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Cranio-Sacral-Therapie

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Die Cranio-Sacral-Therapie (von englisch cranio-sacral therapy: "Schädel-Kreuzbein-Therapie", auch Kraniosakraltherapie) ist eine alternativmedizinische Behandlungsform, die sich aus der Osteopathie entwickelt hat. Es ist ein manuelles Verfahren, bei dem Handgriffe im Bereich des Schädels und des Kreuzbeins ausgeführt werden. Bisher gibt es keinen Nachweis, dass das Verfahren wirksam ist.

Schreibweise

Den Begriff "cranio sacral" findet man in unterschiedlichen Schreibweisen. Die Ursache hierfür ist die Zusammensetzung des Begriffs aus dem griechischen Wort "kranion" (Schädel) und dem lateinischen Wort "sacrum" (das Heilige), wobei in der Anatomie "os sacrum" für das Kreuzbein benutzt wird. In der Medizin gehen das griechische "K" und das lateinische "C" oft etwas durcheinander. Da in der medizinischen Terminologie am Kopf die Orientierungspunkte mit griechischen Worten bezeichnet werden, wäre wohl der griechische Wortursprung mit der Schreibweise "kranion" korrekt. Beim Kreuzbein wäre das lateinische "sacrum" wohl die richtige Schreibweise. Setzt man beide Worte zusammen, dann wird in der Medizin oft die Entscheidung entweder für eine einheitliche Schreibweise nur mit "k" oder nur mit "c" getroffen, obwohl es sich um Wörter aus unterschiedlichen Sprachen handelt. So findet man die Schreibweise craniosacral oder seltener kraniosakral, aber auch craniosakral, kraniosacral bzw. auch die getrennte Schreibweise Cranio Sacral, Kranio Sakral, Kranio Sacral (bzw. mit Bindestrich).

Entstehung und Marketingkonzepte

Die Cranio-Sacrale Therapie ist aus der Osteopathie heraus entstanden, genauer gesagt aus der "Osteopathy in the Cranial Field" - begründet vom US-amerikanischen osteopathischen Arzt William Garner Sutherland D.O. (erstes Buch: "The Cranial Bowl", 1939). Die heutige Ausprägung als von der Osteopathie losgelöste Therapieform erhielt sie um das Jahr 1983 im wesentlichen durch John E. Upledger D.O. (erstes Buch: "Craniosacral Therapy", 1983). Er veröffentlichte 1991 eine für Laien eher verständliche Einführung in die Craniosacralarbeit unter dem Titel "Your inner Physician and you". John E. Upledger D.O. reduzierte das Behandlungskonzept der "Osteopathy in the Cranial Field" auf ein Konzept aus 10 Schritten und verband es mit der alternativen Psychotherapie der 1970er Jahre zum Konzept der "Somato Emotional Release" (körperlich-seelische Lösung). Er postulierte dafür sogenannte "Energie-Zysten", in denen sich ein Trauma im Gewebe fixiere.

Die Sutherland Cranial Teaching Foundation ist die von Sutherland 1953 gegründete Organisation zur Vermittlung der Osteopathie im cranialen Bereich. Die SCTF ist Teil der A.O.A (American Osteopathic Association) und erkennt die von Upledger aus der Osteopathie ausgegliederte, abgewandelte und in "Cranio-Sacral-Therapie" umbenannte Behandlungsform nicht an.

Konzept und hypothetische Begründung

Ein Merkmal der Cranio-Sacral-Therapie ist ihre hypothetische Begründung. Diese Modelle basieren allerdings noch auf den Erklärungen der "Osteopathy in the Cranial Field" der 1950er Jahre, mit denen auch John E. Upledger D.O. als osteopathischer Arzt ausgebildet wurde. Man meinte damals, ein angenommener sogenannter "Cranio-Sacral-Rhythmus" (="Primary Respiratory Mechanism"), pulsiere in der Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis). Was letztendlich diese palpierbaren Pulsationen im Gewebe sind, ist physiologisch bisher nicht erklärbar. Dabei kann es sich um Rhythmen von 5-12 Zyklen, aber auch um ganz andere Rhythmen handeln. Den einzelnen Schädelnähten (und den darin enthaltenen Sharpey-Fasern) wird eine gewisse Beweglichkeit zugeschrieben, die untersucht und therapiert werden könne. Durch Berührung von Kopf und Rücken will der Therapeut Informationen über mögliche Blockaden dieses Flusses sammeln und dadurch auf mögliche Funktionseinschränkungen an Körper und Schädel einwirken, sowie indirekt auch Membranen innerhalb des Schädels (Falx cerebri, Tentorium, Falx cerebelli) und die harte Hirnhaut (Dura mater) beeinflussen. Dieses Vorgehen soll den "Energiefluss" verbessern und Selbstheilungskräfte aktivieren, Funktionseinschränkungen und seelische Traumata lösen.

