Jacob Hamburger
Jacob Hamburger (* 10. November 1826 in Loslau bei Breslau (Oberschlesien); † 23. November 1911 in Neustrelitz (Mecklenburg-Strelitz) war ein deutscher Rabbiner.
Jacob Hamburger erhielt seine erste Ausbildung in Ratibor; jüdische Schulen (jeschiwot) besuchte er zudem in Hotzenplotz, Presburg, und Nikolsburg. Sein Studium an der Universität Breslau wie in Berlin und Leipzig schloß er 1852 mit Promotion ab. Unmittelbar danach wirkte er sieben Jahre als Rabbiner in Neustadt b. Pinne (1852–1859) , danach in Strelitz, wo er recht bald als Ober- und Landesrabbiner im damaligen Herzogtum Mecklenburg-Strelitz bis zu seinem Lebensende tätig war.
Hamburgers erstes Werk war seine 1852 in Leipzig erschienene Doktorarbeit, in der er sich mit einer aramäischen Übersetzung der fünf Bücher Mose beschäftigt hatte. Fünf Jahre später legte er seine enzyklopädische Frühschrift Geist der Hagada vor, das gewissermassen Hamburgers Anfangsstadium einer sich über vier Jahrzehnte hinziehenden lexikographischen Arbeit darstellt. Dieses erste enzyklopädische Werk Hamburgers Mitte der 1850er Jahre blieb zunächst auf die Haggada, das Buch für das Pessahfest beschränkt, worin der Auszug der Juden aus Ägypten (gemäß dem 2. Buch Mose (Exodus)) beschrieben wird. Dem Vorwort dieses ersten, den Buchstaben A auf 140 Seiten abhandelnden Bandes zufolge hatte er ursprünglich eine "Real-Encyclopädie der Hagada" anvisiert; doch schon mit diesem ersten Band endete das auf die Haggada reduzierte Projekt. Dreizehn Jahre später legte Hamburger eine Enzyklopädie vor, die die (jüdische) Bibel (gemeint sind die fünf Bücher Mose) in über tausend Lemmata von A-Z abhandelte. Dreizehn Jahre später dauerte es wiederum bis er diesem ersten Band (Abteilung I.) mit "Biblischen Artikeln" einen zweiten mit über 1.300 Seiten hinzufügen konnte, in dem die Bereiche "Talmud und Midrasch" sowie Apokryphen, die Schriften Philons von Alexandrien und die Flavius Josephus' von A-Z abgehandelt wurden.
Für die zweite verbesserte aber nicht vermehrte Auflage der Abteilungen I und II sowie dem Erscheinen der Supplementbände (1896/97) entschied sich Hamburger zur Umbenennung des gesamten Werkes in "Real-Encyclopädie des Judentums" (1896/97). In dem Prospekt zu dieser einzigen und letzten Neuauflage betitelte er sein Werk auch als "Konversations-Lexikon des Judentums", worin man
„klar und rasch Aufschluss über Gegenstände aus der Geschichte, den Lehren und Gesetzen der Ethik, des Kultus, der Dogmatik und des Rechts im Judentume erhält, ist ein dringendes, längst anerkanntes Bedürfnis. Freunde und Förderer der Wissenschaft, Männer, die Herz und Sinn für die Geschichte und Litteratur unserer Ahnen sich zu bewahren verstanden haben, mögen in der Anschaffung dieses gemeinnützigen Werkes nicht zurückbleiben. (…) Dieses Werk ist nicht blos ein Kompendium der Geschichte und Wissenschaft des Judentums für Gelehrte, sondern auch ein belehrendes Nachschlagebuch für Laien, Juden und Nichtjuden, welche eine objektive Darstellung der öffentlich zur Sprache kommenden Gegenstände des Judentums wünschen und suchen.“
Die zeitgenössischen, das Judentum jenseits von Bibel, Talmud und Midrasch abhandelnden Artikel sind überwiegend in den sehr seltenen (sechsteiligen) Supplementa zu finden. Von daher kann gemutmaßt werden, dass Hamburger in der Endphase Mitte der 1890er Jahre diese Titeländerung vornahm, um einen größeren Leserkreis anzusprechen. Neben kommerziellen Interessen ging es ihm unbezweifelbar um Leserkreise, für die Bibel, Talmud und Midrasch nicht mehr im Zentrum ihres Tagewerkes standen. Somit entstand unter der Ägide des Landesrabbiners im Herzogtum Mecklenburg-Strelitz nicht nur die erste deutschsprachige Enzyklopädie zum Judentum, sondern auch die erste, explizit dem Judentum gewidmete Enzyklopädie weltweit.
Während Hamburgers Enzyklopädie seit dem deutschen Kaiserreich kaum wahrgenommen worden ist, verblüfft seine stärkere Aufmerksamkeit und Bekanntheit im angelsächsischen Raum (England und den USA). Dies umso mehr als sein Werk keinerlei Übersetzungen auch nicht in Teilen ins Englische gezeitigt oder Publikationen in englischen Periodika placiert hat. Im "Jahrbuch der Zentralkonferenz Amerikanischer Rabbiner" (Year Book of the Central Conference of American Rabbis) (1908) wurde der Jubilar anlässlich seines 80. Geburtstages als einer der „begnadetesten Arbeiter auf dem Felde der jüdischen Literatur“ bezeichnet. Diese seine Lebensleistung ist umso mehr zu würdigen, als keine Mitautoren seiner auf fast 4.000 Seiten versammelten 3.000 Artikeln in der Real-Enzyklopädie bekannt sind.
