Zum Inhalt springen

Gerichtsorganisation in der Türkei

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 23. Juni 2007 um 17:27 Uhr durch Westthrakientürke (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Gerichtsbarkeit der Türkei ist entsprechend der Verfassung unabhängig und unterliegt keinerlei Weisung. Zuständig für Personalfragen und die disziplinarrechtliche Kontrolle der Gerichte ist der "Hohe Rat der Richter und Staatsanwälte" (Hakimler ve Savcılar Yüksek Kurulu).[1]

Das türkische Gerichtswesen besteht bei Straf- und Zivilsachen grundsätzlich aus zwei Instanzen: Tatsacheninstanz und Revision (temyiz). Eine Berufung existiert lediglich bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Einführung einer Berufungsinstanz (İstinaf mahkemesi) ist zwar vorgesehen, jedoch noch nicht vollzogen.

Das Militär verfügt über eine eigene Gerichtsbarkeit

Das Verfassungsgericht

Das Verfassungsgericht (Anayasa Mahkemesi) hat drei Hauptaufgaben:

  1. Die Überprüfung von Gesetzen und Verordnungen mit Gesetzeskraft (Art. 150 und 152 der Verfassung)
  2. Die Funktion als Staatsgerichtshof (Yüce Divan) nach Art. 148 der Verfassung
  3. Das Verbot von politischen Parteien (Art. 148)

Eine Verfassungsbeschwerde, die in Deutschland über 90 Prozent der Arbeit des Verfassungsgerichts ausmacht, ist nach türkischem Recht nicht vorgesehen. Aus diesem Grunde hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für Türken eine große Bedeutung.

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit

Der Verwaltungsgerichtshof oder auch Staatsrat (Danıştay) wurde 1868 eingeführt. Er besteht heute aus 13 Senaten. Erst 1982 erfolgte der Aufbau einer Verwaltungsgerichtsbarkeit. Es gibt folgende Verwaltungsgerichte:

  • Verwaltungsgericht (İdare Mahkemesi), besteht aus einem Einzelrichter, Berufungsinstanz: Regionalverwaltungsgericht (Bölge İdare Mahkemesi)
  • Steuergericht (Vergi Mahkemesi), besteht aus einem Einzelrichter, Berufungsinstanz: Regionalverwaltungsgericht
  • Regionalverwaltungsgericht, besteht aus drei Richtern, Berufungsinstanz: Verwaltungsgerichtshof

Die ordentliche Gerichtsbarkeit

Die Strafgerichtsbarkeit

Die türkische Strafgerichtsbarkeit kennt folgende Gerichtsarten:

  • Friedensgericht (Sulh Ceza Mahkemesi): Dieses Gericht ist mit einem Einzelrichter besetzt und verhandelt Bagatelldelikte.
  • Strafkammer (Asliye Ceza Mahkemesi): Dieses Gericht ist mit einem Einzelrichter besetzt und verhandelt mittelschwere Strafsachen bis zu einem Strafmaß von 10 Jahren Haft.
  • Große Strafkammer (Ağır Ceza Mahkemesi): Dieses Gericht ist mit drei Richtern besetzt und verhandelt schwere Strafsachen. Das Mindeststrafmaß der Delikte beträgt 10 Jahre.

Revisionsinstanz ist stets der Kassationshof (Yargıtay). Hebt der Kassationshof das Urteil einer Vorinstanz auf (karar bozma), beharrt die Vorinstanz aber trotzdem auf ihrem Urteil, entscheidet automatisch der "Große Strafsenat des Kassationshofes" (Ceza Genel Kurulu) letztinstanzlich. Zu den Großen Strafkammern und dem Kassationshof gehören sogenannte "Staatsanwaltschaften der Republik" (Cumhuriyet Savcılığı).

Die Zivilgerichtsbarkeit

Die türkische Zivilgerichtsbarkeit kennt folgende Gerichtstypen:

  • Ziviles Friedensgericht (Sulh Hukuk Mahkemesi): Dieses Gericht ist mit einem Einzelrichter besetzt und verhandelt Zivilsachen mit geringem Streitwert.
  • Zivilkammer (Asliye Hukuk Mahkemesi): Dieses Gericht ist mit einem Einzelrichter besetzt und verhandelt Zivilsachen mit höherem Streitwert.
  • Kammer für Handelssachen (Asliye Ticaret Mahkemesi): Dieses Gericht ist mit drei Richtern besetzt.

Die Streitwertgrenze lässt sich nicht genau bestimmen, da sie inflationsbedingt wechselt.

Anmerkungen

  1. Durch die Unterbringung dieses Gremiums in Räumlichkeiten des Justizministeriums ist eine erhebliche Einflussnahme der Politik - ähnlich wie in Deutschland - möglich.

Literatur