Hochhaus



Im deutschsprachigen Raum bezeichnet Hochhaus ursprünglich alle Gebäude, die eine in der jeweiligen Landesbauordnung festgelegte Gebäudehöhe überschreiten - auch wenn sie nicht die typische Gestalt (und die übergroße Höhe) eines Wolkenkratzers haben. Umgangssprachlich sind die Begriffe manchmal bedeutungsgleich.
Definition
Überwiegend definieren die Landesbauordnungen ein Gebäude als Hochhaus, wenn der Fußboden mindestens eines Aufenthaltsraumes mehr als 22 Meter über der Geländeoberfläche liegt. Denn Feuerwehrdrehleitern können Personen aus Räumen retten, deren Fußboden bis zu 23 Meter über dem Gelände liegt. Für höhere Gebäude - also die Hochhäuser - sind zusätzliche Brandschutzvorkehrungen zu treffen, wie zum Beispiel abgetrennte Fluchttreppenhäuser. Die Hochhausverordnung (HochhVO) regelt die besonderen Ansprüche des Gesetzgebers an den Bau und Betrieb von Hochhäusern.
Dem Begriff „Wolkenkratzer“ (englisch: "skyscraper") kommt das in den 1920er Jahren im deutschen Sprachraum gebräuchliche „Turmhaus“ nahe.
In Japan und China gelten erst mehr als 100 Meter hohe Gebäude als Hochhaus.
Geschichte
Geburtsstunde des Hochhauses
Als sich in Chicago, in den USA, zwischen 1880 und 1890 die Einwohnerzahl auf über eine Million verdoppelte, vervielfachten sich auch die Grundstückspreise in der Innenstadt. Kostete 1 m² im Jahr 1880 noch 130 US-Dollar, versiebenfachte er sich bis zum Jahr 1890 fast bis auf 900 US-Dollar pro m². Um rentabel zu wirtschaften, begannen Grundstückseigner, ihre Grundfläche maximal zu nutzen – was bedeutete, höher zu bauen. Dies ermöglichten neue Erfindungen wie elektrische Aufzugsanlagen, feuerfestere Baustoffe, vor allem der Skelettbaus und der Stahlskelettbau.
Das Home Insurance Building von 1885 (1931 abgerissen) vereinte als erstes Bauwerk die neuen technischen Errungenschaften und gilt mit seinen zehn Etagen als das erste Hochhaus der Welt. Das 1889 von Dankmar Adler und Louis Sullivan errichtete Auditorium Building wies zudem - neben seiner fast perfekten Akustik - als Neuheit eine Klimaanlage auf. Zwischen 1890 und 1894 entstand das Reliance Building, welches als Vorläufer der später den „internationalen Stil“ bestimmenden gläsernen Vorhangwandkonstruktion und als Meisterwerk der Ersten Chicagoer Schule gilt.
Manhattan, New York City, als exemplarische Hochhausstadt
Im Stadtteil Manhattan, New York City steht das Fuller Building (oder Flatiron Building) von 1902 noch heute als Beispiel der frühen Skelettbauweise. Die 1916 erlassene Bauordnung der Stadt New York, die nur für 25 Prozent der Grundstücksfläche eine unbegrenzte Höhenentwicklung erlaubte, und für den Rest des Bauwerks eine mathematisch bestimmte Abtreppungsvorschrift enthielt (sie galt bis in die 1950er Jahre) prägte den Typ des New Yorker Art Deco Hochhauses. Das von Cass Gilbert 1913 errichtete Woolworth Building wirkte hier stilbildend. Zahlreiche Hochhäuser dieses Typs wurden in der Hochkonjunkturphase knapp vor dem großen Börsenkrach vom Oktober 1929 geplant und bis in die ersten Jahre der Weltwirtschaftskrise errichtet, etwa William van Alens Chrysler Building (1930) oder das lange Jahre als höchstes Gebäude der Welt firmierende Empire State Building. 1929 standen von den damals 377 Hochhäusern der USA mit mehr als 20 Stockwerken 188 in New York City. Der Zeichner Hugh Ferriss verbreitete in seinem 1929 erschienen Buch "The Metropolis of Tomorrow" den Mythos dieser Art von "Wolkenkratzerstadt", auch Metropolis, der berühmte Stummfilm Fritz Langs aus 1927 bezieht sich auf diese urbanistische Vision. Seit den 1980er Jahren nimmt unter dem Einfluss der Postmoderne die Architektur neuer Hochhausbauten wieder verstärkt auf dieses Hochhausmodell Bezug (siehe Messeturm Frankfurt, Rathaus Tokio von Kenzo Tange oder die Petronas Towers in Kuala Lumpur.
