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Konrad Lorenz

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Konrad Lorenz (* 7. November 1903 in Wien; † 27. Februar 1989 ebenda) war einer der herausragenden Vertreter der Ethologie (vergleichenden Verhaltensforschung). Für seine Leistungen erhielt er 1973 gemeinsam mit Karl von Frisch und Nikolaas Tinbergen den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie. Er erhielt den Preis in Anerkennung seiner Forschungen auf dem Gebiet der Prägung im Tierreich, insbesonders bei den Graugänsen. Zur Veranschaulichung der Steuerung des Instinktverhaltens entwickelte er ein mechanistisches psychohydraulische Instinktmodell. Heute spielt diese Theorie kaum noch eine Rolle in der Verhaltensforschung.

Weit über den engeren wissenschaftlichen Kreis hinaus bekannt wurde Lorenz durch diverse engagierte populärwissenschaftliche Publikationen, die ihn als Moralisten ("Anthropomorphismus") und Philosophen kennzeichnen, u.a. in "Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit" und "Das sogenannte Böse". Alle Schriften prägen die entschiedene Gegnerschaft zum Behaviorismus und die tiefe Überzeugung eines weittragenden phylogenetischen "A priori" des menschlichen Verhaltens. Während der Behaviorismus die Umwelt betonte, legte Lorenz den Schwerpunkt auf den biologischen Determinismus. Bei Lorenz handelte es sich dabei um eine Theorie des Anthropomorphismus. Einzelne Phänomene aus der Tierwelt werden unmittelbar als menschliche Handlungsweisen interpretiert, während gleichzeitig menschliche Eigenschaften analog einzelnen Phänomenen aus dem Tierreich zugeordnet werden. Lorenz folgte damit einer Methode, die gerade im Nationalsozialismus die grundlegende Perspektive bildete. In dieser Zeit fallen auch die wesentlichen Ansätze seiner Theorie.

Konrad Lorenz' Karriere im Nationalsozialismus

Konrad Lornez behauptete wie viele andere Österreicher und Österreicherinnen nach der Niederschlagugn des NS-Regimes nie der NSDAP beigetreten zu sein (er berief zB sich darauf, dass sein Mitgliedsausweis nie zugestellt wurde). Sein Ansuchen um Aufnahme in die Partei spricht aber klare Worte:

Ich war als Deutschdenkender und Naturwissenschaftler selbstverständlich immer Nationalsozialist und aus weltanschaulichen Gründen erbitterter Feind des schwarzen Regimes (nie gespendet oder geflaggt) und hatte wegen dieser auch aus meinen Arbeiten hervorgehenden Einstellung Schwierigkeiten mit der Erlangung der Dozentur. Ich habe unter Wissenschaftlern und vor allem Studenten eine wirklich erfolgreiche Werbetätigkeit entfaltet, schon lange vor dem Umbruch war es mir gelungen, sozialistischen Studenten die biologische Unmöglichkeit des Marxismus zu beweisen und sie zum Nationalsozialismus zu bekehren. Auf meinen vielen Kongress- und Vortragsreisen habe ich immer und überall mit aller Macht getrachtet, den Lügen der jüdisch-internationalen Presse über die angebliche Beliebtheit Schuschniggs und über die angebliche Vergewaltigung Österreichs durch den Nationalsozialismus mit zwingenden Beweisen entgegenzutreten. Dasselbe habe ich allen ausländischen Arbeitsgästen auf meiner Forschungsstelle in Altenberg gegenüber getan. Schließlich darf ich wohl sagen, daß meine ganze wissenschaftliche Lebensarbeit, in der stammesgeschichtliche, rassenkundliche und sozialpsychologische Fragen im Vordergrund stehen, im Dienste Nationalsozialistischen Denkens steht!

Am 1.9.1940 wurde Konrad Lorenz überra­schend für die damalig psychologische Fachwelt zum ordent­lichen Professor der Psychologie an der Reichsuniversität Königsberg ernannt. Lorenz er­freute sich dabei kei­nesfalls der Wertschätzung seiner Kolle­gen, sondern wurde auf Intervention des Reichsministeriums für Wissenschaft und Erziehung gegen den Widerstand der dortigen Fakultät eingesetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt war Lorenz nur als Privatdozent tätig. Es bedurfte daher seit 1938 die Intervention des SS-Ahnenerbe Abteilungsleiters und Dekans der Universität Wien Christian, (d)a Lorenz keine festen Einkünfte besitzt, wird es ihm schwer, seinen Lebensunterhalt sowie den seiner Familie aufrechtzuerhalten , um seine ökonomische Versorgung bis 1940 zu gewährleisten.