Werke
- Jacob Hamburger: Geist und Ursprung der aramäischen Übersetzung des Pentateuchs, bekannt unter dem Namen Targum Onkelos, Leipzig 1852. (Philosophische Dissertation)
- Jacob Hamburger: Geist der Hagada. Sammlung hagadischer Aussprüche aus den Talmuden und Midraschim über biblische, dogmatische, moralische und antiquarische Gegenstände. In alphabetischer Ordnung bearbeitet, Verlag Leopold Schnauß, Leipzig, 1857. (=Institut zur Förderung der israelitischen Literatur)
- Jacob Hamburger: Real-Encyclopädie für Bibel und Talmud (mit Abtheilung III (=Band III) in der ersten Auflage fortgeführt als Real-Encyclopädie des Judentums). Wörterbuch zum Handgebrauch für Bibelfreunde, Theologen, Juristen, Staatsmänner, Gemeinde- und Schulvorsteher, Lehrer u.a.m., Bd. I-III (einschließlich 6 Supplementa), Schletter'sche Buchhandlung H. Skutsch, Kommission K. F. Köhler und Selbstverlag des Verfassers, Breslau/Strelitz/Leipzig 1870-1901. (=1. Auflage)
- Abtheilung I. Die biblischen Artikel (Von A-Z), Schletter'sche Buchhandlg. H. Skutsch, Breslau 1870. (1103S.)
- Abtheilung II. Die talmudischen Artikel (Von A-Z), Selbstverlag, Strelitz 1883. (1332S.)
- Supplement-Band I zur Abtheilung I (Biblischer Teil) und II (Talmudischer Teil), K. F. Köhler, Leipzig 1886. (158S. & 138S.)
- Supplement-Band II zur Abtheilung I (Biblischer Teil) und II (Talmudischer Teil), K. F. Köhler, Leipzig 1891. (177S.)
- Supplement-Band III zur Abtheilung I (Biblischer Teil) und II (Talmudischer Teil), K. F. Köhler, Leipzig (nebst Hauptregister, deutsch und hebräisch, zu allen Teilen dieses Werkes), K. F. Köhler, Leipzig 1892. (156S.)
- Supplement-Band IV zur Abtheilung III (Judentum), Selbstverlag des Verfassers, Strelitz i.M. 1897. (138S.)
- Supplement-Band V zur Abtheilung III (Judentum), Selbstverlag des Verfassers, Strelitz i.M. 1900. (146S.)
- Supplement-Band VI zur Abtheilung III (Judentum), Selbstverlag des Verfassers, Strelitz i.M. 1901. (126S.) (=Schlussheft)
- Jacob Hamburger: Real-Encyclopädie des Judentums. Wörterbuch zum Handgebrauch für Bibelfreunde, Theologen, Juristen, Staatsmänner, Gemeinde- und Schulvorsteher, Lehrer, Schulinspektoren u.a.m., Bd. I-III (einschließlich 6 Supplementa), Schletter'sche Buchhandlung H. Skutsch, K. F. Koehler in Kommission und Selbstverlag des Verfassers, Leipzig 1896-1901. (=2. und letzte, aber seitenzahlenidentische Auflage)
- Abtheilung I. Die biblischen Artikel (Von A-Z), Schletter'sche Buchhandlg. H. Skutsch, Leipzig 1896. (1102S.)
- Abtheilung II. Die talmudischen Artikel (Von A-Z), Selbstverlag, Neustrelitz 1896. (1331S.)
- Supplementa wie unter der 1. Auflage angegeben.
- Jacob Hamburger: Predigten, Leipzig 1870.
Literatur
- N.N.: Mecklenburg-Strelitzsche Landeszeitung, Nr. 69 (1897). (Über die Freundschaft zu [Daniel Sanders])
- N.N.: Gamburger, Jakov, in: Lev I. (Ieguda-Lejb-Ven'jamin) Kacenel'son: Evrejskaja ėnciklopedija: Svod znanij o evrejstvĕ i ego kul'turĕ v prošlom i nastojaščem, Bd. 1-16, izdatel'stvo Brokgauz-Efron, S.-Peterburg 1908–1913, Bd. 6 (um 1910), S. 127/128.
Weblinks
- N.N.: Zum 70. Geburtstag des Landesrabbiners, in: Allgemeine Zeitung des Judentums 47 (20. November 1896), S. 14 (=Der Gemeindebote, S. 2).
Personendaten | |
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NAME | Hamburger, Jacob |
KURZBESCHREIBUNG | Deutscher Rabbiner |
GEBURTSDATUM | 10. November 1826 |
GEBURTSORT | Loslau (Oberschlesien) |
STERBEDATUM | 23. November 1911 |
STERBEORT | Neustrelitz (Mecklenburg-Strelitz) |