Deutschland
Das erste solitäre Hochhaus Deutschlands ist das 1915 bis 1916 nach Plänen des Architekten Friedrich Pützer errichtete Turmhaus der Carl Zeiss AG in Jena. Es erreichte mit 11 Stockwerken eine Höhe von 43 Metern. Mit seinen rasterartig angeordneten Fenstern besitzt es eine an amerikanischen Vorbildern orientierte Fassade. Die ehemalige Zeiss-Produktionsstätte wird heute, nach umfassender Sanierung, für Büros, Appartements und Arztpraxen genutzt.
Das erste Bürohochhaus, wenn auch von deutlich geringerer Höhe ist das siebenstöckige Industriehaus in Düsseldorf am Wehrhahn, erbaut 1921 bis 1923 nach Plänen der Architekten Hans Tietmann und Karl Haake.
Ein weiteres frühes Hochhaus ist das Wilhelm-Marx-Haus, das 1922 bis 1924 nach Plänen des Architekten Wilhelm Kreis ebenfalls in Düsseldorf errichtet wurde. Es hat eine Höhe von 57 Metern bei 13 Stockwerken.
Das 1925 von Jacob Koerfer in Köln errichtete Hansahochhaus war mit seiner Höhe von 65 Metern bei 17 Stockwerken zum Zeitpunkt der Fertigstellung das höchste Haus Europas.
Der Tagblatt-Turm von 1928 in Stuttgart mit seinen 16 Etagen bei 61 Metern Höhe gilt als das erste in Sichtbeton ausgeführte Hochhaus Deutschlands, entworfen vom Architekten Ernst Otto Oßwald.
Das 1928 fertiggestellte Anzeigerhochhaus in Hannover des Architekten Fritz Höger hat eine Höhe von 50 Meter bei 12 Stockwerken.
Ein weiteres frühes Hochhaus ist das in Eisenbeton und als Stahl-Skelettbau errichtete Hochhaus am Albertplatz in Dresden-Neustadt, das 1929 nach Plänen des Architekten Herrmann Paulick fertiggestellt wurde.
Wiederum für die Firma Carl Zeiss entstand in den Jahren 1935 bis 1936 das Ernst-Abbe-Hochhaus in Jena. Heute ist das Gebäude nach umfassender Sanierung Sitz der Jenoptik-Konzernverwaltung. Es handelt sich um ein Hochhaus mit 16 Stockwerken und einer Höhe von 66,29 Meter. Das Ernst-Abbe-Hochhaus wurde von der Dyckerhoff & Widmann AG unter der Leitung von Johann Braun nach Plänen der Architekten Hans Hertlein und Georg Steinmetz errichtet.
Nach der Form wird zwischen Punkthochhäusern mit eher quadratischer Grundfläche und Scheibenhochhäusern mit längsrechteckiger Grundfläche unterschieden.
Kritik
Der Vorteil der Gewinnung von zusätzlicher Fläche wird bei Hochhäusern mit einer Reihe von Nachteilen erkauft:
- Verschattung der Umgebung
- Durch ihre Höhe werfen Hochhäuser einen größeren Schatten als andere Gebäude auf ihre Umgebung. Dies führt in der Regel zu einer niedrigeren Aufenthaltsqualität in der Umgebung und den verschatteten Gebäuden.