Eine wesentliche Rolle spielt hierbei der Soziologe Arnold Gehlen. Dieser hatte 1936 gefordert, Immanuel Kant, Hegel und Fichte zur Basis des Rassenverständnis im Nationalsozialismus zu machen. 1938 übernahm Gehlen den renommierten Kantlehrstuhl an der Reichsuniversität Königsberg. 1939 wurde er darüberhinaus Leiter des psychologischen Institutes in Königsberg. Am 1.1.1941 wurde dies dann an Konrad Lorenz übergeben, während Arnold Gehlen an die Reichsuniversität Wien zu Christian wechselte. Aus dieser Zeit stammt auch ein Artikel über Kants Lehre von Apriorischen im Lichte gegenwärtiger Biologie, von K. Lorenz der in den 60 Jahren zur Theorie einer Evolutionären Erkenntnistheorie führte. Lorenz war seit 1938 NSDAP Mitglied, sowie im NSV und Reichskolonialbund. Bis dahin hatte Lorenz sich vor allem einen Namen durch seine anthropologischen Lichtbildvorträge im Stile nationalsozialistischer Rassenpropaganda gemacht.

Seine daraus folgenden Schlussfolgerung einer notwendigen systematischen Selektion kranken Erbmaterials zur Erhaltung einer lebenstüchtigen Zivilisa­tion bildeten bis zu seinem Tode den Kern seines biologisch determinierten Gesellschaftsverständnisses. In den 60 Jahren des 20 Jahrhunderts widmete sich Lorenz vor allem des von ihm entwickelten Aggressionstriebes, deren Kernpunkte sich jedoch mit der Zeit als wissenschaftlich nicht haltbar erwiesen.

Die wissenschaftliche Bedeutung von Konrad Lorenz innerhalb der Verhaltensforschung

Lorenz' Bedeutung liegt weniger in seinen wissenschaftlichen Arbeiten, als darin, die Verhaltensforschung ins öffentliche Bewusstsein gerückt und zur institutionellen Verankerung der Verhaltensforschung in den Universitätsbetrieb beigetragen zu haben. Lorenz' Untersuchungen halten heutigen wissenschaftlichen Kriterien nicht mehr stand. Während innerhalb der Fachwelt immer mehr von seinen Thesen abgerückt wurde, kam es erst 1992 zum öffentlichen Bruch mit seinen Vorstellungen. Hanna M. Zippelius löst dabei eine Diskussion aus, in dem sie nachwies, dass von einer experimentellen Grundlage der Theorie von Lorenz und Timmberg nicht gesprochen werden konnte. Einige Ergebnisse legen dabei sogar den Verdacht nahe, das Lorenz und Timmberg bewusst Daten manipulierten oder ausließen, weil sie nicht in ihre Theorie passten. Lorenz' Theorie ist ein klassisches Beispiel für die Entwicklung von Artefakten innerhalb einer Wissenschaftsentwicklung.

Nach der Niederlage des Nationalsozialismus konnte der Forscher an viele seiner Gedankengänge anknüpfen, freilich mit einer etwas entschärften Sprache und weniger ambitioniert für eine Eugenik streitend. Lorenz versuchte immer wieder, seine Nazivergangenheit mit dem Verweis auf seine Naivität herunterzuspielen. So schreibt er etwa in "Leben ist Lernen": "Ich habe gehofft, daß der Nationalsozialismus etwas Gutes bringen wird, nämlich in Bezug auf die Hochschätzung der biologischen Vollwertigkeit des Menschen, gegen Domestikation usw. Daß die Leute `Mord´ meinten, wenn sie `ausmerzen´ oder wenn sie `Selektion´ sagten, das habe ich damals wirklich nicht geglaubt." Er distanzierte sich damit aber nur von der Wortwahl, in keiner Weise jedoch vom Inhalt seiner Artikel. Stattdessen verteidigte er unaufhörlich seine Degenerationslehre, die er der Domestikation zuschrieb: dabei gleiche der Stadtmensch dem degenerierten Haustier. Der von ihm ausgemachte Schönheitsinstinkt - ein angeborenes Schönheitsempfinden - weist nicht zufällig in die Richtung des vom Nationalsozialismus propagierten Schönheitsideals.

Trotz kritischer Artikel über sein Wirken während der NS-Zeit und die Kontinuitäten danach bekam er 1973 den Nobelpreis.