Es gibt zur Zeit vor allem drei historische Erklärungsmodelle:

  • Das mechanische Modell (meist in der Osteopathie und in der Richtung "Upledger" zu finden)
  • Das Biodynamische Modell (v.a. von Franklyn Sills vertreten)
  • Das "Flüssig-Elektrische" Modell ("liquid electric") von Hugh Milne.

Kritik

Eine im ganzen Körper wirksame Liquorwelle existiert nicht, eine Wirksamkeit der Cranio-Sacral-Therapie ist nicht belegt. Befürworter der Cranial-Sacral-Therapie berufen sich nur auf eigene Erfahrungen. Studien über die Wirksamkeit (s.medizinische Wirksamkeit) oder Wirkweise der Cranio-Sacral-Therapie wurden in internationalen medizinischen Fachblättern aufgrund methodischer Mängel bisher als mangelhaft bewertet.

In den bisherigen Untersuchungen gab es keine signifikante Übereinstimmung über einen festgestellten Rhythmus zwischen zwei Therapeuten, die gleichzeitig die gleiche Person berührten. Offenbar handelt es sich also um ein subjektives Interaktionsphänomen menschlicher Berührung. Auch die durch bildgebende Verfahren im Mikrobereich festgestellte Bewegung der Schädelnähte ist so gering, dass sie das Diskriminationsvermögen der feinen Tastsensoren einer menschlichen Hand deutlich unterschreitet. (Quelle: Zeitschrift für Manuelle Medizin 3/2006, Springer Verlag, New York / Berlin / Heidelberg)

Andere Quellen ("Craniosacrale Osteopathie", T. Liem) geben wiederum gegensätzliche Informationen an, z. B. dass die Hand Unregelmäßigkeiten von bis zu 2-3 Mikrometern auf einer glatten Oberfläche spüren könne. Die oben genannten Tests der Beweglichkeit der Schädelnähte (hier im Bereich der Ossa parietalia) gaben aber eine Mobilität von ca. 50 Mikrometern an, d. h. dass es für einen geübten Therapeuten möglich ist, die craniosacralen Eigenbewegungen zu spüren.

Was die unterschiedlichen Angaben von verschiedenen Therapeuten in Bezug auf die Frequenz der craniosacralen Eigenbewegung anbelangt(Quelle: "Craniosacrale Osteopathie", T. Liem): Es wurde kein Unterschied gefunden zwischen dem craniosacralen Rhythmus ("Primärer Rhythmus", ca. 6-12x/Min.), der "2,5/Minuten-Welle" und der "Langen Tide" (ca. alle 100 Sek.). Alle drei Rhythmen haben eine signifikant unterschiedliche Frequenz.

Literatur

  • William Garner Sutherland: The Cranial Bowl. 1939
  • William Garner Sutherland, Editor: Ann Wales: Teachings in the Science of Osteopathy. 1990
  • Milne, Hugh, Aus der Mitte des Herzens lauschen Vol.1, Vol.2
  • Rebecca Lippincott Conrow, Howard A. Lippincott: A Manual of Cranial Technique. 1943
  • Harold Ives Magoun: Osteopathy in the Cranial Field. Denver 1951
  • Sills, Franklyn, Craniosacral Biodynamics, Vol.1, Berkeley, 2001, Vol. 2, Berkeley, 2004
  • Upledger, J.E., Lehrbuch der Kraniosakral-Therapie (USA 1983), Heidelberg 1991
  • Upledger, J.E., Auf den Inneren Arzt hören, Eine Einführung in die KranioSacral-Arbeit, Basel 1994