- Fallwinde
- Hochhäuser verursachen durch ihre großflächige Fassade mitunter Fallwinde, d.h. das Mikroklima der Umgebung wird verändert. Bei besonders hohen Gebäude können die Fallwinde eine Stärke erreichen, die einen Aufenthalt in der Umgebung nahezu unmöglich machen.
- Unterbrechung von Sichtachsen
- Hochhäuser können durch ihre Wirkung gewachsene Sichtachsen historischer Städte und Orte empfindlich stören. Ebenso werden harmonische Linien und Traufhöhen von Straßenzügen unterbrochen. Hochhäuser können optisch ganze Stadtteile voneinander trennen.
- Energieverbrauch
- Die große Fläche der Fassade von Hochhäusern erschwert die Wärmedämmung im Winter und erhöht die Wärmeaufnahme im Sommer. Aus diesem Grund ist ein erhöhter Verbrauch von Energie für Klimaanlagen im Vergleich zu anderen Gebäudetypen notwendig.
Diese Punkte haben dazu geführt, dass Hochhäuser in vielen Städten von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werden. (siehe dazu beispielsweise das Ergebnis der Hochhausabstimmung München im November 2004, das um so bemerkenswerter erscheint als Parteien, Wirtschaft und die Süddeutsche Zeitung als führendes Massenmedium eher pro Hochhaus agiert haben). Auch ICOMOS und die Unesco Welterbekommission stehen vielen Hochhausbauten in sensiblen Altstadtbereichen (auch außerhalb Europas) kritisch gegenüber. So sind viele Hochhaus-Projekte nach Kontroversen nicht durchgeführt worden.
Literatur
- Thomas A.P. Van Leeuwen, The Skyward Trend of Thought, Amsterdam, 1986, ISBN 0262720167
- Robert Schediwy, Städtebilder - Reflexionen zum Wandel in Architektur und Urbanistik, (S. 148 ff) , Wien, 2005, ISBN 3825877558
- Kai Eckart: Den Wolken entgegen. Die höchsten Türme Deutschlands. Herbert Utz Verlag, München 1998, ISBN 3-89675-902-7 Das Buch zum kostenlosen Download
Städte mit den meisten Hochhäusern
Rang | Stadt | Land | Anzahl | Weiterführende Informationen |
---|---|---|---|---|
1 | Hong Kong | China | 7.549 | |
2 | New York City | USA | 5.478 | |
3 | Singapur | Singapur | 3.619 | |
4 | São Paulo | Brasilien | 3.549 | |
5 | Seoul | Südkorea | 2.842 | |
6 | Tokio | Japan | 2.496 | |
7 | Istanbul | Türkei | 2.122 | |
8 | Rio de Janeiro | Brasilien | 1.989 | |
9 | Toronto | Kanada | 1.645 | |
10 | Buenos Aires | Argentinien | 1.528 | |
11 | London | Großbritannien | 1.303 | |
12 | Madrid | Spanien | 1.144 | |
13 | Chicago | USA | 1.046 | |
14 | Sydney | Australien | 829 | |
15 | Peking | China | 825 | |
... | Berlin | Deutschland | 326 | 41 angekündigt, weitere 2 in Bau |
... | Frankfurt | Deutschland | 280 | 59 angekündigt, weitere 8 bereits in Bau; siehe auch Liste der Hochhäuser in Frankfurt am Main |
... | Wien | Österreich | 88 | 7 angekündigt, weitere 2 in Bau |
... | Basel | Schweiz | 32 | 2 angekündigt, weitere 2 in Bau |
... | Zürich | Schweiz | 23 | 7 weitere angekündigt; siehe auch Hochhäuser in Zürich |
Weblinks
Wolfram Lübbeke, Hochhäuser, in: Historisches Lexikon Bayerns
EMPORIS.DE [1]