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Otto Harder

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Otto Fritz Harder (* 25. November 1892 in Braunschweig; † 4. März 1956 in Hamburg) war ein deutscher Fußballspieler und Aufseher in verschiedenen Konzentrationslagern.

Leben

Otto Harder begann seine fußballerische Karriere im Alter von 16 Jahren bei Hohenzollern Braunschweig. Zuvor hatte er sich, wie auch Adolf Jäger vom Altonaer FC von 1893, eher zur Leichtathletik hingezogen gefühlt. Bereits nach einem Jahr wechselte Harder zu Eintracht Braunschweig. 1912 kam Harder anlässlich des Gastspiels der englischen Profimannschaft Tottenham Hotspur zu dem Spitznamen „Tull“, wie der Engländer Walter Daniel Tull hieß, ein dem 1,90 m großen Harder in der Statur ähnlicher Schwarzer (der erste schwarze Feldspieler im britischen Profifußball). 1913 bereits wollte „Tull“ Harder zum Hamburger FC 1888 wechseln, aus dem 1920 der Hamburger SV hervorging. Fans der „Eintracht“ wollten Harder gewaltsam an der Fahrt nach Hamburg hindern, dieser jedoch hatte Wind von der Aktion bekommen und stieg in Peine in den Zug. Schließlich spielte Harder doch noch ein weiteres Jahr in Braunschweig und ging erst danach zum HFC 1888. Im Ersten Weltkrieg wurde Otto Harder eingezogen und erhielt das Eiserne Kreuz zweiter, und, nach dem Erstürmen einer Festung, erster Klasse.

Nach der Gründung des Hamburger SV gehörte Harder zu jenen Spielern, die am Endspiel zur Meisterschaft 1922 teilnahmen. 1923 wurde Harder zum ersten Mal offiziell Deutscher Meister mit dem Hamburger SV, 1928, mit 36 Jahren, gewann er seinen zweiten Meistertitel und stellte dabei einen Weltrekord auf, als er in der „Alsterstaffel“ im Treffen mit Wandsbek 1910 12 Tore erzielte. Trotzdem nahm Reichstrainer Dr. Otto Nerz Harder nicht mit zu den Olympischen Spielen, die damals noch den Status einer Weltmeisterschaft hatten. Insgesamt kam Harder 1914-1926 zu 15 Länderspielen, in denen er 14 Treffer erzielte. In seinen letzten fünf Länderspielen war er Kapitän der Nationalmannschaft und schoss insgesamt zehn Tore. 1929 gewann der Hamburger SV ein Duell mit Penarol Montevideo, fast identisch mit der Olympiasiegermannschaft von 1924, mit 4:2. Harder schoss alle vier Treffer. 1930 wechselte Harder zum SC Victoria Hamburg, um zwei Jahre später, mit 40 Jahren, endgültig seine Karriere zu beenden.

Harders fußballerische Stärke waren seine berühmten Alleingänge. „Wenn spielt der Harder Tull, dann heißt es drei zu null...“ sang man in den Hamburger Kabaretts - ein Lied, dass es auch auf Schallplatte gab. Seine Karriere war 1927 Anlass für den Stummfilm „Der König der Mittelstürmer“ mit Paul Richter als „Tull Harper“ (sic!) und Aud Egede Nissen in den Hauptrollen. Der ehemalige Hauptschriftleiter des Kicker, Dr. Friedebert Becker, charakterisierte Harders Stil wie folgt: „Gerade heute im Zeitalter des WM-Systems weiß man, daß es mit Laufen und Schießen nicht mehr ganz getan ist. Harder war ... ein Techniker erster Klasse, aber sein Stil brauchte die Technik, die sich namentlich im ungeheuer sicheren Ballführen, klarem Schießen und Köpfen auswirkte, nicht zum Schnörkeln. Sie war ihm zur Voraussetzung seiner ureigensten Art mit einer beispiellosen Sicherheit und Kraft, mit einem selten gesehenen explosiven Start auf dem kürzesten Weg auf das Tor zuzusteuern, gegeben. Tull Harder zerbrach sich nicht den Kopf, wie man eine Aktion anlegen konnte, sondern er handelte sofort. Adolf Jäger führte seine Elf mit Raffinesse, wie Schachfiguren, Harder dagegen bot, so schnell wie es ging, Schach!

Harder wurde 1932 Mitglied der NSDAP und trat der SS ein Jahr später bei. 1939 wurde er Wachmann im KZ Sachsenhausen in Oranienburg, und seit 1939 war er unter anderem in der Lagerverwaltung des KZ Neuengamme in Hamburg tätig. Seit August 1944 befehligte Harder als SS-Hauptscharführer das KZ Ahlem bei Hannover. Ein britisches Militärgericht verurteilte ihn 1947 als Kriegsverbrecher zu 15 Jahren Zuchthaus. Der Hamburger SV schloss sein Mitglied vorübergehend aus. Bereits Weihnachten 1951 wurde Harder vorzeitig aus dem Zuchthaus Werl in Westfalen entlassen. Otto Harder starb am 4. März 1956 im Alter von 63 Jahren. Am Begräbnis nahmen zahlreiche Vereinsvertreter des Hamburger SV teil. Als anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 1974 in Hamburg vom Senat eine Broschüre gedruckt wurde, in welcher der Name „Tull Harder“ vorkam, bei der gesamten Auflage musste die Seite entfernt werden.