Kulturalismus
Der Begriff Kulturalismus findet in verschiedenen akademischen Disziplinen Anwendung.
Kulturalismus in der Philosophie
In der Philosophie bezeichnet der Begriff Kulturalismus Denkrichtungen, welche die anthropologische Einordnung des Menschen als Kulturwesen besonders stark betonen. Mensch und Umwelt seien demnach etwas primär von der Kultur geprägtes Kultürliches, d.h. stets durch den Menschen selbst Hervorgebrachtes. Den Gegenpol zum Kulturalismus bildet der Naturalismus, der die Welt durch naturgegebene Ursachen und Notwendigkeiten erklärt.
Methodischer Kulturalismus
siehe auch Hauptartikel: Methodischer Kulturalismus
In der Philosophie wird die methodisch-konstruktivistische Richtung der Marburger Schule von Peter Janich, Dirk Hartmann und anderen zur programmatischen Abgrenzung von naturalistischen Ansätzen als Methodischer Kulturalismus bezeichnet. Ausgang und methodischer Anfang des Philosophierens ist hier die selbstgestaltete Lebenswelt, deren Produkte (Artefakte) und kulturspezifischen Praxen beispielsweise in der Wissenschaft in Hinblick auf ihre Zwecksetzungen und die Rationalität der Wahl von Mitteln handlungstheoretisch reflektiert werden. [1]
Peter Janich definiert Kulturalismus folgendermaßen:
„Kulturalismus bezeichnet in allgemeinster Form eine philosophisch-kritische Bezugnahme auf die Kultürlichkeit des Verhältnisses von Mensch und Welt und mit besonderem Gewicht eine gegen jede Form des Naturalismus gerichtete Betonung, daß alle menschlichen Hervorbringungen im Alltag, in den Wissenschaften und nicht zuletzt in der Philosophie selbst Kulturleistungen sind.“
Kulturalismus in den Sozialwissenschaften
Kulturalismus ist ein Terminus in den Sozialwissenschaften, der kritisch Ideologeme und Forschungen der Kulturanthropologie bezeichnet, die eine Grundpersönlichkeit annehmen. [2] Auch die Betonung des Kulturellen vor dem Sozialen wird mit Kulturalismus bezeichnet. [3]
In der Forschung zum „(Neo)Rassismus“ (vgl. Magiros) bezeichnet Kulturalismus Konzepte, die mittels ihres Kulturbegriffes völkische Lehren weiter verfolgen. Das Wort Rasse werde hier durch das Wort Kultur, Ethnie, Volk, Nation oder andere Begriffe ersetzt. Da der Begriff Rasse in diesen Argumentationen in der Regel nicht vorkomme, werde der Kulturalismus vielfach als ein Rassismus ohne Rassen bezeichnet, der den Begriff Rasse „aufgibt“, „ohne dass in ihm die Abwertung und Ausgrenzung des ›Anderen‹ an Schärfe“ verloren geht.[4] Dies zeige sich nach Magiros besonders in völkisch konzeptionierten Formen des Multikulturalismus und im Ethnopluralismus. [5]
Kulturalismus in der Ethnologie
Der Begriff Kulturalismus auch die frühen Arbeiten aus dem Umkreis der englischsprachigen cultural anthropology und der cultural studies von Stuart Hall verwendet. Er meint in diesem Zusammenhang die zu starke Betonung des Kulturellen gegenüber dem Sozialen, Ökonomischen oder Geschichtlichem. Stuart Hall[6] setzt Kulturalismus (Cultural Materialism) und Strukturalismus einander gegenüber. Der Kulturalismus erforscht Kulturen als Lebensweisen und bevorzugt die sozialgeschichtliche Rekonstruktion von Kulturen. Kulturalismus versucht den Hyper-Strukturalismus früherer Theorien zu korrigieren, indem er das kollektive wie individuelle Subjekt wieder ins Zentrum der Betrachtung rückt.[7]
Siehe auch
- Kulturnation
- Kulturkapitalismus
- Kulturkritik
- Ethnisierung
- Weißsein
- Rassistisches Wissen
- Exotismus
- Orientalismus
Quellen
- ↑ Peter Janich: Kulturalismus [1]; Dirk Hartmann Selbstdarstellung Zu Publikationen zum Methodischen Kulturalismus s. unter "Veröffentlichungen" hier
- ↑ vgl. er Fuchs-Heinritz „Kulturalismus“ in: Werner Fuchs-Heinritz u.a. (Hg.): Lexikon zur Soziologie. VS-Verlag.
- ↑ vgl. er Fuchs-Heinritz „Kulturalismus“ in: Werner Fuchs-Heinritz u.a. (Hg.): Lexikon zur Soziologie. VS-Verlag.
- ↑ Angelika Magiros (2004): Kritik der Identität. 'Bio-Macht' und 'Dialektik der Aufklärung' - Werkzeuge gegen Fremdenabwehr und (Neo-)Rassismus. Münster. Insb. S. 166 ff. / Weitere Autoren: Barker, Taguieff, Balibar, Bielefeld, Jaschke, Terkessidis. Siehe Literatur.
- ↑ Magiros s.o.
- ↑ Stuart Hall: „Cultural Studies. Zwei Paradigmen“ (1980)
- ↑ [2]
Literatur
Nachschlage Werke
- Werner Fuchs-Heinritz "Kulturalismus" in: Werner Fuchs-Heinritz u.a. (Hg.): Lexikon zur Soziologie. VS-Verlag.
Zum Kulturalismus / (Neo) Rassismus
- Etienne Balibar 1990: Gibt es einen ›Neo-Rassismus‹?, in: Balibar / Wallerstein 1990: Rasse Klasse Nation. Ambivalente Identitäten, Hamburg u. Berlin.
- Martin Barker 1982: The New Racism. Conservatives and the Ideology of the Tribe, Frederick (Maryland)
- Uli Bielefeld (Hg.) 1992: Das Eigene und das Fremde – Neuer Rassismus in der Alten Welt?, Hamburg
- Angelika Magiros 2004: Kritik der Identität. 'Bio-Macht' und 'Dialektik der Aufklärung' - Werkzeuge gegen Fremdenabwehr und (Neo-)Rassismus. Münster
- Pierre-André Taguieff 1988: Die Macht des Vorurteils. Der Rassismus und sein Double, Hamburg
- Mark Terkessidis 1995: Kulturkampf. Volk, Nation, der Westen und die Neue Rechte, Köln
- Mark Terkessidis 1998: Psychologie des Rassismus. Opladen/Wiesbaden