieges die sozialdemokratische Kriegspolitik bekämpft. Seine Verhaftung im April 1917 löste in Berlin - gegen den Willen der Gewerkschaften - einen Streik aus, dem sich etwa 300.000 Arbeiter anschlossen, um gegen die Inhaftierung Müllers zu protestieren und eine Verbesserung der Lebensmittelversorgung zu fordern. Nach einem Entgegenkommen der Behörden wurde der Streik bereits am zweiten Tag eingestellt.

Nach der Bildung der gewerkschaftsunabhängigen Revolutionären Obleute schloss sich der Metallarbeiter Müller ihnen an, und übernahm im Anschlss an den Januarstreik 1918 den Vorsitz des in Berlin gegründeten Aktionsausschusses, dem auch Friedrich Ebert, Philipp Scheidemann, Otto Braun und andere angehörten.

Als sich unter Friedrich Ebert im Zuge der Novemberrevolution am 9. und 10. November 1918 nach dem Sturz der Monarchie der Rat der Volksbeauftragten als neue, aus Vertretern der SPD und USPD paritätisch besetzte provisorische Reichsregierung bildete, lehnte Müller, der wie auch Karl Liebknecht noch der USPD angehörte, eine Regierungsbeteiligung ab. Eine gewählte Nationalversammlung, so Müller, würde es nur "über [seine] Leiche" geben. Dieser Ausspruch begründete seinen zeitgnössischen Spitznamen „Leichenmüller“.[1]

Stattdessen wurde Müller am 10. November zum Vorsitzenden der Arbeiter- und Soldatenräte in Berlin gewählt. Außerdem gehörte er neben anderen MSPD und USPD-Mitgliedern wie Hermann Müller, Georg Ledebour oder Emil Barth dem aus insgesamt 28 Personen bestehenden Vollzugsrat an.

Müller war sich mit der Mehrheit des linksrevolutionären Spartakusbundes zwar über das Ziel einer sozialistischen Räterepublik einig. Aber er lehnte für die revolutionären Obleute solange einen Anschluss an die KPD ab, ehe diese nicht ihre Putschistentaktik aufgegeben hätten.[2]

Als Vertreter des linken Flügels im Deutschen Metallarbeiterverbandes gehörte Müller zu den entschiedenen Kritikern einer Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern in der so genannten Zentralarbeitsgemeinschaft. Eine Resolution Müllers vom 2. März 1919 warf der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands Verrat vor. Im Juni 1919 sprach Müller neben Theodor Leipart auf dem Kongress der freien Gewerkschaften über die zukünftigen Aufgaben der Arbeiterräte. Er entfaltete dabei ein über die Betriebsebene hinausgehendes rätedemokratisches Konzept. Ohne die Gewerkschaften zu erwähnen, entwickelte Müller das Modell einer regional und fachlich durchgegliederten Räteorganisation, an deren Spitze ein Zentralrat und ein Reichswirtschaftsrat stehen sollten. Diese Konzept wurde jedoch von der Mehrheit des Kongresses mit 407 zu 192 Stimmen abgelehnt, stattdessen setzte sich in der Folge des Betriebsratskonzept durch.[3].

Ein Jahr später scheiterte Müller mit seinem Antrag, die Betriebsräte zu selbstständigen politischen Kampforganisationen zu machen. Stattdessen erklärte der Kongress die Gewerkschaften zu Trägern der Betriebsräte. Müller versuchte in der Folge wenig erfolgreich, die der USPD nahestehenden Betriebsräte in einer Reichsstelle der Betriebsräte zu sammeln, um mit ihr der gewerkschaftlichen Betriebsrätezentrale des ADGB und des AfA-Bundes Konkurrenz zu machen.[4]

Auf dem außerordentlichen Parteitag der USPD zwischen dem 12. und 17. Oktober 1920 gehörte Müller zu denjenigen, die eine Aufnahme der Partei in die kommunistische Internationale und letztlich den Zusammenschluss mit der KPD zur VKPD befürworteten. Die Mehrheit der Delegierten stimmten diesem Kurs zu. Im Zuge der Stalinisierung der Partei ab 1924/25 zog sich Müller aus dem politischen Leben zurück. Danach verliert sich seine Spur.

Einzelnachweise

  1. Eduard Bernstein, Die deutsche Revolution von 1918/19 (Rezension im Archiv für Sozialgeschichte von [[Heinrich-August Winkler)
  2. Protokoll des Gründungsparteitags der KPD (Dritter Tag 1. Januar 1919
  3. Michael Schneider: Höhen, Krisen und Tiefen. Die Gewerkschaften in der Weimarer Republik. In: Ulrich Borsdorf (Hrsg.): Geschichte der deutschen Gewerkschaften. Von den Anfängen bis 1945. Köln, 1987, S.297
  4. Schneider, S.304

Werke

  • Was die Arbeiterräte wollen und sollen!. Mit einem Vorwort von Ernst Däumig. Berlin, Verlag "Der Arbeiter-Rat", (1919)
  • Vom Kaiserreich zur Republik. Wien : Malik, 1924-1925, 2 Bände (Wissenschaft und Gesellschaft, Band 3/4). - Laut Biographischem Staatshandbuch von Wilhelm Kosch ist seine Verfasserschaft umstritten (BSH II, 889).
    • Band 1: Ein Beitrag zur Geschichte der revolutionären Arbeiterbewegung während des Weltkrieges.
    • Band 2: Die Novemberrevolution. Wien (Malik-Verlag) 1924 Einbandgestaltung von John Heartfield. Mit einigen Abbildungen.
  • Der Bürgerkrieg in Deutschland. Geburtswehen der Republik. Berlin, Phöbus-Verlag, 1925
Die letztgenannten drei Werke wurden nachgedruckt: Berlin: Olle & Wolter 1979 (Kritische Bibliothek der Arbeiterbewegung, Texte Nr. 3, 4 und 5)

Literatur

  • Stefan Berkholz: Carl von Ossietzky, 227 Tage im Gefängnis: Briefe, Dokumente, Texte. Luchterhand Literaturverlag 1988
  • Wolfram Wette: Gustav Noske: Eine politische Biographie. Droste Verlag, 1987
  • Franz Osterroth / Dieter Schuster: Chronik der deutschen Sozialdemokratie. Bd.2: Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des zweiten Weltkrieges. Bonn, Berlin, 1975. S.7f.

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