Literatur

  • Konrad Lorenz: Durch Domestikation verursachte Störungen arteigenen Verhaltens (Zeitschrift für angewandte Psychologie und Charakterkunde (Band 59, 1940)
  • Lorenz, Konrad: Kants Lehre von Apriorischen im Lichte gegenwärtiger Biologie. Blätter für Deutsche Philosophie (Band 15, 1941)
  • Konrad Lorenz: Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen. dtv Taschenbücher Bd.20225. 1998. ISBN 3-423-20225-4
  • Konrad Lorenz: The Foundations of Ethology. Springer, Wien 1992. ISBN 3-211-81623-2
  • Konrad Lorenz: Das sogenannte Böse. Zur Naturgeschichte der Aggression.. ISBN 3-900-17603-5 (Auch als Taschenbuch verfügbar)
  • Konrad Lorenz: Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit. Serie Piper Bd.50. ISBN 3-492-20050-8
  • Konrad Lorenz : So kam der Mensch auf den Hund. DTV, ISBN 3-423-20113-4
Konrad Lorenz untersucht acht Vorgänge, die die Menschheit als Spezies mit dem Untergang bedrohen: die Überbevölkerung der Erde, die Verwüstung des natürlichen Lebensraums, der Wettlauf des Menschen mit der technologischen Entwicklung, der Schwund der starken Gefühle, der genetische Verfall, die Abkehr von der Tradition, die zunehmende Indoktrinierbarkeit sowie die atomare Aufrüstung.

Sekundärliteratur

  • H. M. Zippelius: Die vermessene Theorie, Braunschweig 1992
  • Th.J. Kalikow: Die ethologische Theorie von Konrad Lorenz: Erklärung und Ideologie, 1938 bis 1943 in: Mehrtens,H.- Richter, St.; Naturwissenschaft Technik und NS-Ideologie, Frankfurt a. M. 1980
  • Benedikt Föger, Klaus Taschwer: Die andere Seite des Spiegels, Czernin Verlag 2001, ISBN 3707601242

Zitate

Die Fähigkeit eines Tieres, Schaden zu stiften, ist proportional zu seiner Intelligenz. Der Mensch hält auch hier die Spitze." -- profil

1943: "Die Idee der Rasse, die die Grundlage unseres politischen Regimes ist, hat bereits viel in dieser Richtung erreicht." --

in: Konrad Lorenz, Die angeborenen Formen möglicher Erfahrung, in: »Zeitschrift für Tierpsychologie«, Bd. 5, 1943, S. 302

1973: "Das verderbliche Wachstum bösartiger Tumoren beruht, wie schon angedeutet, darauf, daß gewisse Abwehrmaßnahmen versagen oder von den Tumorzellen unwirksam gemacht werden, mittels deren der Körper sich sonst gegen das Auftreten asozialer Zellen schützt. Nur wenn diese vom umgebenden Gewebe als seinesgleichen behandelt und ernährt werden, kann es zu dem tödlichen infiltrativen Wachstum der Geschwulst kommen. Die schon besprochene Analogie lässt sich hier weiterführen. Ein Mensch, der durch das Ausbleiben der Reifung sozialer Verhaltensnormen in einem infantilen Zustand verbleibt, wird notwendigerweise zum Parasiten der Gesellschaft.« ... »Es ist nicht auszuschließen, daß viele Infantilismen, die große Anteile der heutigen >rebellierenden< Jugend zu sozialen Parasiten machen, möglicherweise genetisch bedingt sind."

"Ich habe damals - genau wie ich es heute tue - den genetischen Verfall des Zivilisationsmenschen, das, was ich roh die Verhausschweinung des Zivilisationsmenschen nenne, für eine große Gefahr gehalten. Wenn Sie den Aufsatz als ganzen lesen, werden Sie finden, dass ich mich zwar der Terminologie der Nazis bediene, dass aber die Ideologie, die diesem Aufsatz zugrunde liegt, genau die gegenteilige ist."

in: Konrad Lorenz, Acht Todsünden der Menschheit, München 1973, 1. Aufl., S. 64 ff

1988: "Es zeigt sich, daß die ethischen Menschen nicht so viele Kinder haben und die Gangster sich unbegrenzt und sorglos weiter reproduzieren." "...gegen Überbevölkerung hat die Menschheit nichts Vernünftiges unternommen. Man könnte daher eine gewisse Sympathie für Aids bekommen."

in: Konrad Lorenz in einem Gespräch anlässlich seines 85. Geburtstags, in: »Natur«, Nr. 11, München 1988.